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In der Schule angekommen, wartete Minho auf ihn. Felix würde ihn als flüchtigen Freund beschreiben, der ab und zu mal was mit ihm unternahm. Es war okay für ihn. Lieber er hatte ein bisschen Gesellschaft von dem Älteren, als ganz alleine darzustellen. „Wie geht es dir?", fragte Minho ihn höflich, worauf sich Felix einfach nur auf seinen Stuhl fallen lies. „Geht so. Dir?" Insgeheim freute er sich immer, wenn Minho ihn ansprach. Selber würde er sich nicht trauen. „Wir haben gleich Sozialkunde, wie soll man sich da freuen?", murrte Minho und seufzte, als er seine Bücher rausholte. Ein paar seiner Mitschüler holten ihre Handys raus, um noch vor dem Unterricht ein bisschen damit ihre Zeit zu verbringen.

Minho und Felix hörten, wie ein paar Mädchen vor ihnen über eine bestimmte Mutprobe redeten, die schon seit Jahren ihren Ursprung an der Schule fand. Es ging darum in das alte, verfluchte Hwanganwesen am Rande der Stadt einzubrechen und sich mit einem Gegenstand dort zu fotografieren. Vor allem war die Mutprobe bei den Schülern im letzten Jahr beliebt. Ein paar von ihnen trafen sich extra dort, nachdem sie ihren Schulabschluss feierten als letzte Teamaktivität, bevor sich die Wege endgültig trennten. Felix verstand nie, wo sie alle den Mut fanden in ein gruseliges, verfluchtes Haus zu klettern und dort nachts seine Zeit zu verbringen. Gerüchte zufolge hätten ein paar Schüler das Gefühl gehabt, dass etwas sie verfolgte und das Gefühl erst wegging, als sie draußen waren. Wilde Theorien wurden erstellt. Mörder, die im Haus ihr Unwesen trieben, Geister, die dort nicht zur Ruhe kommen konnten. Oder es war einfach nur psychisch bedingte Paranoia, die dank der gruseligen Atmosphäre in den Köpfen der Schüler gepflanzt wurde. Das war Minhos liebste Theorie. Er selber würde sich allerdings nicht trauen die Mutprobe zu machen.

„Hast du gehört, dass Chan und Karina aus der 3-2 nächsten Freitagabend zum Haus wollen?", sagte einer seiner Klassenkameradinnen zu ihrer Freunde. Der Name 'Chan' war nicht gerade unbekannt in der Schule. Er wurde als der furchtloseste Schüler im gesamten Jahrgang betitelt. Kein Wunder also, dass er sich früher oder später an die Mutprobe wagen wollte. Karina fand er später heraus, hatte eine Wette verloren und musste eine Nacht im Horrorhaus verbringen. Die beiden waren ziemlich lebensmüde. Felix würde sich nicht trauen den beiden in das Innere des Hauses zu folgen. Allerdings bezweckte eine Mutprobe die Bekämpfung seiner Angst. Wäre es kein schönes Gefühl sie geschafft zu haben? Zu beweisen, dass er doch kein solcher Angsthase war, der nur vom Unfall erschaffen worden war? Felix sehnte sich nach etwas mehr Mut. Er reflektierte die Worte von Sooa und kam zu dem Entschluss, dass sie recht hatte. Mit 16 war es lächerlich Angst vor dem Regen zu haben und wenn er nie beschloss, sich seiner Angst zu stellen, würde sie immer im Griff haben. Konnte er sich wirklich dazu aufraffen mit Chan und Karina ins Spukhaus zu gehen? Würde sein zerstörte Psyche das überhaupt hinbekommen? Würde er es schaffen in das Haus zu laufen und ein Foto zu machen? Was wenn er auch das Gefühl hatte verfolgt zu werden? Was...wenn er sich dann in die Hose machte vor Angst? Felix wusste, was Angst in einem bezwecken konnte. Er spürte sie schon seit Jahren so intensiv. „Ich...ich glaube ich mache auch mit......wann...wann treffen sie sich?", fragte er Minho im Nachmittagsuntericht.

Überrascht schaute Minho seinen Gesprächspartner an. Dass Felix, ausgerechnet Felix, sich für die Mutprobe interessierte, hätte er nie gedacht. Er hatte doch Angst vor seinen eigenen Schatten. Er würde eine Nacht im Gruselhaus nicht überleben. Er fragte ihn, ob er sich da sicher sei. Viele Schüler haben die Mutprobe nicht geschafft, weil es ihnen dann doch zu gruselig war. „Ja, ich bin mir sicher." Minho erkundigte sich bei seinen Freunden in der Oberstufe, wann die Mutprobe stattfand und erzählte auch, dass sie noch einen Freiwilligen haben. Am nächsten Tag erzählte er die Informationen an Felix, der schwer schlucken musste. Er hatte die Nacht darüber denken müssen und war sich immer sicherer dort seine Angst zu verlieren und ab jetzt mutig zu sein. Es musste einfach klappen. Sonst würde er sich das niemals verzeihen können.

Am Freitagabend trafen Chan, Karina und Felix sich vor dem Hwanganwesen. Felix war der letzte der dazustieß und sah wie sich der ältere Schüler mit seiner Mitschülerin unterhielt. Sie schienen keine Angst zu haben. Im Gegensatz zu ihm. Felix hatte schon ein paar Schweißausbrüche hinter sich. Der abgekühlte Schweiß lies ihn leicht frösteln. Sein Herz raste. Raste fast wie bei, Aufstehen, wenn er wieder einen seiner berüchtigten Alpträume hatte. Die Anwesenheit der beiden anderen beruhigten ihn allerdings ein wenig. Er wusste, dass er nicht alleine in das Haus musste. „Hey, Leute", begrüßte Felix die beiden, worauf sie sich zu ihm wandten. „Du siehst wie begossener Pudel an. Hast du Angst?", fragte Chan prompt und zeige ihm ein Siegeslächeln, was sein Grübchen zur Geltung brachte. Sollte er eine Spur von Angst haben, dann zeigte er es nicht. „Ich hab Angst, falls dich das interessiert!", mischte sich Karina ein. Mitfühlend ruhten ihre Augen auf Felix. „Es ist völlig okay Angst zu haben. Nicht umsonst ist das eine Mutprobe."

„Eine Mutprobe, die ich auf jeden fall rocken werde! Wollen wir rein oder wollen sich die Ladys noch eine Runde unterhalten?" Karina rollte nur mit den Augen. Da sie und Chan Mitschüler waren, kannten sie sich schon länger. „Halt die Klappe. Wenn du so unbedingt rein willst, dann geh einfach rein. Felix und ich warten noch ein bisschen hier. Das war doch dein Name, oder?" Felix nickte ängstlich. Ihm erleichterte es, dass er nicht die einzige Person hier war, die Angst hatte. „Dann sehen wir uns drinnen. Bye!" Chan lief los und winkte den beiden noch zu, bevor seine Silhouette in der Dunkelheit verschwand. „Der hat sicher selber Angst und ist zu feige es zu sagen. Das Haus ist schon ziemlich gruselig, oder?" Felix bestätigte es ihr. „Ich will nicht rein, aber ich hab diese dumme Wetter verloren." Karinas Taktik mit der Angst umzugehen war also zu plaudern. Sie redete noch ein bisschen, als sie ihren Blick auf das Haus richtete. „Dann wollen wir mal, oder?"

Felix würde gerne noch etwas hier stehen. Am liebsten bis zum Sonnenaufgang, doch dann wäre die Mutprobe nicht gemacht. Er nickte. Karina und er liefen also in die Richtung des Spukhauses. Irgendwo hörte er einen Uhu schreien und zuckte kurzerhand zusammen. „Echt gruselig, oder?", fragte Karina ihn. „Ja...." Sie stiegen die alte Steintreppe hoch zu der Eingangshalle, in der eine Haustür des viktorianischen Zeitalters eingelassen war. Sie war nur angelehnt. Karina öffnete die Tür und trat rein. Felix dicht hinter ihr. 

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