Das einzig Richtige
Kapitel 10
Winter
"LASS MICH RUNTER! LASS MICH SOFORT RUNTER!", brüllte ich ihm zum hundertsten Mal entgegen oder besser: seinem Rücken. Mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen hatte nicht viel gebracht, abgesehen davon, dass ich mich damit so müde gestrampelt hatte, dass ich mich kaum noch zappeln konnte.
Das brachte genau zwei weitere Komplikationen mit sich: Erstens ich schaffte es kaum meinen Kopf oben zu halten und spürte jetzt bereits wie schwer es war nicht die Orientierung zu verlieren, weil mir das Blut in den Kopf floss. Und zweitens, und nebenbei bemerkt, das schlimmere. Seine monströse Axt, die er auf den Rücken trug, schwankte bei jeden Schritt beängstigend nah an meinen Hals.
"Gott lass mich runter! Dieses Mistding enthauptet mich sonst noch!", fauchte ich ihn an und schlug mit sehr viel weniger Kraft als zuvor auf seinen harten, nackten Rücken. Wobei ich ziemlich sicher mir selbst mehr schmerzen zufügte als ihm. Er hatte es schon davor kaum registriert und etwas in meinem Magen rumorte. Die Frau in mir schätzte den Anblick der nackten Haut und jedes Mal wenn mein ich mich versuchte an seinem Rücken abzustützen um nicht zu sehr durchgeschüttelt zu werden, bemerkte ich deutlich wie warm sie trotz der Temperaturen war, wie gut er roch und wie... oh verdammter Mist, das durfte doch nicht wahr sein!
Nein, nein, nein! Ich würde ihn nicht attraktiv finden! Auf keinen, verdammten fall!
Ich hatte bereits Männer nackt gesehen, als Heilerin blieb das kaum aus und einige der ansässigen jungen Männer hatten ebenfalls von der harten Arbeit gestählte Körper. Das sollte nichts in mir auslösen und hatte es auch nie. Aber jetzt?
Meine Wangen erwärmten sich, besonders als ich feststellte, dass mir gar nicht mehr kalt war. Sein Körper strahlte so viel Wärme ab wie ein erhitzter Ziegelstein, wenn ich noch mehr Zeit in seiner Nähe verbrachte, würde ich anfangen zu schwitzen.
Und noch etwas fiel mir auf: Langsam brach der Abend an, aber obwohl damit auch das Licht schwant, konnte er sich perfekt orientieren. So wie ich.
Wechselhäuter.
"Ich kann kein Wechselhäuter sein, ich habe mich noch nie verwandelt", meinte ich, spürte wie er plötzlich stehen blieb und mich so plötzlich wieder auf die Füße stellte, dass ich schwankte. Mein Körper kribbelte leicht an den Stellen, an denen wir uns berührt hatten und Kälte umfasste mich unangenehm. Dann sah ich zu ihm hoch und machte dabei einen Schritt zurück. Wir hatten es noch nicht einmal aus dem Wald heraus geschafft.
Der Kerl war riesig. Wirklich und wahrhaftig riesig. Jetzt wo ich so nahe bei ihm stand, reichte ich ihm gerade einmal bis zur Brust. Ich hatte noch nie einen so großen Mann gesehen...oder einen so nervenaufreibend arroganten -
Ein Surren erklang und noch eher ich mich darüber wundern konnte, was das war, lag ein Messer an seiner Kehle.
Wa-
Ich konnte nicht einmal so schnell blinzeln wie die Klinge, von dem etwas Schwarzes und Dickflüssiges tropfte, bedrohlich gegen seien Haut stieß.
Ein beißender Geruch erfüllte die Nähe. Ich stolperte weiter zurück, während mein verstand versuchte das zu erfassen, was ich sah.
Der Berserker währenddessen blieb unerschrocken, auch wenn er als er den Kopf in Richtung meiner Mutter drehte darauf bedacht war, dass die Klinge nicht seine Haut verletzte. Grimm hinter ihm fauchte und machte Anstalten ihm zu Hilfe zu eilen. Ich aber reagierte schneller und stellte mich vor das Drachentier um ihm den Weg abzuschneiden, was es dazu veranlasste verwirrt den Kopf nach links und rechts zu drehen. Wenn er meine Mutter abfackeln wollte, würde es erst an mir vorbeimüssen. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was das hier sollte.
Meine Loyalität lag eindeutig nicht auf seiner Seite.
"Du fasst meine Tochter nie wieder an!", beschied sie und der Riese starrte sie an. Lange.
"Sie ist meine Gefährtin, die Natur verlangt es!", sagte er und ließ dabei deutlich herausklingen, für wie dämlich er selbst seine Worte hielt. Er presste das Wort 'Gefährtin' heraus als würde er Dreck unter seinen Nägeln hervorpuhlen.
"Das ist lächerlich! Das Schicksal wäre niemals so grausam zu ihr!", kommentierte meine Mutter, die erstaunlich selbstsicher dieses kleine Küchenmesser an seine Kehle drückte. Doch so ungefährlich wie es hätte wirken können, war es nicht. Seine Klinge war in Pest brühe getränkt wurden. Ein sehr schnell wirkendes und tödliches Gift, dass auch Wechselhäuser ein Ende setzen konnte.
Ich kannte das Gebräu aus dem Buch, dass meine Mutter führte. Nur für mich, damit ich ihre Rezepte nachschlagen und eigene einschreiben konnte. Aber es dauerte Monate, um das herzustellen und Jahre um so dick zu werden. Das hatte sie nicht spontan hergestellt, um sich gegenüber dem Berserker verteidigen zu können. Warum hatte Mutter so etwas?
Es war kein Heilmittel. Und so etwas im Dorf zu haben war eher ein Risiko, als ein Hilfsmittel.
"Ich verstehe, dass du ungehalten bist ...", er starrte demonstrativ auf den Faden, den die Pest brühe zog, während es auf seine Brust tropfte. Solange es nicht auf einen offene Wunde traf, war es ungefährlich." Heilerin." Er sprach das Wort geradezu belustigt aus. "Aber wir respektieren beide die Natur. Sind Teil davon. Sie gehört mir und ich werde sie mit mir mitnehmen!", teilte er meiner Mutter mit und für einen Moment sah ich so viel Zorn in ihrem Gesicht, dass es fast unheimlich wirkte.
Ich war verwirrt, aber nicht in erster Linie von seinen Worten. Wie war sie so schnell und vor allem unbemerkt zu uns hatte kommen können und warum machte sie gerade einen alles anderen als gebrechlichen Eindruck. Wo war ihr die Gicht in ihren Finger hin, die ihr immer solche Probleme bereitet hatte? Wieso wirkte Ihre Haut glatter, wo waren die silbernen Strähnen in ihrem Haare hin?
"Das wirst du nicht! Eher ramme ich dir einen Pfeil in die Brust und hänge dich im Wald auf!", das war die Stimme meines Vaters und ich schnell sah ich mich um. Ich musste zweimal meinen Kopf drehen, um ihn an einem Baum zu entdecken. Er zielte mit einer Armbrust auf den Berserker. Oh Gott. Was ist, wenn er anfing sich zu wehren und gegen meine Eltern vorzugehen? Ein ungutes Gefühl breitete sich in meinen Magen aus.
"Wenn es euch gelingt, verurteilt ihr dieses Dorf zum Untergang. Meine Männer, mein Volk werden jeden einzelnen hier zerfetzen. Ihr entkommt vielleicht, ihr überlebt vielleicht, aber kein anderer hier wird bis zum Frühjahr auch nur einen Atemzug machen!", drohte der Berserker offen und ich wusste das er recht hatte.
Was taten meine Eltern? Sie hatten keine Chance gegen ihn und selbst wenn sie ihn besiegten und mich damit befreiten, würden wir gejagt werden.
Ich verstand ja, dass es nicht so toll war zu erfahren, dass dieser Riese mein Gefährte sein sollte, bei den Göttern, ich selbst würde lieber nicht daran erinnert werden, aber wir konnten schlecht etwas dagegen unternehmen. Er hatte recht. Und so ungern ich es auch zugab, ich würde mit ihm gehen müssen, oder er hier bleiben. Es ging nicht anders. Andernfalls würden wir beiden sterben. Langsam und grausam.
"Mir egal!" fauchte meine Mutter und ich schnappte nach Luft.
"Mama! Nein! Tu das nicht!", versuchte ich einzuschreiten, aber meine Mutter, wie immer die standhafte und entschlossene Frau, die sie war, schüttelte nur mit dem Kopf"
"Noch ist sein Tod für dich die Lösung, mein Kind. Noch können wir dich von dieser Bestie befreien."
Weil wir noch nicht vollständig aneinander gebunden sind. Stirbt einer von uns, bevor wir körperlich zueinander gefunden haben, wäre der andere frei.
"Dann wird das Dorf überfallen!"
"Wir finden ein neues Zuhause", kam es von meinem Vater und ich drehte mich entsetzt zu ihm um.
Er war der Letzte, von dem ich erwartet hätte, dass er ein ganzes Dort der Vernichtung preisgab, nur um mich vor diesen Berserker zu retten.
Verzweifelt ließ ich meinen Blick von einem zum anderen zu gleiten. War überfordert von der Situation, aber merkwürdigerweise brachte es mich nur dazu, noch viel besser zu wissen, was ich zu tun hatte.
Das Richtige.
Das einzig Richtige.
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