Teil44

Vier Tage später war es endlich so weit, dass zumindest Luke ohne Bedenken der Ärzte entlassen werden konnte. Die Droge in seinem Körper war längst abgebaut, es gab keinen bleibenden Leberschaden, eine leichte Gehirnerschütterung war abgeklungen und die äußeren wie inneren Verletzungen durch Blakes Vergewaltigung waren auf dem Weg der Besserung. Selbst der Medikamenten-Cocktail, den man Luke gegen die Übertragung von STDs gegeben hatte, war ohne Nebenwirkungen und so gab es außer Gabriel nichts, was ihn in der Klinik halten könnte.

Für den jungen Iren sah das jedoch anders aus. Gabriel war zwar nicht mehr so schwach, schlief allerdings die meiste Zeit, was hauptsächlich an den Schmerzmitteln lag, die er wegen der geprellten und teilweise angebrochenen Rippen bekam. Seine Kopfverletzung war zum Glück oberflächlich, jedoch hatte er eine deutlich stärkere Gehirnerschütterung als Luke, was Schwindel und Übelkeit hervorrief, sobald er aufstand. Die Verletzung eines Lungenflügels war operativ behandelt worden, bedeutete jedoch, dass er sich noch eine Weile schonen musste und man ihn nicht so ohne Weiteres aus der Klinik entlassen wollte. Luke blieb also nichts anderes übrig: er handelte mit Ärzten und seinen Eltern einen Kompromiss aus. Sie würden noch zwei Tage in der Klinik bleiben, dann würde er Gabriel vorübergehend mit nach Hampstead nehmen, wo seine Familie genug Platz in ihrem Haus hatte, um die beiden jungen Männer im Erdgeschoss unterzubringen. Die vielen Treppenstufen und die Leiter im Loft wären erstmal keine Option. Natürlich hatten Sean und Oscar auch angeboten, die beiden für die Zeit ihrer Gesundung aufzunehmen, aber Lukes Mum brachte mit der Nähe des Sherman-Hauses zum Park und der frischen Luft oben in Hampstead zwei Argumente vor, die sogar Sean akzeptieren musste.


Oscar nahm das alles etwas gelassener als sein Partner, denn Gabriel würde mit Luke ins Loft zurückkehren und bis dahin, so plante der Ex-Bouncer, würde er eine Wendeltreppe einbauen, anstelle der Leiter. Die wäre zwar nicht mehr notwendig, wenn der Engel und sein Bulle erst wieder in Ordnung waren, aber er wollte den beiden damit eine Freude machen. Also zimmerte und werkelte Oscar nachmittags im Loft, während Sean dort Bestellungen durchging und sich überlegte und notierte, wie man dort eine kleine Willkommensparty veranstalten könnte. Im kleinen Rahmen, sozusagen, nur Gabriel, Luke, dessen Eltern, er selbst und Oscar und natürlich alle Angestellten.

„Seit wann planst du so bescheiden?", wollte Oscar wie beiläufig wissen, als Sean ihm die Gästeliste präsentierte, während er ein paar Schrauben mit dem Akkuschrauber festzog.

„Wieso denn? So viel Platz ist hier nun auch wieder nicht ..."

Oscar liebte es, seinen Mann zu foppen, weil der dann hinterher immer in Stimmung kam.

„Wenn das mit den beiden Jungs so weiter geht, kannst du gleich eine Hochzeit planen..."

Sean sah kurz aus, als wäre er sprachlos, dann, als würde er gleich anfangen vor Freude zu weinen, dann schlug er die Hände vorm Gesicht zusammen, jauchzte auf und verkündete, er brauche einen größeren Notizblock.

„Das machen wir unten im Club und wir laden Elton und David ein und ...", seine Stimme überschlug sich, „... hach! Glaubst du, dass da wer vom Yard kommt?"

Oscar grinste und schraubte.


Der Wagen der Shermans hielt vor dem Haus in Hampstead und gleich darauf kam Lukes Mum heraus, um ihren Sohn und seinen Freund dort willkommen zu heißen.

„Schön, dass ihr da seid", rief sie ihnen zu und wartete, bis Luke auf der Beifahrerseite ausgestiegen war, um ihn zu umarmen. „Willkommen zu Hause."

Luke drückte sie ganz fest an sich. Es fühlte sich wirklich gut an, jetzt gerade wieder zu Hause zu sein. Er hatte das vermisst.

„Ist lieb von euch, dass ihr uns hier haben wollt", sagte er.

Lukes Dad war inzwischen dabei, eine hintere Tür für Gabriel zu öffnen, der langsam und noch vorsichtig ausstieg. Er lächelte etwas scheu und sah sich um.

„Ist schön hier", sagte er dann zuallererst.

Das Haus war eines dieser typischen, englischen Familienhäuser mit zwei Etagen, rotem Dach, einem kleinen halbrunden Vorbau mit Fenstern, wo das Wohnzimmer war, einem kleinen Hof vorn und einem größeren Garten hinten. Neben der Eingangstür rankten duftende Rosen und ein Blauregen empor.

„Es ist schön, dass ihr hier seid", schloss sich Roger den Worten Gabriels und seiner Kit an. „Lukes Zuhause ist auch dein Zuhause."

Der junge Ire blinzelte etwas verlegen und nickte. „Danke", sagte er dann.

Luke kam zu ihm, um ihn einzuhaken, denn er wusste, dass Gabriel noch immer etwas schwindelig wurde, wenn er auf war. So gingen die beiden ins Haus, hinter seiner Mum her, sein Dad folgte mit dem Gepäck.

„Wir haben euch das Omabüro umgeräumt", erzählte sie nun, „am besten, ihr stellt alles einfach nur ab, ruht euch eine halbe Stunde aus und dann gibt es Cream Tea."

Luke strahlte sie an. Das war genau richtig. „Super, Mum. Du bist die Beste."

„Ach, Unsinn. Ich verfolge den hinterlistigen Plan, dich gar nicht mehr gehen zu lassen. Und dich auch nicht", wandte sie sich zuletzt an den Rothaarigen.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Mrs. Sherman, das ist ..." Weiter kam Gabriel nicht.

„Nun, erstmal sagst du bitte einfach Kate oder Kit zu mir und sonst brauchst du nichts zu sagen. Zu Roger sagst du Roger."

Luke nahm seine Mum einmal in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann betraten sie das Omabüro, wo sein Dad auch gleich die Taschen neben einem ausgezogenen Schlafsofa für zwei abstellte.

„So, dann macht es euch gemütlich. Wenn etwas fehlt, sagt es und gleich gibt's die besten Scones von ganz London." Mit diesen Worten ließen Roger und Kate die beiden jungen Männer erstmal in dem Zimmer allein, damit sie sich in Ruhe umsehen konnten. 

„Und, was denkst du?", begann Luke und legte seine Hände um Gabriels Mitte, drehte ihn zu sich und schaute ihn fragend an.

„Warum sind wir im Omabüro?" Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das Zimmer, vor allem die Vorhänge mit dem Muster aus englischen Rosen.

Luke grinste. Natürlich konnte sein Liebster das nicht wissen. „Nun, das hier war das Zimmer, in dem meine Oma gewohnt hat, als ich ein Junge und sie schon recht alt war. Meine Mum hat sie nach Opas Tod zu uns geholt. Und nachdem auch Oma gestorben war, hat mein Vater hier ein Büro für sich eingerichtet. Jetzt, wo er nicht mehr arbeitet, überwintern hier die Geranien und sie quartieren ab und zu Gäste ein. Im Omabüro."

Während er erklärt hatte, bekam Gabriel eine Mimik- Falte über der Nase, die Luke jetzt einfach küssen musste. Auch war sein Kopfverband zwei Nummern kleiner als noch vor Tagen, sodass er ihm durch das ginger-rote Haar wuscheln konnte.

„Ich hoffe wirklich", verkündete der Tänzer dann mit einiger Ironie und einem Lächeln, „dass hier der Geist deiner Oma nicht irgendwo herumspukt. Würde sie wohl schockieren, was wir hier anstellen werden."

„Mir scheint, du warst lange genug im Krankenhaus, um gewisse Dinge zu vermissen", reizte Luke.

„Viel zu lange und du wirst dich noch wundern, wie schnell ich dafür gesund genug werde."

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