Ich stand allein auf weiter Flur

Vor wen'gen Wochen erst gebor'n
Hab ich bereits die Welt verlor'n
Die Sonne schien mir ins Gesicht
Doch kannt' ich ihre Liebe nicht

Ich stand allein auf weiter Flur
Der Grund aus Stein, noch warm vom Tag
Ich dachte an den Sommer nur
Als ich in grünen Wiesen lag

Die Stille voll von dunkler Nacht
Und alles ruht im kühlen Wind
Doch keine Mutter hält mehr Wacht
Ich bin allein, ein Waldeskind

Die Mutter ging und blieb dann fort
Ich wartete, ich weinte lang
Und dann verließ ich jenen Ort
Die Beine spitz, die Ohren bang

Ich bin noch jung und weiß noch nicht
Die ganze Welt ist mir noch schräg
Und plötzlich ist da dieses Licht
Und zeigt mir einen sich'ren Weg

So folg' ich ihm und siehe da:
Es kommt zu mir, ich warte brav
Und endlich ist es mir ganz nah
Ich mich nur nicht bewegen darf

Denn Mama sagte: bleib gebannt
Damit ich dich stets wiederfind'
Und sicher ist noch nicht mein Stand
Das Licht rauscht wie der Sommerwind

Es ist ganz sicher die Mama
Sie leuchtet wie in einem Traum
Jetzt ist sie nah, jetzt ist sie da
Passiert den allerletzten Baum

Und plötzlich zerrt ein Monster nach mir
Fetzt die Ohren, tötet Beine
Und es riecht nach Tod und Raubtier
Zieht mich, schleift mich über Steine

Wirft mich hoch, zerbrech' am Boden
Licht und Schwarz und Blut und Knochen
Will wie Sturm den Baum mich roden
Und mein Stamm, mein Ast? Gebrochen

Bin ein Fetzen, rot und lose
Wie ein Fall in schwarzen Schlund
Blüht auf mir die Dornenrose
Kenne nicht einmal den Grund

Liege, fühle mich als Fluss
Und das Leben sich nur dreht
Langsam, wie der Mutter Kuss
Sacht und feucht und leis' vergeht

Seh nichts mehr und höre nicht
Und mein Ende war das Licht
Sah nicht mal den ersten Schnee
Er bedeckt ein totes Reh

September 2020

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