Tränen Teil 2
Kapitel 44
Winter
Als meine Tränen versiegten und ich wieder Herr meiner Gefühle war, hob ich den Kopf und sah zu Lore herauf, der noch immer geduldig mein Haar streichelte. Er schien nicht verärgert über meinen Gefühlsumschwung oder davon wie ich mich an seinen nackten Oberkörper presste, um von seiner Hitze zu profitieren. Er sah nicht mal überrascht aus, obwohl ich durchaus bemerkt hatte, dass mein Verhalten ihn das ein oder andere Mal überfordert zurückgelassen hatte,
"Das ist normal. Es kommt und geht. Tränen, aber auch Wut und Hoffnungslosigkeit. Manchmal auch ein schlechtes Gewissen, weil man eigentlich glücklich ist. Gerade in ruhigen Momenten. Aber es wird mit der Zeit immer weniger und dann hört es ganz auf." erklärte er und ich wusste, was er meinte. War erstaunt, dass er es identifizieren konnte: Trauer. Manchmal sah ich ihn an und sah nur den schlecht gelaunten Krieger in ihm, unterstellte ihm deswegen mangelnde Empathie aber...
Er hatte sicherlich schon viele Verloren, die er geliebt hatte. Wenn jemand Verständnis hatte, dann er. Ich nickte, schniefte noch ein wenig und beruhigte mich dann ganz. Ich durfte mich nicht davon beherrschen lassen und egal wie schwer es in diesen Momenten fiel: Mann musste weitermachen. Also wischte ich die Tränen fort und eine neue Sehnsucht kämpfte sich in mir hervor. Die, sauber zu sein.
"Hattest du etwas von heißen Quellen gesagt?", fragte ich und Lores Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln.
"Ja. Hinter dem Haus. Halte dich von den Felsen nahe der Strömung fern, sie sind sehr heiß, aber nahe an der Holztreppe ist es angenehm. Auf der Ablage davor liegt auch Seife und Minzkraut."
Ich sah automatisch zu der gewaltigen Steinwand, die sich fast direkt hinter der Hütte erhob, die diese Welt hier von dem gnadenlosen Winter oben trennte. Ich hatte schon beim Abstieg bemerkt, wie warm sie war und es überraschte mich nicht, dass es hier heiße Quellen gab. Auf der Seite der Hexenkönigin herrschte ein „verdorbener Feuerboden" der das Land eiskalt und heiß zugleich machte. Und wir waren in einem Graben, tief in besagter Erde. Deswegen herrschten hier angenehme Temperaturen, heiße Quellen und vielleicht auch deswegen so viel Magie.
Meine Mutter hatte immer gesagt, dass der Boden es wäre der Magie offenbarte, dass alle wachsenden Dinge deshalb so durchdrungen von Magie waren, wenn auch nur leicht. Gab es deshalb so viel hier, dass es unablässig meine Sinne kitzelte?
Ich wollte zu dieser Quelle und mich waschen und vor allem erfahren: Wo lag ihr Ursprung?
Und dann wurden meine Wangen feuerrot als ich feststellte, das ich nach all den Tagen auf Reisen sicher nicht sehr angenehm duftete während Lore...frisch riecht. Selbst sein Atem hatte einen angenehmen Minzduft. Oh Götter...
Schnell rutschte ich von ihm ab. Ich musste fürchterlich riechen vor allem für seine empfindliche Hautwechsler Nase. Schnell raffte ich mich auf die Füße und stolperte fast über Grimm, weil er sich zwischen meine Füße schlängelte.
"Vorsicht, er liebt es zu schwimmen, in den heißen Quellen zu tauchen. Leute darin zu erschrecken ist seine Lieblingsbeschäftigung. Wenn du auch nur erwähnst, dass du zu den Quellen gehst, folgt er einem." Ich sah auf das Drachentier herab und runzelte die Stirn.
Er schwimmt? Aber...
"Mein Vater war Jäger und hat ständig Drachentiere vertreiben müssen. Sie können nicht schwimmen, sind sogar wasserscheu. Und Grim..." Grimm hat sich von mir über einen Fluss tiefen lassen, als ich vor Lore geflohen war. Oder war er nur zu faul gewesen?
Lore legte den Kopf schief und erhob sich ebenfalls wieder.
"Ich weiß nicht, was dein Vater für Drachentiere vertrieben hat, aber Grim ist anders. Und er hasst nur kaltes Wasser. Er kann es gar nicht heiß genug haben", erklärte Lore und das ergab noch weniger Sinn.
Aber bei einem konnte ich ihm zustimmen. Grimm war kein normales Drachentier, seine Flügel waren nicht verkümmert und diese Federn zwischen seinen Schuppen waren auch seltsam. Doch damit würde ich mich jetzt nicht beschäftigen. Ich musste gerade für Lore bis zum Himmel stinken und bevor ich mich nochmal in seine arme warf, wollte ich sauber sein. Heiße Quellen klangen dabei verführerisch.
"Okay. Ich nehm ihn mit. Wirst du...wirst du hier sein?" fragte ich, denn der Gedanke, dass er weiter weg gehen würde, ich ihn vielleicht nicht mehr wiederfand, war...beunruhigend.
Lore nickte ernst und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Baumstämme.
"Ich repariere die Tür, werde in Hörweite sein. Ruf mich, wenn du etwas brauchst oder ... mich brauchst" Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich mit erneut flammenden Wangen stehen.
Wenn ich ihn brauchte.
Ich wusste genau worauf er anspielte, aber ich schüttelte mich und erinnerte mich daran, wie schlimm ich riechen musste. Dennoch sah ich Lore noch etwas dabei zu, wie er sich wieder an seine Holzarbeiten machte. Solange bis Grimm seinen Kopf gegen mein Bein drückte. Ich verstand die Aufforderung und riss mich von Lores Anblick los.
Die Hütte, die hier stand war kaum groß genug um zwei Räume zu beherbergen und diente scheinbar nicht als dauerhafte Unterkunft für irgendjemanden. Sie war alt, das steinerne Fundament des Gebäudes hatte Moos angesetzt, während das Holz der Balken von den Gezeiten bereits extrem angegriffen war, aber ich wusste, dass Lore dennoch das Beste daraus machen würde.
Das hier war ab nun mein Zuhause und ich versuchte das Gute in all dem zu sehen. Die Aussicht war wunderschön, die Hütte war nur einen Steinwurf vom Strand entfernt, aber nahe genug an der riesigen Klippe des Canyons um vor den Naturgewalten geschützt zu sein, die vom Meer her aufziehen könnten. Als ich um das Haus herum ging entdeckte ich einen kaputten Zaun, der irgendwann einmal einen Garten eingefasst hatte, doch was auch immer hier einmal gezüchtet worden war, es war von Gras, Unkraut und sogar einen Eichenschössling bedeckt die die freie Erde hier zurückerobert hatten.
Etwas weiter weg, gab es einen Verschlag, der Feuerholz und altes Stroh beherbergte. Nichts hier wirkte so, als wäre es vor kurzem bewohnt worden.
Ich folgte einem alten Trampelpfad und entdeckte die heiße Quelle, von der Lore gesprochen hatte, zwischen einer Reihe von Bäumen, die einen natürlichen Blickschutz für ein Bad boten. Ich wusste sofort, dass ich es lieben würde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top