Kapitel 16

Nach dem sich die Frau wieder Jackmyr und Danemon zugewandt hatte, sprach sie. Ihre Stimme war hell und hoch, warm und weich zu gleich. Sie war eine Stimme der man vollends vertraute, wenn man sie nur hörte. Wenn man allerdings auf die Worte achtete, war diese Frau mehr als aufgebracht. „Ich habe euch nicht die Schriften überlassen, damit ihr meine Tochter umbringt!" sagte sie und in ihrer warmen Stimme schwang Verachtung mit, wie ich sie nicht besser ausdrücken konnte. „Ich dachte ihr Menschen wärt das intelligenteste Volk das ich geschaffen habe, aber anscheinend habt ihr eure einst so herrliche Kultur aufgegeben und mich vergessen." sagte sie. Jackmyr krallte seine Finger in seine Notizen und Danemon, den nichts aus der Ruhe bringen konnte, stand mit offenem Mund da und traute seinen Augen nicht. „Bist du das Schicksal?" fragte Jackmyr leise und räusperte sich dann. Er richtete sich auf und wirkte nicht mehr so verweichlicht wie vor einigen Sekunden. Die Frau nickte nur, so dass ihre weißen schillernden Haare nach vorne über ihre Schultern fielen. „Wir haben dir hiermit das Opfer gebracht, das du von uns erwartet hast..." sagte Jackmyr laut und gut vernehmbar, allerdings merkte man das er sich die Worte zu Recht gelegt hatte. Er war sicher nicht mit der Erwartung hier hergekommen das Schicksal persönlich, oder wie auch immer man diese Frau nennen sollte, zu treffen, aber er musste wahrscheinlich bei diesem Ritual etwas sagen und das konnte er ihr nun jetzt persönlich vortragen. Die Frau jedoch wirkte wenig begeistert. „Ich weiß was ihr wollt, ich weiß woher ihr kommt! Aber das was ihr verlangt werde ich nicht euch geben, was glaubt ihr wer ihr seid?" fragte sie und stemmte ihre Hände in die Hüften. Ihre Haare glitten wieder an ihren Schultern vorbei den Rücken hinunter und sahen aus wie aus flüssigem, reinem Schnee. Danemon wich sichtlich zurück als die Frau in Weiß näher kam und als sie ihm ein Zeichen mit den Augen gab, rannte er um sein Leben. Nun waren Jackmyr, die Frau in Weiß und ich halb verbranntes Mädchen auf dem Boden des Raumes alleine. Doch mich schien keiner zu beachten.

„Ich bin der Ordensmeister des Ordens der Diebe!" sagte Jackmyr, er hatte offensichtlich sein komplettes Selbstvertrauen wiedergefunden. „Du bist vielleicht der wahre Erbe, aber das heißt noch lange nicht, dass du auch mein Auserwählter bist. Ich wähle grundsätzlich herzensgute Menschen aus, die kein Mitglied umbringen würden, nur um ihre Gier zu stillen!" sagte sie lauter als Jackmyr und kam auf ihn zu. Er jedoch machte keine Anstalten ihr irgendwie nachzugeben. „Ich bin hier her gekommen um mir das zu holen was mein ist, die Anerkennung der anderen Orden und die Gunst des Schicksals meinen Orden in den Reichtum zu führen. Ich habe getan was von mir verlangt wurde, also gib mir was mein ist!" sagte er, er brüllte schon fast. In seinen Augen funkelte etwas, doch es war nichts Gutes. So hatte ich ihn noch nie erlebt, er war nahezu besessen von dem Gedanken an Macht zu kommen. Hatte er bis jetzt etwa nur geschauspielert und uns etwas vorgemacht? „Ich werde dir geben, was dir gebührt!" sagte sie und auf Jackmyrs Gesicht erschien ein breites Grinsen. Er dachte, er hätte das erreicht was er wollte. Die Frau legte ihre grazile Hand auf seinen Kopf und ich konnte beobachten wie seine Augen komplett weiß wurden. „Du solltest deine wichtigen Übersetzungen nicht von einem Mädchen machen lassen, dass durch und durch von Hass zerfressen ist und mit allen Mitteln versucht ihre Konkurrentin auszulöschen." sagte sie, dann brach Jackmyr auf dem Boden zusammen. Als sein Körper auf dem Boden aufschlug ging er in Flammen auf und brannte schneller aus als eine Kerze, ein kleines Häufchen Asche blieb zurück. Ich musste erst ein Mal den Satz der Frau verarbeiten. Jackmyr hatte die alte Sprache nicht selbst übersetzt sondern sich von jemandem Hilfe geholt, das war nicht weiter schlimm. Aber wer wollte seine Konkurrentin um jeden Preis ausschalten? - „Nefra!" entfuhr es mir leise, meine Stimme hörte sich kratzig an und klang gar nicht nach mir. Die Frau drehte sich um, sodass ihre Haare in einem perfekten Kreis flogen, ebenso wie ihr langes weißes Kleid. Sie kniete sich neben mich und beugte sich über mich, dann nickte sie. „Nefra war von Hass nur so zerfressen, sie hatte die Schriften ganz gelesen und nur so getan, als könnte sie nur einzelne Wörter. Sie schrieb den Text allerdings etwas um und tauschte Wörter wie 'Auserwählte' durch 'Opfergabe'." sagte sie leise und ihre Stimme klang in meinem Ohr nach. „Aber im Grunde war es gut dich hier her zu bringen, Raven, meine Tochter." sagte sie und lächelte. „Tochter?" fragte ich nur. Sprechen war anstrengend und ich musste die Kraft sparen, wenn ich noch ein Mal aufstehen wollte. Die Frau nickte wieder. „Du bist eine Tochter des Schicksals, um genau zu sein, die einzige die noch existiert. Der Anfang aller Orden war eines meiner Kinder, die die Orden gründen sollen und im Gleichgewicht halten müssen. Meine Kinder sind nicht viel mehr als normale Menschen, auch sie sterben irgendwann. Du bist die letzte, die ich ernennen werde. Als der Orden der Diebe aufstieg habe ich den Fehler begangen einen Menschen mein Kind zu nennen, der nur nach Macht strebte und sonst nichts empfand. Dadurch waren die Orden aus dem Gleichgewicht und der Orden der Diebe musste untergehen. Aber ich möchte in Ordnung bringen, was ich falsch gemacht habe – und somit ernenne ich dich, meine Tochter, Raven, nun zur Ordensmeisterin des Ordens der Diebe. Bringe den Orden der Diebe wieder zu seinem alten Glanz zurück, aber achte auch darauf, dass die Macht dir nicht zu Kopf steigt." ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ich musste es ihr einfach nachtun. Dennoch schmerzten meine Wangen und ich verzog das Gesicht sofort wieder. Die Frau schloss ihre Hand, öffnete sie wieder und hielt einen schneeweiß schimmernden Edelstein in der Hand. Dann griff sie zu meinen beiden Ketten, die ich um den Hals trug und nahm sie zu dem Diamanten in die Hand. Sie umschloss die drei Gegenstände ganz fest und als sie ihre Hand wieder öffnete hielt sie ein Amulett in der Hand, das schöner nicht sein könnte. Es war ein Amulett aus einem mir unbekanntem Material, es war schwarz und matt, aber wunderschön. Es zeigte einen Raben, der eine Haselnuss im Schnabel hatte. Das Auge des Raben war der in das schwarze Material eingelassene weiße Diamant. Es funkelte im Kerzenschein und als die Frau das Amulett um meinen Hals legte und das silberne Band an meinem Nacken verknotete, ging von dem Amulett eine unbeschreibliche Wärme aus, wie ich sie noch nie gefühlt hatte. Mein Körper lies sich wieder bewegen, ich hatte keine Brandwunden mehr und die schwarze Rüstung sah nicht mehr aus wie ein Flickenteppich, sondern glänzte als wäre sie frisch poliert. Meine Haare waren nicht mehr verbrannt, sondern hatten ihre altbekannte Farbe und Länge wieder. Ich griff nach dem Amulett, das immer noch Wärme ausstrahlte und sah den Raben an. Hazel und ich waren vereint, ich wusste nicht genau wie, aber irgendwie wusste ich, dass sie ihren Frieden gefunden hatte und ich würde sie immer bei mir haben. Dem Schicksal sei Dank, und das wortwörtlich! Die Frau stand auf und half mir ebenfalls auf meine Füße. Ihre Hand war ebenfalls warm und fühlte sich auf meiner Haut an, wie ein warmer Regenschauer an einem Sommertag. „Ich habe dir einige meiner Fähigkeiten geschenkt, gebrauche sie Weise!" sagte sie noch zu mir, nahm meinen Kopf in ihre Hände und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich hatte meine Energie und meine Kraft wieder, ich würde tun was von mir verlangt wurde und ich hatte endlich eine Aufgabe. Ich trat lächelnd aus dem Schrein in das Licht der Abendsonne, mir machte es nichts aus, das es inzwischen etwas kalt auf dem Kopf des Drachen geworden war. Das Amulett wärmte mich von innen auf und das wohlige Gefühl Hazel in Sicherheit zu wissen übermannte mich fast. Dennoch musste ich zur Salzwassergrotte zurückkehren, allen berichten und das wichtigste – herausfinden was mit Vyris passiert war!

Seit ich von dem Berg heruntergekommen bin war ich gelaufen, durch die Steppe und durch die Hochebene, immer weiter bis ich bei der Salzwassergrotte ankam. Als ich dort ankam sah ich schon Alison auf mich zu laufen, sie war außer sich und sah verheult aus. „Du lebst!" rief sie und umarmte mich. Ich lächelte nur und strich ihr über ihr Haar, dann nickte ich. „Wo ist Vyris?" fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. Mein Lächeln verschwand. Wieso musste jeder den ich liebte sterben?

Vyris lag mit dem Schwert in der Brust im Versammlungsraum, Jackmyr hatte ihn zwar hinter sich abgeschlossen, aber für mich war das kein Problem. Die Fähigkeiten des Schicksals hatten mich gestärkt und so brauchte ich nur einen Hieb um die Tür zu Fall zu bringen. Dahinter lag Vyris auf dem Boden, das Blut breitete sich auf dem Teppich aus. Er sah aus als ob er schlief, das Schwert in seiner Brust zeugte von etwas anderem. Ich kniete mich neben ihn. „Vyris?" fragte ich leise, dann umarmte ich ihn. Das Blut färbte auf meine Rüstung ab, aber an so etwas dachte ich nicht. Ich drückte ihn an mich, er hatte keinen Herzschlag. Meine Augen füllten sich mit Tränen, ich durfte ihn nicht auch noch verlieren, er war alles was mir geblieben war. Das Amulett wurde wärmer, als es Vyris Körper berührte und schien zu leuchten. Ich bemerkte kaum etwas davon, ich hatte meinen Kopf in seiner Schulter vergraben und war den Tränen nahe. Die Wärme spürte ich aber dennoch – und dann einen Herzschlag. Erst leise und langsam, dann aber regelmäßig. Ich war verwundert und sah Vyris an, das Amulett glühte noch ein Mal auf, dann erlosch es und sah aus wie als ich es bekommen hatte. „Vyris?" fragte ich noch leise. Seine Wunde heilte wie von Zauberhand und selbst der Magier, der bei uns stand und mit den anderen Mitgliedern einen Kreis um uns gebildet hatte um nichts zu verpassen, staunte als die Wunde komplett verheilt war und Vyris seine strahlenden Augen öffnete. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so gefreut in seine Augen zu sehen.

„Vom Diener zum Anführer, das hat auch noch niemand geschafft!" sagte Vyris lächelnd zu mir, als wir Arm im Arm am Fenster saßen und in die Ferne sahen. Es regnete in strömen, aber da wir in der Grotte saßen wurden wir nicht nass, konnten aber trotzdem das Meer beobachten. Es bildeten sich kleine Wellen, die an den Steinen zerschellten und weißen Schaum bildeten. Zudem war die Sonne hinter dicken Wolken verborgen und es fielen nur einzelne Strahlen gespenstisch auf das Wasser. Seit dem das Schicksal mir das Amulett gegeben hatte, hatte ich nicht nur bessere Kräfte, zum Beispiel war ich schneller und stärker, sondern mir ging es auch viel besser. Hazel war irgendwie bei mir, das fühlte ich, und Vyris war auch geheilt worden. Ich wusste nicht wie genau, aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Vyris hatte den Arm um mich gelegt und sah mir in die Augen. „Ich weiß noch gar nicht was ich alles als Anführer machen soll, das ist viel zu viel Verantwortung für mich – ich bin doch erst vor kurzem dem Orden beigetreten!" entgegnete ich. „Wir helfen dir alle, du musst das nicht alleine schaffen!" flüsterte Vyris leise. Ich nickte nur, ich hoffte natürlich das ich der Aufgabe gewachsen war. Doch lange hatte ich keine Freizeit, kurz darauf kam der Magier um mir eine wichtige Nachricht zu überbringen. Nach dem wir uns in seinen Raum gesetzt hatten, verkündete er sie mir. „Der Rat der Orden trifft sich wieder, der nächste Termin ist schon in einem Tag in der Ordensburg des Ordens der Waldläufer. Ich habe eine Taube des Ordens der Wächter abgefangen, die sich wohl verspäten. Aber das tut nichts zur Sache. Du bist unser Anführer, du musst uns endlich die Anerkennung wiederbringen die wir einst hatten!" sagte er und gab mir ein Stück Pergament, es war eine Landkarte. „Hier, das ist die Karte des Waldes in dem die Ordensburg liegt. Du kannst mit der Kutsche hinfahren, aber durch den Wald kommt sie nicht." sagte er und zeigte auf eine Stelle auf der Karte. Ich nickte: „Dann sollte ich mich auf den Weg machen." „Da hast du Recht, allerdings sind die Orden immer noch nicht sehr erfreut, dass der siebte Orden wieder aufersteht. In der Herrschaftsburg dürfen sie dir nichts antun, in der Ordensburg in der der Rat tagt gibt es immer einen Waffenstillstand aller Orden. Aber der Wald in dem die Burg steht ist voller Gefahren und dort gilt diese Waffenruhe nicht – gib also auf dich acht!" sagte er. „Nimm dir noch Proviant aus der Küche mit!" rief er mir noch hinter her, als ich aus dem Zimmer lief um meine Taschen zu holen. Den alten Leinenrucksack hatte ich gegen zwei schwarze, aus dem gleichen Stoff wie meine Rüstung bestehende, Gürteltaschen getauscht und statt den Messern die ich sonst immer dort trug hatte ich mir nun den Bogen und einen Köcher voller schwarzer, eleganter Pfeile auf den Rücken gespannt. Als ich etwas Trockenfleisch, einige Wasserbeutel und etwas Brot in die beiden Taschen gesteckt hatte, lief ich zu Vyris. Danemon, der erste Berater von Jackmyr war immer noch nicht aufgetaucht und Jaceey hatte nicht glauben können, was ihr Bruder getan hatte. Sie selbst saß in der Eingangshalle der Grotte und untersuchte ein hellblaues Diadem auf seine Echtheit. Sie widmete sich inzwischen noch viel mehr der Beute anstatt dem Kampf und ihre Axt war seit Tagen nicht mehr zum Einsatz gekommen. Vielleicht verabscheute sie die Gewalt, aus Angst, so wie ihr Bruder zu werden – ich wusste es nicht, aber sie war mir immer noch sehr sympathisch und nicht jeder Dieb musste kämpfen, oder? „Passt du mit Jaceey ein bisschen auf das Lager auf, während ich weg bin?" fragte ich Vyris noch bevor ich die Leiter zur Oberfläche hochkletterte. Er nickte mir zu: „Wohin geht es denn?" „Unseren Ruf wiederherstellen!" antwortete ich kurz und zwinkerte mir zu. „Pass auf dich auf!" flüsterte er, küsste mich und verschwand dann in der Dunkelheit der Grotte. Ich kletterte die Leiter hinauf und an der Oberfläche angekommen sah ich mich um. Im Stall stand die Kutsche und Alison spannte gerade einen hübschen, hellbraunen Wallach davor. „Gut dich zu sehen, Alison! Ich brauche die Kutsche, kannst du sie fahren?" fragte ich sie. Ich durfte keine Zeit verlieren und auf keinen Fall zu spät zur Versammlung der Orden kommen. „Natürlich!" sagte sie und hakte die Zügel ein. Sie hatte wirklich eine gute Bindung zu Pferden und ich war froh, dass ich nicht mehr die einzige war, die sich etwas um die Tiere kümmerte, die wir hielten. Die meisten Pferde waren zwar gestohlen und wurden auf den Raubzügen nur als Transportmittel genutzt und meistens freigelassen oder vergessen, aber die, die wieder hier ankamen brauchten auch Futter.

Die Kutsche quietschte kurz, als Alison losfuhr. Durch die Magie, mit dem die Kutsche verzaubert worden war war sie sehr schnell und dennoch sah es so aus als würde sie ganz gemächlich über die Wege fahren. Illusionsmagie, hatte mir der Magier erklärt. Die Kutsche war fünf Mal so schnell wie eine normale Kutsche, aber für jeden, der sie sah, sah sie normal aus. Der Magier war schon sonderbar, wo er das ganze Wissen wohl her hatte?

Ich hatte die ganze Fahrt lang nervös mit dem Schuh auf den Boden getippt, ich war aufgeregt, das konnte man nicht anders sagen. So aufgeregt war ich noch nie gewesen, nicht als ich die Statue heben konnte, nicht als ich zum Orden der Diebe gekommen bin und nicht als die Frau in Weiß mir gesagt hatte, dass ich ihre Tochter sei. Ich musste mich nun beweisen, vor dem Schicksal und vor dem Orden. Vor allem was mir geblieben war. Ich versuchte meine Aufregung herunterzuschlucken aber es gelang mir nicht und meine Fingerspitzen zitterten immer noch, als ich Alison umarmte und sie wieder auf den Kutschbock kletterte. „Fahr ruhig zurück, ich werde schon alleine nach Hause kommen." sagte ich zu Alison, doch die Schüttelte nur den Kopf. „Ich werde Euch doch nicht alleine lassen!" sagte sie, mir eine Spur zu höflich. Ich musste lachen. „Du kannst mich schon so behandeln wie früher, ich bin zwar Ordensmeister geworden aber nicht adelig!" Nun musste aus sie kichern. „Machs gut, Raven, und ich weiß du schaffst das! Ich werde hier warten, vor dem Tor des Waldes!" Ich nickte, vielleicht war es gar keine schlechte Idee eine Rückfahrgelegenheit zu haben, falls ich den Weg schaffen würde und auch wieder zurück kommen würde. Alison stieg vom Kutschbock und machte den Wallach los um ihn etwas Grasen zu lassen, den Zügel in der Hand setzte sie sich auf einen Baumstumpf und Trank etwas Wasser aus ihrem Wasserbeutel, bevor sie mir zuwinkte als ich den Wald betrat. Das Tor des Waldes war ein Baum mit einem großen Loch darin, durch das man hindurchgehen konnte. Dort fing der Weg an und verlief in Schlangenlinien durch den Wald. Die Bäume hier waren nicht wie im Tannenwald oder im Hain, sie waren aus dunklem Holz und viel dichter miteinander verwebt und verbunden. Die Wurzeln der einzelnen Bäume trafen sich und flochten sich ineinander, so dass es aussah, als wäre der Wald ein einziges lebender Organismus. Die Baumkronen mit ihren dunkelgrünen, fast Tellergroßen Blättern bildeten ein riesiges Blätterdach, durch das am Anfang noch viel, dann immer weniger Licht hindurch kam. Im Wald war es fast still, nur hier und da hörte man den Schrei einer Schwarzeule, die in diesem Wald oft aufzufinden war, oder ein Rascheln im Gebüsch. Der Wald wirkte unheimlich und dunkel, den Weg konnte man kaum ausmachen. Dennoch machte ich mich ohne Fackel auf den Weg durch den Wald, schließlich sollte man in einem Wald aus lauter leicht entzündlichen Materialien nicht mit Feuer hantieren. Der Weg erstreckte sich ewig vor mir und schon bald musste ich mich auf einem Stein ausruhen und einen Schluck trinken. Draußen, vor dem Wald war es angenehm warm gewesen, aber hier staute sich die warme Luft an und es war richtig heiß. Zudem war die Luftfeuchtigkeit hier sehr hoch und es war ziemlich schwül. Ich hörte ein knacken und leichte Schritte auf dem Boden, schnell kletterte ich den Baum hinauf. Durch meine zusätzliche Stärke konnte ich mich so schnell wie noch nie auf den Baum schwingen, ein Glück konnte ich meine Kräfte kontrollieren. Ich legte mich flach auf den Ast und hoffte das er nicht brach, so dick war er leider nicht. Kaum war ich auf dem Baum, kamen vier Männer und eine Frau den Weg entlang. Sie trugen blinkende Rüstungen, die mit gelben Ornamenten verziert waren. Eindeutig Mitglieder des Ordens der Nekromanten, sie bewohnten die Wüsteninsel, da sie dort ungestört ihre Experimente durchführen konnten. Sie beherrschten nur eine Magie, wie der Orden der Wächter, doch ihre Magie war die Magie der Totenbeschwörung. Kein Wunder, dass sie auf ihrer Insel bleiben sollten – ich würde nicht so gerne von Untoten umgeben sein. Wenn sie eine Person 'wiederbelebten', war sie leider nicht wirklich wieder lebendig, sondern ein Untotes Wesen ohne Gedanken, der alles für seinen Meister tat. Als die Gruppe unter mir entlang schritt, bemerkte ich, dass zwei der Männer irgendwie seltsam aussahen. Die anderen hatten ihre kurzen, krummen Schwerter gezückt und liefen langsam und behutsam den Weg entlang. Ich hielt den Atem an, hoffentlich bemerkten sie mich nicht. Hier trafen sich nur die Ordensmeister und auch wenn ich den des Schützenordens besiegt hatte, galt der Orden der Schützen immer noch als der schwächste Orden. So viele mächtige, potentielle Gegner auf einem Haufen – kein Wunder, dass ich auf alles achtete. Ich kniff die Augen zusammen, mal sehen ob es funktionierte. Ich hatte in meiner freien Zeit immer die Magie geübt und musste die Lebewesen inzwischen nicht mal mehr anfassen, um ihre Gedanken zu lesen. Auch bei Menschen hatte ich es schon geschafft, aber immer nur wenn sie dazu bereit waren. Mit Alison hatte ich oft geübt, wir beide hatten uns inzwischen gut angefreundet und ich vertraute ihr. Sie schaffte es leider noch nicht ihre Magie zu kontrollieren und las bis jetzt nur Gedanken der Kleintiere auf den Wiesen, ich dagegen hatte es schon geschafft in ihren Geist einzudringen. Doch bei den Männern war es schwerer, sie mochten mich nicht bemerken, aber sie fühlten sich sichtlich unwohl als ich einen Versuch startete. „Ist dir auch so kalt?" fragte der eine leise die Frau, als sie stehen blieben. Ich dachte schon, sie hätten mich bemerkt, aber die Frau zuckte nur die Schultern. Beim zweiten Versuch klappte es und ich erfuhr, dass sie die einzigen des Ordens der Nekromanten waren, allerdings hatten sie überall im Wald untote Spione. Der Orden der Nekromanten stand offensichtlich nicht sehr gut zum Orden der Magier. Die kleinen Streitigkeiten zwischen den Orden interessierten mich nicht, aber das überall im Wald untote Menschen herumliefen, machte mir etwas Angst. Ich beschloss, nur noch innerhalb der Baumwipfel zu laufen. So sprang ich also von Ast zu Ast, immer die Gruppe des Ordens der Nekromanten im Blick. Sie bemerkten mich nicht, ich war leise wie eine Katze. Dem Schicksal sei Dank war ich es gewöhnt zu schleichen und nun konnte ich auch noch weiter springen, ich konnte den Weg ganz gut bewältigen. Ich blieb wie angewurzelt stehen, als sich die Gruppe die ich verfolgte mit einer weiteren Gruppe, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann, traf. Diesen waren ganz sicher vom Orden der Krieger, sie trugen die Rüstung die ich kannte. Sie begrüßten sich mit Handschlag, offensichtlich waren die eine Frau der Krieger und einer der Männer des Ordens der Nekromanten gut befreundet. Sie redeten kurz über alte Zeiten, dann machten sie sie zusammen auf den Weg. Ich verfolgte alle weiter, der Wald wurde immer dichter und schon bald erkannte ich auch, dass die Wege nicht sicher waren. Die Gruppe unter mir entschärfte immer mehr Fallen auf dem Weg, die ich selbst nicht gesehen hätte. Der Orden der Waldläufer hatte seinen Wald offensichtlich sehr gut geschützt. Ich war anstrengt und achtete noch mehr, darauf, dass man mich nicht sah.


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