Herr der Ringe / Der Hobbit (8 600 Wörter)
Ich hatte nicht mehr das Gefühl jemals zur Ruhe kommen zu können. Ein durchdringliches dunkles Gefühl hatte sich in mir breit gemacht und als ich so meine Freundin betrachtete, wusste ich, dass es sie auch befallen hatte. Überall schien es zu knacken und gleichzeitig war es totenstill. Ein Flüstern lag in der Luft, wie von einem Zauber. Doch soweit wir es kannten, war niemals etwas Schlechtes durch Magie passiert. Sie beruhigte uns, doch nun ließ sie uns nicht mehr schlafen. Wir waren müde. Nüsse hatten wir einige Tage lang keine mehr gefunden, weshalb wir unsere Vorräte angefangen hatten. Sie reichten natürlich bei Weitem für die Hin- und Rückreise, doch sie schienen nicht so viel Energie wie erhofft zu liefern. Diese Anzahl an schlaflosen Nächten ging nun einmal auch nicht spurlos an Elben vorbei. Diese Reise war lange geplant gewesen und um ein besseres Gewissen zu haben, hatten wir auch unsere Ausbildung zuerst abgeschlossen, bevor wir uns in das Abenteuer geworfen hatten.
"Ehtele?", fragte eine leise Stimme in die Dunkelheit. Trotz unserer elbischen Augen war sie hier so undurchdringlich, dass wir nur wenige Meter weit sehen konnten.
"Ich kann auch nicht schlafen", antwortete ich, wobei ich halb in meinen Mantel murmelte. Sie drehte sich zu mir um, wobei der Baum, auf dem sie schlief, ein wenig knarrte. Auf Dauer tat es zwar im Rücken ein wenig weh, so einen Schlafplatz zu haben, doch nur so würden wir nicht von den Wargen gerissen werden. Unseren Geruch hatten sie zweifellos schon vor einigen Tagen aufgenommen. Deswegen konnten wir nie lange an einem Ort verweilen.
"Glaubst du, dass es ein Fehler war?", fragte sie leise, was mich etwas überrascht den Blick heben ließ. Bevor ich antwortete, zog ich mich an dem Stamm hoch, sodass ich gerade sitzen konnte.
"Wir haben doch lange darüber gesprochen? Wir wussten worauf wir uns einlassen", antwortete ich und musterte sie besorgt. Lothparth war die letzte Zeit sehr still geworden. Ich hatte es damit erklärt, dass sie einfach niemanden auf uns aufmerksam machen wollte, doch anscheinend steckte wirklich mehr dahinter.
"Ja, aber-", murmelte sie wieder und setzte sich nun ebenfalls stöhnend auf. Wir beide waren müde. "Wir sind bald da", versuchte ich sie ein wenig zu beruhigen und starrte in den dunklen Wald. Irgendwo dort musste die Festung liegen. Ich für meinen Teil wollte nicht zurück, bis wir sie nicht gesehen hatten. Der Weg war lang und anstrengend gewesen.
"Was bringt es hier zu sitzen? Lass uns gehen", knurrte meine Freundin entschlossen und griff nach ihren Sachen. Ich hob meine Augenbraun, doch tat es ihr gleich. Dann verschoben wir die Rast, die unsere Körper langsam aber sicher nötig hatten, eben auf den Rückweg.
Tag und Nacht machte nicht sonderlich viel Unterschied. Die dichten Bäume ließen kaum einen Sonnenstrahl durch den dunklen Zauber. Auch im Sommer trugen wir unter den kühlen Bäumen unsere Mäntel.
Wie immer war unser Weg schweigsam. Unsere Aufmerksamkeit war voll und ganz auf den Wald gerichtet, der nun so viele Gefahren barg. Bis jetzt hatten wir nur selten die ein oder andere Spinne oder Wölfe zu Gesicht bekommen, wofür ich sehr dankbar war. Bei einem Kampf konnte immer etwas passieren, egal wie gut ausgebildet wir waren und hier in der Umgebung waren nicht unbedingt sehr viele Heilkräuter zu finden.
Eine Hand legte sich an meinen Arm. Überrascht blieb ich stehen und sah Lothparth an. Sie starrte ins Dunkle vor ihr. Verwirrt folgte ich ihrem Blick. Ich konnte nur leichte Umrisse einer Mauer erkennen. Sofort fing mein Herz an schneller zu schlagen.
Die Bäume hatten sich ein wenig gelichtet, doch trotzdem war die Festung schlecht zu erkennen.
Die Nervosität meiner Freundin ließ mir meine Haare zu Berge stehen. Sie war deutlich spürbar. Doch auch in mir wuchs langsam die Angst heran.
Vorsichtig griff ich nach ihrer Hand und zog sie weiter. Kurz war sie wie versteinert, bis sie endlich ihre Füße stolpernd vorwärts bewegte. Gerade jetzt konnten wir keine Sekunde verweilen. Die Wachen waren sichtlich sehr großräumig aufgestellt und keine würde zögern uns umzubringen.
Wortlos nickte ich Lothparth zu und kletterte über die erste Mauer. Sie folgte mir etwas langsamer. Es war still, zu still. Von so einem ruhigen Ort konnte nicht all das Böse ausstrahlen, das diesen Wald seit so vielen Jahren heimsuchte.
Leise begann ich einen Zauberspruch zu murmeln, doch wurde sofort von meiner Freundin unterbrochen, die mich packte und anklagend anschaute. "Wir sollten es nicht drauf ankommen lassen", flüsterte sie und wandte sich dann wieder zum Gehen. Ich seufzte leise und folgte ihr.
Wir kamen zu einer hölzernen Tür, die schon sehr alt aussah, doch trotzdem versperrt war. Wir wagten es nicht sie aufzubrechen. Auf diesem Ort lag ein spürbar mächtiger Zauber und einen solchen Zauber konnten nur mindestens genauso mächtige Wesen sprechen, welche wir keinesfalls aufschrecken wollten.
"Gegen den Zauber können wir nichts tun, lass uns gehen", murmelte ich, da ich langsam das Gefühl hatte, als würde die Dunkelheit in mein Herz eindringen. Lothparth dagegen trat bloß auf die nächste Stiege zu und ignorierte meine Worte. Ich war ein wenig überrascht davon, dass sie plötzlich so motiviert war, doch folgte ihr schnell. Meine Hand legte sich wie automatisch auf den Griff meines Schwertes.
"Lothparth, ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist", flüsterte ich und sah mich verstohlen um. Wir waren auf einen kleinen Versammlungsplatz gekommen. In meinen Ohren hallten die Schreie der Verstorbenen wieder.
"Was bringt diese Reise, wenn wir nun einfach wieder gehen?", fuhr sie zurück, doch behielt eine leise Tonlage. Ich senkte meinen Blick und ließ sie fortfahren. Wir sollten damit nicht alleine fortfahren. Es war zwar meine Idee gewesen, doch trotzdem hatte ich nun Zweifel. Der Feind war mindestens genauso stark wie wir und das genügte bereits. Er war sicherlich alt und erfahren. Es war vermutlich etwas zu voreilig gewesen, uns so tief in den Süden zu der alten Festung zu begeben, doch noch konnte dieser Fehler wiedergutgemacht werden. Vielleicht würden wir das Böse einfach wecken oder wütend machen?
"Hast du das gehört?", fragte sie leise und drehte sich zu mir um. Ich hätte mich übergeben können von dem schlechten Gefühl, das sich in mir ausbreitete. Für eine Antwort war keine Zeit mehr, da ich bereits eine Bewegung hinter einer der Säulen ausmachte. Gerade wollte ich sie warnen, als sich die Gestalt bereits zeigte und mich versteinern ließ. Er war schwarz und sah ein wenig wie ein Geist aus. In seiner Hand lag ein kurzes Schwert, das er tonlos hob und mit hoher Geschwindigkeit auf meine Freundin hinabsausen ließ.
"Ehtele, was-", war das letzte, das sie von sich gab, als es bereits in einen Aufschrei endete. Ein schmerzverzerrter, entsetzter Gesichtsausdruck blickte mir entgegen, als sie auch schon zu Boden fiel.
Ich bemühte mich krampfhaft, mich aus der Starre zu lösen und endlich mein Schwert zu ziehen oder wegzurennen. Einfach irgendetwas tun, doch hier direkt neben meiner Freundin zu sterben, das war keine Option.
Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet, als die Gestalt ihr mit einer großen metallenen Maske verhülltes Gesicht zuwandte. Endlich ließ mich die überwältigende Angst einen Schritt zurück machen, was den Bann zu brechen schien. Wenngleich mein Kopf Kämpfen in Betracht gezogen hätte, so tat das mein Körper anscheinend nicht, denn schon fand ich mich auf den Treppen nach unten, die ich gekommen war.
Meine ganze Ausbildung schien gleichzeitig zu mir zurückzukehren, als ein Schauer über meinen Rücken jagte. Meine kaltschweißige Hand zog das Schwert. Entschlossen drehte ich mich zurück und holte zum Schlag aus. Ich wäre fast zurückgewichen, als die schwer atmende Gestalt viel zu nah vor mir stand und mich nun anstatt sich gegen den Schlag zu wehren, mich einfach nach hinten stieß. Schon spürte ich den schweren Aufschlag auf meinem Rücken, als ich auf den Stufen landete.
Ich sog tief Luft in meinen Brustkorb und drehte mich von dem drohenden Schwert weg. Der Schmerz schien sich sekundenschnell in meinem ganzen Körper auszubreiten. Doch bis jetzt gab es noch keinen elbenwürdigen Kampf. Das musste sich nun ändern. Wozu hatte ich meine Ausbildung abgelegt? Nur, um jetzt so vernichtend geschlagen zu werden?
Also ließ ich mein Schwert aus der Hand gleiten und sprang auf. Dabei zog ich meine Dolche, mit welchen ich mich schneller bewegen konnte, und holte in einer Drehung zum Schlag aus. Das hatte er wohl nicht wirklich erwartet, denn als Abwehr hob er bloß sein Schwert, was den Angriff für den Moment zwar abwehrte, doch mir gleichzeitig die Möglichkeit gab mit der einen Hand blitzschnell erneut auszuholen und sie in seinen Brustkorb zu stechen. Unerwarteterweise durchdrang meine Klinge seine Rüstung. Ein schriller Schrei war die Antwort und mit schnellen unmenschlichen Bewegungen floh der Angreifer in die Tiefe nicht weit von uns.
Ich atmete erleichtert aus und wollte mich ein wenig erholen, als ich ein Poltern hörte. Es hörte sich grässlich an und ließ mich wieder zur Flucht wechseln.
Es dauerte nicht lange, bis ich erfahren sollte, wozu dieses laute Geräusch gehörte, das sich nun in ein Jaulen und Scheppern zerteilt hatte. Ich traute mich fast nicht über meine Schulter zu schauen, da ich wusste, was sich auf der Jagt nach mir befand: Warge und Orks und der Menge nach zu urteilen, hatte ich nicht einmal im Geringsten eine Chance gegen sie.
Ich ließ meine Dolche wieder an ihren alten Platz gleiten und schwang mich über die nächste Mauer. Warum waren wir auch so tief eingedrungen?
Doch nun, da ich diesen anderen Gegner besiegt hatte, hatte ich die Motivation und Entschlossenheit, auch dieser Gefahr zu entrinnen.
Das Landen gestaltete sich schwieriger als erwartet, da ich vergessen hatte, dass ich verletzt war. So gut ich improvisiert konnte, rollte ich mich ab und sprang wieder ab. Selbst das Rennen schien kleine Schmerzwellen durch meinen Körper zu senden. Das Bellen und die Schreie hinter mir wurden immer lauter.
Getrieben von unglaublicher Angst erreichte ich endlich den Wald und wagte einen Blick hinter mich. Es waren weniger als erwartet, doch trotzdem hatte ich nicht den Hauch einer Chance. Dabei schlich die Frage in meinen Kopf, ob ich denn eine Chance hatte, wenn ich einfach rannte, doch was hatte ich schon für eine Wahl?
Ich wusste, dass der Weg durch die Bäume nicht lang war und ich schnell wieder auf freies Feld kommen würde. Vielleicht bot der Wald mehr Schutz und verlangsamte die Warge, doch ich konnte genauso wenig sehen. Das Risiko zu stolpern war höher und das würde meinen sicheren Tod bedeuten.
Und in dem Moment, als ich daran dachte passierte es auch schon: mein Fuß verhakte sich in einer Wurzel. Mein Körper flog geradewegs zu Boden und mein Kopf direkt gegen den dazugehörigen Stamm. Benommen sah ich mich etwas desorientiert um und hörte wie in einem Nebel meine Verfolger näherkommen.
Ich atmete kurz durch und zog mich verbissen an dem Baum hoch. Warge und auch Orks konnten nicht klettern, was mir den eindeutigen Vorteil verschaffte. Sobald ich auf dem ersten Ast angekommen war, bewegte ich mich auch schon weiter Richtung Westen. Mir war bewusst, dass ich nicht ewig im Wald bleiben konnte. Früher oder später würden andere dunkle Wesen auf mich aufmerksam werden und mich abfangen.
Doch um meinen Vorsprung ein wenig auszubauen, war es gar keine so schlechte Idee einige Zeit gehetzt von Ast zu Ast zu springen.
Unter mir ließ ich langsam aber sicher das kleine Rudel hinter mir, wenngleich sie mit Sicherheit nicht aufgeben würden.
Meine Beine wollten gerade nachgeben, als ich endlich einige Lichtstrahlen vor mir entdeckte, der Wald war gleich zu Ende und ich musste mich auf freiem Feld vor ihnen in Sicherheit begeben. Nun war jede Sekunde kostbar. Also verschnellerte ich mein Tempo noch einmal bevor ich den Schutz der Bäume verließ und in das hohe Gras sprang. Das Bellen hatte immer noch nicht abgenommen. Das Springen hatte meinem gezerrten Fuß nicht unbedingt gut getan, was mir nun teuer zu stehen kam. Ich kam nicht sonderlich weit, als ich schon die ersten Pfeile neben mir aufprallen hörte. Ich konnte kaum mehr atmen, meine Lunge tat weh, es fühlte sich fast an, als hätte der Sturz auf meinen Rücken irgendwie mein Atmen beeinflusst.
Ich warf keinerlei Blicke mehr nach hinten und versuchte irgendwie einen Weg aus der Situation zu finden, doch wie sollte ich das? Mir fiel auch nichts ein, das ich hätte anders machen können, auch wenn mich das nicht wirklich weiter gebracht hätte.
Doch trotzdem hörte ich plötzlich einen erstickten Schrei hinter mir. Verwirrt runzelte ich meine Stirn und warf nun doch einen Blick über meine Schulter. Die Jäger wurden von irgendwoher abgeschossen. Überrascht und neu motiviert blieb ich stehen und zog nun ebenfalls meinen Bogen. Vor mir sah ich einen Warg nun mehr ohne Reiter näher kommen. Sofort ließ ich den Pfeil losschnellen, welcher natürlich perfekt traf. Ich vertraute meinen Kampfkünsten auch, mir hatte nur die zahlenmäßige Überlegenheit Sorgen bereitet.
Schwer atmend stützte ich mich kurz auf meinen Knien ab und sah mich nach weiteren Gegnern um. Kurz war Stille, bis sich endlich einige Gestalten aus dem Gras erhoben. Es waren Elben, die bei näherem betrachten offensichtlich zu meinem Volk gehörten.
"Was habt Ihr so weit im Süden getan?", fragte ein Elb interessiert, der mir am nächsten Stand und mich nun besorgt musterte. Ich stellte mich schnell wieder aufrecht hin und beruhigte mich ein wenig. "Eine etwas komplizierte Frage", antwortete ich und sah mich kurz um. Sie waren zu fünft, wobei die anderen nur langsam näherkamen. "Ich würde dir anbieten mit uns zu kommen, doch wir sind gerade auf dem Weg nach Lórien", sprach er einfach weiter. Er hatte lange braune Haare und klare grau-grüne Augen. Ich hatte ihn niemals zuvor gesehen, wobei das auch nicht unbedingt verwunderlich war.
"Danke, ich denke den Weg zurück werde ich schon schaffen", antwortete ich und lächelte ein wenig. "Und womit willst du deine Wunden behandeln?", fragte eine andere Elbin, die nun ebenfalls bei uns angekommen war. "Das wird warten können, bis ich angekommen bin. Es geht mir gut", erklärte ich schnell und sah kurz die anderen zwei an, die sich schweigend dazugestellt hatten.
"Sie wird mit uns kommen", befahl eine kühle Stimme hinter mir, die zu dem letzten fehlenden Elben gehörte. Ich drehte mich etwas überrascht um. Ich durfte doch wohl selber entscheiden, was ich mit meiner Zeit und meinem Körper anstellte?
Doch als ich sah, wer das gesagt hatte, klappte ich meinen Mund schnell wieder zu. Der Kleidung nach zu urteilen war es Legolas, der Sohn des Königs.
"Sobald wir außer Sichtweite vom Wald sind, machen wir Rast", fügte er hinzu und wandte sich bereits ab. Die anderen folgten ihm schnell. Bloß der Elb, der vorhin zuerst mit mir gesprochen hatte, gesellte sich zu mir.
"Scheint als hättest du jetzt Zeit mir diese komplizierte Frage zu erklären", lächelte er amüsiert. "Ich bin übrigens Sirion", stellte er sich noch schnell vor und folgte ebenfalls der Gruppe. "Ehtele, verzeiht, doch ich sollte vermutlich dem Prinzen Bericht erstatten", lächelte ich etwas peinlich berührt und machte mich auf den Weg nach vorne, als er bloß nickte. Mein Fuß begann inzwischen schlimm zu pochen, doch offensichtlich hatten meine Wunden bis zur nächsten Pause zu warten.
"Vergebt mir, aber ich muss Euch sprechen", begrüßte ich ihn als ich zu ihm aufholte. Er sah mich etwas überrascht an und musterte mich kurz, bevor er seinen Kopf kurz neigte und die anderen Elben zurückfielen.
"Ihr könnt Euch vermutlich denken, dass ich bei der alten Festung war", er sah mich prüfend an. "Ich weiß, dass das verboten ist, doch sie ist nicht so verlassen, wie wir dachten", versuchte ich zu erklären. Er seufzte leise und sah wieder geradeaus. Ich war mir nicht sicher wie ernst er meine Warnung nahm. Vielleicht war er längst festgefahren auf dem Verstoß gegen die Regeln?
"Ihr könntet es vielleicht besser beurteilen, wenn Ihr es gesehen hättet, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass es einer der Nazgûl war", erklärte ich schnell, worauf er mich nun doch wieder ansah und stehen blieb. Wir waren zwar noch in Sichtweite des Waldes, doch, zumindest meiner Meinung nach, strahlte kaum mehr Gefahr von ihm aus.
Er gab den anderen ein knappes Zeichen, die sich verteilten, vermutlich um Wache zu halten. "Und das weißt du woher?", fragte er ernst nach und wandte sich mir ganz zu. Ich spürte, wie ich wieder etwas nervös wurde. Mein Kopf dröhnte und am liebsten hätte ich mich einfach in mein Bett gelegt und eine Runde geschlafen, doch das war nun kaum möglich.
"Von - den Beschreibungen?", antwortete ich leise und wurde mir immer unsicherer. "Sein Schwert, hast du es gesehen?" Ich nickte kurz. Sein Blick schien mich zu durchbohren, so ernst und eisern war er.
Der Prinz wandte sich nachdenklich ab und seufzte kurz. Nach einigen Sekunden, die er still zu den Bäumen starrte, rief er leise nach den zwei Elben, die vorhin kein Wort mit mir gewechselt hatten. Sofort erschienen sie neben uns. "Überbringt Nachricht, dass ich mich verspäten werde, ihr müsst nicht auf mich warten", befahl er ohne sie anzusehen. Die beiden nickten und liefen schon davon. Ich sah ihn etwas überrascht an, was er mal wieder ignorierte.
"Sirion und Angwedh", holte er nun auch die beiden anderen, die sich schnell sammelten. "Ihr kehrt zu den Hallen zurück, ich werde vermutlich länger als geplant fort sein." Auch diese beiden verbeugten sich kurz und machten sich auf in Richtung Norden. "Ich bin nicht ohne Grund von da geflohen", sagte ich leise, doch wusste gleichzeitig, dass er sich nicht würde umstimmen lassen.
Wie erwartet warf er mir bloß einen kurzen Blick zu und fing dann an in seiner Tasche zu suchen.
"Wenn das, was du sagst wahr ist, dann ist das von enormer Wichtigkeit", antwortete er schließlich, als er endlich gefunden hatte, was er suchte und hielt mir ein kleines Gefäß hin. "Bevor wir aufbrechen solltest du dich erholen", fügte er hinzu und hob seinen Blick kurz zur Sonne, die späten Nachmittag anzeigte.
Ich nahm etwas überrascht die Salbe an. Natürlich hatte ich die wichtigsten Heilerkenntnisse aus meiner Ausbildung, doch in meinem geschwächten Zustand, wusste ich nicht, ob sie ausreichten, um mich fit genug für einen zweiten Ausflug zu machen.
Legolas setzte sich zu Boden, vermutlich auch, um aus dem Blickfeld von allem anderen zu gelangen. Ich tat es ihm gleich. Sobald ich mich etwas entspannen konnte, überkam mich wie ein Schlag ins Gesicht plötzlich die Erkenntnis, was da in dem Wald gerade passiert war. Die Verletzungen waren die eine Sache, dass meine Freundin einfach so umgebracht wurde, die andere.
"Du warst nicht alleine unterwegs, oder?", fragte er leise. Ich zuckte kurz zusammen und merkte, dass ich in meiner Bewegung gezögert hatte. Sein Blick war unerwartet sanft geworden.
Wortlos schüttelte ich meinen Kopf und zog meinen Stiefel aus. Mein Fußgelenk sah nicht gut aus, doch das würde sich mit der Behandlung wieder ergeben.
"Warum habt Ihr die anderen weggeschickt?", versuchte ich das Thema zu wechseln und merkte, wie meine Stimme zu zittern begann. "Wir wären bloß schneller aufgefallen, wenn wir zu mehrt wären", antwortete er immer noch netter als zuvor. Ich wusste nicht, wie lange ich noch den Tod meiner besten Freundin verdrängen konnte, doch für dieses Mal reichte es anscheinend noch aus.
"Als einziger Sohn Eures Vaters, warum begebt Ihr Euch in solch eine Gefahr?", fragte ich, ohne aufzusehen. Legolas lächelte leicht. "Ich könnte niemand anderen dort hineinschicken", erklärte er. Ich zögerte und musste dann kurz lachen. Ich wusste selbst nicht, was ich daran so lustig fand. Vielleicht, dass er mich anscheinend nicht als jemand ansah. Außerdem schien er es auch nicht abwertend zu meinen, dass er mich, die unerfahrene Elbin, nun mit in die alte Festung nahm.
"Ich nehme dich mit, weil du den Ort am besten kennst, oder zumindest besser als viele andere. Ich werde dich dort nicht zurücklassen", flüsterte er leise und sah mich entschlossen an, während ich immer noch mit dem Heilen beschäftigt war. Ich sprach den Zauberspruch noch zu Ende und seufzte dann kurz.
"Ihr habt selbst gesagt, dass es hierbei um viel geht und so jung ich auch bin, ich verstehe das. Viele Elben haben ihr Leben im Krieg gelassen und immerhin war es meine Entscheidung diese Festung überhaupt erst zu betreten. Es war meine Schuld und wenn ich mit meinem Tod vielen anderen das Leben retten kann, dann kann ich das mit mir selbst vereinbaren", antwortete ich langsam und hielt dabei den Blick gesenkt. Natürlich liebte ich mein Leben und wollte es auch viele hunderte Jahre weiterführen, doch genauso kannte ich die vielen Geschichten über die vergangenen Zeitalter. Viele andere vor mir hatten diese Wahl bereits getroffen und mir schien es als nicht mehr so schlimm, an demselben Ort wie meine beste Freundin, zu sterben, auch wenn es das Resultat nicht wirklich besser machte.
"Du denkst zu gering von dir selbst", antwortete er bloß und nahm mir die Salbe ab. Überrascht schaute ich auf, doch konnte kaum eine Emotion in seinem Gesicht feststellen. Auch hatte er sich inzwischen meiner Kopfwunde zugewandt und sah mich nicht mehr an. Ich senkte meinen Blick wieder und verharrte in der Position, bis er sein Tun beendet hatte. Es war schon Ehre genug, dass der Prinz mich heilte, seine Worte waren mal wieder unerwartet nett gewesen. Mir fiel es immer schwerer zu glauben, dass er sich nicht einfach ein wenig schuldig fühlte, mich wieder dort hineinzuschicken. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich einen zweiten Besuch dort nicht überleben würde und das musste auch er wissen.
Wir schwiegen bis meine Wunden verheilt war und ich mich vorsichtig erheben konnte. Ich spürte noch ein wenig von dem Dröhnen in meinem Kopf, doch es war abgeschwächt. Der größere Schmerz saß viel tiefer in mir.
"Wir sollten keine Zeit verlieren", murmelte ich und sah ihn kurz an. Er nickte bloß und stand ebenfalls auf. Meine vorherige Aussage schien ihn augenscheinlich mehr zu beschäftigen als ich dachte. Doch es änderte nichts. So oft ich auch über die Gründe nachdachte, immer wieder kam ich auf dasselbe Ergebnis: Wir mussten dort hinein und zwar nur zu zweit.
Die Sonne neigte sich langsam den Nebelbergen zu, als wir wieder bei den Bäumen ankamen, doch es machte nicht sehr viel Unterschied. Außerdem konnten wir genauso wenig hier draußen wie im Wald Rast machen. Wir waren viel zu tief im Süden für einen erholsamen Schlaf.
Legolas verlangsamte sein Tempo, als wir zwischen die ersten Bäume traten. Ich spürte seinen aufmerksamen Blick auf mir ruhen. Mein Herz wurde schwerer mit jedem Schritt tiefer in die Dunkelheit. Spätestens ab jetzt hieß es totale Funkstille zwischen uns. Es war ein ungewohnter Austausch statt meiner Freundin nun den Prinzen bei mir zu haben und ich konnte nicht sagen, dass es sich besser anfühlte. Sicherer, das vielleicht, doch wenn wir angegriffen wurden, dann konnte auch er nicht viel dagegen ausrichten.
Im Stillen dankte ich für meine Verdrängungskünste, die sich nun auch meinem bevorstehenden Tod annahmen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Legolas einen Baum hinaufkletterte. Ich folgte ihm sofort auf dem nächsten. Dort hatten wir sicherlich die bessere Sicht und einen Vorteil gegen die Wölfe, auch wenn es gleichzeitig ein wenig gefährlicher war. Doch diesmal mussten wir schließlich nicht rennen und konnten die Sprünge etwas gelassener angehen. Trotzdem spürte ich mein Herz bis in meinen Hals klopfen.
Schneller als gehofft kamen wir wieder an das Ende des Waldes und zu der alten Festung Dol Guldur, die nun wieder ruhig und verlassen dalag. Inzwischen wusste ich mit Sicherheit wie viel das trügte. Vermutlich war es gut, dass wir keine allzu lange Rast eingelegt hatten, ansonsten hätte ich die Erinnerungen, die ich mit diesem Ort verband, schon verarbeitet. Nun war es nur ein schlechtes Gefühl, das sich in meiner Magengegend ausbreitete.
"Ehtele", flüsterte Legolas leise und blieb stehen. Ich drehte mich fragend zu ihm um. Ich hatte nicht gedacht, dass er meinen Namen mitbekommen hatte. "Viel schlimmer als du gesagt hast, kann es nicht werden und ich bin vorbereitet. Du solltest nach Hause zurückkehren", murmelte er leise und hob schließlich seinen Blick zu den Mauern. Wir beide wussten, dass man auf so einen Gegner nicht vorbereitet sein konnte.
"Ich kann Euch nicht einfach hier alleine lassen, wenn ich weiß, was da drinnen auf Euch wartet", antwortete ich eindringlich, was ihn anscheinend wenig beeindruckte.
"Das war ein Befehl und jetzt geh", zischte er bloß und wandte sich ab. Ich sah ihm überrascht hinterher. Darüber hatte er also den Weg hierher nachgedacht, doch er erwartete doch hoffentlich nicht wirklich, dass ich ihn hier sterben ließ? Er war der einzige Prinz dieses Reiches und damit um einiges wertvoller, als irgendeine Elbin, die kaum Erfahrung hatte.
Trotzdem zögerte ich einige Sekunden, in denen er bereits über die erste Mauer kletterte. Es war ein Befehl gewesen. Mich verbotenerweise dieser Festung zu nähern und damit mich selbst in Gefahr zu begeben, war um einiges weniger schlimm, als einen direkten Befehl des Prinzen zu ignorieren. Doch was brachte dieser Befehl, wenn es sein letzter sein sollte?
Ich seufzte schwer und verdrehte über mich selber die Augen. Warum musste ich so sein?
Ich zog mein Schwert und umrundete das riesige Gebäude. Es half Legolas nicht viel weiter, wenn ich ihm einfach blind hinterher lief. Falls er angegriffen wurde, konnte ich ihn besser von der anderen Seite verteidigen. Ihn zu finden dürfte nicht allzu schwer sein. Ich hatte schärfere Augen und Ohren als jeder andere Ork oder Wolf.
Interessanterweise fühlte ich mich alleine fast etwas wohler. Es gab niemanden, um den ich mir Sorgen machen musste, oder der etwas aufschrecken könnte. Ich war für mein eigenes Schicksal verantwortlich.
Geräuschlos erklomm ich die steinerne Mauer und bestieg das nächstliegende Dach. Von dort aus konnte ich am besten nach dem Prinzen Ausschau halten. Ich bezweifelte, dass er wirklich tief eindringen würde. Von dort hatte man schlechtere Fluchtmöglichkeiten, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das für jemanden wie ihn in Frage kam.
Mein Herz machte einen Satz, als ich einen Schrei hörte. Er gehörte defintiv nicht zu meinem Begleiter, doch das bedeutete auch, dass er angegriffen wurde. Sofort drehte ich mich in die Richtung und sprang auf das nächste Dach unter mir. Ich konnte bereits zu spät sein!
Er war schwieriger zu finden als ich dachte, denn als ich an dem Ort angekommen war, von dem meiner Meinung nach die Geräusche gekommen waren, war da niemand mehr. Kein Blut und kein toter Körper. Verwirrt sah ich mich um und hörte ein leises Schleifen, das von einigen Schuhen oder Rüstungen herrühren konnte. Da das die einzige Spur war, folgte ich ihr auf einen der höchsten Punkte der Festung.
Schnell vernahm ich einige Stimmen, die in schwarzer Sprache etwas vor sich hin murmelten. Ich verstand nur Bruchteile, da sie zu weit weg und außerdem sehr genuschelt waren.
Ich huschte sofort hinter eine Wand und hielt meinen Atem an, obwohl sie ihn wohl kaum gehört hätten.
Sie hatten ihn gefangen genommen. Vielleicht hatten sie seine Kleidung gesehen und als profitabler empfunden ihn am Leben zu lassen. Sobald sie herausgefunden hatten wer er war, würde es einfach sein den König zu erpressen.
Ich schluckte schwer und entfernte mich wieder ein wenig. Ich musste wenigstens warten bis die Wachen verschwunden waren.
Mir fiel es schwer meine Augen offenzuhalten. Ich konnte mich an den letzten guten Schlaf nicht mehr erinnern, so lange schien er her zu sein. Ich war meiner elbische Physiologie dankbar, doch auch sie konnte nicht alles kompensieren.
Ich dämmerte immer wieder in einen kurzen und schlechten Schlaf, der hoffentlich wenigstens meinem Körper ein wenig Erholung gönnte. Doch sobald keine Geräusche mehr von der kleinen Zelle kamen, musste ich mich auch schon wieder aufmachen, um meine Pflicht zu erfüllen.
Bevor ich nach unten sprang, atmete ich noch einmal durch und zog schon einmal meinen Bogen. Soweit ich es beobachtet hatte, stand die Wache mit den Schlüsseln nicht weit entfernt und brummte irgendwelche düstere Lieder vor sich hin, während sie in den Süden starrte. Ich konnte nicht anders als den Ork kurz dabei zu beobachten. Wie viel Leid er in seinem Leben wohl schon angerichtet hatte?
Ich zögerte nicht länger und schoss ihm in den Hals, was ihn sofort umbrachte, dort war die Rüstung am Schwächsten. Schnell sprang ich nach unten und nahm ihm den Schlüssel ab, bevor es jemand bemerken konnte.
"Ich habe dir einen eindeutigen Befehl gegeben", zischte die Stimme aus der Zelle. Ich verdrehte ein wenig meine Augen und sperrte sie schnell auf. "Ob Ihr es glaubt oder nicht, aber ich habe auch eine Pflicht für dieses Königreich zu erfüllen", brummte ich etwas beleidigt und öffnete langsam die Tür, damit sie nicht allzu viel quitschte. "Ja, deine Pflicht ist es mir zu gehorchen", antwortete er leise, doch immer noch wütend. Ich schwieg und machte mich schon daran endlich von hier zu verschwinden. Er folgte mir.
Es dauerte nicht lange, bis sich abermals die grauenvolle Geräuschkulisse hinter uns erhob. Ich blieb kurz stehen und riss meine Augen auf. "Ich kann Euch Zeit verschaffen", flüsterte ich leise, doch er antwortete nicht einmal, sondern riss mich einfach nur mit sich in den Wald. "Tu einmal, was ich dir sage und renn", knurrte er wütend und war schon mit einem Handgriff in den Bäumen. Ich nickte kurz und tat es ihm gleich. Wir hatten nicht viel Vorsprung, wenngleich etwas mehr, als ich damals. Doch wir hatten diesmal auch dementsprechend einen längeren Weg vor uns. Der Westen würde uns nichts mehr bringen. Dort war niemand, der uns verteidigen würde und die Warge würden niemals so schnell von uns ablassen.
Bei unserem Tempo war es nicht verwunderlich, dass wir die ersten Minuten noch in Ruhe gelassen wurden, doch das würde nicht den ganzen Düsterwald lang so weitergehen. Die ersten Bewohner des Waldlandreiches waren einige Tagesreisen von hier entfernt und zwischen ihnen und uns lag nicht viel, was uns helfen könnte.
Als die Kontrollblicke, die Legolas hinter sich warf langsam immer weniger wurden, verfestigte sich in mir immer mehr die Idee ihn zu retten. Er wollte es vielleicht nicht wahr haben, doch es würde nur einer von uns schaffen, wenn überhaupt und er war immer der Auserwählte.
Sobald die Kreaturen näherkamen und der Prinz anstatt sich um mich zu kümmern, lieber sein Tempo erhöhte, ließ ich mich zurückfallen und zog meinen Bogen. Wie erwartet merkte er es nicht, zumindest nicht in meiner Sichtweite. Ich lächelte leicht, als sich zum ersten Mal wieder ein gutes Gefühl in meiner Brust ausbreitete. Vielleicht wäre ich sowieso nie wieder glücklich geworden, solche Erlebnisse verfolgten einen ein Leben lang. Dass mein Tod nun so einen Sinn hatte, machte alles irgendwie einfacher.
Ich spannte den ersten Pfeil ein und schoss sofort, als die Warge in Sichtweite kamen. Auf einigen von ihnen ritten Orks, die mich schnell bemerkten und ebenfalls ihre Waffen zogen. Doch nur wenige hatten Bogen, die mir gefährlich werden konnten. Also konzentrierte ich mich zuerst auf die Bogenschützen. Zuerst verlief alles gut, bis ich merkte, dass der Baum, auf dem ich stand langsam zu kippen begann. Ich versuchte zum Nächsten zu springen und bekam den Ast gerade noch so zu fassen. Doch bevor ich weiterschießen konnte, brauchte ich erst einmal meine beiden Hände, weshalb ich mich aufzog. Das lieferte meinen Gegner eine Sekunde, die ich wehrlos in der Gegend hing und die sie natürlich sofort ausnutzten. Ich spürte einen brennenden Schmerz in meiner Seite, der meine Hände wie von selbst öffnen ließ und fiel kraftlos zu Boden.
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Ich hatte jeden Zauberspruch versucht, der mir eingefallen war, doch ich war schwach und meine Aufmerksamkeitsspanne hatte sich verkleinert. Mein Körper war zerrissen zwischen dem wohlverdienten Schlaf und dem Heilen der tiefen Wunde in meinem Oberkörper. Ich konnte von Glück sprechen, dass das Schwert nicht vergiftet war. Die Verletzung heilte nur langsam und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie das nur von außen tat. Doch vermutlich hatte ich in meiner Zelle mehr als genug Zeit, um sie zu heilen, vorausgesetzt sie folterten oder töteten mich nicht. Doch die letzten Tage war nichts dergleichen passiert. Vielleicht dachten sie, dass auch ich von höherer Wichtigkeit wäre, wenn ich die einzige Begleiterin des Prinzens war?
Die Nächte, die man hier sehr wohl merkte, waren kalt, obwohl es vielleicht gerade erst Herbstanfang war. Ich hatte natürlich auch nicht wirklich etwas bekommen, das mich vor der Kälte hätte schützen können, bloß mit ein wenig Brot und Wasser konnte ich hin und wieder rechnen und das auch nur unregelmäßig.
Wie jeder Gefangener, hatte ich irgendwann angefangen Fluchtpläne zu schmieden. Sie waren nicht gerade leicht umzusetzen, obwohl es nur sehr wenige Wachen gab, die nach mir sahen. Doch wie sollte ich an den Schlüssel herankommen?
Wie auch dieses Mal, war es nicht der Ork, der die Schlüssel hatte, der mir mein Essen brachte. Doch diesmal konnte ich nichts dergleichen in seinen Händen finden. Er nickte zu der Tür, welche aufgesperrt wurde und riss sie dann auf. Ich zog mich an der Wand ein wenig hoch und sah ihn böse an. Aber was sollte ich schon tun?
Plötzlich riss er mich an meinem Arm nach oben und aus der Zelle. Ich unterdrückte einen schmerzhaften Aufschrei und versuchte meine Beine wieder richtig auf den Boden zu stellen, doch es nutzte nichts. Schon spürte ich eine harte Faust in meinem Bauch.
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Mit weit aufgerissenen Augen fuhr ich aus meinem Schlaf und griff nach meinem Schwert. Es war nichts zu sehen oder zu hören. Schnell atmend zog ich die Kleidung an meinem Bauch hoch, um einen Blick auf die immer noch nicht ganz verheilte Wunde zu werfen. Die Albträume über die schrecklichen Tage dort plagten mich nun, wo sie schon fast eine Woche her waren, weiterhin. Die Flucht war keineswegs einfach gewesen, nur selten dachte ich an sie zurück. Ich versuchte sie aus meinem Gedächnis zu löschen. Das, was ich gesehen hatte, musste ich jemandem mitteilen, doch man würde mir wohl kaum glauben. Man würde sagen, dass ich in der Zeit dort verrückt geworden war. Zu einem Teil versuchte ich mir das auch selbst einzureden.
Ich erhob mich und sprang zurück auf den Boden. Hier, wo der Wald um einiges gesünder und heller war, konnte sich mein Körper besser erholen, doch innerlich versuchte ich immer noch mit den Erlebnissen klarzukommen. Ich spürte, dass es noch nicht vorbei war. Man verfolgte mich, die Informationen die ich hatte, durften niemals den Palast erreichen. Auch, wenn man mir nicht glauben würde, so war das Risiko zu groß.
Ich seufzte leise und setzte mich in Bewegung. Ich musste schnellstmöglich Bericht erstatten, egal wie ernst er genommen würde. Außerdem spürte ich, dass sich langsam aber sicher eine Infektion in meinem Körper ausbreitete. Mit einigen Zaubersprüchen konnte ich sie ein wenig zurückhalten, doch um sie wirklich zu heilen, brauchte man elbische Medizin.
Ich kannte diesen Teil des Waldes ein wenig, wie alle anderen, war ich bei den Feiern in den riesigen Hallen gewesen. Deswegen wusste ich, dass ich nicht mehr weit von meinem Ziel entfernt war. Die Vorstellung an ein warmes, weiches Bett, ließ mich noch einmal ein wenig schneller laufen, wodurch ich nach vielleicht einer Stunde bereits die Mauern erkennen konnte.
Erleichtert atmete ich durch und näherte mich dem großen Tor. "Ich muss den Prinzen sprechen", begrüßte ich sie etwas gehetzt, doch drosselte mein Tempo auf ein Elbengerechtes. Die Wachen sahen sich kurz an, doch öffneten dann. Ich trat erlöst ein und machte mich sofort auf den Weg zu den Heilern. So wichtig die Information auch war, das konnte sie noch abwarten. Außerdem war ich mir immer noch nicht sicher, wie ich es ihm erklären sollte. Vermutlich war er auch noch wütend, dass ich ein zweites Mal seinen Befehl ignoriert hatte. Dabei fragte ich mich, ob ich hier überhaupt noch erwünscht war. Doch darum konnte ich mich noch später kümmern.
Es war ungewohnt unter so normalen Umständen im Palast zu sein. Es war ruhiger als sonst und auch weniger Elben. Das letzte Mal war ich mit Lothparth hier gewesen. Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, verbannte ich ihn bereits. Erst wenn ich in meinem Haus angekommen war, würde ich die Trauer zulassen. Das hatte ich schon lange entschieden.
Etwas nervös klopfte ich und schneller als erwartet wurde mir geöffnet. "Verzeiht, ich habe mich beim Training letztens verletzt und habe es anscheinend nicht ernst genug genommen", lächelte ich etwas peinlich berührt, worauf die Heilerin mich hereinbat. Die vielen Betten waren zu einem Großteil leer.
"Was ist denn passiert?", fragte sie und deutete auf eines der Betten, auf welches ich mich schnell setzte. "Oh, das Übliche. Ich bin ausgerutscht und blöd auf einem Ast gelandet", erklärte ich knapp und zeigte ihr die Wunde, von der äußerlich kaum mehr als eine Narbe zu sehen war.
Sie legte sanft eine Hand darauf und tastete sie ein wenig ab. "Auf einem Ast gelandet", seufzte sie leise und erhob sich wieder. Ich wandte schnell den Blick ab. "Schon faszinierend, wie niemand erzählen will, was wirklich passiert ist", fügte sie hinzu und deutete mir mich hinzulegen. Ich antwortete nicht und starrte an die Decke, während sie die Kräuter mischte und sich dann an meiner Wunde zu schaffen machte. Schnell schloss ich die Augen, als ich merkte, dass sie sie zu einem Teil wieder öffnete, was natürlich Sinn machte. Irgendwie mussten die Kräuter schließlich zu dem wirklich verletzten Teil kommen.
Doch es war nicht so schmerzhaft wie erwartet, als sie auch schon wieder anfing die Sachen wegzuräumen. Ich öffnete etwas überrascht meine Augen und beobachtete sie dabei. "Ein paar Tage Ruhe sollten reichen", lächelte sie und nickte mir kurz zu. "Danke", antwortete ich ehrlich und setzte mich vorsichtig auf. Ich war in meinem Leben nicht oft verletzt gewesen, doch jedes Mal war ich froh um die elbische Heilkunst.
"Wie hast du das geschafft?", fragte eine verblüffte Stimme. Ich sah etwas erschrocken auf. Natürlich war es Legolas, der anscheinend gerade einen Freund besuchen war, welcher am anderen Ende des Raumes lag.
Die Heilerin sah überrascht auf und verabschiedete sich schnell. "Scheint als hätte ein Schwert seinen Weg in meinen Bauch gefunden", erklärte ich knapp und stand etwas schwankend auf. Der Prinz verschränkte mit einem leichten Lächeln seine Arme. "Nein ernsthaft, wie bist du da rausgekommen?", fragte er eindringlich nach und musterte mich. "Ich will nicht darüber reden", antwortete ich leise und ging an ihm vorbei. "Tja, meiner Erfahrung nach, bringt es nichts dir etwas zu befehlen", rief er mir leise hinterher, worauf ich doch stehenblieb. "Willst du mir wenigstens sagen, warum du hier bist?" Ich seufzte und drehte mich um. "Es lag auf dem Weg", log ich. "Der Palast lag auf deinem Weg. Das ist unmöglich", antwortete er bloß und trat näher. Ich konnte ihm schlecht den wahren Grund sagen, dass ich Angst hatte, meine Verfolger zu meiner Familie zu lenken, weshalb ich einfach den Blick abwandte.
Legolas hob etwas überrascht seine Augenbraun und nickte zur Tür. Etwas widerwillig folgte ich ihm in den nächsten Raum, der verlassen dalag.
"Also?", fragte er erwartungsvoll und lehnte sich gegen die Tür. Ich zögerte. "Ehtele?", fügte er etwas verwirrt hinzu und trat näher. Ich wich einen Schritt zurück und wandte mich ab. "Also bist du hier, um mit mir zu reden", stellte er fest und musterte mich von der Seite. "Ihr habt recht, es war eine dumme Idee herzukommen. Vielleicht war ich noch nicht bereit nach Hause zu gehen", murmelte ich schnell und wollte an ihm vorbei zu der Tür gehen. Doch wie erwartet schob er sich vor mich und legte seine Hände an meine Arme. "Ich kann dich so nicht gehen lassen", sagte er ernst und sah mich entschlossen an. "Was soll ich schon groß anrichten?", antwortete ich und sah genauso entschlossen zurück. Was brachte es ihm davon zu erzählen? Er würde mir sowieso nicht glauben.
"Du hast definitiv deine Gründe gehabt hierher zu kommen." Ich legte meinen Kopf ein wenig schief. "Und Ihr kennt mich so gut", antwortete ich etwas verächtlich. Er lächelte leicht. "Dich vielleicht nicht, aber ich kenne Elben." Ich seufzte und wandte endlich den Blick ab. Da hatte er vermutlich recht. Als Prinz musste er fähig sein sein Gegenüber zu lesen.
"Ich habe etwas gesehen, was ich nicht sehen sollte", murmelte ich leise, sodass ich mir nicht sicher war, ob er es überhaupt verstanden hatte. Doch seiner Reaktion nach zu urteilen, hatte er das. Der Prinz runzelte die Stirn und sah mich fast noch ernster als davor an.
"Auch, wenn ich es Euch sagte, es würde nichts bringen. Warum sollte man mir Glauben schenken, auch wenn Ihr es tut, die anderen werden es mit Sicherheit nicht", sprach ich kraftlos weiter. "Die anderen?", fragte er etwas verwirrt nach. Ich holte tief Luft und versuchte mich zu konzentrieren, doch sobald ich zum Reden ansetzte, ließ ich es wieder bleiben und biss mir unsicher auf die Unterlippe.
"Gut, ich habe Sauron gesehen. Der Nekromant, er muss die Überbleibsel nach der Schlacht des letzten Bündnisses sein", erklärte ich schnell, um es endlich loszuwerden. Legolas sah mich fast etwas versteinert an und versuchte meine Worte zu verarbeiten. "Sauron wurde vernichtet", sagte er schließlich leise und ließ seine Hände endlich von meinen Armen sinken.
"Glaubt mir, das weiß ich", antwortete ich und nahm eine etwas zurückgezogene Haltung ein. Ich konnte mir kaum vorstellen, was er sich in dem Moment denken musste. Nach so vielen Jahren nun die Nachricht zu erhalten, dass der alte Feind nun doch nicht besiegt war. Ich beneidete ihn nicht, vor allem wegen der anstehenden Entscheidung, was sollte er tun? Das vermutlich Richtige und meine Aussage ignorieren (schließlich konnte ich in meinem geschwächten Zustand alles mögliche gesehen haben) oder es an den König weitergeben?
"Bist du dir sicher?", fragte er leise nach und musterte mich kurz. Ich zuckte bloß leicht mit den Schultern und wandte meinen Blick ab. "Dann müssen wir etwas dagegen unternehmen solange er noch nicht seine volle Stärke erreicht hat." Ich sah ihn überrascht und etwas verwirrt an. "Das können wir nicht. Jeder andere würde Euch für verrückt erklären, meine Aussage einfach zu glauben, vor allem nachdem, was ich dort erlebt habe", widersprach ich ernst und sah ihm fest in seine blauen Augen. "Ich kann sie aber genauso wenig ignorieren", antwortete er bloß und verschränkte seine Arme.
"Vermutlich solltet Ihr das. Auf der Reise hierher, habe ich mir auch eingeredet, dass ich mich verschaut haben muss. Ihr dürft keine weiteren Elben zu dieser Festung schicken und ich wage zu behaupten, dass der König meine Ansicht teilt." Legolas lächelte leicht. "Weil du auch so viel über meinen Vater weißt", sagte er sanft und legte seinen Kopf ein wenig schief. "Ich denke, dass er ein weiser König ist und kein weiser König würde seine Männer dorthin schicken", antwortete ich leise und ging an ihm vorbei zu der Tür.
"Wo willst du die Nacht verbringen?", fragte Legolas, ohne sich umzudrehen. Ich hielt ein und seufzte leise. Es war zwar Nachmittag, doch er wusste, dass ich nicht noch einmal im Wald schlafen wollte. Außerdem konnte ich immer noch nicht zu meiner Familie zurück, das wäre viel zu gefährlich.
"Meine Anforderungen an ein Nachlager sind die letzte Zeit über ziemlich gesunken", antwortete ich dennoch und warf einen Blick über meine Schulter. "Du solltest nicht im Wald sein mit diesem Wissen und die Wachen werden dich finden, wenn du einfach in irgendeinem Raum schläfst. Und sag jetzt nicht, dass du keinen Schlaf brauchst, den brauchst du definitiv", sprach er, während er sich endlich umdrehte und nickte zu meiner Wunde. Ich sah ihn bloß erwartungsvoll an. Was hatte er leicht vor?
~
Die Laken waren weicher als alles, worauf ich jemals geschlafen hatte. Ich konnte mich an keine Zeit erinnern, an der ich einen so erholsamen Schlaf genossen hatte, als die letzte Nacht. Ich hatte das Abendessen ausfallen lassen (auch, weil ich nicht wusste, ob es für Besucher, wie mich, gedacht war), um mehr Ruhe zu bekommen.
Nun war der nächste Morgen und ich stand vor der großen Terassentür in dem Zimmer, das Legolas mir kurzfristig organisiert hatte. Es hatte sogar einen Balkon, doch nachdem mir das erste Mal seit über zwei Monaten wieder so wirklich warm war, verspürte ich nicht das verlangen, die Türen vor mir zu öffnen.
Ich hatte mich und meine Kleidung vor dem Zubettgehen gestern gewaschen. Meine Uniform war zwar an einigen Stellen durchlöchert, doch nun stank sie wenigstens nicht mehr vor Dreck, Blut und Schweiß.
Nun, da ich sie wieder angelegt hatte, stand ich, mit der wunderbar weichen Decke um meine Schultern, in der aufgehenden Sonne und dachte über die vergangenen Wochen nach.
Das viele Verdrängen hatte mich unerwartet kalt gemacht. Ich wusste, dass ich die erlebten Dinge irgendwann aufarbeiten musste, doch nun hatte ich nicht den Kopf dafür. Zuerst musste ich meine Verfolger loswerden und zu meiner Familie zurückkehren.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich schnell um und warf die Decke auf das Bett, um dann zur Tür zu gehen und sie zu öffnen. Eine Wache stand davor.
"Der König will Euch sprechen", war alles, was sie von sich gab. Ich nickte knapp und folgte dem Elben durch die großen Hallen, bis zu dem höchsten Punkt, an dem der König seinen Sitz hatte.
Ich spürte, wie ich wieder vor Nervosität zu zittern begann. Hatte Legolas ihm bereits erzählt, was ich gesehen haben wollte? Warum sonst, sollte Thranduil mit jemandem wie mir sprechen wollen?
Aber, wenn ich schon dem Prinzen nicht wirklich erzählen konnte, was ich gesehen hatte, wie sollte ich es einem König?
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als wir den geschlungenen Pfad zu der Plattform schritten, auf der König Thranduil und sein Sohn Legolas standen. Nun konnte ich mir sicher sein, dass der Prinz es erzählt hatte. Es war immerhin auch seine Pflicht.
"Ehtele, nehme ich an?", begrüßte Thranduil mich und wandte sich mir zu, wobei sein silberner Mantel ein wenig raschelte. Die blauen Augen glänzten fast noch mehr, als die seines Sohnes, und schienen mich mit einem Mal zu durchbohren. Seine Krone, die aus gewundenem Holz mit roten Beeren und gleichfarbigem Laub, bestand, ragte mit einigen Spitzen gen Himmel und schien so angegossen auf den blonden Haaren zu sitzen, als ob sie niemals wo anders gewesen wäre. Thranduil war groß, überragte Legolas nochmal um einiges und konnte damit, auch ohne, dass er seinen Kopf erhaben hob, auf mich herabschauen.
Zusammengefasst: ich wäre vor Erfurcht am liebsten sofort im Boden versunken.
Ich versuchte die Worte von eben zu realisieren, nickte und verbeugte mich tief.
Mit einer zarten Handbewegung erlaubte er mir mich wieder zu erheben. Ich schien zumindest schon einmal richtig begonnen zu haben.
"Legolas hat mir erzählt, dass du in Dol Guldur gefangen warst", eröffnete mein Gegenüber etwas misstrauisch das Gespräch. Ich hielt den Blick gesenkt. Nicht nur aus Respekt, ich wollte außerdem nicht wirklich über dieses Thema sprechen, doch konnte das vor dem König nicht sagen.
"Das war ich, mein Herr", antwortete ich und räusperte mich leise. "Und nun bist du zum Palast gekommen, um Bericht zu erstatten. Also sprich", verlange er ruhig und durchbohrte mich mit seinem Blick.
Ich zögerte kurz. Ich konnte schlecht sagen, dass ich wusste, dass Sauron wiedergekehrt war, aber genauso wenig konnte ich meinen anderen Grund nennen. Immerhin hatte ich unsere Feinde direkt zum Palast geführt.
"Verzeiht, mein König, ich hatte wohl einfach Angst, dass ich verfolgt würde. Alles, was ich Euch sagen könnte, hätte keine große Bedeutung für Euch", antwortete ich schließlich etwas unsicher, worauf Legolas, mit einem genervten Seufzen, die Arme verschränkte.
Thranduil warf seinem Sohn einen vielsagenden Blick zu. "Sie hat mir erzählt, dass sie dort Sauron in Form eines Nekromanten gesehen hat", machte der Prinz meine Aussage zunichte, wobei er mich anklagend ansah.
Nun wandte der König sich wieder etwas überrascht zu mir. "Ich war zu dem Zeitpunkt schwer verletzt. Ich hätte alles mögliche sehen können. Vermutlich war es nur der Schatten eines besonders großen Orks", widersprach ich kleinlaut und starrte immer noch zu Boden. Thranduil entspannte sich wieder ein wenig.
"Ich war selbst bei der Schlacht des letzten Bündnisses dabei. Es ist ganz normal, dass sich böse Bilder in den Kopf schleichen, wenn man an einem solch dunklen Ort gefangen gehalten wird. Du musst dir keine Vorwürfe machen. Viel interessanter ist jedoch, wie du überhaupt dorthin gelangt bist. Ich habe vor langer Zeit verboten, dass ein Waldelb jemals wieder Fuß in diese Festung setzt", antwortete er mir langsam und legte seine Hände an seine Ellenbogen, während er mich vorwurfsvoll musterte. Ich musste zugeben, dass ich daran ziemlich lange nicht mehr gedacht hatte, doch natürlich musste ich dafür auch noch bestraft werden.
"Es war auf meinen Befehl hin", schnitt Legolas mir entschlossen das Wort ab. Sein Vater sah ihn etwas überrascht an. "Ich nehme an, du hättest einen guten Grund, dieses Gesetz zu missachten", sprach er in einer leicht bedrohlichen Stimmlage. Legolas ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen.
"Auf der Reise nach Lothlórien wurden wir vom Waldrand her von einigen Wargen überfallen. Wir haben sie zurück bis nach Dol Guldur verfolgt. Bis gestern dachte ich, dass Ehtele bei diesem Kampf ums Leben gekommen ist", erzählte er, ohne mit der Wimper zu zucken. Das sollte wohl der Dank dafür sein, dass ich ihm zwei Mal das Leben gerettet hatte.
Der König schien immer noch nicht zufrieden zu sein. "Und warum höre ich gerade zum ersten Mal davon?", knurrte er vorwurfsvoll. "Es war kein wirklich nennenswerter Überfall. Wir konnten danach unsere Reise nach Lórien wie geplant fortsetzen", antwortete sein Sohn und sah wieder zu mir. Ich hatte keinesfalls vor, mich einzumischen.
Dadurch wurde auch Thranduils Aufmerksamkeit wieder auf mich gelenkt.
"Du darfst gehen", verabschiedete er mich, worauf ich mich schnell verbeugte und dann auf den Rückweg machte. Er wollte diesen Streit wohl nicht vor mir ausfechten.
Ich wartete in dem Bereich, in dem der König mich nicht mehr sehen konnte, doch durch den der Prinz mit Sicherheit gehen würde. Ich wollte noch kurz ein paar Worte mit ihm wechseln.
Ich konnte nicht viel davon verstehen, was auf der Plattform gesprochen wurde. Vermutlich sollte ich auch gar nicht lauschen.
Kurz bevor ich mich dazu entschließen konnte, doch zu gehen, hörte ich Schritte näherkommen.
"Ich wollte mich noch bedanken", überfiel ich den Prinzen von der Seite, als er an mir vorbeiging. Er fuhr überrascht zu mir herum, wobei sich sein Gesichtsausdruck sofort verfinsterte.
"Ich weiß nicht, was dein Problem mit der Befehlskette ist, aber ich dachte, dass du, wenn du schon keinen Respekt vor mir hast, ihn wenigstens vor dem König beweisen kannst!", rief er wütend und zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war. Ich senkte den Blick und schluckte schwer. "Du hast gerade deinen König angelogen!", fuhr er, nicht weniger aufgebracht, fort. "Ihr auch", murmelte ich leise, wobei es mehr als Danke gemeint war, was er offensichtlich falsch verstand.
"Er ist mein Vater und ich bin der Prinz! Auf welche Weise ich Bericht erstatte, hat dich nicht zu interessieren! Wenn du solche Probleme damit hast zu akzeptieren wer über dir steht, solltest du aus diesem Reich verschwinden - oder zumindest aus dem Palast!", antwortete er und ließ mich eingeschüchtert stehen. Ich sah ihm kurz hinterher und versuchte mich wieder zu fangen. Er hatte recht. Ich hätte seine Befehle nicht missachten dürfen und genauso wenig den König anlügen. Ich wusste, was ich gesehen hatte. Doch die Variante, die ihm als die beste erschien, sagte mir auch nicht sonderlich zu. Bei dieser wäre Legolas immer noch in der alten Festung gefangen und die Orks würden wohl gerade den König damit erpressen, dass sie seinen einzigen Sohn in der Hand hatten.
Außerdem hätte Thranduil mir nicht geglaubt, egal, was ich gesagt hätte. In seinen Augen war ich irgendeine Elbin, die gerade mal ihre Ausbildung abgeschlossen hat und für einige Tage von den Orks gefangen gehalten wurde.
Ich machte mich daran, meine Waffen aus dem Zimmer zu holen und verließ, wie gefordert, den Palast. Mir war bewusst, dass ich mich hier nicht mehr blicken lassen sollte.
Als ich an die frische Luft trat, zögerte ich für einige Sekunden.
Wenn Sauron tatsächlich stärker werden würde, würden viele blutige Kriege folgen. Jedes Leben, das darin verloren ging, würde ich an meinen Händen haben. Ich hätte mehr tun können, doch nun war meine Chance vorbei. Das Schicksal dieser Welt lag nicht mehr in meinen Händen.
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