Bedrohung
Kapitel 21
Winter
Ich schnaubte. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass dieser Mann kein Ehrenmann sein würde und wenn ich ehrlich war: Ich wollte auch nicht wie eine keusche Dame behandelt werden. Sowas existierte sowieso nur auf dem Papier. Solange ich wütend auf ihn sein konnte, würde ich mich nicht mir anderen auseinandersetzen müssen.
Ich riss ihm meine Tasche aus den Pranken und tauchte in das Zelt ein. Ungeduldig darauf, mein Lager für die nächste Nacht zu sehen.
"Ich hole dir was zu essen!", erklang seine Stimme hinter mir. Ich wollte gerade Luft holen und ihm verkünden, dass das nicht nötig war. Ich hatte Proviant eingepackt. Doch da war er schon verschwunden. Ich schnaubte ein weiteres Mal und stellte fest, dass trotz des dicken Leders es nicht lange dauern würde, bis die Kälte hier in das kleine Zelt eingedrungen war. Auch wenn der Raum nicht groß war und ich nur gebeugt hineintreten konnte, würde es für diese Nacht genügen. Für zwei Personen allerdings, nur wenn wir sehr nahe beieinander lagen. Sehr, sehr nahe. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken.
Es war gut, wenn ich mich so schnell wie möglich in die Felle einrollte und den Rest einfach ausblendete. Ich war definitiv eingeschlafen zu sein, bevor Lore mit Essen zurückkam, denn ich wollte nicht mit ihm reden, wenn wir uns so nahe waren.
Fix wühlte ich in meiner Tasche, zog eine Haarbürste und ein dünnes Nachtkleid heraus, beschloss aber mich nicht zu sehr zu entblößen. Wenn Lore hier hereinkam, sollte er nicht auf dumme Gedanken kommen, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass er irgendetwas tat, was ich nicht wollte. Er mochte ein Grobian sein, aber ich hatte nicht erlebt, dass er irgendeine Frau respektlos behandelt hatte. Was ihn streng genommen besser machte als die meisten anderen Männer. Leider hatte das angeblich stärkere Geschlecht die Angewohnheit zu glauben, dass Frauen nur dazu da waren um ihre Bedürfnisse zu befriedigen oder Kinder zur Welt zu bringen. Leider auch viele Frauen. Die Leute in meinem Dorf eingeschlossen. Ich seufze erneut.
Die Zeltklappe wurde ein Stück angehoben und Grim, das Drachentier, schob seine Nase in das Zelt und schnaubte etwas Rauch aus.
"Ich bin mir nicht sicher, ob du hier rein darfst", erklärte ich ihm, während ich den Zopf meiner Haare löste und begann, die Knoten herauszukämmen. Meine dunklen, ebenholzfarbenen Haaren waren schon immer etwas widerspenstig gewesen. Ich besaß nicht die dichte Lockenpracht meine Mutter, nein. Mein Problem war, dass keine Spange, kein Haarband in meiner glatten Haarstruktur hielt. Die einzigen Wellen, die ich besaß, bekamen meine haare nur durch die festen Flechtfrisuren, die ich immer trug, oder nach einem Langen Tag, wo die kurzen Haare in meinen Nacken und an meinen Schläfen sich kräuselten vor schweiß.
Als ich mit meinen Haaren fertig war und meinen dicken Fellmantel, stiefel und auch Strümpfe ausgezogen hatte, hörte ich ein kleines Jaulen vom Eingang. Grim starrte mich immer noch betteln an, hatte sich aber nicht getraut auch nur eine Kralle in das Innere zu setzen. Ich seufzte, als ich die Lederbänder an meiner Brust löste und die Jacke auszog.
"Was erwartest du von mir, Drachentier? Dass ich dir erlaube hineinzukommen und dich auf den Fellmantel an meinen Füßen zu legen?" Ich wusste nicht einmal, ob es mich verstand, aber also ich den Fehler machte mit dem Kopf in Richtung meines Mantels zu deuten, stellte es die Ohren auf, schob sich ins Zelt und legte sich auf den Platz, den ich gedeutet hatte. Okay. Es war intelligent, auch wenn es mich natürlich nicht wirklich verstehen konnte.
Als ich mich für die Nacht fertig gemacht hatte, hörte ich ein Knacken von draußen und dann das laute Krächzen einer Krähe. Grimm hob den Kopf, denn er eigentlich schon abgelegt hatte und fletschte aggressiv die Zähne, wobei die Reihe spitzer Reißzähne mich tatsächlich beunruhigte
"Lore? Du hast..." Die Zeltklappe wurde angehoben und der Mann, der schon im Haus meiner Eltern gewesen war, blickte mir entgegen. Er war ebenso erschrocken, wie ich, mich in diesem Zelt vorzufinden und nicht seinen Herren. Seine Miene verwandelte sich von neutral zu angewidert.
Doch er sagte nichts. Grim erhob sich von seinem Platz, schnappte nach ihm, bis er zurückwich und die Lederklappe des Zeltes wieder fallengelassen hatte. Er stieß ein paar Flüche aus, die ich nicht einmal in meinen wütendsten Moment je in den Mund genommen hätte. Meine Mutter hatte mich anständig erzogen.
"Wo ist, Lore?", fragte er durch das Zeltlager, eindeutig an mich Gewand.
"Ich hab ihn gefressen, liegt mir schwer im Magen" Natürlich war meine Antwort wenig produktiv was vertrauen anging, aber ich konnte mich einfach nicht zurückhalten. Warum sollte ich auch? Nachdem er mich angesehen hatte, als wäre ich das Widerlichste, was er je gesehen hatte, sah ich es nicht ein ihm entgegenzukommen.
Das Krächzen der Raben aus dem Wald nahm zu. Er fluchte wieder.
"Schick diese Viecher weg! Sie machen die Männer hier nervös" Keine Ahnung, was er meinte, aber ich würde das sicher nicht zugeben. Vor allem, weil es mich einen Dreck kümmerte, wem was nervös machte.
"Tu es selbst!"
Er fluchte wieder. So laut und aggressiv, dass Grim sich gezwungen fühlte den Kopf aus dem Zelt zu stecken und ihn erneut anzuknurren.
"Willst du, dass meine Männer dich in der Nacht herausziehen und zerfleischen?", fragte er und ich beschloss, dass ich genug davon hatte, mich von ihm anfeinden zu lassen. Ich schlang eine grob gewebte Decke um meine Schultern und trat aus dem Zelt.
Mein offenes Haar verfing sich im Wind und ich starrte ihn nieder. Diesen Mann, diesen Wolf-Wechselhäuter mit den kahl rasierten Schädel und dem Hammer auf dem Rücken.
"Ist das eine Drohung?" Sein Blick wanderte über meine Erscheinung. Ich trug nur meine Lederhose und ein Leinenoberteil.
"Ja. Gewöhn dich dran, ich werde nicht der Erste uns nicht der Letzte sein, der dir droht, Rabenkind. Wenn du einen Rat willst, dann solltest du-"
"Will ich nicht." unterbrach ich ihn. Meine Mutter hatte mir beigebracht, dass Männer nur Respekt vor einem hatten, wenn man ihnen so garstig wie möglich begegnete. Ansonsten schubsen sie einen herum.
"Fein. Ich freue mich darauf, dein Blut im Schnee gefrieren zu seh-"
Er unterbrach sich wieder, aber diesmal nicht, weil ich ihm ins Wort fiel, sondern weil eine Hand ihm am Nacken packte und so heftig zudrücken, dass ich Knochen ächzen hören konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top