Kapitel 15
Ich wachte auf, auf einem Bett aus Stroh und Fellen. War alles nur ein Traum gewesen? War Hazel gar nicht tot? Und wo war ich? Als ich die Augen etwas mehr aufmachte erkannte ich den Raum des Magiers und Vyris der auf dem Sessel saß auf dem ich damals über ihn gewacht hatte, während er verletzt gewesen war. Seine Wunden waren gut verheilt und er trug über einigen noch Leinenverbände, aber es ging ihm gut. Auch ich hatte noch einige Leinentücher über den Stellen an denen mich die Pfeile gestreift hatten, ich hatte kein bisschen auf meine Wunden geachtet. Aber anscheinend mussten sie doch verbunden werden. Der Magier stand an einem seiner Experimente und als er bemerkte, dass ich wach war kam er zu mir und Vyris herüber. „Raven, du bist wach! Vyris hat mir alles erzählt!" er atmete durch. Manchmal war er sympathisch, etwas geheimnisvoll und verrückt zugleich, aber das machte ihn aus. „Dem Schicksal sei Dank das dir nichts passiert ist, aber um deine Schwester tut es mir sehr leid. Deine Rache war mehr als berechtigt und das Buch habt ihr auch heil zurückgebracht." der Gesichtsausdruck des Magiers wechselte zwischen einem Grinsen und tiefer Trauer, ich konnte ihn jedoch gut verstehen. Ich selbst war unendlich traurig, dass meine Schwester tot war, aber unendlich glücklich, dass ich überlebt, meinen Auftrag gut erledigt hatte und endlich wieder hier war. In dem Bediensteten-kleid zu kämpfen war schwer gewesen und ziemlich unpraktisch, ich war froh mich endlich umziehen zu können und setzte mich nach dem ich mir meine Rüstung angezogen hatte in den Versammlungsraum ans Fenster und ließ die Beine über der Klippe baumeln. Die Rüstung schmiegte sich an meine Haut und verursachte inzwischen schon ein vertrautes Gefühl das ich richtig vermisst hatte. Alison brachte mir einen Becher Wein und umarmte mich, auch sie war für mich da, obwohl ich sie noch gar nicht so lange kannte. Sie verstand mich, wie wenige hier. Jackmyr hatte sich nur für das Buch bedankt und war stolz auf mich und Vyris, doch was meiner Schwester angetan wurde fand er nicht weiter schlimm. Ich denke, er hätte auch nicht viel gemacht, wenn seine Schwester Jaceey gestorben wäre. Sicher wäre er traurig über den Verlust für den Orden, Jaceey war wirklich eine Bereicherung für ihn, aber mehr auch nicht. Die meisten Diebe verstanden es offensichtlich sehr gut ihre Gefühle zu unterdrücken, Jackmyr konnte das eben so gut wie Vyris, der jedoch langsam aufzutauen schien.
Ich starrte eine Weile aufs Meer hinaus und trank den Wein, ich würde Hazel rächen. Dem Orden der Schützen ihre Tat heimzuzahlen war noch nicht geschafft, es war nur ein kleiner Anschlag gewesen. Allerdings bräuchten wir viel mehr Mitglieder im Orden und müssten ein Gebiet haben, bis jetzt gehörte uns der Untergrund in Sylvain. Aber das wurde nicht anerkannt, wir waren ein Orden der Pläne im Geheimen schmiedete und sie heimlich durchführte – die wahre Kunst des Ordens der Diebe war gewesen, ein seriöser Orden zu ein und akzeptiert zu werden, obwohl sie ihre Taktik nicht verändert hatten. Wir hatten einen Anführer, aber so lange wir keinen Beweis hatten, dass wir wirklich wieder da waren, als Orden der Diebe, und dies auch vom Schicksal gewollt war, würden wir nicht zur Versammlung der Orden kommen dürfen. Ich dachte weiter darüber nach, irgendwie musste ich mich ablenken.
Es waren einige Tage vergangen, die ich damit verbracht hatte, den Bogen zu testen, am Fenster aufs Meer zu starren und nachzudenken und beim Magier weitere Tipps zum lesen des Geistes zu erhalten. Die Tage waren vergangen wie im Flug und zum Glück sehr ruhig, wir hatten uns keinen neuen Auftrag ausgesucht. Nach einiger Zeit berief Jackmyr eine Versammlung aller Mitglieder ein, die im Lager waren. Es waren einige, aber nicht besonders viele. Es hatten immer mehr Leute davon gehört, dass einige Mitglieder des neuen Ordens der Diebe den halben Orden der Schützen ausgelöscht hatten und so mit wurden wir auf sehr stark geschätzt, was bedeutete, dass mehr Leute unsere Dienste in Anspruch nahmen. Wir saßen also in dem Versammlungsraum, dir Tisch war voll belegt und sechs weitere Mitglieder standen noch im Raum und hörten zu. Unter ihnen entdeckte ich zwei sehr starke Jungen, kaum älter als ich. Mir wurde von ihnen erzählt, die beiden waren wohl Zwillinge und die stärksten Arenakämpfer, die es in Estehm gab. Estehm hatte eine große Arena, die größte des Landes und dort konnte man gegeneinander antreten, falls man wollte. Die Kämpfer waren frei, aber bekamen dort einen Schlafplatz und eine Mahlzeit für ihre Kämpfe, meistens noch ein Preisgeld. Die meisten Kämpfer blieben ein Leben lang dort und ließen sich feiern – falls sie überlebten. Aber in Estehm was es Tradition und so gab es viele Kämpfer, die Zwillinge waren angeblich Champions gewesen, doch verstanden sich besser auf das Diebeshandwerk. Auch eine hübsche Blonde war dabei, der neuste Zugang des Ordens. Sie wurde nur die Schlange genannt, ich kannte ihren Namen nicht, aber aus Erzählungen war sie wohl sehr dehnbar und wich jedem noch so starkem Hieb aus. Perfekte Voraussetzungen also, ich blickte wieder zu Jackmyr als ich mich gesetzt hatte. Dieser fing eine Rede an: „Lieber Orden, liebe Mitglieder die im Moment in der Salzwassergrotte sind. Wie ihr alle wisst habe ich eine Ewigkeit an der Übersetzung dieser Schriften gearbeitet und konnte durch das Buch, das Raven und Vyris hervorragend aus der Höhle des Löwen gestohlen haben, so viel entziffern, dass ich auf einen Schluss gekommen bin, wie wir den Orden zu seinem Glanz zurück bringen können. Wie ihr alle wisst, müssen wir vom Schicksal anerkannt werden, doch kaum jemand weiß wie man das anstellt, dass einem die anderen Orden auch glauben. Hier steht der Weg dort hin!" sagte er und knallte einen Haufen seiner Notizen auf den Tisch. „Ich habe versucht jedes Wort zu übersetzen, doch nur der letzte Teil der alten Schriften war wichtig für uns und ihn habe ich nur wenig übersetzt – aber es reicht aus!" er atmete durch und jeder in diesem Raum sah ihn an. Der Magier, Jaceey, Vyris und alle anderen, wir hörten ihm aufmerksam zu. „In diesem Teil des Buches geht es um eine Opferung die durchgeführt werden muss, allerdings weiß ich durch die Schriften nur wo. Daher gehe ich davon aus, das es eine normale Opferung ist wie sie früher durchgeführt wurde, also durch Feuer. Der Ort ist der Schicksalsschrein im Drachengebirge, er liegt gut versteckt im Schlund des Drachen und nur wenige sind bis dort hin vorgedrungen. Aber wir werden es schaffen, denn wir werden ein würdiger Orden!" Am Ende schien Jackmyr zu schreien, es war wie eine Hetzrede vor einem Krieg. „Wir werden den Orden wieder zu neuem Glanz bringen, aber dazu brauche ich nur die besten Diebe. Ich werde alleine mit Vyris, Raven und Danemon reden." sagte er. Erst jetzt fiel mir auf, dass Danemon auch im Raum stand. Der so genannte beste Dieb von ganz Sylvain lehnte lässig an der Wand und kaute auf einem Grashalm herum. Die anderen verließen teils erfreut, teils gelangweilt den Raum. Die Neulinge konnten wenig damit anfangen, genau genommen war ich selbst noch ein Neuling aber ich hatte mehr Ahnung von den wesentlichen Dingen des Ordens als sie. Alison zwinkerte mir noch zu, dann schloss sie die Tür und die Gruppe mit denen Jackmyr reden wollte war unter sich.
„Was soll denn geopfert werden?" fragte ich in einer ruhigen Tonlage, Jackmyr wirkte zwar erfreut und hochzufrieden, allerdings auch ziemlich aufgebracht und hyperaktiv. Ich wusste nicht was er noch alles anstellen würde, wenn ich ihn jetzt auch noch provozierte. Aber nach meiner Frage verstummte er kurz. Dann holte er ein Blatt Pergament heraus und drehte es um, sodass es jeder lesen konnte. „Nein!" entfuhr es Vyris. Auf dem Pergament stand schwarz auf weiß eine Wort der alten Sprache und darunter die Bedeutung, die Jackmyr darunter geschrieben hatte. „Der Rabe."
Ich wusste das damit ich gemeint sein musste, denn denn damals, als diese Schriften verfasst wurden waren Menschenopfer ziemlich normal und Tiere wurden selten geopfert. Tiere wurden als unschuldig gesehen und dem Schicksal sollten nur Auserwählte geopfert werden, diese sahen das oft als Ehre an. Aber ich wusste nicht was ich fühlen sollte – war das wirklich vom Schicksal bestimmt? Aber andererseits waren die meisten die ich liebte tot und ich war zu schwach um irgendetwas anderes zu denken. Psychisch war ich noch sehr getroffen von Hazels Tod, mir war es relativ egal was sie mit mir machten. Ich hatte keine Depressionen, aber wenn es so vorherbestimmt war konnte ich auch nichts tun. Ich saß nur da und sah auf das Pergament. „Das können wir doch nicht machen, ein Ordensmitglied umbringen um unseren Orden stark werden zu lassen! Wer weiß denn ob es wirklich funktioniert?" Vyris redete immer weiter und war aufgestanden. Ich saß schweigend daneben. „Wenn sie es so wollen..." murmelte ich leise. „Raven, nein, das wirst du nicht tun!" sagte Vyris und sah Jackmyr finster an. „Opfere dich doch selbst wenn es dir so wichtig ist den Orden zu retten!" sagte er und nahm meine Hand, an der er mich dann hochzog und Anstalten machte mit mir aus der Tür zu gehen. Ich war mutlos, unfähig irgendetwas zu tun, ich war ganz einfach lustlos. „Es tut mir so leid, Raven, aber ihr werdet nirgendwohin gehen!" hörte ich Danemons Stimme von hinten, dann bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf mit irgendetwas Schwerem und sah nur noch, wie jemand ein langes, dünnes Schwert Vyris durch die Brust stieß, was ihn Blut husten lies. Dann bemerkte ich nur noch wie sich Vyris Rüstung langsam rot färbte, er meine Hand los lies und ich ebenfalls auf dem Boden aufschlug. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein.
Ich wachte auf, mir war immer noch schwarz vor Augen, aber das lag daran, dass mir etwas vor die Augen gebunden war. Ein Tuch oder Ähnliches, an meinem Hinterkopf zusammen gebunden. Dieser schmerzte immer noch, ich würde eine große Beule bekommen, womit auch immer Danemon mich geschlagen hatte, es war groß und schwer gewesen. Ich wollte etwas sagen, doch geknebelt hatte man mich auch, so dass ich nichts sagen konnte. Ich war froh das ich überhaupt atmen konnte. Bewegen konnte ich mich auch nicht, man hatte mich an den Händen und Füßen gefesselt. Ich versuchte etwas zu sagen, aber aus meinem Mund kamen nur einige Laute dich ich selbst nicht identifizieren konnte. Niemand antwortete mir, aber ich merkte an der Bewegung, dass ich getragen wurde. Ich versuchte mich ein wenig zu wehren, doch durch die Fesseln verletzte ich mich nur selbst. Könnte ich etwas sagen würde ich ihnen erklären, dass ich nicht vorhatte mich zu wehren. Wenn sie mich unbedingt umbringen wollten, dann sollten sie es halt einfach tuen – ich hatte keine Kraft, es war, als hätte man mir all meine Energie und Lebensfreude genommen.
Es dauerte nicht lange, da hatte ich es geschafft durch das Zucken meiner Augen das Band etwas hochzuschieben, so dass ich einen Blick riskieren konnte. Starke Hände umfassten meine Beine und meine Schultern und trugen mir durch hellgelbes Gras. Wie lange ich wohl ohnmächtig gewesen war? Das gelbe Gras kannte ich, wir waren in der Steppe, aber auf welcher Seite und wie weit vom Drachengebirge waren wir entfernt? Ich versuchte mehr zu sehen. Vor mir lief Jackmyr, er hatte seine Waffe gezückt und lief in schnellem Schritt vorwärts. Die Starken Hände gehörten wohl zu Danemon, der anscheinend sein größter Untergebener war und ihm aufs Wort gehorchte. Mehr Personen konnte ich nicht ausmachen, Vyris sah ich nirgendwo. War er tot? Nicht auch noch Vyris, ich wusste nicht mehr weiter. Ich versuchte meine Beine zu bewegen um den beiden irgendwie klar zu machen, dass ich wach war, doch gegen Danemon kam ich nicht an. Stark war ich nicht, eher schnell, leicht und wendig. Allerdings nützte mir das jetzt nichts. Nach einiger Zeit hörte ich auf, es hatte keinen Sinn. Es hatte alles keinen Sinn, wenn ich dem Orden so irgendwie helfen konnte, dann sollten sie mich doch opfern. Hazel war tot, Callum war tot, Valesha war tot, jeder den ich je geliebt hatte war tot – Vyris wahrscheinlich auch. Vyris, er hatte immer zu mir gehalten und ich wusste, dass er ein gutes Herz hatte. Jackmyr traute ich gerade alles zu, er war unberechenbar. Zwar war er immer freundlich gewesen, aber jetzt merkte man, dass ihm der Ruhm des Ordens wichtiger war als das Leben seiner Freude. Ich bemerkte, wie einfach das Leben früher gewesen war. Als Dieb hatte man keine wirklichen Feinde, wir hatten zu einer kleinen Organisation gehört, sodass man unsere Spuren kaum zurückverfolgen konnten falls wir irgendwo eingebrochen waren. Wir mochten die Orden nicht, doch hatten nie Krieg mit ihnen angefangen. Niemand hatte einen Orden gehasst, wir hatten uns gefreut, dass sie uns nicht fingen oder sich über uns ärgerten – aber das war es auch schon. Seit ich vom Orden rekrutiert worden war war mir so viel Schlechtes passiert, ich hatte eine Menge Freunde verloren und mehr Hass entwickelt, als ich jemals hatte. Ich hielt es einfach nicht mehr aus, vielleicht war es das Beste für mich?
Wenn ich zu viel nachdachte verlor ich das Zeitgefühl, ich wurde von Jackmyrs Worten aus meinen Gedanken gerissen. „Da ist das Gebirge, ein Glück das wir mit der Kutsche bis nach Kalmhar' fahren konnten. Leider war die Kutsche ja etwas auffällig, aber ich hoffe die Kleine war dir nicht zu schwer." Jackmyr lachte kurz auf und versuchte der Situation etwas witziges abzugewinnen. Danemon antwortete nicht. Jackmyr lächelte nur Milde und ging dann vorran, der Weg veränderte sich und es wurde steiniger. Wir kamen wirklich ins Gebirge und desto steiniger der Weg wurde, desto schneller ging Jackmyr. Er bog hier und da ab, sah auf eine Karte und änderte den Weg. Bald schon stand er auf einem großen Stein. „Hier muss es sein, wir sind auf dem Kopf des Drachen..." murmelte er und suchte auf dem Stein nach einem Symbol. Was er genau dort machte war mir auch egal, ich machte mir weiter Gedanken. Immerhin starb ich nicht grundlos, ich war eine Opfergabe und vielleicht sollte ich wirklich stolz darauf sein. Aber irgendwie verstand ich nicht ob es wirklich eine Ehre war. Ich glaubte manchmal nicht Mal an das Schicksal, wenn alles doch sinnlos war? Aber ohne Hazel würde ich es eh nicht mehr lange aushalten. Sicher war Vyris auch schon tot, was Jackmyr wohl mit ihm gemacht hatte? Jackmyr fackelte normalerweise nicht lange, da kannte ich ihn gut genug.
Durch das, was auch immer Jackmyr an dem Stein gemacht hatte, hatte sich eine Treppe im Boden geöffnet und wir traten in die Finsternis. Danemon und Jackmyr schien das nichts auszumachen, sie liefen in dem gleichen Schritttempo weiter in dem sie auch auf dem Gebirge gegangen waren. Sie liefen die Treppen herunter und bald schon sah man gar nichts mehr bis Jackmyr eine Fackel anzündete und damit die steinernen Wände des Uralten Ganges beleuchtete. Der Gang endete in einem voll beleuchteten Raum. Der Raum war leer, es gab nur eine große Tafel an der Wand auf der einige Worte der Alten Sprache standen, darunter hatte jemand einige Opfergaben gelegt. Ich erkannte viele inzwischen verwelkte Blumensträuße, Schmuck, Kriegsbeute und Waffen. Sie alle sahen sehr wertvoll aber auch sehr alt und abgenutzt aus, sie waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Wahrscheinlich lagen sie schon lange dort, an diesen Ort kam wohl kaum jemand. Dennoch brannten die Fackeln in ihren Halterungen und schienen auch nicht auszugehen. Danemon setzte mich vor der Tafel auf dem Boden ab und endlich band man mir die Augenbinde ab und auch der Stofffetzen wurde mir aus dem Mund genommen. Die Fesseln nahm Jackmyr mir ebenfalls ab, Callum hatte oft von den Opferungen erzählt die man dem Schicksal gemacht hatte. Die Opfer mussten freie Menschen sein, Sklaven oder Menschen deren Freiheit genommen wurde wurden nicht anerkannt. Die Fesseln hatten tief in meine Haut geschnitten und ich fühlte mich immer noch als wäre ich müde und ausgelaugt. Ich blieb am Boden liegen, sah mich langsam um. Ich sah wahrscheinlich schrecklich aus, meine Wunden die ich von den Pfeilen hatte waren immer noch nicht ganz verheilt und ansonsten hatte ich tiefe Augenringe und Haare, die in Strähnen von meinem Kopf herunter hingen.
Jackmyr sah mich an und holte seine Notizen aus der Tasche, las sie schnell durch und packte sie wieder weg. „Es tut mir so leid, Raven!" flüsterte er, dann nahm er die Fackel und warf sie auf mich zu. Ich lag dort, in der schwarzen Rüstung, immerhin die hatte man mir gelassen und konnte mich nicht bewegen. Ich hatte zusätzlich seit Tagen nicht viel gegessen, das hatte ich einfach nicht geschafft, da ich mich immer wieder an Hazel erinnerte. Die Trauer hatte mich fest im Griff, dadurch war ich allerdings noch zusätzlich geschwächt und konnte rein gar nichts tun. Ich lag nur dort und sah zu wie die Flammen der Fackel auf die Rüstung übersprangen, erst brannte sie nicht, aber dann ging sie in Flammen auf. Ich schloss die Augen und mein Kopf fiel auf den Stein, die Flammen brannten und es war unerklärlich heiß. Ich fühlte den Schmerz, wie sich das Feuer durch meine Haut fraß. Dennoch musste ich lächeln, ich war so traurig gewesen, dass ich Hazel nie wieder sehen würde – doch das würde ich. Daran glaubte ich fest, bald schon würde ich Hazel und vielleicht auch Vyris wiedersehen können. Dafür müsste ich nur noch die Flammen aushalten. Meine Rüstung bedeckte nur noch das nötigste, die Flammen verschluckten sie nach und nach.
Auf ein Mal sah ich ein gleißendes Licht, es war heller als die Sonne, die morgens über dem Hain aufging und heller als jeder Diamant der im Licht schimmerte. „War ich jetzt tot?" fragte ich mich, doch dann sah ich, dass das Feuer, das eben noch so höllisch auf meiner Haut gebrannt und mein Fleisch verkohlt hatte erloschen war. Als das Licht verschwunden war und man wieder einigermaßen gut sehen konnte, da nur noch die Fackeln brannten, sah ich eine Frau im Raum stehen. Sie war das schönste Wesen, das ich gesehen hatte. Ihre helle Haut war rein und zart, sie hatte wunderhübsches weißes Haar, war jedoch nicht alt. Ihr Haar floss wie ein Wasserfall ihren Rücken herunter und endete etwa auf Hüfthöhe. Sie stand mit dem Rücken zu mir, so dass ich nicht viel von ihr erkennen konnte, dennoch sah ich, dass sie ein Kleid trug, das aussah als wäre es aus Wolken gemacht worden. Fein verwebt schwang es bei jedem Schritt mit, den sie machte. In diesem Moment fragte ich mich nicht wo sie her kam, ich konnte meinen Augen nicht trauen und war zu erst beruhigt, dass mein Körper nicht mehr so schmerzte. Auch wenn die Flammen erloschen waren fühlte sich meine Haut kochend an, bewegen konnte ich mich dennoch nicht. Ich bekam alles wie in Trance mit, zu schwach war noch mein Geist und mein Körper. Die Frau sah geradewegs Jackmyr und Danemon an, die ziemlich überrascht und erschrocken dreinschauten. Die Frau drehte sich zu mir um und sah mich mit einem kurzen lächeln auf den geschwungenen Lippen warm an. Dieses Gesicht – ich hatte das Gefühl, dass ich es schon ewig kannte. Die hellblauen Augen sahen mir so vertraut entgegen, als hätte ich sie ein Leben lang gesehen.
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