Kapitel 13

Als ich die Küche betrat standen auf einem Tisch schon die hübsch angerichteten Teller, die ich der Familie servieren sollte. Das Fleisch war sorgsam geschnitten, der die Beilagen alle genau abgezählt und hübsch geformt und als ich genau hinsah, sah ich sogar das Familienwappen in das Brot eingeritzt. „Wer machte sich denn so eine Mühe für etwas, das kaum beachtet und dann gegessen wird?" Fragte ich mich selbst, dann nahm ich kopfschüttelnd zwei der Teller in die Hand und bekam von der Haushälterin erste Anweisungen welcher Teller für welches Familienmitglied gedacht war. Die kleinen Teller mit den zusätzlichen Honigbällchen am Rand waren für die Kinder bestimmt, die anderen ließen sich auch zuordnen. Nach dem ich mir alles gemerkt hatte korrigierte die Haushälterin noch meine Haltung und fügte noch hinzu: „Und das du mir nichts sagst, das Personal redet nur mit den Herrschaften wenn es aufgefordert wird. - warum bist du noch hier, sie warten auf ihr Essen?!" sie war zwar etwas barsch, aber sie lachte dabei etwas, daher nahm ich ihr es nicht böse. Den Speisesaal hatte ich auf dem Rundgang schon gesehen, er war durchzogen von einem riesigen Eichenholztisch und geschmückt mit Portraits der Ahnen und Lavendelblumensträußen die wundervoll dufteten.

Ich atmete noch ein Mal durch, dann kam ich mit den ersten Tellern herein, meinen Blick auf den Boden gerichtet. Ich stellte der alten Dame und Esme das erste Gericht auf den Platz, dann verschwand ich im gleichen Tempo wieder und holte die Teller für den Rest der Familie. Ich war angespannt und in meinem Kopf kreisten die Sätze „Du musst es schaffen!" und „Bloß nicht auffallen!". Ab da an schenkte ich immer wieder Wein aus, die Familie redete bei Tisch nicht sehr viel aber ich musste auf Gesten achten und sie sofort zuordnen ob sie jetzt etwas Wein wollten oder nur eine unbedachte Handbewegung machten. Auch wenn diese Arbeit nicht körperlich anstrengend war, setzte ich mich ziemlich unter Druck.

Ich war erschöpft als ich Nachts in meinem Schlafzimmer ankam, die Herrschaften hatten nicht gesagt, aber sich immerhin auch nicht beschwert. Nach dem ich dem Koch geholfen hatte die Teller zu spülen, was leider zu meiner Arbeit hier gehörte, sah ich endlich die anderen Dienstmädchen des Haushalts. Wir sprachen nicht miteinander, die anderen untereinander aber auch nicht. Die Mädchen waren alle älter als ich, aber dienten wahrscheinlich auch schon länger hier. Ein Mädchen sah aus als käme sie von der Wüsteninsel, ihre Sonnengebräunte Haut verriet es, zusammen mit den schwarzen, hüftlangen Locken. Die anderen Mädchen wahren wohl von hier, zwei Blondinen und eine Brünette, alle mit müden Augen und einem Gesicht, von dem man von weitem sah, dass es lange nicht mehr gelächelt hatte. Ich passte also perfekt hierher, bei dem was ich erlebt hatte sollte mir auch nicht zum lächeln zu Mute sein. Ich legte mich schnell in mein Kisten-bett und drehte mich auf die Seite, sodass ich die Wand ansah. Dann schloss ich die Augen, Abends dachte ich immer über viel zu viel nach. Auch jetzt war es so, ich zwang mich die Augen geschlossen zu halten, damit ich schneller einschlief, aber das klappte nicht sonderlich gut. Ich musste hier nicht lange bleiben, ich wollte Jackmyr immerhin etwas nützen. Irgendwie bedeutete er mir fast so viel wie Travis, beide hatten etwas von einer Vaterfigur, auch wenn mir Travis immer noch sehr fehlte und Jackmyr sich teilweise wie ein Arsch benahm. Warum auch immer, dachte ich und fiel doch noch in einen traumlosen Schlaf.

Es war der vierte Tag den ich schon so arbeitete und langsam bildeten sich Blasen an meinen Händen, nicht nur vom Teller tragen, was ja schnell ging, sondern auch vom putzen, Gartenpflanzen bewässern, Teppiche sauber machen, Kleider bügeln und Betten herrichten. Ich sollte den anderen Dienstmädchen schließlich zur Hand gehen und dauernd kam die Haushälterin mit einer neuen Aufgabe zu mir gerannt. Irgendwann würde ich mich noch mal im Schrank verstecken, damit man mich nicht fand um wenigstens einige Minuten für mich zu haben. Vyris hatte ich seit dem nicht gesehen, entweder hatte ich zu tun oder er war nicht auffindbar. Es war Abend und ich hatte schon keine Aufgabe mehr, zumindest hoffte ich, dass mich die Haushälterin wirklich für heute entlassen hatte und es nicht nur für ein Paar Minuten so meinte. Ich stand auf dem kleinen Balkon und und betrachtete die Sterne, was ich früher mit Hazel so oft gemacht hatte. Wir hatten uns dann einfach auf einen der größten Bäume des Hains gesetzt und versucht Bilder in den Sternen zu erkennen. Auf der anderen Seite der Steppe war der Himmel ganz anders, die Sterne waren anders positioniert und leuchteten nicht so wie hier – aber vielleicht war das auch Einbildung. Auf ein Mal hörte ich einen kleinen Pfiff von unten, ganz kurz und leise. Ich sah nach unten, die Dunkelheit füllte mein ganzes Sichtfeld aus aber ich sah eine Person dort unten stehen. „Komm runter!" flüsterte die Person und an seiner Stimme erkannte ich, dass es Raven war. „Ich kann nicht, ich muss schlafen – morgen ich habe viel zu tun!" sagte ich erst, doch als er nicht locker lies nickte ich nur und sprang über das Geländer des Balkons an die Mauer. Die Sandsteine bröckelten zwar etwas, aber es gab genug Halt um daran herunter zu klettern. Dachte ich jedenfalls, denn nach einigen Schritten nach unten rutschte ich ab, der Sandstein den ich greifen wollte war ziemlich porös und zerfloss in meiner Hand zu feinstem goldenem Sand. Ich fiel herunter und für einen Moment dachte ich, das ich mir sicher etwas brechen würde wenn ich unten aufschlug, aber Vyris fing mich zum Glück auf. „Danke!" brachte ich nur leise heraus, die Tür zum Schlafzimmer der Dienstmädchen war immer noch offen und die anderen Mädchen schliefen schon. Aber dennoch sollten sie uns nicht hören. „Bekommst du da nichts zu Essen oder warum bist du so leicht?" fragte er lachend und ich entwand mich gespielt genervt seinem Griff, auch wenn ich wusste das ich ziemlich leicht für mein Alter war. Und leider auch ziemlich schwach, daher brauchte ich immer Waffen um mich zu verteidigen. „Ich bin eine Magd – was erwartest du?" fragte ich ihn lachend. „Was ich erwarte?" entgegnete er und grinste. „Das weißt du..." flüsterte er, dann küsste er mich. Ich war froh ihn endlich wieder bei mir zu haben, ich hatte ihn so lange nicht gesehen und laut den Papieren kannten wir uns auch gar nicht. Ich vergaß für einen Moment was für einen Stress ich hatte und ich schaltete alles andere um uns herum aus. Doch leider musste er sich irgendwann von mir lösen: „Jackmyr erwartet eine Taube, ich brauche deine Unterschrift." sagte er zu mir und drückte mir eine Feder, etwas Tinte und den Brief in die Hand. Nach dem ich unterschrieben hatte steckte er die Feder und das kleine Tintenfass in seine Tasche zurück, den Brief warf er schwungvoll in die Luft. Sofort hörte man das gurren einer schwarzen Taube, die sich vom Boden erhob und den Brief in der Luft fing. Sie flog einen hübschen Kreis um uns und flog dann Richtung Vollmond davon. Ich sah der Taube nach, dann zurück zum Balkon, an dem immer noch Licht brannte. „Es wird keiner merken, sie denken sicher du schrubbst noch die Teller oder so etwas." er lachte. „Warst du schon in den Gärten?" flüsterte er dann leise. Ich schüttelte den Kopf. „Dem Personal ist es verboten sich in den Gärten zu vergnügen." flüsterte ich nur leise zurück. Er lachte nur und hob mich erneut hoch um mich erst in den Gärten herunter zu lassen. Die Rosen schwankten leicht im Wind und die Fackeln flackerte. „Sie schmeißen uns raus wenn sie das erfahren!" sagte ich nur leise, auch wenn ich nicht wirklich wollte, dass wir zurück gingen. Eigentlich wollte ich für immer hier mit ihm stehen und ihm in seine Augen sehen. Vyris schüttelte nur leichte den Kopf und lächelte, er wusste genau was ich dachte. Aus dem Fenster von Esmes Schlafgemach, das direkt über dem der Bediensteten lag schallte nun etwas Musik heraus. Sie hatte offensichtlich Nachts Lust nach einem Klavierstück bekommen und da sie leidenschaftlich gerne Klavier spielte, tat sie das auch. Die Musik war auch hier noch zu hören, wenn auch etwas leise. „Darf ich bitten?" fragte Vyris. Ich sah ihn erstaunt an. „Du kannst tanzen?" fragte ich. Er nickte. „Auch wenn ein einfacher Stallknecht diese Kenntnisse nicht anwenden kann." er lachte und hielt mir seine Hand hin. „Du bist kein Stallknecht!" sagte ich und nahm seine Hand an, die mich leicht in die Tanzstellung führte. „Du bist mein Meister!" Ich grinste ihn an und zwinkerte, dann fand ich mich auch schon in einer Drehung wieder. Vyris hatte ein wundervolles Taktgefühl und ich war zwar nicht die beste Tänzerin, da ich das nur in meiner 'kleine-Mädchen-Prinzessinnen-Phase' gelernt hatte, aber dennoch führte mich Vyris so gut, dass ich einfach mitgezogen wurde und wir beide durch die Gärten schwebten, immer weiter weg von der Musik, bis wir sie gar nicht mehr hörten. Vyris nickte in eine Richtung, hinter den Gärten lagen die Ställe. Wir waren schon so weit weg vom Schlafzimmer, in das ich eigentlich so schnell wie möglich wieder musste, aber es war mir schlichtweg egal. Wenn eines der Mädchen aufwachen würde, würde es sich sicher nicht fragen wo ich war – anscheinend kümmerte sich jeder Bediensteter nur um sich selbst.

Vyris und ich setzten uns in den Stall und beobachteten die Pferde auf der Weide die dort grasten, man erkannte nur noch Umrisse, trotzdem hatte es etwas beruhigendes. Ich lehnte den Kopf an Vyris Brust und er legte schützen den Arm um mich. Ich wusste immer noch nicht genau warum ich das alles für ihn fühlte, aber ich hatte das Gefühl, bei ihm komplett sicher zu sein und ihm alles anvertrauen zu können. Ein „Raven?" riss mich aus meinen Gedanken. „Ja?" fragte ich ihn leise, langsam wurde ich müde. „Ich liebe dich." flüsterte Vyris. „Ich liebe dich auch, Vyris." flüsterte ich kaum hörbar und schloss meine Augen.

Ich war mir nicht der Konsequenzen bewusst, denn am nächsten Morgen wachte ich im Stroh auf und entdeckte nur eine Decke, die über mir lag. Wahrscheinlich hatte sie Vyris mir gegeben, aber ich erinnerte mich nicht daran. Er war übrigends nicht da, ich sah ihn weder auf der Weide noch im Stall. Langsam fragte ich mich wo er zu tun hatte, aber dann kam mir in den Sinn, dass ich ins Schloss zurück musste und das Frühstück servieren sollte. Schnell rannte ich über die Wiese und durch den Garten in das Schloss, kämmte mir meine Haare, flocht sie und hetzte in die Küche. „Zu spät, Laurela!" rief die Haushälterin sofort und ich verdrehte die Augen. Sie bekam auch wirklich alles mit.

Nach dem ich das Frühstück serviert hatte (und mich dabei vorbildlich verhalten hatte), kam die Haushälterin zu mir. „Ich sehe mal von dem kleinen Vorfall heute morgen ab." sagte sie und sah mir tief in die Augen. Sie hatte einen Blick der dich durchlöcherte und bei dem man das Gefühl hatte, dass sie alles über einen wusste. Auch wenn das nicht sein konnte, wenn sie den Blick einsetzte wurde sie mir unheimlich. „Ich gehe davon aus, das du länger bleiben wirst. Und wenn du weiter so arbeitest, kannst du gleich die ganze Arbeit übernehmen und wir können die anderen Dienstmädchen entlassen. Sie arbeiten weniger als halb so viel und halb so gut wie du." sagte sie und ich sah sie freundlich an, auch wenn ich den Text nicht komplett gehört hatte. Dazu hatte sie eine zu nervige Stimme. „Ich wollte dir nur den Generalschlüssel geben, du kommst nun überall hinein. Missbrauche ihn nicht, aber ich denke du wirst ihn brauchen. Ich habe jetzt wichtigeres zu tun." sagte sie und gab mir einen mittelgroßen, goldenen Schlüssel von ihrem Schlüsselring. Ich nickte angemessen und nahm den Schlüssel an mich. Ich grinste, der erste Schritt war geschafft. Ich lief nach oben in das Schlafzimmer, schrieb mit schwarzer Kreide schnell einige Zeilen auf das Pergament und steckte es einer schwarzen Taube zu, die sich auf dem Geländer des Balkons niedergelassen hatte. Schwarze Tauben waren immer ein Zeichen für Jackmyr, er hatte sie selbst gezüchtet, hatte er mir eines Tages erzählt und seit dem benutzte er die auf dem Dachboden der alten Hütte nistenden Vögel als Brieftauben. Alle anderen Brieftauben wurden schneeweiß gezüchtet und es gab keine Ausnahmen.

Es dauerte nicht lange, da kam die nächste Taube von Jackmyr mit einem Lob darauf an. Das Buch schien sehr wichtig zu sein, er freute sich wie ein kleines Kind und schrieb, das ich mich Nachts mit Vyris treffen sollte um dann gemeinsam in die Bibliothek einbrechen. Er hatte auch einen kleinen Lageplan gezeichnet, die Bibliothek hatte wohl noch einen Geheimraum hinter zwei Bücherregalen. Ich nickte nur leicht als ich den Brief las und alles verstanden hatte. Dann kritzelte ich schnell eine Uhrzeit und ein Kreuz auf den Lageplan und schmierte meine Unterschrift daneben, dann flüsterte ich der Taube zu ihn zu Vyris zu bringen. Jackmyrs schwarze Tauben waren sehr intelligent und verstanden die menschliche Sprache. Oder sie konnten die Namen irgendwie am klang der Stimme identifizieren, ich wusste es selbst nicht genau. Die Taube schwang sich mit dem Pergament in die Lüfte und segelte kurz ein Stück, bis sie wieder irgendwo hinter den Ställen landete. Ich sah ihr kurz mit einem lächeln auf den Lippen nach. Bald schon müsste ich nicht mehr als Bedienstete arbeiten sondern hatte meine Freiheit wieder, ich konnte einfach nicht so leben. Zwar hatte man ein Dach über dem Kopf aber als Dieb war das Leben einfach schöner. Kaum hatte ich durchgeatmet und wollte den Moment noch etwas auf mich wirken lassen, da rief die Haushälterin schon wieder nach mir und ich durfte einem der Mädchen helfen die Wandteppiche abzustauben.

Bald schon war es Nacht geworden und ich war mit den anderen Mädchen ins Bett gegangen. Doch ich schlief nicht, ich musste wach bleiben und auf den Glockenschlag des Hauptturms warten. Mitternacht war es einfach am dunkelsten und man konnte sicher sein, dass die Herrschaft schlief. Meistens jedenfalls, es gab immer Ausnahmen. Ich konnte den Atem der anderen Mädchen hören als ich auf Zehenspitzen aus unserer Kammer schlich, meine Wertsachen hatte ich in dem Rucksack mitgenommen. Wenn wir das Buch hatten sollten wir so schnell wie möglich verschwinden, da war es sinnlos noch mal in andere Räume des Schlosses zu gehen. Ich schlich leise wie eine Wildkatze um die Ecken herum bis ich vor der Bibliothek stand, da ertönte auch schon der Glockenschlag und nach einiger Zeit der Stille wagte ich wieder zu atmen. Vyris kam um die Ecke geschlichen und grinste als er mich sah. Wir sagten nichts, kein Flüstern, das könnte gehört werden – alles musste leiser als die Stille sein. Die Tür öffnete sich durch den Schlüssel geschmeidig und leise, die Bibliothek erstrecke sich uns in einem mysteriösen Glanz. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und so sah ich wenigstens etwas, die Fackeln an den Wänden ließen wir aus. Heimlichkeit war unsere Stärke, also nutzen wir sie. Der Boden der Bibliothek war aus Teppichboden, was ein großer Vorteil war, denn so konnte das Holz nicht knacken oder die Schuhe nicht auf dem glatten Stein rutschen. Wir tasteten uns langsam vor und erreichten bald schon das Regal an dem es den geheimen Schalter geben sollte, der den Raum öffnete. Vyris untersuchten ihn Stück für Stück, den Atem angehalten um nicht laut zu atmen. Vyris gab mir schließlich ein Zeichen, er hatte etwas gefunden. An der einen Seite des Regal, auf der Unterseite des Regalbretts war eine Art Hebel angebracht. Schwarz wie die Nacht aber verziert mit tausenden kleinen Silberpartikeln die Formen bildeten. Gut verborgen hinter einigen Büchern war er trotz seiner Auffälligkeit gut versteckt. Als wir ihn betätigten knackte und ratterte es. Vyris und ich sahen uns erschreckt an und hofften, das das niemand hören würde. Kurz darauf war es auch schon wieder Still und wir lauschten erst einen Moment in die Dunkelheit – nichts regte sich im Haus und langsam setze ich einen Fuß vor den anderen in den Raum hinein. Das Regal hatte sich zur Seite über ein anderes geschoben und ein in dunkelblaue Samtvorhänge gehülltes Zimmer freigegeben. Ich dachte kurz daran, dass man dieses Buch viel besser hätte schützen können wenn man die Magie des Magiers beherrschte und es mit einem Wort der alten Sprache schützen würde anstatt einem einfachen Hebel. In der Mitte des Raumes stand eine Vitrine in der ein Buch lag, sie war nicht verschlossen, man konnte sie ganz leicht aufklappen. Es war ein schwarzes Buch wie das aus dem Jackmyr seine Notizen herausgeschrieben hatte, aber es war besser in Stand gehalten worden und wurde von einem dunkelblauen Stein angeleuchtet. Dieser Raum hatte eine beunruhigende Atmosphäre und schien zu gleich kalt, abweisend und angsteinflößend, wenn auch wunderschön. Vyris nickte mir zu und ich legte meine beiden Hände um den Umschlag des Buches, es war weicher als erwartet und fühlte sich speckig an. Die Seiten flossen nur so durch meine Hände als ich es herausholte und es in meinen Rucksack steckte. Der Blaue Stein jedoch schien einige Zeit weiter, dann erlosch sein Licht und auf ein Mal war das ganze Schloss hell erleuchtet. Ich starrte Vyris an, er blickte nur auf den Stein und dann auf mich. „Das ist wohl so etwas wie ein Alarm..." brachte er nur heraus. Wir standen immer noch wie angewurzelt dort als ich Schritte hörte. „Lauf!" zischte ich ihm zu und wir rannten gleichzeitig aus der Bibliothek. Ich hatte das Buch sicher in meinem Rucksack verstaut und somit die Hände frei. Wir rannten hintereinander in den Flur und dann eine kleine Treppe hoch, ich hatte keine Ahnung mehr wo wir uns befanden aber es wurden immer mehr Leute die hinter uns herliefen, das konnte man deutlich hören. Die Treppe endete an einem Zimmer das ich schon mal gesehen hatte auf dem Rundgang, aber mich nicht mehr genau daran erinnern konnte. „Hauptsache es hat ein Fenster!" dachte ich und riss die Tür auf. Auf zwei wundervoll bestickten Betten lagen die Kinder des Haushalts, schlafend, als wäre nichts gewesen. Das Mädchen, Vivienna, hatte lange fließende hellblonde Haare und der Junge, Soy, hatte ebenso verstrubbelte Haare wie Vyris. Ich hätte die beiden unschuldigen Kinder gerne länger betrachtet, doch wir hatten keine Zeit. Das Zimmer hatte zum Glück ein Fenster, wenn auch kein großes, aber wir passten hindurch. So schnell war ich noch nie durch ein Fenster gesprungen und an der Hauswand aus Sandstein entlang geklettert, ich konnte an den Schritten nicht mehr erkennen wie viele Leute uns schon verfolgten, aber es dürfte wohl oder übel der ganze Orden der Schützen sein. Vyris kletterte hinter mir aus dem Fenster, wenige Sekunden später flogen die Pfeile nach uns und ich konnte ihnen nur gerade so ausweichen. Die Ordensmitglieder konnten eine Nuss auf der Spitze des Drachengebirges treffen wenn sie am Fuß des Berges standen, so sagte man, und das passte auch gut zu ihnen – ich hatte schon bald einen Pfeil in meinen Kleidern und war froh, dass sie nicht mich erwischt hatten sondern nur das Dienstmädchenkleid. Vyris und ich rannten auf die Mauer zu und verwanden über die Mauer, sie bot ebenfalls gut Halt und die Pfeile prasselten nur so in die Wand, doch kaum einer traf uns. Vyris streifte ein Pfeil am Arm, doch er verursachte nur einen Kratzer und einer der Pfeile traf meinen Rucksack, durchbohrte jedoch nur den Stoff. Auf der anderen Seite des Schlosses wartete ich auf Vyris, dann hörte man schon die Rufe der Wachen die aus dem Schloss gerannt kamen und uns nachjagten. Vielleicht wussten sie nicht mal was wir gestohlen hatten, aber sie waren schließlich beauftragt worden das Schloss zu bewachen. Vyris und ich rannten so schnell wir konnten und im dichten Hain verlor sich bald unsere Spur. Einzelne Pfeile zischten noch an uns vorbei, doch als wir auf einen Baum kletterten rauschte unter uns der letzte Schütze vorbei und lief weiter ohne uns zu bemerken. Endlich konnte ich wieder richtig durchatmen, das war gerade das einzige was ich wollte. Ich schloss für kurze Zeit meine Augen.


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