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Maxime
Müde lasse ich meinen Kopf gegen das Polster des Sitzes fallen und starre aus dem kleinen Zugfenster links neben mir.
Mit meinen Kopfhörern im Ohr und dem Lied "Numb to the Feeling" am spielen, spüre ich, dass es langsam schwierig wird meine Augen offen zu halten.
Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet.
Seitdem ich vielleicht sechs, oder sieben bin?
Academy De Lujo.
Wie oft habe ich mir im Internet die Beiträge zu dieser atemberaubenden Academy durchgelesen.
De Lujo ist spanisch und heißt soviel wie Luxus, was sehr gut passt, da diese Schule der Inbegriff von Luxus ist.
Die hohen Mauern, die geringen Annahmequoten, die großen Zimmer, alles spiegelt den Luxus wieder.
Mein größter Traum und nun bin ich auf dem Weg dorthin.
Ich spüre wie sich kleine Tränen meine Wange hinunterschlängeln, als die Erinnerungen an meinen Vater wieder hoch kommen.
Wegen ihm sitze ich nun hier und ich konnte ihm kein einziges Mal dafür danken.
Ein Herzinfarkt.
Das war seine Todesursache vor zwei Wochen.
Doch anscheinend fanden es keiner aus meiner grässlichen Familie nötig auf seine Beerdigung zu kommen.
Der Gedanke daran, wie ich ganz alleine in der ersten Reihe der Kirche saß und auf den braunen Sag meines Vaters gestarrt habe, lässt mich schluchzen.
Ängstlich schaue ich mich um, um zu schauen ob mich jemand gehört hat.
Auf meiner Unterlippe kauend, lehne ich mich mit geschlossenen Augen wieder zurück.
Entspann dich Maxime.
Dein Traum wird in Erfüllung gehen.
Doch der Punkt, dass ich, wenn Mirabelle nicht da gewesen wäre, jetzt zu meiner Mutter zum anderen Ende der Welt reisen müsste, lässt mich immer wieder leer fühlen.
Schon daran zu denken mit Mum unter einem Dach leben zu müssen, lässt mich würgen.
Das einzige worum sie sich schert ist es Drogen zubekommen, sich um ihr neues Baby zu kümmern, welches sie von irgendeinem Obdachlosen gebären musste und an Geld zu kommen.
Doch da Dad nun tot ist, steht es schlecht um sie.
Jeden Monat hat er ihr etwas von seinem Gehalt geschickt.
Und das, weil ein Teil von ihm sie immer weiter geliebt hat.
Wie kann man einen Menschen einfach so weiter lieben als wäre nichts gewesen, obwohl sie einen zu tiefst verletzt haben?
Niemals werde ich diese Entscheidung von meinem Dad verstehen können.
Er, ein reicher, erfolgreicher Geschäftsmann und sie, eine drogenabhängige, arme Mutter.
Die Wut kocht in meinem Körper.
Nicht einmal zu seiner scheiß Beerdigung ist sie gekommen!
Ich habe mich dazu entschlossen einen Neuanfang zu starten. Auf der Academy wird mein größtes Ziel sein, erfolgreich zu werden und mich nur auf mich zu konzentrieren.
Auf keine anderen Mädchen. keine Jungs. Keine Partys. Nur arbeiten.
Ich spüre wie die Müdigkeit mich langsam überkommt, was natürlich klar ist, wenn man bedenkt, dass ich die letzen Tage so gut wie garnicht geschlafen habe.
Mirabelle, "unsere gute Fee" wie Dad sie immer genannt hat, meinte, ich würde im Schlaf weinen, was auch kein Wunder ist, denn die Albträume selber neben meinem Vater im Grab zu liegen, sind nicht gerade verführerisch.
Mirabelle ist seitdem verschwinden meiner Mum bei uns.
Als erstes war sie nur mein Babysitter, doch später, als Dad sie besser kennengelernt hat, wurde sie irgendwie zu seiner Freundin.
Es war keine richtige Beziehung zwischen ihnen, doch man hat diese unsichtbare Bindung zwischen den beiden gespürt.
Ich bin mir nicht sicher ob sie überhaupt wusste, dass Dad meiner Mum Geld geschickt hat.
Und als sie mir den Brief mit der Bestätigung der Academy alleine geben musste, ist sie in Tränen ausgebrochen, genau wie ich.
Ich hab zwar meinen Vater verloren, doch auch Mirabelle musste einen ihrer wichtigsten Personen aus ihrem Leben gehen lassen.
Ich hatte genau eine Woche Zeit um zu überlegen ob ich hierher komme, oder nicht. Es war eigentlich immer klar direkt hierhin zu fahren, wenn ich die Bestätigung bekommen, doch Mirabelle alleine in dem Haus zu lassen, bricht mir das Herz.
Schließlich hat sie ja nun irgendwie auch mich verloren, wenn ich die ganzen Tage, Wochen, Monate, nicht mehr bei ihr bin.
Das räuspern einer fremden Person, holt mich aus meinem Halbschlaf und lässt mich leise aufschrecken.
Mit geweiteten Augen starre ich in die eines attraktiven, jungen Mann, dessen blauen Augen mich förmlich durchbohren.
Wie Eis bringen sie mich zum einfrieren, Wort wörtlich, denn bewegen tue ich mich gerade nicht, genauso wenig wie er.
Sein schwarzes Hemd ist nur bis zur Hälfte zugeknöpft, wodurch mir seine Brustmuskeln direkt ins Auge springen.
Seine dunklen Augenbrauen, die genau dieselbe braune Farbe wie seine Haare haben, lassen mich schwer schlucken.
Ein weiterer Blick in seine Augen und sie kommen mir wie der Mond höchstpersönlich vor.
Dieses helle grau in ihnen, das ich beim ersten flüchtigen Blick übersehen habe, lassen sie noch kälter wirken als zuvor.
Seine Hände, welche er lässig in seine Hosentaschen gesteckt hat, lassen ihn wie ein wildes Tier aussehen.
Vielleicht ein Bär? Oder ein Wolf? Oder doch ein Rabe?
Doch diese sinnlosen Gedanken verfliegen sofort, als er seine Stimme hebt, welche sich so dunkel wie die Nacht anhört. Rau und müde, aber dennoch verführerisch.
„Du sitzt auf meinem Platz." Und nachdem er diesen Satz beendet hat, bildet sich ein kleines, fieses Grinsen in seinem Gesicht, doch in meinem ist alles so farblos, wie noch nie.
Peinlich berührt, nehme ich mir schnell meine Kopfhörer aus den Ohren und schaue ihn wieder an.
„Ich- Ja, sorry", murmle ich undeutlich.
Wie dumm kann ein Mensch auch sein, sich keinen Platz zu reservieren. Kein Wunder, dass ich in solch eine Situation gerate.
Unsicher erhebe ich mich langsam, doch als er weiterhin vor mir stehen bleibt und ich dadurch nicht an ihm vorbei komme, sehe ich ihn fragend an.
Er scheint eine Zeit zu überlegen, bevor er sich noch einmal leise räuspert und einen Schritt zurück tritt, während er mich genauestens mustert.
„Du kannst sitzen bleiben", kommt es schließlich aus seinem wunderschönen Mund, „scheint als bräuchtest du ihn dringender."
Lächelnd sieht er mir ins Gesicht und ich weiß sofort, dass er von meinen dunklen Augenringen redet.
Nicht wissend ob ich lachen soll, nicke ich langsam und lasse mich wieder in den roten Sitz nieder.
Doch kurz bevor er sich umdreht, schaut er noch einmal an mir herunter.
Wie ein Tier sieht und studiert er die kleinsten Details meines Körpers.
Erst meine blonden Haare, meine unterschiedlichen Augen und mein Mund.
Schließlich meine hervorstehenden Schlüsselbeine, meine Brust und zum Schluss meine Beine, welche etwas nervös hin und her schwingen.
„Schönes Oberteil."
Etwas überrascht von seiner Aussage, fasse ich mir automatisch an einen der Träger des himmelblauen Tops.
„Danke", sage ich nun unsicher, worauf er sich mit einem frechen Grinsen umdreht und verschwindet.
Genauso schnell wie er gekommen ist, ist er wieder gegangen.
Immer noch wundernd, seit wann ein solch hübscher Junge jemanden auf sein Oberteil anspricht, schaue ich noch einmal an mir herunter.
Doch die Wut die sich schlagartig in mir aufbaut, lässt mich blitzartig zur Tür schauen, durch die der Braunhaarige gerade verschwunden ist.
Anscheinend ist das einziges was ihn an meinem Top fasziniert hat, meine Nippel, welche man leider perfekt durch diesen dünnen Stoff beobachten kann.
Doch ein weiterer Schock durchfährt mich, als ich die Härte meiner Nippel wahrnehme.
Er dachte doch nicht- Oh mein Gott, denkt er ich bin wegen ihm hart geworden?
Um mich selber zu beruhigen, schließe ich schnell meine Augen und atme tief ein und aus.
Fuck.
Dabei war es doch garnicht wegen ihm.
Oder?
Nein, was denke ich?
Ich sehe diesen Typen und er turnt mich direkt an?
Niemals.
Zögernd greife ich nach meinem grauen oversize Hoodie und ziehe ihn über meinen Kopf.
Nur einmal wollte ich bequem ohne BH im Zug schlafen können.
Nie wieder.
Und wegen solchen Arschlöchern trauen sich die meisten nicht vors Haus.
☾
Nach dem Zug musste ich noch eine ganze Stunde mit der Uber zur Academy finden. Da sie in den Bergen platziert und von Tannenwäldern umzingelt ist, war es schwierig hier überhaupt hoch zu kommen.
Noch nie habe ich ein solch schönes Gebäude gesehen. Schon der erste Grund hierher zukommen, sind die Berge die man von hieraus beobachten kann. Und die vielen Wälder drumherum, geben dem ganzen einen ganz besonderen, mysteriösen Touch.
Ich fühl mich irgendwie sicher hier oben, fast im nirgendwo. Mein ganzes Leben lang wurde ich in einer Großstadt großgezogen und bin auch noch die Tochter von einem berühmten Geschäftsmannes.
Zeit für mich hatte ich nie wirklich.
Vielleicht finde ich genau deswegen diesen Ort so magisch.
Der Platz der Academy erstreckt sich noch weit in den Wald hinein und die in Mamor gehaltenen Wände, lassen mich wie in einem Märchen fühlen.
Außerdem ist dieser frische Geruch von feuchten Wald, das beste was ich je gerochen habe.
☾
Seit mindestens einer halben Stunde irre ich über diesen riesigen Campus, auf der Suche nach meinem Zimmer.
Wie kann eine Academy so unübersichtlich sein?
Genervt ziehe ich meinen Koffer hinter mir her und versuche weiterhin vergeblich Haus sieben zu finden. Langsam wird mir das zu peinlich.
Mein Blick fällt auf eine Mädchengruppe, welche auf dem Vorhof der Academy stehen und lässig ihre Uniformen glatt streichen.
Sollte ich sie fragen?
Doch bevor ich weiter über diese Idee nachdenken kann, tippt mich jemand an der Schulter an.
Schlagartig fahre ich herum und erblicke ein etwas kleineres Mädchen mit braunen Augen und braunen Haaren. Ein schmales, süßes Lächeln spielt auch um ihre Lippen und ihre glatten Haare glänzen in der strahlenden Sonne.
„Hey", fängt sie unsicher an zu reden, „brauchst du vielleicht Hilfe?" Überrascht von ihrer Aussage starre ich sie eine Zeit lang an, worauf sie fortfährt.
„Ich hab dich hier schon länger rum laufen sehen und es scheint so, als ob du etwas suchst?"
Ich nicke zögernd und lächle selber ein wenig, da sich die Anspannung in mir langsam legt.
„Ich bin Joel, aber nenn mich bitte Jo", erklärt sie mir fröhlich und streckt mir ihre Hand entgegen.
„Maxime." Lächelnd nehme ich ihre Hand in meine.
„Okay, wobei brauchst du Hilfe?" „Ich suche Haus sieben", meine ich seufzend, worauf sie nur noch breiter lächelt.
„Direkt neben meinem Haus."
Mit einer Handbewegung zeigt sie mir, dass ich ihr folgen soll, was ich zögernd tue. Die Hitze der Sonne bringt mich nur noch weiter zum schwitzen, doch meinen Pullover werde ich heute ganz sicher nicht mehr ausziehen.
„Wie lange bist du schon hier?", frage ich, nicht sicher, wie ich das Gespräch aufbauen soll.
„Ein Jahr." Ich nicke verstehend.
„Du musst wissen, dass es hier nicht einfach wird." Schlagartig wechselt ihre fröhliche Stimme zu ernst.
„Ich werde dir helfen, versprochen. Ich weiß wie es ist keinen zu haben der hinter einem steht", erklärt sie mir und ich sehe kurz so etwas wie Trauer in ihren Augen.
„Diese Mädchen dahinten," sie zeigt hinter uns auf den Vorhof, wo soeben noch die kleine Mädelstruppe stand. „Ich bin mit ihnen hier hergekommen und soll ich dir was sagen? Das sind die schlimmsten Mädchen die ich je kennengelernt habe", lachend schüttelt sie ihren Kopf und schaut nach vorne. „Die verpfeifen sich gegenseitig, stellen sich bloß, lästern über einander, oder machen andere Frauen runter und das nur, um gut bei den Jungs anzukommen."
Genervt seufzt sie und biegt nach rechts ab, worauf wir durch eine Art Tor aus Rosenranken laufen.
„Du weißt nicht was die in den ganzen Räumen dieser Academy schon getrieben haben." Schwer schluckend schaue ich nach vorne.
Ist dies wirklich ein guter Platz für mich?
Oder bin ich so wie immer fehl am Platz.
Denn das was Jo mir gerade vor Augen bringt, ist nicht die Academy, in die ich gehen wollte.
„Aber keine Sorge, solange du dich von Raven und seinen Freunden fern hältst, passiert dir nichts."
Ich nicke lachend mit dem Kopf. „Und wer ist dieser Raven?" Nun schaut sie mir tief in die Augen und deutet zögernd mit einer kleinen Kopfbewegung nach rechts, worauf ich mich vorsichtig drehe und tatsächlich eine kleine Gruppe entdecke.
Sie stehen an einem Seiteneingang der Academy, reden und schauen in unsere Richtung.
Alle von den jungen Männern tragen ein weißes Hemd, welches bei allen nur bis zur Hälfte zugeknöpft ist und eine schwarze Chino dazu.
Ein paar Mädchen, in ihren knappen Schulröcken und Tops, sitzen neben ihnen und trinken ihr Getränk, welche sie in ihren Händen halten.
Ich schätze es ist Kaffee.
Doch ein bestimmter junger Mann, fällt mir am meisten ins Auge und es versetzt mir direkt einen Schlag, als ich in sein definiertes Gesicht schaue.
Sein schwarzes Hemd ist noch genauso wie im Zug geknöpft und seine braunen Haare haben sich kein Stück verändert.
Er hat sich kein Stück verändert.
Denn er sieht mich wieder mit einem fiesen Grinsen an und richtet seinen Kragen, bevor er sich zu einem seiner Kumpel rüberlehnt und ihm etwas ins Ohr flüstert, worauf dieser mir direkt in die Fresse starrt und selber anfängt zu grinsen.
Wie kann es sein, dass er genau auf diese Academy geht?
Ein unangenehmes Gefühl macht sich in mir breit, als der Blonde mich weiterhin beobachten, genau wie der aus dem Zug. Schwer schluckend schaue ich wieder nach vorne und versuche diese Menschen auszublenden, doch ihre dummen Kommentare sind nun wirklich nicht zu überhören.
„Zieh doch mal deinen Hoodie aus, Süße!", kommt es aus dem Mund des Blonden, worauf alle in lautes Gelächter verfallen, bis auf der mit dem schwarzen Hemd.
Er schaut mich stumm an, lächelt nicht einmal, als wolle er mir irgendetwas... sagen?
Doch, dass er seinen Kumpels von unserer Begegnung im Zug erzählt hat, ist mir genug.
Ich kann mir denken wer von diesen Wixxern Raven ist.
„Wer ist es", frage ich ernst, worauf sie leise antwortet und schnell in die nächste Kurve abbiegt.
„Der mit dem schwarzen Hemd."
„Kennst du ihn schon?", fragt die nun sorgend, doch ich schüttle meinen Kopf. „Hab ihn nur im Zug gesehen", murmle ich, bevor wir vor einem der großen Häuser auf diesem Campus halten.
„Okay, hier ist Haus sieben. Ich bin da vorne in Haus sechs, Zimmer vierzehn. Wenn was ist, klopf einfach", lächelnd nicke ich dankend und stoße die große Tür auf, welche in einen langen Gang übergeht.
„Ich muss jetzt noch einmal zu meinem Mathematiklehrer, hab meine Zettel vergessen. Wir sehen uns morgen?" Leicht lächelnd verabschiede ich Jo, worauf sie mit schnellen Schritten den gleichen Weg wieder entlang läuft.
Seufzend lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Willkommen an der Academy De Lujo, Maxime...
Woooow
Einfach schon das erste Kapitel von Raven!
Ich bin so gespannt wie ihr dieses Buch am Ende finden werdet!
Ich sag's mal so: Es wird noch seeeehr viel passieren;)
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