Rabenkind
Kapitel 4
Winter
"Ich bin heilkundig. Braucht Ihr meine Hilfe?" fragte sie und der Mann zog einen Lederbeutel von seinem Gürtel.
"Schmerzstillende Tränke, so viel wie Sie haben. Auch welche gegen Fieber und offene Wunden. Salben, Verbände, alles, was Sie erübrigen können. Ich bezahle jeden Preis.". meinte er und meine Mutter legte den Kopf schräg, bevor sie auch nur in die Richtung unseres Vorratschrankes blickte,
"Gegen Wunden habe ich Salben und auch Verbände sind kein Problem. Aber die Tränke helfen am besten, wenn sie zielgerichtet angewendet werden. Welche Art von Schmerzen? Was ist ihre Ursache?", fragte sie und der Mann zuckte mit seinen Schultern.
"Bei Amputationen, um den Tod weniger grausam zu gestalten, Albträume. So etwas", meinte er und dann nickte Mutter. Sie nahm einen Korb und suchte alles zusammen. Mein Vater nahm währenddessen die Münzen entgegen und lud den Kunden mit einer Geste herein.
Der Mann aber blieb stehen und schüttelte nur leicht den Kopf.
"Ich nehme die Waffe nicht herunter und ich will Eurer Frau keine Angst einjagen", sagte der Fremde und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, bei der Aussicht, irgendjemand oder irgendwas, könnte meiner Mutter Angst machen. Sie war das furchtloseste Geschöpf im Dorf, zumindest behauptete das mein Vater stets. Selbst der Bürgermeister, ein beleibter, meist hitzköpfig Mann, sackte in sich zusammen, als sie ihm die Leviten las.
Der Blick des Fremden glitt nach oben in meine Richtung. Er musste mein Glucksen gehört haben.
"Oder dem Mädchen.", fügte er hinzu und ich schreckte vor dem Spalt etwas zurück, als mich seine eisblauen Augen trafen und seine Nasenflügel kurz bebten.
"Bleibt ihr lange in unserem Dorf? Wir haben keine Arbeit für euch", versuchte mein Vater abzulenken, doch der Blick des Mannes blieb auf mich.
Ich sah es, spürte es geradezu. Bildete mir sogar ein stirnrunzelnd ein, als würde er nicht schlau aus mir.
"Wir sind hier, um unsere Vorräte aufzustocken. Wir werden keinen Ärger machen", meinte er, aber es klang, als würde er einfach sagen, was er immer sagte, wenn er danach gefragt wurde. Ich glaubte ihm nicht und sein Blick verfolgte mich, während ich immer leicht zurückwich, als würde er mich durch die Dielen hinwegsehen können.
"Das hoffe ich. Ich habe kein Problem mit Hautwechslern, aber ich werde meine Familie beschützen"
Die Drohung meines Vaters flimmerte in der Luft wie Magie in einer Vollmondnacht und ich hielt den Atem an. Er war einer von ihnen? Ich dachte, alle außer ihm wären Menschen. Doch dann hörte ich das Klappern eines Korbes. Meine Mutter hatte die Waren zusammengepackt.
"Sie sind beschriftet, mit Buchstaben. Ich kann Symbole draufmalen, wenn keiner von Euch lesen kann", meinte sie und sagte das mit keinerlei Verachtung in der Stimme. Die Meisten im Ort waren des Lesens nicht mächtig. Nur die, die es brauchten, lernten es. Für den Rest war es reine Zeitverschwendung.
"Wir kommen schon zurecht. Danke.", erwiderte der Mann, stockte dann und stellte dann die Frage, die ihm wohl schon eine Weile auf der Zunge liegen musste. "Wie kommen Menschen zu einem Rabenkind?" Ich zuckte zusammen.
Rabenkind? Was war das?
Als würde es seine Worte unterstreichen, krächzte ein Rabe vor meinem runden Fester.
"Ich weiß nicht, was ihr meint", erwiderte mein Vater, allerdings klang er dabei etwas harsch. Zu harsch. Er log.
"Das Mädchen auf den Dachboden. Es ist nicht von Eurem Blut, es ist ein Rabenkind", meinte er und ich hatte keine Ahnung, was das sein sollte, wünschte aber ich könnte das Gesicht meiner Eltern sehen.
"Sie ist unser Kind, ob von Blut oder nicht", meinte meine Mutter entschieden und wieder wagte ich mich zu dem Teil des Dachbodens, wo die Spalten so breit waren, dass ich hindurchsehen konnte.
Sofort begegnete ich wieder dem Blick des Mannes.
"Sie wird Euer Tod sein. Ihr habt Euch einen Lakaien der Hexenkönigin ins Haus geholt." meinte der Mann und sein Blick wurde hasserfüllt, bevor mein Vater zu ihm aufschloss und sich dicht vor ihn stellte.
"Raus aus meinem Haus! Sofort!", erwiderte er eiskalt und so ruhig, dass ich erstarrte. Mein Vater war ein ruhiger und sehr direkter Mensch. Normalerweise zahm wie ein Lamm, aber wenn er so leise sprach, so klar und deutlich, als wollte er sichergehen, dass sein Gegenüber alles genau so verstand, wie er es sollte, wurde er gefährlich. Es war die Tonlage, die er immer angeschlagen hatte, wenn andere Leute aus dem Dorf mich einen Bastard geschimpft hatten, ein Findling, ein Wechselbalg.
Doch noch bevor ich wirklich erwachsen geworden war, hatte das aufgehört, dafür hatten meine Eltern gesorgt. Zumindest sagten sie das jetzt so leise, dass ich es nicht mitbekam.
"Weiß der Rest des Dorfes, was sie ist? Was sie werden wird? Ihr seid verrückt, so ein Wesen überhaupt aufgenommen zu haben. Ihr seid Jäger, ihr könnt es unmöglich so blind gewesen sein", meinte er und ich zuckte zusammen, als Glas splitterte. Meine Mutter zerbrach eines ihrer Fläschchen. Direkt vor den Füßen des Fremden.
"SCHWEIGT! ODER BEI MEINEN LEBEN ICH ZWINGE EUCH ALLEN DEN WERWOLF FLUCH AUF, AUF DAS IHR BEIM NÄCHSTEN VOLLMOND DAZU VERRDAMMT SEID EURE KAMERADEN ZU ZERFLEISCHEN!", schrie meine Mutter und als ihre blonden, von weißen Strähnen durchzogenen Haare, sich hoben, als würde ein unsichtbarer Wind aufkommen, wich der Mann tatsächlich zurück und verließ die Hütte so schnell wie ihm seine Füße tragen konnten.
Ich wusste genau, was er gesehen hatte: Eine Frau, die ihre Magie nicht nur für Heiltränke verwendete, sondern durchaus dazu in der Lage war, sich damit zu verteidigen und das auch tun würde, wenn man sie dazu zwang. Er hatte in das Gesicht einer Mutter erblickt, die dazu bereit war, mich ihr Kind zu beschützen, egal was andere davon hielten. Nur ich blieb stumm und verwirrt auf dem Boden hocken und ließ die Worte dieses Mannes in meinen Verstand immer wieder neu widerhallen.
Rabenkind. Lakai der Hexenkönigin. Ich würde sie alle töten.
Nichts davon könnte weniger mit meiner Realität übereinstimmen. Nichts davon könnte mein Leben mehr aus den Fugen geraten lassen.
Mein Bauch rumorte, meine Finger zitterten, als der Rabe vor meinem Fenster erneut krähte und sich eine weitere Gewissheit in mir ausbreitete.
Er hatte recht. Er hatte mit allem recht und meine Eltern wussten es.
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Die Karte ist noch unvollständig um nicht zu spoilern, aber so habt ihr ersteinmal eine Orientierung wo wir uns gerade befinden ^^
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