Eichel auf den Kopf
Kapitel 46
Winter
Obwohl ich in einer heißen Quelle saß, spürte ich, wie mir ein heißer Schauer über den Rücken glitt. Nicht nur, weil diese Vettel mich bei meinen Namen nannte, sondern vor allem, weil ich ihr absolut glaubte, die Fähigkeit zu besitzen, Lore ernsthaft zu verstümmeln.
"Also? Was soll ist nun tun, Kindchen? Auch im Alter bin ich ungeduldig geblieben, ich hasse es warten zu müssen. Sprich endlich!" forderte sie unangenehm einschneidend. Ihre letzte beiden Worte schienen so lautstark von den Wänden der Klippe widerzuhallen, dass ich mir einbildete, dass sogar der Wind schwieg. War das möglich? Als horchte er ebenfalls auf meine Antwort.
Als die Stille erdrückend wurde und nur von dem Plätschern des Wassers und meinem Herzschlag unterbrochen wurde, dann gab ich ihr, was sie verlangte. Eine andere Wahl schien ich auch nicht zu haben. Also dachte ich fieberhaft, mit welcher Antwort sie zufrieden wäre. Ich hasste Lore nicht, und dass er verletzt wurde, wollte ich auch nicht.
"Die Eichel. Sie soll ihn nicht verletzen, aber ich hörte, ein Klaps auf den Hinterkopf erhöht das Denkvermögen. Für die Zukunft."
Ihr Lächeln wurde breiter und entblößte ein zahnlosen Mund. Ich entspannte mich etwas, weil sie zufrieden mit meiner Antwort schien.
"Also bist du bereit, sein Kind auszutragen. Das ist vernünftig", gestand sie mir zu, aber ich reagierte nicht auf ihre Behauptung. Ich hatte gerade erst alles verloren, was ich hatte, da an eine Zukunft zu denken oder sogar Kinder, fiel mir immer noch schwer. Doch jetzt wo sie es erwähnte: Würde ich mit Lore das Bett teilen und seine Kinder bereitwillig austragen? Normalerweise bedeutete das eine immer automatisch das andere, aber...es gab Mittel, um Letzteres zu verhindern. Und weil ich mich gegenüber der alten Vettel nicht machtlos fühlen wollte, sagte ich:
"Das wird sich zeigen, aber selbst wenn ich es nicht wollte, könnte ich selbst dafür sorgen, dass es mir erspart bleibt."
Die Alte schürzte die Lippen, sodass sie noch faltiger wirkten, dann schob sie ihre knochige Hand unter ihren Reiseumhang und zog ein Bündel Stoff heraus.
"Ich hörte bereits, dass du über gewisse Fähigkeiten verfügst. Ich denke, diese werden dem Dorf nutzen, auch ich werde nicht mehr jünger und für die ganzen Wehwehchen hier habe ich weder Zeit noch Lust. Hier, zieh das an. Du kannst unmöglich wieder diese Lumpen anziehen und komm aus der Quelle, deine Hände sind schon schrumpelig und Müßiggang dulde ich nicht!", forderte sie hart und ließ dem Stoffbündel auf die Holz-Dienen neben meinen Kleiderhaufen fallen, dann setzte sie sich auf die Bank und entließ ein erschöpftes Keuchen, als wäre ihre Kraft aufgebraucht.
Obwohl es mir widerstrebte, ihre so unhöflich formulierten Geboten zu folgen, beschloss ich, meinen Stolz herunterzuschlucken und zog mich aus dem Wasser.
Sie hatte recht, meine Finger waren bereits schrumpelig, aber wie sie das sehen konnte, war mir schleierhaft. Sie sollte es nicht wissen, sie war blind und selbst wenn sie es nicht gewesen wäre, war zu weit entfernt gewesen. Ein Zufall?
"Beeilung, Kindchen. Diese Bank ist nicht so bequem wie sie aussieht!", drängelte sich mich und ich tat, wie sie mir geheißen hatte.
Ich öffnete das Bündel und musste feststellen, dass sich darin ein Baumwollunterkleid, Strümpfe, Unterwäsche, ein Überkleid, eine Schürze, ein Mantel und dann auch noch Socken und leichte Schuhe befanden.
Alles in weißen oder tauben grauen Leinen mit weißen Lederapplikationen und alles von einer hervorragenden Qualität. Und alles davon passte mir wie angegossen. Als ich fertig angezogen war, hievte sich neben mir Grim aus der Quelle und schüttelte sich wie ein Hund das Wasser aus seinen Federn, bevor er etwas schwerfällig zu Alten stampfte und sich von ihr den Kopf tätscheln ließ.
Die Alte erhob sich, winkte mich ungeduldig zu sich, während ich noch dabei war, meine nassen Haare zu flechten. Ich näherte mich ihr nur zögerlich, doch als ich ihr nahe genug schien, packte sie mein Handgelenk so fest, dass ich kurz schmerzerfüllt auf quietschte. Ihre Fingernägel bohrten sich in meine Haut, als würden sie sie durchstoßen. Was zum...
"Du bist das, was er zu mir bringen sollte, aber nicht das, was ich erwartet hatte. "Enttäuschend, aber das muss dann wohl genügen", hauchte sie mir mit rauer Stimme entgegen und dann ließ sie meine Hand los. Ich sprang sofort zurück und drückte, hielt die brennende Stelle, wo sie mich berührt hatte.
Als ich hinsah, erwartete ich schon fast Blut zu sehen, aber da war nichts. Nur eine Band aus roten Abdrücken, die sich um mein Gelenk zogen. Ich presste sie Lippen zusammen um sie dafür nicht anfauchen.
"Winter? Vögelchen? Was ist passiert, warum hast du..." Ich hörte Lore Stimme, bevor er wie ein wildgewordener Eber den Weg zur Quelle hinauf rannte und durch die Bäume preschte. Es war beruhigend zu sehen, dass der kleine spitze Schrei ausgereicht hatte, um ihn zu alarmieren und ehrliche Erleichterung überkam mich, als ich mich ihm zuwandte.
Er hielt nicht inne, bevor er direkt vor mir stand. Groß, verschwitzt, mit nackter, in der Sonne glänzende Brust und eine gewaltige Axt in der Hand, mit der er das Holz bearbeitet hatte.
"Was ist passiert? Bist du verletzt?" fragte er voller Sorge und betrachtete mein Handgelenk, dass ich mir immer noch rieb. Ich sah zur Bank auf dem die alte saß und ...sie war weg.
Was zum?
"Die Alte mit den zweiten Gesicht", sagte ich und Lore und folgte meinen Blick, doch bei der Bank saß nur Grim, der sich ebenso verwirrt umsah und ein trauriges Fiepsen ausstieß.
"Sie war da! Sie hat mir das Kleid gegeben, sie hat mein Handgelenk gedrückt! Sie war..."
"Ich glaube dir, Vögelchen. Die Veddel ist unheimlich. Aber sie kommt nur selten aus der Ruine heraus und dann ist sie noch schlechter gelaunt als sowieso immer." sagte er und betrachtete das Kleid an mir, griff nach meinem Handgelenk und inspizierte meine Haut. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, war nur dankbar dafür, dass er mir glaubte, dass dieser Alte nicht nur mich so belästigte.
Dennoch hatte ich tausende Fragen, während Lore mein Handgelenk an sein Gesicht zog, wahrscheinlich um wirklich zu überprüfen, ob ich nicht doch eine Wunde hatte.
Wie war die alte so schnell verschwunden? War sie wirklich blind? Wie konnte eine Frau, warum war sie hergekommen...warum...
Etwas Nasses glitt über meine Haut am Arm und als ich erschrocken zu Lore hinauf blickte, ließ er gerade noch einmal seine Zunge über die rote Stelle an mein Gelenk gleiten. Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, als mich eine unerwartet intensive Welle der Lust traf. Doch bevor ich etwas sagen konnte, fiel Lore eine Eichel auf den Kopf.
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