Date Teil26
Als Luke am späten Vormittag erwachte, schlief Gabriel immer noch mit dem Kopf auf seiner Brust und dicht an ihn geschmiegt. Die Kerze war vollständig herunter gebrannt und die Strahlen der Morgensonne fielen auf das rote Haar und ließen es aussehen, als sei es aus rotem Gold. Mit ihren Armen hielten sie sich noch immer umfangen und Luke zog die Bettdecke etwas höher über Gabriels Schultern, damit er weiterschlafen würde. Jetzt, wo er selbst wach war, dachte Luke über alles Mögliche nach. Wenn der Tänzer hier bei ihm lag, dann war er in Sicherheit. Das war natürlich das Allerwichtigste. Wenn dieser Patrick aus der Vergangenheit tatsächlich etwas mit den Morden zu tun hatte, dann würde es ihm nicht gelingen, sich an Gabriel zu vergreifen. Dafür würde Luke sorgen. Kein Wunder, dass der junge Ire so erschöpft und verstört war. Der Anblick von Andy und das Leid seiner Familie hatten ohne Zweifel die schlimmsten Erinnerungen in ihm getriggert. Was mochte er alles erlebt haben, auf der Straße? Wie fühlte es sich an, wenn Vater und Mutter, die eigenen Brüder und Schwestern einem ihre Liebe entzogen und man viel zu jung in die falschen Hände geriet?
Lukes eigene Familie war in Hinsicht auf seine Homosexualität wohl als völlig normal zu bezeichnen. Sie liebten ihn und darum akzeptierten sie wie er war. Trotzdem: Seine Mutter fand sich nicht gerade leicht damit ab, dass sie keine Enkelkinder von ihrem Sohn bekommen würde und sein Vater war nach wie vor stolz auf seinen Sohn, den Polizisten, einen der jüngsten Sergeanten beim Yard. Dass Luke mit einem Mann zusammen lebte, war allerdings kein Thema, das sein Vater von sich aus erwähnen würde. Luke hatte sich vorgestellt, dass sich das geben würde, wenn er mit Blake, dem erfolgreichen Anwalt, nachhause käme, um ihn vorzustellen. Wenn seine Eltern sehen, wie glücklich er mit seinem Partner ist. Aber Blake hatte das nicht gewollt, weil er sich bei seinen vornehmen Adoptiveltern noch nicht geoutet hatte und die seien sozusagen als Erste dran, vor Lukes Eltern. Seltsame Welt, denn dazu würde es nun nicht mehr kommen.
Es war höchste Zeit, seinem Freund zu sagen, dass es aus war. Ihre gemeinsame Zeit war schön, aber Luke könnte nicht mit ihm zusammen sein, wenn er seinen Job als Polizist nicht als ebenso wichtig nahm, wie seinen eigenen als Anwalt. Und es gefiel Luke ganz und gar nicht, dass sich Blake so versnobt über andere schwule Jungs geäußert hatte, die nicht mit einem silbernen Löffel gefüttert worden waren. Was war das mit ihm und Blake? Hatte Luke nur zu seinem Lifestyle dazu gehört? War er eine Art abgefahrenes Accessoire in Blakes teurer Wohnung? Hob sich Blake aus der Menge heraus, weil er einen schwulen Freund hatte und damit vor seinen „gewöhnlichen" Anwaltskollegen angeben konnte? War das vielleicht ein Kink von ihm, dass er auf Bullen stand? Luke stand jedenfalls nicht auf Schnösel oder eben nicht mehr.
Der, auf den er stand, regte sich inzwischen ein wenig. Er winkelte ein Bein leicht an und bewegte den Kopf etwas aufwärts. Bestimmt würde er bald aufwachen. Luke blieb noch immer reglos, denn ihm gefiel es, einfach so mit Gabriel hier zu liegen, ohne irgendetwas tun zu müssen. Und wieder kreisten seine Gedanken um den Engel. Was genau waren eigentlich Sean und Oscar für ihn, abgesehen davon, dass sie seine Arbeitgeber waren? Vor ein paar Tagen hatte Luke noch geglaubt, Sean und Ginger hätten was miteinander gehabt, aber das war, bevor er sie kannte. Am ehesten war das Paar wohl so etwas wie eine Ersatzfamilie für ihn. In jedem Fall wäre das der passendere Vergleich, wenn sie ihn, wie Oscar sagte, von der Straße geholt hatten. Von der Straße, wiederholte Luke den Gedanken, den er bisher verdrängt hatte.
Er war lange genug beim Yard, um zu wissen, was das alles bedeuten konnte. Ein geprügelter, irischer Bengel, so hübsch wie Gabriel, der würde auffallen. Vielleicht hatte man ihn irgendwelche Jobs machen lassen, damit er ein wenig Geld bekam, vielleicht hatte er betteln müssen, vielleicht hatte er sich mit irgendwelchen Freiern eingelassen. Wie hatte er wohl das Tanzen gelernt? Sean hatte ihn tanzen sehen, hatte er gesagt ...
Unwillkürlich hatte Luke angefangen, mit den Fingern in Gabriels Haar zu spielen. Sobald er aufwachte, würde Luke irgendetwas mit ihm unternehmen wollen. Irgendetwas Schönes, was ihn aufheiterte. Vielleicht ein Eis essen gehen oder sowas. Etwas völlig Normales eben. Es war Sonntag, also hätten sie heute einen freien Tag. Abgesehen davon, dass Luke dem Yard mailen musste. Sie könnten mit dem London Eye fahren. Luke fand das wunderschön und Gabriel hatte das ganz sicher noch nicht gemacht ... Als er nach ihm schaute, stellte er jetzt fest, dass der Rothaarige blinzelte. Er war wach.
„Guten Morgen", hauchte Luke ganz sachte.
„Mmmmh, jja, guten Morgen", brummte Gabriel zurück.
„Bist du schon länger wach?"
„Mmmmh, keine Ahnung. Wie lange liegen wir hier schon?"
Luke grinste. „Oh, das geht schon seit heute Nacht um vier oder so."
„Stimmt. Du hast von Liebe gesprochen."
„Oh, das." Luke beugte sich Gabriel hinunter und küsste ihn auf die Stirn. „Ich hab' das auch so gemeint. Lass' uns heute was zusammen machen. Wir sind praktisch nicht im Dienst und ich möchte dich besser kennenlernen."
„Du möchtest mich kennenlernen? Du meinst, wir haben sowas wie ... ein Date?"
„Ja genau. Und sag jetzt nicht wieder, du weißt nicht, was das ist."
„Ich weiß was das ist." Ginger musste sich jetzt leider etwas aus der Umarmung, in der er gelegen hatte befreien, damit er sich etwas aufsetzen und Luke direkt ansehen konnte. „Was hast du vor?"
„Was hältst du von Southbank? Mit Riesenrad und Eis und so."
Gabriel schaute etwas kritisch. „Lieber nicht, das ist nicht so ... meins."
Luke verstand jetzt nur zu gut. Womöglich hatte sich der Rothaarige genau da herumgetrieben, als er auf der Straße lebte, sonst wäre es schon seins mit all den Straßenkünstlern und Musik. Also mussten sie woanders hin, wo es keine unschönen Erinnerungen gab. „Na schön. Hyde Park?"
Gabriel lächelte schon deutlicher. „Okay, ja. Hyde Park."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top