Zuhause Teil 2

Kapitel 39

Winter

Es gab Verluste unter Lores Männer und ich spürte, wie mein eigener Schmerz sich wieder zu mir hervor kämpfen wollte. Doch im Gegensatz zu dieser Frau, die sofort von anderen umarmt und festgehalten wurde, während sie um ihren Verlust trauerte, war ich allein geblieben. Ich hatte niemanden. Ich war eine Fremde, ein Fremdkörper und Neid über diesen Zusammenhalt grub sich in meinen Magen und brachte ihn dazu zu rumoren.
Lore überbrachte noch drei anderen Angehörigen die traurige Nachricht, umarmte einen Jungen, der um seinen Vater weinte und eine Mutter, die ihn wütend gegen die Brust schlug, als sie erfuhr, dass ihr Sohn nicht zurückkehren würde.
Lore ließ es über sich ergehen. Ertrug, trauer und Wut. Entschuldigte sich und zog mich dann noch weiter an den Rand, wo ich stumm versuchte all die Gefühle herunterzuschlucken und den Abstand zu bekommen den ich brauchte.
Nach der letzten Nacht hatte ich mich besser Gefühlt, dank Lore hatte ich mich besser gefühlt, doch in diesen Moment war davon nichts übrig. Ich gehörte hier nicht hin, sie würden mich nicht akzeptieren und letztendlich würde auch Lore gehen. Ich war allein und ich wappnete mich für den sich nahenden Schlag, den ich kassieren würde, sobald es eintraf.
"Wo ist deine Familie?" fragte ich als die heitere Stimmung sich langsam legte, sich mit dem Schmerz der Verluste mischte und dann zu einer Mischung wurde, die alles beinhaltete und diesen Familien erlauben würde zu heilen. Bei mir würde nichts heilen, meine Familie war mir beraubt worden und egal wie süß Lore zu mir in den letzten Stunden gewesen war, er war kein genügender Ersatz dafür.
Was mich aber verwunderte: Jeder war begrüßt worden nur Lore nicht und eine gemeine Stimme in meinem Hinterkopf machte mir Hoffnung ihn vielleicht doch haben zu können, wenn wir beide allein waren. Ich fühlte mich wie der schlechteste Mensch überhaupt.
"Meine Mutter ist da vorne", erklärte er und deutete auf eine Frau, die ebenfalls Trost spendete. Ich bemerkte wie sie Lore immer und immer wieder einen Blick zuwarf und versuchte zu ihm zu kommen, doch immer wieder aufgehalten wurde. In den richtigen Momenten lächelte, tröstete und kurz zuhörte.
So viel zu gemeinsam allein zu sein. Ich würgte das bittere Gefühl hinunter.
"Sie ist beliebt", entfuhr es mir angespannt und Lore knurrte neben mir.
"Sie ist die Frau den letzten Alphas und die Mutter des aktuellen. Sie führt das Rudel, seit mein Bruder es nicht mehr kann", erklärte er und ich verstand. Diese Frau war wichtig für die Wölfe. Sehr wichtig und plötzlich wurde ich noch nervöser.
Mel hatte gesagt, dass ich niemals akzeptiert werden würde, dass ich eine Ausgestoßene sein würde und ich hatte mich damit abgefunden. Dennoch würde ihr Urteil über mich nicht nur wehtun, sondern mir womöglich noch den Rest jeder Hoffnung nehmen. Ich wusste es jetzt schon. Wenn nicht sie sich für mich einsetzte, würde es niemand tun. Von Lore konnte ich das nicht erwarten. Er hatte mein Heimatdorf verteidigt und wahrscheinlich mein Leben gerettet. Das, was letzte Nacht geschehen war, war schön gewesen, aber ich würde ihn darauf nicht festnageln. Das wäre nicht richtig. Ich habe getrauert und er hat mich getröstet, so wie es wahrscheinlich sein Instinkt von ihm verlangt hatte. ich sollte da nicht zu viel hineininterpretieren. Ich sollte nicht.
"Du kannst ruhig zu ihr gehen.", flüsterte ich um das unausweichliche hinter mich zu bringen. Er sollte nicht hier stehen nur, weil er sich dazu gezwungen fühlte. Er gehörte dazu. Ich nicht.
"Wieso?", gab Lore ein wenig verwirrt zurück und ich legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen öffnete den Mund, um ihn zu widersprechen, weil... so war das nicht zwischen uns. Doch schloss ihn wieder weil.... es eine Lüge gewesen wäre. Letzte Nacht war etwas zwischen uns etwas geschehen und ich wollte das. Ich brauchte nur die Gewissheit, dass ich nicht die einzige wahr die das so empfand. Ich wollte ihn und er ... er blieb bei mir anstatt zu seiner Mutter gegangen, sondern stand neben mir, als würde er an meiner Seite gehören.
In meinen Magen begann es zu kribbeln, doch als seine Mutter sich endlich von den anderen losmachen konnte, glitt ihr Blick zu mir und ich könnte schwören, es wurde im etliche Grad kälter um mich herum.
"Lass dich von ihr nicht einschüchtern", erklärte Lore mir.
"Zu Spät." Ich war bereits eingeschüchtert.
Seine Mutter war groß und elegant. Ihre Bewegungen kraftvoll wie die einer Königin und als sie damit fertig war mich zu mustern, richtete sich ihr Blick auf ihren Sohn und ihre Augen wurde einen Hauch wärmer.
"Lore. Du bist gesund" Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ihr Sohn nickte lediglich und beugte sich herab, damit sie ihn einen Kuss auf die Wange geben konnte. Ich machte dabei einen Schritt zurück. Ich fühlte mich wie ein Eindringling, da musste ich nicht auch noch in ihren persönlichen Raum vordringen, wenn sie ihrem Sohn begrüßte.
Durch die Entfernung bemerkte ich dann auch noch zwei andere Wechselhäuter die Lores Mutter gefolgt waren. Einen Mann und eine Frau, deren Verwandtschaft so offensichtlich war, dass man es unmöglich übersehen konnten.
Die Frau war schön, ungefähr in meinem Alter und besaß so grüne, stechenden Augen wie ich es noch nie gesehen hatte. Ihre einfache Tunika war raffiniert geschnitten und betone ihr breites Becken und ihre ausladenden Brüste. Als sie sich näherte, erschien das schönste und charmanteste Lächeln auf ihren Lippen, das ich je bei einer Frau gesehen hatte, bevor ihr Blick begierig über Lore glitt.
Sofort spannte ich mich weiter an, aber drängte das Gefühl gleich wieder zur Seite. Auch wenn all meine Sinne mich anschreien, dass ich jedes recht hatte meinen Gefährten vor den begehren einer anderen Frau zu beschützen, würde ich es nicht tun. Ich würde mir dabei sicher keine Freunde machen.
Zuerst beachtete sie mich nicht, als wäre ich unsichtbar. Doch dann drehte der Wind, glitt mir von hinten durchs Haar und direkt auf sie zu. Alle Anwesenden versteiften sich und ihr Kopf glitt so ruckartig in meine Richtung, dass es mich an eine Natter erinnerte.
Auch der Kopf des Mannes neben ihr glitt zu mir und Lores Mutter machte sich von ihrem Sohn los und betrachtete mich ebenfalls eingehender.
Für eine Weile standen wir alle nur da, meine dunklen Haare wehten im Wind, direkt in ihre Richtung und ich sah noch ein paar andere aus dem Rudel, die innegehalten hatten und mich nun anstarren.
Lore räusperte sich.
"Mutter, Jenna, Lark? Das ist Winter, meine Gefährtin. Ich fand sie in dem Dorf zudem die Alte Vettel mich geschickt hatte, sie ist eine Halb-Wechselhäuterin und lebte dort unter den Menschen. Bei einem Angriff kamen ihre Eltern ums leben, ich brachte sie mit wie es meine Pflicht ist und auch mein Wunsch." fasste er alles so kurz zusammen. So schnell, dass ich das Mienenspiel seiner Mutter bei jedem seiner Worte beobachten konnte.
Bei dem Wort Gefährtin, war sie erstaunt.
Bei dem Wort Halb-Wechselhäuter skeptisch, der Tod meiner Eltern weckte leises bedauern und bei seiner Andeutung, dass es der Wille der Götter und auch der seine waren, dass ich hier bin, trat Kälte. Aber kein Widerstand.
"Winter. Das ist meine Mutter Freya und ihre Mündel Jenna und ihr Zwillingsbruder Lark", sagte er und umschloss meinen Arm um mich zurück an seine Seite zu ziehen. Seine Mutter verfolgte die Geste, legte dann den Kopf schräg und trat an mich heran.
Freya war größer als ich und verdammt einschüchternd, als sie sich zu mir herunterbeugte und an mir schnupperte.
"Ein Raben-Wechselhäuter egal ob halb oder nicht, egal ob sie sich verwandeln kann oder nicht, kann ich in meinem Heim nicht willkommen heißen, Lore. Das weißt du!", sagte sie und dann legte sich so etwas wie Mitgefühl auf ihr Gesicht.
"Es tut mir leid, Kind. Aber du wirst hier eine Ausgestoßene sein, das ist nichts Persönliches." Ihre Worte trafen mich wie ein Messer in der Magengrube aber ich verzog keine Miene, straffte meine Schultern und blickte ihr so starrsinnig entgegen, wie ich es immer getan hatte, wenn ich auf Ablehnung gestoßen war.
"Das ist mir bewusst. Ich verfüge über eine Ausbildung als Heilerin und Hebamme, dass kann deinem Rudel nutzen oder auch nicht. Das ist eure Entscheidung und auch nichts Persönliches", erwiderte ich ebenso kalt.
Dann sahen wir uns an. Länger als es natürlich war und noch einmal glitt ihr Blick über mich hinweg, diesmal weniger kalt und ich könnte schwören so etwas wie Anerkennung in ihren Augen zu sehen.
"Kannst du dich verteidigen, Heilerin?"
"Mein Vater war Jäger, schulte mich in Fallen stellen und wie man mit einem Messer umgeht. Meine Mutter unterrichtete mich in ihrer Zunft. Ich bin dazu in der Lage Knochen zu brechen und zu versorgen." Ich lächelte kalt und Freya Nase zuckte etwas missbilligend.
"Gut, dann kannst du dich ja selbst versorgen und selbst um dich kümmern. Am äußersten Rand des Rudelgeländers."
Damit verging mir das Lächeln wieder aber Lores Griff um mein Handgelenk, was er immer noch umfangen hielt, ließ nicht eine Sekunde locker.
"Dann wirst du mich in der alten Hütte am Strand finden, wenn du mich suchst, Mutter." erklärte er und der Blick seiner Mutter schnellte zu ihrem Sohn.
"Der Bund mit ihr ist noch nicht vollständig geschlossen, du kannst nach Hause kommen, wenn..."
"Mein Zuhause ist bei meiner Gefährtin, Mutter. Das verlangt die Natur. Die Alte selbst schickte mich in ihr Dorf und wir alle wissen, was passierte als man ihre Prophezeiung das Letzte mal ignoriert wurde. Wenn du uns zu Ausgestoßene erklärst, ist das dein gutes Recht, aber ich bleibe bei meiner Gefährtin."
Alle Männer, Frauen und Kinder in Hörweite verstummten und sahen verwirrt zwischen Lore, mir und Freya hin und her. Doch Lore ließ sich nicht beirren. Er schultere seine und auch meine Tasche, legte seine Hand auf meinen unteren Rücken und schob mich tiefer in den Wald hinein. Seine Mutter ließ ihn gehen, aber ich spürte ihren stechenden Blick in meinem Rücken.

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Ich sehe eine Menge Probleme auf Winter zukommen 😅

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