Trauer in der Nacht
Kapitel 32
Lore
Ihr Geruch war überall. Er umschleierte mich wie ein dichter Nebel, der sich durch einen dichten, alten und gewaltigen Wald windet, um ihn komplett einzunehmen. Würde ein Baum fallen, würde dieser Nebel ihn verschlingen und seinen Anblick erst wieder freigeben wenn es ihm beliebte. Ohne das es irgendwer mitbekam.
So fühlte es sich an, als er mich umfasste und dieses Zelt erfüllte. Poesie lag mir nicht, aber dennoch kam mir dieser wohl holpriger Vergleich in den Sinn. Ich spürte, wie ich begann zu fallen, wie mich meine tief geglaubten Wurzeln nicht mehr tragen wollten, sie aufgaben, obwohl sie niemand dazu zwang.
Dieser Duft benutzte keine Gewalt, um alles um sich herum niederknien zu lassen. Es war subtiler. Eine Welle, die stetig gegen einen Stein schlug, um ihn langsam auszuhöhlen oder eben wie dieser Nebel. Zärtlich, fast wie ein Streicheln. Ich konnte mich ihm nicht erwehren. Es war ein Fehler gewesen sich hier mit Winter zu zur Ruhe zu begeben.
Verzweifelt versuchte ich mich auf die Stimme meiner Männer zu konzentrieren, die diesen Larson-Jungen weiter drangsalieren und stellte mit Erstaunen fest, dass seine Antworten fast ebenso spitz waren. Er schlug sich ganz gut für einen Menschen.
Mein Wolf erhob sich, sein Fell schabte über die Innenseite meiner Haut, knurrte und weigerte sich auch nur irgendetwas Positives an diesen Jungen zu finden, der so offensichtlich meiner Gefährtin nachstellte. Dazu kam dieser Duft.
Ich konnte mich kaum beherrschen. Meine Hand glitt über die winzige Entfernung hinweg, berührte eines der Felle, in denen sie sich eingewickelt hatte. Das sollte meinen Wolf, mich, beruhigen aber das tat es nicht. Es machte alles nur noch schlimmer.
Dann hörte ich das Wimmern.
Es war ein winziger kleiner Laut, den man selbst als Hautwechsler nur hörte, wenn man dich neben ihr lag. Sie träumte viel in den Nächten. Die Alte meines Rudels sagte, dass man im Traum Dinge verarbeitete, für die am Tag keine Zeit übrig war. Verlust, Trauer aber auch heimliche Wünsche und Begehren, denen man wach, niemals nachgeben würde.
Ob Winter von mir träumte?
Ich schüttelte mich, denn diese Frage wollte ich mir nicht stellen. Natürlich würde sie nicht von mir träumen. Sie würde im Schlaf den Tod ihrer Eltern verarbeiten, die Trauer zulassen, die sie Tags über immer so tapfer versteckte. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was sie gerade durchmachte. Ich hatte meine Eltern noch. Zumindest den Elternteil auf den es für mich angekommen war. Meine Mutter.
Mein Vater kehrte eines Tages einfach nicht zurück, fiel in den unendlichen Weiten von Einsamkeit irgendwo in einem Kampf. Niemand von seiner Truppe kam je wieder zurück. Meine Eltern waren keine Gefährten gewesen, deswegen hatte meine Mutter seinen Verlust zwar betrauert aber überlebt. Hatte weitergemacht und mich und meinen Bruder alleine großgezogen. Ich war zu jung um mich überhaupt an meinen Vater erinnern zu können und meine Mutter hatte alles getan, um diese Lücke zu füllen. Wa wusste ich schon davon wie Winter sich fühlte?
Selbst die Situation um meinen Bruder war nicht so schlimm wie sie es hatte durchstehen müssen. Er lebte noch. Es stand Winter also zu, die Ruhe dieses Zeltes zu benutzen, ohne dass der Berserker neben ihr sie betatschte.
Das erklärte ich auch meinen Wolf, der daraufhin jaulte aber den Abstand endlich einmal nicht zu überbrücken versuchte, auch wenn alle meine Instinkte mir dazu rieten es zu tun. Weil man das so machte in einem Rudel.
Man trauerte gemeinsam, berührte sich und war einfach da.
Brauchte Winter Nähe oder gehörte sie zu denjenigen, die sich Tagelang in die Einsamkeit der Wildnis zurückzogen, um für sich zu sein? Die Frage quälte mich, weil es mich machtlos zurückließ.
Wieder ein Wimmern diesmal mit einem unverkennbaren Schniefen begleitet. Sie war aufgewacht, bemühte sich darum, ruhig zu sein. Ich hörte es an ihrem Herzschlag, an ihrer Atmung. Und ich lag hier, hatte keine Ahnung was ich tun sollte.
Als sie sich unter all den decken umdrehte, berührte meine Hand, die eigentlich nur eines der Felle berührt hatte, die ihre Hand und sie öffnete die Augen.
Wie gut sah sie im Dunkeln?
Raben waren nachtaktiv aber höchstwahrscheinlich war sie ein Mischling ohne die Fähigkeit der Verwandlung. Also ... was sah sie?
"Entschuldige", hauchte sie in die Felle hinein. Fast hätte ich sie überhört.
"Für was?", fragte ich verwirrt und war fasziniert davon wie ihre Augen in der Finsternis schimmerten. Nicht so stark wie es bei einem Wolf gewesen wäre, aber definitiv so wie es bei einem nachtaktiven Wechselhäuter geleuchtet hätte.
Der Wolf nahm das anerkennend zur Kenntnis. Erinnerte mich daran, dass ihr Blut zwar nicht rein war, aber genügen würde. Hautwechsler konnten sich auch speziesübergreifend paaren, ohne dass die Reinheit verloren ging. Wir blieben nur lieber unter uns, weil eben nicht alle Wechselhäuter in Rudeln lebten und gerade Wölfe waren territorial. Winters Blut machte nur Probleme, weil ihre Artgenossen eben der Hexenkönigin dienten. Aber würde ich Kinder mit Winter bekommen, wären sie höchstwahrscheinlich so gut wie Vollblütig, die Wolfsgene waren meist dominant.
Ich schüttelte mich. Daran sollte ich nicht denken. Winter will nicht bleiben, keine Kinder, keinen Wolf, sie würde gehen, sobald sie versucht hatte meinen Bruder zu helfen. Und ich würde sie gehen lassen. Das hatte ich ihr geschworen.
"Hab' geweckt'" nuschelte sie in ihr Nachtlager hinein. Ich grinste. Es war albern zu denken, ich könnte schlafen wenn sie neben mir lag und selbst wenn ich es tat: Ich würde immer erwachen, wenn sie sich neben mir regte.
Gerade jetzt wo ich ihre Trauer spürte, die nur in der Nacht aus ihrer Brust herauskroch und ihr die Kehle zudrücken, würde ich da sein. Denn das war meine Bestimmung. Meine Finger strichen über ihren Handrücken und sie zog sie nicht weg. Mein Wolf jaulte voller Zustimmung, erhob sich in meiner Brust, knurrte mich an dieses stumme Zugeständnis auszunutzen. Ich verweigerte mich ihm.
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okaaaay...wer ist noch dafür das Lore sie tröstet?🥰
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