Herr der Ringe / Der Hobbit (8 700 Wörter)

"Komm schon, Narbelethwen!", rief meine Mutter von weiter vorne, als ich ihrer Meinung nach wohl zu langsam ging. Ich verdrehte genervt meine Augen. Viel länger hatten sie meinen Namen auch nicht machen können, schlimm genug, dass sie Qilelass, den Spitznamen, den meine Schwester mir gegeben hatte, nicht akzeptierten und das seit einer sehr langen Zeit. Meine Schwester selbst hieß Taurîn, was meiner Meinung nach viel schöner klang, doch sie war auch die Erstgeborene, als welche Waldkönigin am besten zu ihr passte. Schließlich musste sie jemanden hohen Standes heiraten und nicht ich, womit ich Mädchen des Herbstes getauft wurde. Ich seufzte schwer und verschnellerte meine Schritte. "Wenigstens kannst du dort machen was du willst", lächelte Taurîn und wartete auf mich. "Solltest du dich nicht freuen, Königin zu werden? Ich meine das hat dir dein Name fast schon vorbestimmt", antwortete ich mürrisch und versuchte über keine Wurzel zu stolpern. "Du weißt, dass ich das nicht kann." Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie hatte Zuhause ihr Auge auf einen Elben geworfen, der allerdings eine normale Grenzwache war.

"Schau, dort vorne!", knurrte Taurîn und nickte durch die Bäume, wo man die ersten Mauern der riesigen Hallen Thranduils erkennen konnte. "Außerdem werde ich noch nicht einmal Königin", fügte sie noch hinzu, bis wir uns an der großen Brücke sammelten, um einzutreten. Ich lächelte kurz. Da hatte sie allerdings recht. Da durfte sie ihren Mann nicht selber wählen und das nur für den Posten einer Prinzessin, die vermutlich nicht einmal hier auf Dauer leben würde. "Seid gegrüßt, König Beletaur und Königin Eloth", begrüßten die Wachen uns und verbeugten sich vor meinen Eltern kurz. Taurîn und ich bekamen ebenfalls eine kurze - namenlose - Begrüßung, bevor wir weiter vordringen durften. Eine Elbin führte uns durch die riesigen Hallen. Sie waren wirklich beeindruckend und nichts gegen die Räumlichkeiten in meinem Königreich, doch diese hier waren immerhin um einiges älter. Hin und wieder fragte ich mich woher das Licht kam, doch beachtete es auch nicht weiter, als wir in einen Festsaal traten. Eigentlich war ich nur als Begleitung hier, weshalb ich mich gerne davongemacht hätte, doch vermutlich wäre das höchst beleidigend. Außerdem lockte mich das wunderbare Essen bereits. Also begrüßte ich wie meine restliche Familie den König und seinen Sohn und ließ mich auf den vorgesehenen Platz nieder. Wir saßen natürlich nur zu sechst am Tisch, umgeben von einigen Wachen, die stramm an der Wand standen und nicht zu atmen schienen. Ich mochte solche Veranstaltungen nicht, zumindest nicht den Anfang davon, sobald alle ein wenig Wein gehabt hatten, waren sie annehmbar, doch das würde heute wohl kaum der Fall sein. Ich war zwar auch eine Prinzessin, doch wurde lange nicht so ernst genommen wie meine Schwester, die Thronfolgerin. Natürlich würden mir trotzdem alle jeden Wunsch von den Augen ablesen und keinen meiner Befehle in Frage stellen, doch ich machte einfach weniger Gebrauch davon, nicht, dass Taurîn es ausnutzen würde.

"Oh, dafür ist Qilelass bei uns zuständig", lächelte gerade meine Schwester, die mit Legolas in ein Gespräch vertieft war, welcher uns gegenübersaß. Ich sah überrascht auf und versuchte mich einzubringen. Neben uns konnte ich den brennenden Blick meiner Mutter spüren, als sie meinen Spitznamen hörte, doch sie und die beiden Könige hatten selbst einiges zu besprechen. "Es geht um die Patrouillen", half Taurîn mir auf die Sprünge, worauf ich ihr dankbar ein Lächeln zuwarf. "Natürlich, ja, das übernehme meistens ich. Taurîn kümmert sich mehr darum, dass im Schloss alles seiner Wege geht, was nochmal eine Kunst für sich ist", sagte ich schnell und legte ihr eine Hand auf den Arm. Sie sah peinlich berührt zu dem Prinzen, welchen das bloß zu belustigen schien. Abermals spürte ich den Blick meiner Mutter auf mir, weswegen ich froh war, als meine Schwester wieder das Reden übernahm. Nur mit halbem Ohr hörte ich zu, als sie zu einem Ausritt eingeladen wurde. Der Wald war wirklich schön und erinnerte mich ein wenig an die Zeit, in der Taurîn und ich in den kleinen Wäldchen in unserem Reich gespielt hatten, als wir noch sehr klein waren. Zum Großteil war Enedwaith bloß Felder und Wiesen, die zwar sehr fruchtbar waren, doch letztendlich langweilig. Da waren die Bäume mal eine schöne Abwechslung.

Ich zuckte kurz zusammen, als sich meine Eltern und Thranduil erhoben. Schnell schloss ich mich nun auch Legolas und Taurîn an. Der Prinz warf mir wieder einmal einen belustigen Blick zu, doch sagte kein Wort, als wir uns zu einer Tür drehten und dem Herrn des Düsterwalds hineinfolgten. Der Raum strotzte nur so von Teppichen und Gemälden. Verteilt standen einige Sessel und Tische da, einige mit Weinflaschen und -gläsern. Gemütlich sammelten wir uns um einen dieser Tische und führten dort die nun etwas ruhigeren Gespräche weiter. "Darf ich fragen, wie es dem Düsterwald geht? Ich habe gehört die Bedrohung von Süden wird immer größer?", fragte Taurîn interessiert, doch hielt ihren Ton eher leise. Ich konnte das gut verstehen, sie wusste nicht, ob das eine passende Frage war. Legolas zögerte auch kurz, doch setzte dann ein eher ernstes Gesicht auf. "Wir haben uns aus den Teilen im Süden zurückgezogen und leben nun hier, wo der Wald noch seine alte Schönheit hat, welche wir auch so weit verteidigen, dass das Böse nicht weiter vordringen kann", erklärte er mit ruhiger Stimme. Ich hörte interessiert zu und faltete meine Hände in meinem Schoß. "Das ist gut zu hören, doch es muss sicherlich eine große Umstellung gewesen sein, ein so großes Gebiet zu verlieren?", antwortete meine Schwester besorgt. Ich hielt mich zurück und wandte den Blick ab. Es war sicher eine große Einbüße gewesen, als sie sich im Norden des ehemaligen Grünwalds gesammelt hatten. Trotzdem würde die Bedrohung auch nicht ewig bestehen bleiben.

"Das ist schon einige Jahre her, wir haben uns inzwischen daran gewöhnt", lächelte der Prinz entspannt. Mein Blick wanderte zu einem der großen Fenster, von wo aus man über die Wipfel der Bäume hinwegsehen konnte. Der Wald war wirklich wunderschön, traurig, dass nun so viel davon verloren war. Unsere Gespräche gingen nicht mehr viel länger, auch meine Eltern waren von der langen Reise erschöpft und in den nächsten Wochen würden wir sicherlich genug Zeit haben einander kennenzulernen. Deswegen war ich froh, als ich erschöpft mein Zimmer erreichte und meine Sachen auspacken konnte. Ich hatte nicht viel mitgenommen, da gesagt wurde, dass uns hier alles zu Verfügung stünde. Das war tatsächlich auch der Fall, wobei mich der Balkon im Moment am meisten interessierte. Die Sonne war hinter einer dicken Wolkendecke verborgen, doch trotzdem genoss ich die frische Luft. Es war schön mal eine neue Umgebung zu sehen, mein Volk reiste nicht sehr viel.

~

Mit einem zufriedenen Lächeln ließ ich mich auf den dicken Ast sinken und schloss kurz die Augen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob meine Eltern den kleinen Ausflug so gutheißen würden, doch es war immerhin nicht verboten. Als ich wieder meine Augen öffnete, hörte ich ein leises Knacken über mir. Misstrauisch hob ich langsam meinen Blick. Schon sah ich mich dem ekelhaften Gesicht einer übergroßen Spinne entgegen. Ich zögerte keine Sekunde und hatte bereits einen meiner Dolche gezogen, um ihn in den Schädel der Kreatur zu rammen, die nur noch wenige Fingerbreiten von mir entfernt war. Sie stieß einen schrecklichen Schrei aus und fiel zur Seite auf den Boden, wo ein dumpfes Geräusch ertönte. Etwas verwirrt sah ich nach unten und drehte mich dann einmal um die eigene Achse. Plötzlich hörte ich einen Schrei und Kampfgeräusche. Es mussten mehr von diesen Dingern in der Nähe sein. Entschlossen zog ich meinen Bogen und hielt ihn in einer Hand, während ich von Baum zu Baum sprang in Richtung des Kampfes. Von der Weiten konnte ich eine bewegungslose Person am Waldboden ausmachen, über welche sich gerade eine der übergroßen Spinnen beugte. Sofort hatte ich schon einen Pfeil eingespannt und traf perfekt. Doch damit hatte es noch nicht sein Ende. Immer mehr und mehr der Kreaturen schienen von überall her aufzutauchen. Ich tauschte meinen Bogen gegen die zwei Dolche und ging zum offenen Angriff über. Schnell konnte ich ein wenig weiter weg eine weitere Person kämpfen sehen, doch ich konnte mich nicht lange darauf konzentrieren. Es war ungewohnt gegen solche Tiere zu kämpfen, doch mit meiner Erfahrung auch kein Problem, sodass bald die meisten Spinnen sich lieber zurückzogen.

Besorgt sprang ich zu der bewegungslosen Person, die ich nun zu meinem Schrecken als meine Schwester identifizierte. "Taurîn?", fragte ich leise und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Legolas war schnell neben mir angelangt und betrachtete sie ebenso sorgenvoll. "Ich dachte ihr wolltet ausreiten?", fragte ich trocken und strich Taurîn eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Wir haben uns doch für einen Spaziergang entschieden", antwortete er. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, doch konzentrierte mich sofort wieder auf meine Schwester, als diese einen leisen Laut von sich gab. Es wäre wohl zu viel verlangt von einem erfahrenen Elbenprinzen zu wissen welche Gefahren in seinem eigenen Königreich lauerten und eine Besucherin zu beschützen. "Wir sollten sie zum Schloss bringen", sagte er leise und beugte sich über sie, doch sie schien bereits etwas mehr Bewusstsein zu gewinnen und öffnete ihre Augen. "Solltet Ihr nicht lieber die Spinnen verfolgen?", fragte ich etwas genervt und half ihr auf. Legolas sah mich etwas überrascht an und mir tat der Kommentar sofort etwas leid. Immerhin waren wir immer noch in seinem Reich und ich sollte etwas Respekt zeigen. "Vergebt mir", murmelte ich also leise und wandte den Blick ab. Der Prinz lächelte bloß kurz und übernahm das Stützen der anderen Seite meiner Schwester. "In diesem Teil sind normal keine Spinnen", erklärte er ruhig und ließ dabei seinen Blick durch die Bäume wandern. Zum Glück waren wir nicht weit von den Hallen entfernt. "Ihr könnt es ruhig sagen", lächelte er, als ich einige Sekunden nicht antwortete. Ich seufzte kurz und warf ihm einen Blick zu. Das bezweifelte ich. "Es war nicht Eure Schuld, ich denke Ihr kennt Euer Königreich gut genug, um sagen zu können, wo es sicher ist und wo nicht", antwortete ich also und versuchte auch mich selbst damit zu beruhigen. "Es war mein Fehler", stöhnte meine Schwester, welche ihre Beine immer nur halb hob. Wir beide sahen sie überrascht an. "Ich habe etwas gehört, doch nichts gesagt", erklärte sie weiter. Der restliche Weg verlief ziemlich schweigsam. Legolas schien sich wohl gerade auszumalen, was sein Vater dazu sagen würde. Meine Eltern würden sicherlich auch nicht gerade erfreut sein. Deswegen hielt ich mich fürs erste auch von ihnen fern, als wir zurück in die Hallen kehrten. Die Heiler kannten sich sicher gut aus und meiner Schwester würde es bald wieder gut gehen. Vermutlich war es sogar ganz gut gewesen, dass ich zusammen mit den beiden zurückkam, denn nur wenige Minuten darauf fing es an in Strömen zu regnen. Die Wolken von gestern hatten sich wohl als Regenwolken enttarnt. Deswegen holte ich mir von der Küche eine Kanne Tee und kehrte in meine Gemächer zurück.

Gerade als ich mich mit einem guten Buch zurücklehnen wollte, klopfte es auch schon an meiner Tür. Ich nahm an, es würden meine Eltern sein, die das mit Taurîn herausgefunden hatten. Doch als ich die Tür öffnete, stand der Prinz davor. "Ich wollte mich noch bedanken", sagte er leise und sah mir fest in die Augen. Überrascht hob ich meine Brauen und trat einen Schritt zurück, sodass er hineinkommen konnte. "Und wofür?", fragte ich und schloss die Tür wieder. Schließlich war es doch normal, dass man die Spinnen bekämpfte, wenn man sie sah? "Dass Ihr Euren Eltern davon nichts gesagt habt", erklärte er ehrlich, was mich leicht lächeln ließ. Vielleicht war er doch kein so schlechter Prinz. "Taurîn geht es schon viel besser." "Das freut mich zu hören. Von mir habt Ihr nichts zu befürchten", antwortete ich belustigt und entspannte mich ein wenig. "Ich weiß nicht, ob Eure Schwester ebenso denkt, doch vermutlich würde es sowieso irgendwie herauskommen." Ich lachte kurz und nickte. "Ich werde versuchen mit ihr zu reden", bot ich an. "Danke, dabei fällt mir ein, ich wollte noch etwas fragen." Ich sah ihn erwartungsvoll an. "Mir wurde gesagt, dass Ihr Narbelethwen heißt, doch Taurîn hat Euch gestern Qilelass genannt?" Ich kam um ein Grinsen nicht herum. "Ich fand den Namen ein wenig zu... lang und Buntes Blatt schien nicht allzu weit von Mädchen des Herbstes entfernt zu sein, also hat meine Schwester mir diesen Spitznamen gegeben", erklärte ich belustigt und sah ihn dabei interessiert auf seine Reaktion an. Er lachte bloß und nickte verstehend. "Dann werde ich Euch natürlich auch so nennen." "Danke, wenn meine Eltern fragen, sagt einfach, dass meine Schwester mich mal so genannt hat. Es ist immer noch ein wunder Punkt", empfahl ich und bat ihn ins Wohnzimmer, wir mussten nicht die ganze Zeit im Flur stehenbleiben.

"Ihr habt beim Essen gestern nicht sehr viel gesprochen?" Ich zögerte kurz. "Letztendlich sind wir wegen meiner Schwester hier und ich wollte mich nicht in euer Gespräch einmischen", antwortete ich zaghaft und unterbrach den Blickkontakt. "Taurîn und ich werden vermutlich noch so einige Gespräche alleine haben, da wäre es kein Problem, wenn Ihr Euch miteinbringt, wenn Ihr schon mal dabei seid", sagte er lächelnd und stellte sich zu der Balkontür. "Habt ihr öfter so schlechtes Wetter hier?", fragte ich, was nicht gerade ernst gemeint war und bekam dafür einen belustigten Blick. "Kommt auf die Jahreszeit an. Im Herbst ist es meistens sehr schön hier", antwortete er und sah lächelnd zurück. Auch ich sah ihn kurz belustigt an, bis ich mich neben ihn stellte. "Warum kann Eure Schwester nicht so offen mit mir reden?", hauchte er schließlich, was mich überrascht aufsehen ließ. "Sie war schon immer diejenige, auf der sehr viel Verantwortung gelegen hat. Ich denke sie will einfach nur nichts Falsches sagen." Legolas lächelte dankbar und sah mich ein paar Sekunden nachdenklich an. "Ihr habt Waffen im Wald mitgehabt", stellte er plötzlich überrascht fest. Ich lachte kurz. "Ihr auch." Er musste ebenfalls lachen, doch ich konnte mir denken, worauf er hinauswollte. "Wie gestern beim Essen schon erwähnt, kümmert sich Taurîn mehr um das, was im Schloss vor sich geht. Sie ist nicht oft draußen und führt damit nur selten Waffen mit sich", erklärte ich leise, worauf ich ein kleines Seufzen vernehmen konnte. "Sie freut sich auch hier zu sein und wird sicherlich mehr draußen sein - auch in den nächsten Jahren", ergänzte ich und sah ihn etwas besorgt an. Ich würde gerne wissen wollen wie ihr Gespräch heute verlaufen war, doch dem Anschein nach, nicht besonders gut. "Auch in den nächsten Jahren?", fragte er nochmal nach und musterte mich. Ich wandte schnell meinen Blick ab und hob meine Brauen. Das war vermutlich nicht sehr vorteilhaft ausgedrückt. Es war mir nicht nur verboten das zu sagen, es konnte ernsthaft die Allianz zwischen unseren Königreichen gefährden.

"Sie will wieder zurück, nachdem wir geheiratet haben?" Ich wollte ihn nicht anlügen, doch die Wahrheit war auch nicht viel hilfreicher. Er schnaubte wütend und drehte sich um. "Ich bin mir sicher Ihr könnt das verstehen", versuchte ich schnell ihn aufzuhalten. "So eine Vermählung habe ich mir auch nicht erträumt, doch sie könnte dem wenigstens eine Chance geben." Ich seufzte schwer und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an, worauf er auch zu verstehen schien und sich kopfschüttelnd abwandte. "Noch besser. Sie hat schon jemand Besseren gefunden." "Es war keine Entscheidung von ihr", verteidigte ich meine Schwester sofort. Ich sollte versuchen zu retten, was noch zu retten war. "Natürlich nicht, aber so ein Leben kann ich nicht führen, werde ich nicht führen." "Legolas", sprach ich sofort, doch er trat bereits davon, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Eigentlich wusste ich, dass ich gerade einen sehr großen Fehler gemacht hatte, doch trotzdem fühlte ich mich irgendwie nicht wirklich schlecht deswegen, was mich ein wenig verwirrte. Es ging schließlich auch mich etwas an, was mit meinem Königreich geschah, auch, wenn ich nicht die Thronfolgerin war. Vielleicht war es, weil ich nicht wirklich realisiert hatte, wie wichtig diese Allianz war. Meine Eltern hatten mit mir nicht viel darüber geredet - es ging mich ihrer Meinung nach nicht viel an, wen meine Schwester heiratete - und Taurîn selbst vermied es generell mit mir über solche Themen zu reden. Wenn wir zusammen waren, waren wir in erster Linie Schwestern.

Ich seufzte und machte mich daran mich weiter einzurichten und umzusehen. Legolas würde sicherlich nicht schon heute Abend mit unseren Eltern reden - zumindest hoffte ich das.

~

Am nächsten Morgen war ich schon früh auf den Beinen. Ich wollte die Zeit in dieser neuen Umgebung so viel genießen, wie ich konnte. Von den dünnen, gewundenen Wegen aus, konnte ich das Treiben unter mir ganz gut beobachten. Es war wirklich etwas ganz Anderes als bei mir Zuhause. Hier fühlte ich mich so frei und gleichzeitig geborgen, wenn ich zwischen den Bäumen war. Ich hoffte, dass der Herbst und damit die vielen bunten Farben, früh kommen würde, doch nach gestern Abend, war ich nicht einmal mehr sicher, ob wir diese Woche noch hierbleiben würden. Bis jetzt hatte mich zumindest niemand über eine Notfallsitzung informiert. Vermutlich würde der Prinz auch zuerst mit meiner Schwester sprechen, fair wäre es auf jeden Fall. Für den Düsterwald war die Hochzeit immerhin auch von Vorteil. Doch, wenn Legolas mit ihr gesprochen hatte, dann war es kein sonderlich langes Gespräch gewesen, denn schon konnte ich ihn auf einem der Wege unter mir ausmachen. Er sprach mit einem Elben, der irgendwann nickte und dann abbog. Interessiert folgte ich ihm, nicht, weil ich spionieren wollte, sondern einfach, weil ich mehr über dieses Reich herausfinden wollte. In Enedwaith übernahm ich keine besonders große Befehlsrolle, doch es musste spannend sein jeden Tag vor neuen Aufgaben und Problemen zu stehen. Die Routine bei den Patrouillen, die ich einteilte, hatte sich schnell eingependelt, womit ich nicht unbedingt viel zu tun hatte und meinen Tag mit Reiten oder kleinen Ausflügen verbrachte.

Der Elb traf sich mit einigen anderen Wachen, die sich aufmerksam die Befehle anhörten und sich dann auch schon auf den Weg in den Wald machten. Ich hatte von der Weiten nichts alles verstanden, doch vermutlich ging es um die Spinnen. Legolas hatte gestern zwar nichts dazu gesagt, doch ich war mir nicht sicher, ob es die Waldelben wirklich so gerne sahen, wenn ich mit Waffen durch ihr Reich spazierte. Doch anders fühlte ich mich in fremden Gegenden nun mal nicht sicher. Also folgte ich ihnen einfach mit meiner Ausrüstung in einiger Entfernung. Es war eine willkommene Abwechslung aufpassen zu müssen, wo man hintrat, nicht abzurutschen oder auf einen zu dünnen Ast zu springen. Manchmal wurden die Bäume lichter, sodass ich entweder kurz auf den Boden wechselte oder einen kleinen Umweg machte. Relativ schnell hatte ich die Patrouille sowieso verloren, weshalb ich mich selbstständig machte. Sie waren natürlich geübt in ihrem Gebiet und kannten sich besser aus. Für mich war es schon schwierig genug, sich nicht zu verlaufen. Der Himmel war immer noch bewölkt und nur hin und wieder konnte man die Sonne hinter den Schleiern erkennen. Ich konnte nicht wirklich sagen, ob es auf einem ewig weiten Feld, oder in Tausenden von Bäumen, schwerer war, sich zurechtzufinden. Natürlich stachen ein paar der Pflanzen heraus, sodass ich mich daran orientieren konnte und hin und wieder kam ich auch auf Lichtungen, an denen ich mich kurz ausruhte. Ich war hauptsächlich in den Westen gegangen, doch wenn ich ehrlich war, hatte es mich auch ein wenig in den Süden gezogen, weshalb es schnell immer düsterer um mich wurde. Es war nicht so schlimm, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte, doch ich spürte es an mir nagen. Ein wenig verspürte ich Mitleid den Waldelben gegenüber. Der Zauber breitete sich langsam, aber sicher immer weiter aus und sie wussten nicht wann oder ob es jemals zu Ende sein würde. Verschwand die Dunkelheit, wenn man die Spinnen bekämpfte?

Bei dem Gedanken an die grässlichen Kreaturen sah ich auch wieder eine vor mir. Sie war einige Bäume weiter und hatte mich nicht bemerkt, weshalb ich schnell hinter einen Stamm rutschte. Ich wusste nicht, ob sie alleine war oder das hier ein ganzes Nest darstellte. Kurz warf ich einen Blick aus meinem Versteck und versuchte mehr der Tiere zu erspähen. Die Spinne von vorhin war verschwunden und sonst war auch keine zu sehen. Misstrauisch ließ ich meinen Blick durch den Wald schweifen und legte meine Hand auf die Rinde. Nur Teile von ihr waren von den Spinnweben belegt, vor welchen ich mich hütete. Plötzlich hörte ich wieder etwas und zuckte zurück. Kurz wartete ich, bis ich wieder nachsah. Es war wieder eine Spinne ungefähr auf demselben Ort wie vorhin gewesen. Also zog ich mein Schwert und schlich mich näher. Ich wusste selbst nicht so ganz, warum ich gegen sie kämpfen wollte, vermutlich war es in meinem Blut einfach das Böse besiegen zu wollen. Außerdem kamen kaum Orks in unsere Lande. Aufmerksam lauschte ich in den Wald. Leises Surren und etwas wie ein Klicken ertönte, während ich auf dem alten Baum entlangschritt. Es war zweifellos eine der Spinnen, doch war es fraglich, ob sie mich bereits bemerkt hatte. Mir wurde plötzlich klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie viele es überhaupt waren. Trotzdem wagte ich mich weiter vor. Vor mir stand ein einzelner halb abgestorbener Baum, der seinem Aussehen nach aus dem ersten Zeitalter hätte stammen können. Der Durchmesser seines Stamms war unglaublich, sicher drei oder vier Meter - genug für ein Nest der Kreaturen. Also kletterte ich höher und versuchte einen Blick hinein erhaschen zu können. Das meiste in meinem Blickfeld waren einfach weiße Spinnweben, doch zwischendurch konnte ich tatsächlich eine Art Eier oder Babyspinnen erkennen. Ich wagte keinen zu langen Blick zu riskieren und wechselte zu meinem Bogen. Dieses Nest würde sicherlich gebührend beschützt werden. Tatsächlich verstrich kaum eine Sekunde, bis ich plötzlich in die Augen einer Spinne blickte, die mich entdeckt hatte. Ich zögerte nicht und schoss sofort auf sie. Doch davor konnte sie gerade noch einen schrillen Schrei ausstoßen und fiel damit vom Baum. Ich schluckte und machte mich schnell auf den Rückweg, doch es war zu spät. Schon konnte ich es von mehreren Seiten knacken hören. Im Rennen schoss ich ein paar der Kreaturen ab, doch gegen alle hatte ich kaum eine Chance. Ich kannte das Gebiet nicht und war nicht unbedingt auf eine ganze Schlacht alleine vorbereitet gewesen. Zu zweit konnte man sich zumindest den Rücken decken und hin und wieder helfen, doch alleine war ich um einiges in der Unterzahl. Also schlug ich den - meiner Meinung nach - schnellsten Weg zu den Hallen ein.

Es war nicht unbedingt einfach einerseits auszuweichen und andererseits zu kämpfen. Ich wusste nicht wie ich den Vorteil der Bäume am besten Ausnutzte, wohingegen die Spinnen das natürlich perfekt ausnutzten. Trotzdem schaffte ich es irgendwie alle hinter mir zu lassen und einfach zu rennen, bis ich mir sicher war nicht mehr verfolgt zu werden. Dann drehte ich mich um und starrte aufmerksam in den Wald. Es war nichts mehr zu hören. Also atmete ich kurz durch und legte dann etwas ruhiger den restlichen Weg zurück. Knapp nickte ich den Wachen am Eingang zu, welche mich genau musterten. Es waren andere als gestern und ich war mir nicht sicher, ob sie wussten, wer ich war. Man sah lieber zwei Mal hin, bevor man jemanden mit Waffen in die Hallen einließ, doch das verübelte ich ihnen nicht. Ich hatte keine Ahnung, wo Legolas sich befinden könnte und das Nest lief auch nicht weg in den nächsten Stunden, weshalb ich einfach weiter ziellos herumlief und mich ein wenig umsah. "Suchst du etwas?", fragte irgendwann eine belustigte Stimme hinter mir. Ich hatte gerade die Tür zu einem Weinkeller geöffnet. Ich zuckte kurz zusammen und drehte mich um. "Euch", antwortete ich etwas erleichtert, als ich Legolas erkannte. Er unterdrückte ein Lachen und warf einen bedeutsamen Blick in den Raum hinter mir, worauf ich auch Lächeln musste. "Ich habe mich nur etwas umgeschaut." "Und Ihr glaubt in einem Weinkeller werdet Ihr mich finden?" "Ihr seid hier, nicht wahr?", konterte ich sofort und grinste ihn siegessicher an. Er zögerte kurz und versuchte offensichtlich etwas abzuwägen. "Nun nachdem, was mir letzte Nacht offenbart wurde, darf ich mir das erlauben", antwortete er schließlich, doch meinte es nicht unbedingt sehr ernst. "Mitten am Tag?", erwiderte ich belustigt und verschränkte meine Arme. "Also ich kann keine Sonne sehen, ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht", antwortete er bloß schulterzuckend und trat an mir vorbei. Ich runzelte kurz meine Stirn, doch folgte ihm dann hinein. "Also, warum habt Ihr mich gesucht?", fragte er, während er die Weine begutachtete. Ich zögerte kurz. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir das zusteht", antwortete ich unsicher und schloss die Tür. Er warf einen überraschten Blick über seine Schulter. Als ich nicht weitersprach, hielt er ganz an und drehte sich zu mir. "Sprecht", bat er ernst und kam mir einen Schritt entgegen. Es fühlte sich gut an auch mal mit seiner echten Prinzseite zu sprechen, die bereit war, alles für ihr Land zu tun, das nahm ein wenig von diesem netten, charmanten Image, das er bei Taurîn und mir an den Tag legte.

"Ich glaube ich habe eines von den Nestern der Spinnen gefunden", erklärte ich schließlich und schaffte es nicht ganz Blickkontakt zu halten. Ich war mir nicht sicher, wie ich mich fühlen würde, wenn ein Besucher mir erzählte, wo die Posten der Orks in meinem eigenen Reich waren. Damit sah es doch so aus, als würde ich seine Leute herabsetzen, oder nicht? Doch er sah mich bloß etwas besorgt an und trat vor mich. "Du bist alleine in den Süden gegangen?" Das war es, was er daraus gewonnen hatte? "Ein wenig, eher mehr in den Westen", antwortete ich langsam. Er musterte mich. "Ich nehme nicht an, dass du einfach hineingelaufen bist." Ich war etwas verwirrt von der plötzlichen Persönlichkeit zwischen uns, doch nahm es gerne an. "Ich... habe vielleicht etwas genauer nachgeschaut, doch ich hatte meine Waffen dabei, ich kann mich verteidigen." "Das glaube ich dir, aber du kennst dieses Gebiet nicht, du kennst diese Kreaturen nicht." Ich sah ihn verächtlich an. Ich war vielleicht ein paar Jahre jünger als er, doch hatte kaum weniger Erfahrung, da war ich mir sicher. Er seufzte und wandte etwas genervt den Blick ab. "Gut, ich nehme an du willst mitkommen?" Ich konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken, er schien mich schon ganz gut einschätzen zu können. Er nickte kurz und ging wieder auf die Tür zu. "Wie groß war es?", fragte er, während er sie öffnete. Ich überlegte kurz. "Also ich habe schon einige besiegt, doch ich denke nicht, dass wir beide ausreichen werden." Er nickte und wartete auf mich, bevor er sich auf den Weg nach oben machte. Auf den Stiegen blieb er noch mal kurz stehen. "Mein Vater wird nicht unbedingt damit einverstanden sein, dass du mitkämpfst und ich denke deine Eltern auch nicht." Ich verdrehte ein wenig die Augen, als ich daran dachte, wie meine Eltern reagieren würden. "Sie werden damit zurechtkommen, ich bin schließlich nicht die Thronfolgerin", antwortete ich und ging an ihm vorbei, wobei ich noch ein belustigtes Lächeln auf seinen Lippen erkennen konnte.

Er führte uns ein wenig tiefer in die Hallen, in Bereiche, von denen ich eigentlich nicht dachte, dass ich sie betreten durfte. "Míriel, Beregor", rief Legolas in einen der Räume hinein und sogleich erschienen die beiden. Sie waren wohl auch von höherem Stand, doch trugen Kleidung, die definitiv für einen Kampf geeignet war. "Das ist Qilelass", stellte er mich vor. Ich musste sofort lächeln, als er mich bei meinem Spitznamen nannte. "Ah, unsere Besucherin, nicht wahr?", fragte Beregor und beide neigten den Kopf, was ich natürlich sofort erwiderte. "Wobei können wir denn helfen?", fragte Míriel, bevor ich etwas sagen konnte. "Es wurde ein weiteres Nest entdeckt", antwortete Legolas bloß. Wie er ihnen gegenüber auftrat, nahm ich an, dass er mit ihnen befreundet war. Sie schienen sofort zu verstehen und lachten belustigt, doch stimmten zu, mitzukommen. Damit war zumindest fürs erste mein unerlaubtes Mitkämpfen gesichert. Wir machten uns schnell auf den Weg in den Wald. Ich hoffte mich noch an den Weg erinnern zu können, doch war ziemlich zuversichtlich. Dabei stellte sich heraus, dass Míriel und Beregor miteinander verheiratet waren und tatsächlich schon seit vielen Jahren mit Legolas befreundet. Sie waren wirklich nett und während unseres Gesprächs konnte ich hin und wieder einige Tricks in den Bäumen aufschnappen, was mich ein wenig erleichterte. Neben den dreien würde ich sicherlich nicht so gut mit dem dicht bewachsenen Boden zurechtkommen, weshalb ich mir vornahm mich besonders zu bemühen. Zu viert würden wir das Nest sicherlich leicht besiegen können.

"Seht ihr den alten Baum dort vorne?", fragte ich, als wir in Sichtweite kamen. Wir blieben stehen und die anderen starrten interessiert in die gezeigte Richtung. Nach einem Nicken trat ich weiter nach vorne, worauf Legolas kurz eine Hand auf meine Schulter legte und den anderen beiden zunickte. Etwas verwirrt beobachtete ich, was sie taten. Wie ich mir bereits gedacht hatte, teilten sie sich auf, um von mehreren Seiten angreifen zu können. Also wartete ich bis alle in Position waren und musste mich zurückhalten nicht den Befehl zum Angriff zu geben. Ich war es nicht gewohnt nicht das Sagen zu haben. Also wartete ich, bis Legolas die Hand hob und trat dann weiter vor. Mir wurde schnell klar, dass ich in die Bäume musste, wenn ich eine reelle Chance haben wollte, also sprang ich nach oben. Schon hörte ich ein paar fletschende Zähne hinter mir. Blitzschnell drehte ich mich um und stach einen meiner Dolche in den Kopf der Spinne. Dann drehte ich mich auch schon zurück und wechselte zu meinem Bogen. Nur kurz warf ich einen Blick zu anderen, dann konzentrierte ich mich darauf ein paar der schnell näherkommenden Spinnen abzuschießen. Wieder einmal hatte sich die Nachricht eines Angriffs schnell verbreitet. Es fühlte sich ungewohnt, doch nicht unbedingt schlecht an, mit Waldelben zusammen zu kämpfen und schnell passte ich mich auch an ihre Bewegungen an. Nur hin und wieder arbeiteten sie kurz zusammen, wenn es sowieso auf dem Weg nach unten wäre und im Sprung ein Gegner abgeschossen werden konnte zum Beispiel. Bei uns arbeiteten wir zwar mehr zusammen, doch wir waren generell auch größere Patrouillen, welche es hier sicherlich auch gab, nur gerade eben nicht der Fall war. Vorsichtig achtete ich auch darauf mich ein wenig einzubringen in ihr Kampfschema, doch ich war mir nicht sicher, wie gut ich das anstellte.

Die ausgewachsenen Spinnen waren schnell besiegt, worauf wir uns auf den Weg zu dem Baum machten. Ich hielt mich zurück und ließ den anderen den Vortritt. Ich durfte nicht vergessen, dass ich immer noch nur ein Gast war, der eigentlich gar nicht mitkämpfen sollte. "Ich kenne diesen Baum, sie müssen ihn ausgehöhlt haben", murmelte Legolas und warf einen Blick hinein. Ich lächelte kurz amüsiert, doch wusste gleichzeitig natürlich auch, dass er hunderte Jahre hier verbracht hatte und damit vermutlich jeden Baum benennen konnte, wenn er wollte. "Wir sollten ihn anzünden, das Holz ist nass, doch die Spinnweben werden brennen", schlug Beregor vor und stellte sich neben Legolas, welcher ihm einen nachdenklichen Blick zuwarf. Nach einem Nicken überließ er es Míriel und ihm hineinzuklettern. "Warum hast du dich so weit von den Hallen entfernt?", fragte er dumpf und trat zu mir, während die anderen beschäftigt waren. "Ich schätze ich habe die Zeit nicht bemerkt", antwortete ich schulterzuckend. "Du solltest nicht alleine unterwegs sein. Wenn dich jemand sieht, wird er dich für einen Eindringling halten." Kurz versuchte ich abzuschätzen, wie ernst er das meinte. "Ich glaube ich werde Elben von Spinnen unterscheiden können und wenn ich auf welche treffe, werde ich einfach mit ihnen zurück zu den Hallen gehen." Er sah mich nicht überzeugt an. Hinter ihm waren Míriel und Beregor inzwischen soweit, dass das Feuer brannte. "Ich werde mich nicht mehr so weit entfernen, doch du kannst nicht von mir erwarten immer eine Wache mitzunehmen", erwiderte ich gedämpft, worauf er seufzte und sich umdrehte. Wir warteten, bis das Feuer runtergebrannt war und machten uns dann auf den Weg zurück. "Dafür, dass du aus Enedwaith kommst, kannst du wirklich gut im Wald kämpfen", lächelte Míriel während dem Gehen und warf mir einen Blick zu. "Danke", antwortete ich erfreut und nickte ihr zu. Ich hatte nicht unbedingt erwartet dafür Komplimente zu bekommen. "Mit der richtigen Uniform könntest du schon fast als eine von uns durchgehen", lachte Beregor. "Gut zu wissen", erwiderte ich, worauf er kurz lachte. Natürlich hatte ich nicht vor mich einzuschleichen, was würde es mir auch groß bringen? Ich liebte mein Königreich, wenngleich es hier auch schön war, war es einfach nicht dasselbe.

"Wir werden noch bei Freunden vorbeischauen, sie wohnen gleich hier in der Nähe", fügte Míriel noch hinzu und nickte in Richtung Norden. Wir verabschiedeten uns und Legolas und ich gingen weiter in Richtung der Hallen. "Warum willst du eigentlich nicht, dass ich mich... in Gefahren begebe?", fragte ich interessiert und sah ihn von der Seite an. Er zögerte kurz. "Ich denke nicht, dass deine Eltern erfreut wären, wenn du dich im Düsterwald verletzt oder gar den Tod findest", antwortete er schließlich, doch ich merkte, dass es über das hinausging. Auch, wenn er es nicht zugeben wollte, hatten wir uns ein wenig angefreundet und er konnte vermutlich noch nicht wirklich einschätzen, wie gut ich kämpfen konnte. "Über die Jahre ist die Beziehung zwischen meinen Eltern und mir ein wenig unterkühlt geworden. Wenn sie sich um etwas kümmern, dann um ihre perfekte Tochter, die keine ihrer Entscheidungen in Frage stellt", erklärte ich leise und starrte geradeaus. "Taurîn hat mir erzählt, dass sie dich um deine Freiheit beneidet." Ich sah ihn überrascht an. Er lächelte bloß. "Sie lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab." "Außer einem, wie es scheint", unterbrach er mich. Ich musterte ihn kurz und nickte. "Du solltest mit ihr reden", sagte ich endlich, was mir schon seit in der Früh auf dem Herzen lag. Ich konnte nicht ganz herauslesen, ob das sowieso seine Absicht gewesen war, da er bloß tonlos nickte. Wir schwiegen einige Sekunden. "Habe ich... ich meine ich will mir nicht anmaßen zu sagen wo deine Leute angreifen sollen wegen den Spinnen." Ich war mir immer noch nicht so ganz sicher, ob er es gut fand, dass ich dieses Nest gefunden hatte und ich fand, dass wir inzwischen so weit waren, dass er es mir sagen konnte, wenn es nicht in Ordnung war. "Es ist natürlich nicht ideal, doch es wäre auch nicht gut gewesen es zu verschweigen", antwortete er, was mich ein wenig erleichterte, doch mir auch zeigte, dass er es wirklich nicht so toll fand. "Du scheinst sie ja wirklich anzuziehen", lächelte er plötzlich, bevor ich antworten konnte, worauf ich auch kurz lachen musste. "Beim ersten Mal warst aber du daran schuld", erwiderte ich amüsiert. "Ich meine ohne mich wäre meine Schwester vielleicht längst tot - und du auch", lachte ich und nachdem er kurz nicht antwortete sah ich etwas verwirrt zu ihm. Er lächelte bloß und sah geradeaus. An seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass etwas nicht stimmte. "Verzeiht, das war vermutlich über meine Grenzen. Du bist der Prinz und das ist dein Reich, natürlich kannst du dich verteidigen", entschuldigte ich mich schnell und senkte demütig meinen Blick. Das war wirklich etwas viel und ich würde es wahrscheinlich auch nicht toll finden, wenn mir jemand so etwas in meinem Reich sagte.

"Nein, schon in Ordnung. Mir wird nicht oft die Meinung gesagt", lächelte er und legte eine Hand auf meine Schulter. Ich atmete kurz erleichtert durch. "Ich werde mit deiner Schwester sprechen, aber wenn es nicht funktioniert", er blieb stehen, als wir durch die Bäume bereits die Hallen erkennen konnten, "gib dir bitte nicht die Schuld daran." Ich schluckte und wandte meinen Blick ab. Wie sollte das denn gehen, immerhin war ich ganz offensichtlich daran schuld? Er nickte mir zu und ging dann weiter. Ich blieb noch kurz stehen und folgte ihm dann. Es war bereits Abend geworden und langsam verspürte ich doch Hunger. Also holte ich mir etwas zu Essen und setzte mich damit auf meinen Balkon. Es musste Sonnenuntergang sein, doch durch die dichten Wolken war nichts davon zu sehen. Es wurde schnell so dunkel, dass ich nicht einmal mein eigenes Essen mehr sehen konnte, doch trotzdem lauschte ich weiterhin den Geräuschen des Waldes. Ein wenig vermisste ich die vielen Grillen in meinem Königreich, die es hier natürlich auch gab, doch niemals in diesem Ausmaß. Dafür gab es hier andere Tiere, rauschenden Wind in den Blättern und einige letzte Vögel, die den Weg zu ihren Nestern zurücklegten. Auch, als ich fertig war mit Essen, blieb ich noch eine Weile sitzen. Irgendwann fing es an ein wenig zu nieseln, weshalb ich mich doch zurückzog. Von meinem Nebenzimmer, Taurîns Zimmer, konnte ich laute Stimmen vernehmen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich immer noch das Gespräch mit Legolas war, doch wollte auch nicht stören. Also zog ich mich um und trocknete meine Haare ab. Gerade, als ich meine Zeichnungen auspackte, klopfte es laut an meiner Tür. Überrascht öffnete ich sie schnell. Mein Herz schien mir in die Hose zu rutschen, als ich meinen wütenden Vater vor mir stehen sah. "Vater", stellte ich mit etwas wackeliger Stimme fest und ließ ihn eintreten. "Was hast du dem Prinzen erzählt?", fragte er sofort wütend und blieb im Flur stehen. Ich schluckte und schloss die Tür. "Warum, was ist passiert?", entgegnete ich möglichst normal. "Er ist sich nicht mehr sicher, ob er Taurîn heiraten will!" "Das hat er dir erzählt?" Ich konnte eigentlich nicht glauben, dass er so etwas tun würde, ohne mir davor Bescheid zu sagen. "Nein, er hat es Taurîn gesagt!" Ich seufzte, natürlich konnte sie kein Geheimnis vor meinen Eltern behalten. Deswegen hatten wir uns schon oft gestritten, doch trotzdem schien sie es einfach nicht zu verstehen. "Also warst es wirklich du! Was ist in dich gefahren?", rief er wütend und sah mich verständnislos an. Ich sah zu Boden, wenn er mit mir sprach, dann tat er das meistens als König und ohne jedwede Emotion. Ich wusste nicht wirklich mit dieser Situation umzugehen.

"Keiner von beiden ist mit dieser Vermählung einverstanden, warum zwingt ihr sie also?" Wenn wir schon so miteinander sprachen, dann konnte ich auch gleich die Wahrheit sagen. "Wie ich sehe hast du wirklich nichts darüber gelernt, was es heißt in einer Königsfamilie zu leben!" Ich unterdrückte ein Knurren und sah ihn wütend an. "Bevor du das hier komplett zerstörst, solltest du zurück nach Enedwaith", befahl er und wandte sich schon ab. Überrascht sah ich ihm hinterher und wollte widersprechen, doch er war zu schnell verschwunden. Das war definitiv ein Befehl meines Königs gewesen. Wütend trat ich mit ein paar schnellen Schritten zurück in mein Zimmer und begann alles in meine Taschen zu werfen. Das würde ich Taurîn nicht so schnell verzeihen. Sie wusste genau wie unsere Eltern reagieren würden, vor allem mein Vater. Ich hatte mich gerade so gefreut die nächste Zeit hier zu sein. Ich war noch nicht wirklich bereit jetzt schon zurückzureisen! Wieder einmal klopfte es hinter mir. Ich knurrte wütend. "Verschwinde!", rief ich. Ich konnte meine Schwester gerade einfach nicht sehen. Vielleicht war es ganz gut, dass ich die nächsten Tage hatte, um runterzukommen. Alleine die Reise würde schon seine Zeit brauchen. Doch auch auf meine abweisende Antwort, öffnete sich die Tür. "Lass es einfach! Du hast genau gewusst, wie Vater reagiert!", rief ich wütend und packte weiter ein. Wenn sie jetzt diesen Streit haben wollte, dann sollte mir das eben recht sein. "Er hat dich zurückgeschickt?" Ich erstarrte sofort und drehte mich langsam um. "Legolas, ich...", fing ich an und wusste nicht ganz, was ich sagen sollte. Meine Worte waren zwar nicht unbedingt an ihn gerichtet gewesen, doch waren genauso wenig für seine Ohren bestimmt. "Geh nicht." Ich verdrehte kurz die Augen und seufzte. "Es ist der Befehl meines Königs", antwortete ich und machte mich daran weiter einzupacken. "Jetzt werden mir mein Vater und deine Eltern zusammen den Kopf abreißen, du warst meine einzige Hoffnung", erklärte er und breitete seine Arme verzweifelt aus. Ich lachte kurz, doch hielt nicht ein. "Tut mir leid, Legolas, aber ich glaube es würde nicht helfen, wenn ich den Befehl ignoriere. Ich dürfte bei den Essen und Besprechungen sowieso nicht mehr teilnehmen. Zuerst muss ich herausfinden, was es heißt eine Prinzessin zu sein", murmelte ich genervt und surrte die Tasche zusammen. "Ich denke du hast das ziemlich gut begriffen." "Anscheinend ja nicht, sonst hätte ich nicht gerade die Allianz zwischen unseren Ländern zerstört", antwortete ich und drehte mich nun doch kraftlos zu ihm um. Er wandte den Blick ab, was mir meine Aussage bloß bestätigte. "Dann habe ich das wohl genauso wenig begriffen." Ich legte meinen Kopf ein wenig schief und musterte ihn. "Ich werde Taurîn heiraten und du kannst hierbleiben", sagte er leise und drehte sich um. Ich öffnete überrascht meinen Mund und trat einen Schritt vor, doch er steuerte bereits wieder auf die Tür zu. Als er verschwunden war, starrte ich noch einige Sekunden auf die Tür. Ich wollte natürlich auch nicht, dass er so ein Leben führen musste, doch genauso wusste ich, dass es vermutlich nicht zu vermeiden war. Nicht mal meine Schwester freute sich darüber. War diese Allianz wirklich so wichtig?

~

Ich hatte mich im Wald versteckt, um meinem Vater nicht unter die Augen treten zu müssen. Ich wusste nicht, ob Legolas bereits mit ihm gesprochen hatte und hatte nicht vor so direkt seinen Befehl zu missachten und dann mich auch noch seiner Wut auszuliefern. Ich hatte eine kleine Lichtung gefunden, welche mit vielen kleinen Blümchen verziert war. In der Mitte wuchs ein junger Baum. Er war so perfekt in der Mitte platziert, dass es mir schwerfiel, zu denken, dass er da natürlicherweise entstanden war. Vielleicht war das eine Art heiliger Ort für die Elben? Ich musste sagen, dass ich trotzdem interessiert nähertrat. Wenn das ein heiliger Ort war, wollte ich ihn zwar nicht verletzen, doch genauso wollte ich wissen warum genau er da war. Langsam legte ich meinen Kopf schief und umrundete ihn einmal. Er blühte in den Farben eines Kirschbaumes, doch gleichzeitig sahen seine Blüten ganz anders aus. So spät im Sommer war es für so einen jungen Baum eigentlich ziemlich ungewöhnlich noch so wunderschön zu blühen. Ich konnte auch keinerlei Früchte feststellen. Es fühlte sich an, als würde er mich ein wenig paralysieren, als ich meine Hand hob und eine der Blühten berühren wollte. Eine Bewegung in meinem Augenwinkel ließ mich zurückzucken. Schnell drehte ich mich zu dem Prinzen, er musste mich verfolgt haben. "Ich würde ihn nicht berühren", lächelte er und trat näher. "Solltest du nicht im Schloss sein?", fragte ich und musterte ihn. "Solltest du nicht in Enedwaith sein?", konterte er, worauf ich lächelte und den Kopf schüttelte. "Ich hoffe ich habe nicht...", fing ich an, doch Legolas trat plötzlich schnell näher und setzte ein ernsteres Gesicht auf. "Hör auf dich dauernd für alles zu entschuldigen", unterbrach er mich und zog mich sanft etwas weg von dem Baum. "Also ist das so etwas wie ein heiliger Ort?", fragte ich nach und wehrte mich nicht, als wir wieder zwischen die Bäume traten. Er zögerte kurz. "Diese Art... wir greifen sie einfach nicht an", versuchte er zu erklären. Ich runzelte die Stirn, doch merkte, dass da etwas Tieferes dahintersteckte, weshalb ich nicht mehr nachfragte. "Tut mir leid." Er sah mich vielsagend an, worauf ich lachte und eine weitere Entschuldigung zurückhielt. Ich wollte nur einfach nichts falsch machen. "Hast du mit meinem Vater gesprochen?", fragte ich also, um das Thema zu wechseln. "Es wurde eine neue Versammlung angesetzt." "Warum bist du dann hier?" "Um dich zu holen", antwortete er und drehte sich bereits in Richtung der Hallen. "Aber mein Vater..." Legolas sah mich bloß kurz an. Ich seufzte leicht und folgte ihm. Ich war mir ziemlich sicher, dass die beiden Könige nicht davon wussten, dass ich dazukommen würde, doch wenn ich die Chance hatte, würde ich sie nicht verpassen.

Als wir ankamen, steuerten wir sofort auf einen der Besprechungsräume zu. Ich fragte mich, wie perfekt er mich zu der richtigen Zeit finden konnte, doch es waren alle bereits versammelt, als wir eintraten. Als sie mich erkannten, sahen mir alle überrascht - und wütend - entgegen. "Verzeiht die Verspätung", begrüßte der Prinz sie und setzte sich dazu. Ich neigte kurz meinen Kopf und ließ mich neben ihm nieder. Ich hatte nicht vor irgendwie in die Nähe meiner Schwester zu kommen. Sie schien die Geste verstanden zu haben, doch ging nicht weiter darauf ein. "Mir wurde mitgeteilt, dass ein paar Probleme aufgekommen sind", fing Thranduil an und stand auf. Ich lehnte mich zurück und hatte nicht vor irgendetwas dazu zu sagen. Mir fiel auf, dass diesmal keinerlei Wachen im Raum, doch zweifellos einige vor der Tür standen. "Legolas, es tut mir leid, falls ich den Anschein erweckt habe, als ob ich diese Ehe nicht ernst nehmen würde", sprach Taurîn und sah Legolas ernst an. "Es ist nichts Ungewöhnliches, dass so Allianzen geschlossen werden, das war schon lange vor eurer Zeit so und ihr werdet damit zurechtkommen", mischte mein Vater sich genervt ein. "Für ein elbisches Leben bedeutet es viel für immer an jemanden gebunden zu sein", sprach Legolas und lehnte sich vor. "König Beletaur und ich waren uns sicher, dass ihr alles für das Wohl eurer Königreiche tun würdet", erklärte Thranduil ruhig. Ich fand ihn um einiges vernünftiger als meinen Vater, doch das lag vermutlich auch daran, dass ich ihn noch nicht so gut kannte. Es gab dem Ganzen eine andere Atmosphäre, wenn man es ruhig feststellte und nicht gleich auf Angriff ging. Es breitete sich kurz Stille aus. "Wie wichtig ist diese Allianz denn wirklich für unsere Königreiche?", murmelte ich, doch starrte weiter auf die Tischplatte. Alle Blicke richteten sich überrascht auf mich. Sie schienen zu erwarten, dass ich weitersprach, also setzte ich mich auf. "Wenn ohne sie nicht die Existenz eines der Königreiche in Gefahr ist, dann wäre es noch eine Überlegung wert. Hier geht es immerhin um die Leben von euer beiden Kinder." Der Blick meines Vaters entsprach einer unangenehmen Mischung von Enttäuschung und Wut. "Darum geht es hier nicht! Wir..." "Beletaur", unterbrach ihn meine Mutter, "sie hat recht." Überrascht sah ich zu ihr. Sie mischte sich nur selten ein und hatte mehr Liebe für ihre Kinder über als ihr Mann. Doch trotzdem verteidigte sie uns nicht besonders oft.

Auch Thranduils Blick lag nachdenklich auf ihr. "Dann werden wir diese Versammlung nochmal verschieben und darüber nachdenken", sprach er und ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen. Als König des Düsterwalds, in welchem wir uns gerade befanden, hatte er auf jeden Fall die höhere Befehlsgewalt, wodurch auch mein Vater - immer noch genervt - nickte und aufstand. Ich konnte weiterhin seinen brennenden Blick auf mir spüren. Also verließ ich als erste schnell den Raum. Ich hoffte, dass meine Mutter ihn so lange ablenkte, bis ich meine Sachen gepackt hatte. Ich hatte alles getan, was ich konnte und war damit sicher nicht mehr willkommen bei jeglichen Besprechungen. Vermutlich wäre es auch besser, mich generell die nächsten Jahre von Enedwaith fernzuhalten. Meine Aufgaben konnte auch leicht jemand anderes erledigen. Sobald ich in meinem Zimmer angekommen war, beende ich die letzten Vorbereitungen. Ich hatte meine Taschen von gestern nicht mehr ausgepackt, weshalb es nicht sonderlich lange dauerte. Doch trotzdem klopfte es relativ schnell wieder an der Tür. Ich spürte, wie mein Herz anfing schneller zu pochen. Nervös ging ich darauf zu und öffnete sie. Ich seufzte erleichtert, als es bloß Legolas war. "Ich wollte... was tust du?", fragte er verwirrt mit einem Blick hinter mich. Ich ließ ihn eintreten. "Meine Mutter wird zwar verhindern, dass er mich umbringt, aber trotzdem sollte ich mich eine Weile von ihm fernhalten", erklärte ich leise. "Du hast ihm doch nur widersprochen?" "Gerade von mir mag er es nicht, wenn so etwas gesagt wird. Es sind seine Pläne und er ist sehr festgefahren, wenn es zu so etwas kommt." "Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen?" Ich sah ihn ungläubig an und trug meine Sachen in den Flur. "Qilelass", hielt er mich auf und legte seine Hände auf meine. "Das hier ist mein Königreich, du bist hier sicher", flüsterte er ernst und stand dabei knapp vor mir. Ich seufzte und ließ die Tasche fallen. "Du hast anderes zu tun, als auf mich aufzupassen." "Also die letzte Zeit nicht." Ich lächelte ihn schief an. Er atmete kurz durch und zog immer noch nicht seine Finger von den meinen zurück. "Du bist der einzige Grund, warum ich noch nicht abgehaut bin. Du bist neugierig, eigenwillig und denkst manchmal nicht wirklich darüber nach, was du sagst", ich lachte kurz und wandte meinen Blick ab, "doch das ist es, was dich besonders macht. In den letzten Tagen hast du dich so gut hier eingelebt, hast ein Gefühl für dieses Reich entwickelt und auch, wenn du nicht viel über Waldelben weißt, schreckst du davor nicht zurück, sie besser kennenzulernen, auch, wenn du dabei Fehler machen könntest." "Legolas, worauf willst du hinaus?", hauchte ich leise und sah ihm fest in die Augen. Er ließ seine Hände ein wenig meine Arme hochklettern. "Dass ich vielleicht die falsche Schwester heiraten soll." Ich wollte ihn verständnislos anschauen, doch irgendwie war ich plötzlich gefangen von seinen blauen Augen. Während ich mich in ihnen verlor, schien ich von neuen Gefühlen überwältigt zu werden. Als konnte ich plötzlich tief in ihn hineinsehen. Es war wie ein Instinkt, als auch ich meine Hände an seinen Arm und Hals legte und ihn küsste. Dabei wusste ich, dass wir zwar niemals heiraten konnten, doch das war mir egal. Mein Körper schien sich einen Ausgleich für die nächsten Jahre holen zu wollen. Es war falsch, er war der Verlobte meiner Schwester, doch bei diesen Umständen schien mich das plötzlich nicht mehr zu interessieren. Ich fühlte mich irgendwie komplett in seinen Armen, doch als sich nach ein paar Sekunden der Nebel lichtete, gewann mein Kopf wieder die Oberhand. Ich legte meine Stirn an die seine und trennte mich von seinen Lippen. Meine zuerst geschlossenen Augen, schauten nun in die strahlend blauen, die mir eine neue Zukunft offenbaren wollten, doch ich konnte sie nicht annehmen. "Das wird niemals funktionieren", flüsterte ich, doch hatte noch nicht die Kraft gefunden mich von ihm zu trennen. "Lass mich eine Lösung finden", antwortete er genauso leise. Nun löste ich mich doch von ihm und atmete kurz durch, bevor ich meine Taschen wieder nahm. "Qilelass, bitte." Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten und versuchte meinen Kopf abzuwenden und schnell an ihm vorbeizugehen. "Ich kann nicht", hauchte ich und verließ das Zimmer. Ich blinzelte die Tränen weg und entschloss Legolas zu verdrängen.

Ich wusste nicht, ob ich so einfach ein Pferd aus dem Stall nehmen konnte und genauso wenig hatte ich eine Ahnung wo sich Sattel und Zaumzeug befanden, also schlug ich einfach irgendeinen Weg in den Wald ein. Ich wollte nicht auf den Pfaden gehen, hatte immerhin auch nicht wirklich ein Ziel. Trotzdem hörte ich schnell Geräusche hinter mir. Ich tippte auf ein paar Waldelben und drehte mich um, doch es war Legolas. "Was tust du?", fragte ich und verschränkte meine Arme. "Ich werde mit dir kommen", erklärte er einfach und stellte sich neben mich. Ich sah ihn ungläubig an. "Auch, wenn du Taurîn nicht heiratest, kannst du nicht einfach aus deinem Königreich fliehen." "Machst du doch auch. Das ist nicht gerade der Weg nach Enedwaith." Ich verdrehte meine Augen. "Ich kann verstehen, dass du nicht unbedingt begeistert von der Situation bist, aber das ist keine Lösung." "Ganz meine Rede, also komm mit mir zurück." "Mein Vater würde mich umbringen", erwiderte ich, doch irgendwie war mir klar, dass er nicht lockerlassen würde. Entweder er kam mit mir oder ich mit ihm zurück. "Nicht in meinem Königreich." Ich lachte kurz. "Das ist nicht dein Königreich, es ist das deines Vaters und er unterstützt den meinen sicher." "Sie bekommen doch ihren Willen, ihre Allianz, nur eben nicht mit Taurîn und mir", antwortete er schulterzuckend. "Mein Vater würde das niemals zulassen. Glaubst du Taurîn und ich haben noch nicht darüber gesprochen? Natürlich würde ich ihr gerne das Leben ermöglichen, das sie will, doch es wird nicht funktionieren", erwiderte ich ernst und sah ihn sanft an. Er wandte seinen Blick ab und schluckte. "Ich werde deine Schwester nicht heiraten, aber du kannst trotzdem jederzeit Hilfe von mir erwarten", sprach er schließlich und sah wieder zu mir. Ich wollte etwas antworten, doch war mir nicht sicher was. Schließlich umarmten wir uns einfach. Es war eine lange und innige Umarmung.

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