Köder

Kapitel 25

Winter

Ich erwachte mitten in der Nacht oder gab es eher auf tieferen Schlaf finden zu können. Ich fühlte mich unruhig, gehetzt. Es war ein Jucken in meinem Nacken, dass ich von mir nicht kannte. Ein Ziehen in der Brust. Etwas störte mich und umso länger ich mit geschlossenen Augen einfach dalag und darauf wartete, dass irgendetwas passierte, drehten sich meine Gedanken zunehmend um dieses Jucken.
Dabei hatte ich eher mit Alpträumen und Trauer gerechnet als damit. Doch es ging mir gut, glaubte ich. Viel zu gut für jemanden, der die beiden liebsten Menschen in seinem Leben auf so brutale Art verloren hatte. Und ... ich glaube, ich hatte einfach noch nicht ganz realisiert, dass sie tatsächlich fort waren. Alleine die Tatsache, dass ich abgereist war, sorgte dafür, dass ich Probleme damit hatte, es tatsächlich zu verinnerlichen. Der Ort meiner Kindheit war für mich verloren und erinnerte mich nicht stets daran, dass dort etwas fehlte. Kein Salz das in die Wunde gerieben wurde, um besonders schmerzhaft zu sein.
Alles, was ich spürte war: vermissen. So sehr. Mein liebenswerter Vater und meine charakterstarke Mutter. Ich vermisste ihre kleinen Streitereien, wenn ich auf den Dachboden friedlich in meinem Bett lag. Sie hatten sich nur selten ernsthaft gestritten, es waren eher Diskussionen darüber, wie sie etwas machen wollten. Verschiedene Ansichten, die durchgesprochen und bewertet werden mussten. Vor allem das setzte mir zu: Die fehlenden Pläne über den morgigen Tag die mir das Gefühl gab ins Bett zu gehen und etwas geschafft zu haben und mit eindeutigen Aufgaben den nächsten Tag zu starten. Perspektive.
Ich hatte das zu schätzen gewusst, hörte ich doch sonst viel zu oft im Dorf, dass dies in der Regel nicht so gehandhabt wurde. Es gab Familien, die haben in einer Woche so viel miteinander gesprochen haben wie meine Eltern in einer Stunde. Sie machten sich nicht die Mühe ihre Pläne offen in der Familie zu besprechen. Auch wenn ich manchmal den Eindruck hatte, dass sie diese nicht mal für sich selbst machten.
Wie würde meine zukünftige Ehe wohl aussehen? Ich war gezwungen, bei Lore zu bleiben also... würde er mein Ehemann sein, so furchtbar und auch erschreckend wie ich dieses Gedankengang auch empfand. Verdammt. Es war ... eine Perspektive. Irgendwie.
Ich hatte mir noch nie so viele Gedanken darum gemacht. Ehemänner, Familie. Dabei sollte ich mir andere Sorgen machen. Oder? Ich hatte kein Zuhause, keine Angehörigen und wusste nicht, was mit mir geschehen würde. Doch die Antwort auf all diese Fragen würde Lore beinhalten. Auf die ein oder andere Weise.
Als mein Gefährte war er die Personifikation meiner Zukunft, egal wie wenig mir das schmeckte. Die Natur machte keine Fehler, also musste er etwas an sich haben was gut für war, oder? Ich schloss frustriert die Augen und starrte an das spitze Dach des Zeltes. Ich hatte rein rational gesehen keine Wahl, als diesen primitiven Grobian irgendwann ernsthaft kennenzulernen. Ich hatte wenig Lust mich für den Rest meines Lebens mit ihm zu streiten.
Bei den Göttern, wie ich es hasste, vernünftig sein zu müssen.
Ich setzte mich in meiner Lagerstätte auf und bemerkte deutlich, dass der Berserker zwar seine Felle neben mir ausgebreitet hatte, aber scheinbar diese Nacht nicht benutzen wollte. Wieso? War es ihm zu unangenehm letzte Nacht gewesen?
Dieser Mistkerl! Wenn es daran lag, dann ... sollte er wissen, wie unangenehm es mir war! Er hatte sicher schon sein Lager mit einer Frau geteilt und war dieser sehr viel näher gekommen, ich aber war es nicht gewohnt, also hatte ich es schwerer als er!
Eine Silhouette bewegte sich beim Lagerfeuer vor dem Zelt. Lore. Ich erkannte seine breiten Schultern, hatte sie lang genug auf dem Rücken dieses Pferdes aus den Augenwinkeln studiert, um zu wissen, wie sie aussahen, wenn sie sich anspannten und locker ließen. Und ich hasste mich dafür. Ich wollte ihn nicht beobachten, ihn auch nicht ... attraktiv finden. Das tat ich nämlich nicht! Definitiv nicht!
Doch wäre es nicht besser wenn? Vielleicht sah er gut aus, das konnte ich mir eingestehen aber er war groß wie ein Bär ... was ihn nicht unattraktiv machte aber. Ich verwarf den Gedanken wieder.
Genervt von mir selbst, meiner Schlaflosigkeit und ihm, wickelte ich mir eine Felldecke über die Schultern. Es war eiskalt und eigentlich wollte ich mich nicht aus den warmen Leinen heraus quälen aber ich musste. Ich spürte, dass ich es musste.
Also kroch ich aus dem Zelt und wurde sofort mit einem Anblick belohnt, der mich viel zu sehr aufwühlte. Lore saß auf dem Boden, ein Fell unter ihm, nahe am Feuer. Er trug nur ein Hemd, über dem zwei Ledergurte liefen und sich an Brust und Rücken kreuzten. Seine gigantische Axt lehnte an einen Baum neben ihm und auf seinem Schoß lag Grim und ließ sich streicheln. Er war attraktiv. Mist.
Er begegnete meinen Blick während ich herauskam und ich wandte mich schnell ab. Der Mond über mir sagte mir deutlich, dass der Morgen noch sehr weit entfernt sein musste. Er hatte noch nicht einmal seinen Zenit erreicht und wie zur Bestätigung trug der kalte Wind die Stimmen von Soldaten an uns heran. Wir waren, wie letzte Nacht auch, etwas weiter von ihnen allen entfernt, aber nicht so weit, dass wir sie nicht hören oder ihre eigenen Lagerfeuer nicht sehen konnten.
"Wenn du austreten musst, musst du dort lang. Geh nicht zu weit", erklärte Lore und deutete mit einer Kopfbewegung nach links. Zwischen dichtere Bäume und Büsche. Doch ich schüttelte den Kopf. Ich musste gerade nicht.
"Ich kann nicht schlafen" gestand ich ihm und nach einer Weile nickte er nur und deutete auf eine zweite Decke ihm gegenüber vom Lagerfeuer. Ich atmete tief durch und ließ mich dort fallen. Grimm öffnete seine reptilienartigen Augen, gurrte und senkte dann wieder den Kopf auf Lores Knie. Über uns im Baum ächzte ein Rabe.
"Ist der auch meinetwegen hier?" fragte ich einfach nur, um die Stille zu füllen. Lore zuckte mit den Schultern.
"Wahrscheinlich. Es ist kein Spion der Hexenkönigin."
"Woher weißt du das?" Würden die Spione nicht schwer zu erkennen sein?
"Ich würde es riechen. Das ist ein ganz normaler Vogel. Zudem würde die Hexenkönigin anderes schicken um uns zu beobachten. Ihre Raben-Wechselhäuter sich zu leichte Beute für mich und meine Männer." Das glaubte ich ihm sofort. Ein Holzscheit vor mir knackte. Ich würde die Frage wahrscheinlich bereuen aber ...
"Was würde sie schicken?" Etwa eines dieser Spinnendinger, das mich auch im Gasthof angegriffen hatte? Wandelnde Tote?
"Einen Wendigo vermute ich mal. Du bist schon einen davon begegnet"
"Das Ding im Gasthof" Er nickte zur Bestätigung.
"Also war es ein Spion der Hexenkönigin?" Für einen Spion war es mir definitiv zu gruselig und zu angriffslustig.
"Sowas in der Art. Und ich bin mir sicher sie wird wieder einen schicken, um dich zu beseitigen. Das Ding war nur deinetwegen da, Vögelchen", erklärte er so nonchalant, dass ich ihn entsetzt anstarrte, während er ein Messer in seinen Finger drehte. In seinen Fingern wirkte es klein und zart, während er damit ein Stück Holz bearbeite. Er schnitzte. Das hatte ich bis gerade nicht bemerkt. Während ich diese Information verarbeitet betrachtete ich die Axt neben ihn, sah mich zu den anderen Zelten um uns herum um und ... wenn er wirklich damit rechnete, dass wieder ein Wendigo kommt, warum waren wir dann so weit weg von den anderen entfernt? Dass er hier draußen sitzt, bewaffnet. Klar aber...
Und plötzlich hatte ich den entscheidenden Gedanken.
"Du willst das er kommt. Du benutzt mich als verdammten KÖDER!", schrie ich Lore entgegen und das leichte Lächeln in seinem Mundwinkel verriet mir, das ich genau ins Schwarze getroffen hatte! Dieses Arschloch!

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Ja, eigentlich sollte heute Keeping Ann kommen, aber wir müssen die nächsten 2 Wochen jetzt lieber mit Doppelkapitel hiervon vorlieb nehmen. 😊

Dafür mach ich nochmal unverschämte Eigenwerbung 😬

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