Die Alte
Kapitel 45
Winter
Wie Lore es versprochen hatte, stand hier eine Bank mit Waschutensilien und als ich mich dem dampfenden Wasser näherte, trat ich auf Holz. Vielleicht mochte das Haus und die nähere Umgebung nicht instandgesetzt worden sein, aber diese Dielen in der Erde, die verhinderten, das zu viel Erde zwischen den Steinen hindurch in die Quelle rieselte, sahen nicht alt aus.
Ich zögerte nicht lange, nahm mir das Seifenstück, den rauen Lappen daneben und begann damit, mir die Sachen abzustreifen. Ich hatte dieses Bad bitter nötig. Meine Kleidung ließ ich einfach in einem unordentlichen Haufen liegen, als ich mich auszog. Um meine nackte Haut allerdings nicht allzu lange der frischen Herbstluft auszusetzen, setzte ich mich sofort auf den Rand des Holzes und ließ mich von dort aus in das warme Wasser gleiten.
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Dass es kälter war vielleicht, oder dass die Quelle nicht so tief sein würde, aber beides überraschte mich.
Die Quelle war sehr warm, entzog meinen Knochen sämtliche sich dort festgebissene Kälte und machte meine Muskeln schlaff. Nur mit Mühe konnte ich mein Gesicht über Wasser halten und war gezwungen mich am Holz festzuhalten, während ich mit den Füßen trat. Ein Boden war nicht auszumachen. Dennoch war ein Segen,
All die Anspannung glitt aus mir heraus und für eine Sekunde könnte ich schwören, dass genau das hier das Paradies sein müsste. Zumindest bis ein lautes Platschen den friedlichen Moment störte. Grim war vom Rand direkt in die Mitte der heißen Quelle gesprungen und als er wieder auftauchte, drehte er sich direkt auf den Rücken, gab ein zufriedenes Gurren von sich und ließ sich treiben.
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, auch wenn es mich nervös mache wie nahe er an den Zufluss der heißen Quelle trieb, die laut Lore zu heiß sein soll, um in seine Nähe zu sein. Ich konnte mir das gut vorstellen, wenn bereits am äußersten Rand so eine Hitze war. Aber als Grims Flügelspitzen diesen berührten, zuckte das Drachentier nicht einmal. Er konnte es wohl wirklich nicht heiß genug haben.
Ich ließ ihn herumtreiben, hielt mich am Rand des kleinen Holzsteges fest und zog mich zu einem Felsen der unter Wasser in das Becken hineinragte. Er war so klar poliert, das ich mir sicher war, dass ich nicht die erste sein würde, die ihn als Sitzmöglichkeit benutzte. Dann begann ich mich zu waschen. Der raue Lappen schaffte es, meine Haut von allem zu befreien, was nicht auf sie gehörte, bei meinen Haaren wurde es aber etwas komplizierter. Ich schäumte sie zweimal ein, bereute das ich meine Bürste nicht mitgenommen hatte und nahm mir viel Geduld dabei die Knoten zu lösen, doch selbst als das geschafft wahr wurde ich das Gefühl nicht los sie noch einmal waschen zu müssen.
Als ich begann, sie mit den Fingern zu durchkämmen schien es Grim zu langweilig zu werden und er tauchte so lautlos unter, das ich zusammenzuckte, als ich ihn plötzlich unter Wasser sah. Das Wasser war klar, wurde erst mit zunehmender tiefe dunkler und verschwand dann in einer scheinbar endlosen leere. Grim schwamm nahe an der Grenze dazu, den Körper sich windend wie ein Fisch und herangezogenen Flügeln. Sein langer Schwanz verstärkte die anmutige Bewegung und ließ mich staunend zusehen, bis Grim direkt den Zulauf ansteuerte.
Das Wasser drang mit dichten, heißen Schwaden und lauten blubbern aus eine Felsspalte bevor es sich in diesem Becken sammelte und dann irgendwo in der Nähe wieder abfloss. Zumindest musste es so sein, denn ansonsten wäre es doch längst übergelaufen.
Egal wo sich der Abfluss befand, der Sog war sicher stark und ich machte mir Sorgen, als Grim direkt zur Felsspalte glitt und sich das brühend heiße Wasser auf die Nasenspitze plätschern ließ.
"Du braucht es nicht nur heiß, du magst es kochen, was?", fragte ich und Grim öffnete die Augen, sah mich an und schloss sie gleich wieder. Faules Drachentier.
Eine Weile verblieben wir so.
Ich entknotete meine Haare, wusch sie immer wieder bis ich mir wirklich sicher, dass sie sauber waren und Grim entspannte während kochendes Wasser auf ihn fiel. Ich wusste nicht genau wie lange wir hier saßen, es könnte sicher eine Stunde gewesen sein. Solange das es Lore dazu veranlassen könnte nach uns zu sehen, deswegen war ich erst nicht beunruhigt als ich hörte wie sich jemand näherte, doch als ich den Kopf hob und Stadt Lore eine alte Frau erblickte, zuckte ich zusammen.
Und nicht irgendeine Alte Frau, sie musste steinalt sein. Ihre Haut war so wellig, dass es mich an ein ungebügeltes Leinentuch erinnerte, ihre Haare schneeweiß und ihre Finger lang und knöchern, als sie direkt vor der Quelle stehen blieb und mich anstarrte aus...weißen Augen, bei denen die Pupille nicht zu sehen waren und die auch nicht wirkten als würden sie mich ansehen. Sie war blind.
Der Stock in ihrer Hand aber tastete nicht umher, wie ich es bei einem alten Bauer gesehen hatte der erblindet war. Er war mit der Spitze fest im Boden gerammt und diente nur als stütze, während sie sich trittsicher um das Becken herum bewegte.
"Ha-Hallo, kann ich dir helfen, Großmütterchen?", fragte ich vorsichtig aber da grinste sie und verzog ihre schmalen Lippen zu einem ziemlich unheimlichen Lächeln.
"Armes Kind. Hast' nicht unbedingt den cleversten Berserker abbekommen, was? Er hätte dich gleich zu mir bringen sollen. Ich musste mich selbst auf diesen langen beschwerlichen wegmachen. Eine Frechheit. Dafür wird er büßen müssen.", erklärte sie bedrohlich und ich hielt bei den Worten den Atem an.
Sofort wurde klar, wen ich da vor mir hatte. Die Alte von der Lore geredet hatte, die Frau mit dem zweiten Gesicht. Sie war hoch angesehen im Dorf, es wäre sicher nicht gut es sich mit ihr zu verscherzen aber das sie Lore drohte, gefiel mir nicht.
"Und... wie gedenkt Ihr Lore dafür zu bestrafen?", fragte ich vorsichtig. Sie legte den Kopf schräg und schien mich nachdenklich zu betrachten, wenn sie nicht blind gewesen wäre. Nutzte sie eine Art von Magie? Sah sie mich auch mit blinden Augen, was das überhaupt möglich?
"Nun, ich habe alles im Angebot. Gebrochene Knochen, ein verlorener Arm oder ich könnte ihn mit Unfruchtbarkeit strafen. Es gibt Männer, die sollten ihre Gene nicht weiter verbreiten oder eine prägende Rolle in den Leben von Kindern spielen. Sonst endet die Dummheit nie. Ich könnte ihm aber auch einfach eine Eichel auf den Kopf fallen lassen oder sich einen fiesen Splitter einziehen, der ihn ein paar Stunden ärgert. Offene Schnürsenkel sind auch immer wieder vergnügsam mit anzusehen was hättest du den gerne, Kind? Ich kann dich von diesem Bund mit ihm nicht befreien aber zumindest dafür sorgen, dass sie keine Früchte trägt. Es ist schlimm Kinder von Männern auszutragen, die man hasst. Also: frei heraus: was soll es sein, Winter?"
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