1. Kapitel

Raik Tjarksson verzweifelte langsam. Seine jüngste Tochter wollte einfach nicht die Ziegenmilch trinken, die er mit einem Tuch aufgesogen hatte.

„Bitte, Merle! Nur einen Schluck!", bat er das kleine Mädchen, doch sie weinte und krümmte sich immer wieder zusammen.

Er seufzte und legte das Tuch weg. Vorsichtig strich er ihr über den Bauch, der sehr hart war. Merle schluchzte herzerweichend, dann weinte sie wieder. Raik schloss kurz die Augen. Er hatte keine Ahnung, wie er ihr helfen konnte.

So konnte es nicht weitergehen!

Er stand auf und nahm seinen Umhang.

Liv musste ihm helfen.

Mal wieder.

Er sah zu seinem Sohn, der seine Ohren zu hielt.

„Ich gehe mit Merle zu Liv, Bjarne."

Der nickte und senkte seinen Kopf.

„Mama?", fragte er leise.

Raik seufzte.

Es war lange her, dass Bjarne nach seiner Mutter gefragt hatte. Ingrud war vor beinahe zwei Monaten gestorben. Nach der Geburt bekam sie hohes Fieber. Liv hatte alles in ihrer Macht Stehende getan. Sogar Leif war gekommen, aber es war zu spät gewesen.

Wie sollte er seinem Sohn erklären, dass Ingrud nicht mehr bei ihnen war? Wie sollte er erklären, dass sie gestorben war, kaum ein paar Tage, nachdem sie Merle auf die Welt gebracht hatte?

Er streckte seine Hand aus und Bjarne ergriff sie.

„Du kannst mit, Bjarne. Vielleicht ist Lönne auch dort."

Lönne war Sjards Sohn und genauso alt wie Bjarne.

Bjarne stand wackelig auf und nahm vertrauensvoll die Hand seines Vaters.

Zwei kleine Kinder!

Wie sollte er das schaffen? Das fragte er sich immer wieder.

Er war ein Krieger, verflucht! Er musste bald wieder fortziehen. Der Jarl hatte sie schon rufen lassen. Sie würden monatelang auf See sein und es war nicht einmal gewiss, dass er wieder lebend zurückkam.

Mit einer Hand legte er Bjarne den Umhang um. Es war Frühling, doch immer noch sehr kalt. Zu kalt für den Dreijährigen und das kleine Mädchen, dass kaum zwei Monate alt war.

Er ging aus dem kleinen Langhaus, dass früher seinem Onkel Lasse gehört hatte. Doch Lasse war weg. Er hatte mit Thorge ein neues Leben aufgebaut. Sein Vetter Thorge war nun Jarl eines Gutes und Lasse war sein Krieger. Er seufzte.

Am liebsten hätte er auch ein neues Leben begonnen, doch er konnte es nicht. Er war der Erbe seines Vaters und musste seine Aufgaben übernehmen, wenn Tjark starb.

So in Gedanken lief er über das Gut. Merle weinte immer noch und krümmte sich zusammen. Irgendetwas stimmte nicht. Raik musste sich zusammen reißen, dass er nicht seine Verzweiflung heraus brüllte. Er konnte es einfach nicht sehen, wenn seine Tochter so litt.

„Willst du zu meiner Frau?"

Raik zuckte zusammen, als Stijn ihn ansprach. Er hatte ihn gar nicht bemerkt, so sehr war in Gedanken gewesen.

Sein Onkel lächelte ihn und die Kinder an.

„Oh je. Die kleine Merle scheint nicht gerade glücklich zu sein!"

Stijn nahm sie ungefragt aus Raiks Armen und legte sie mit dem Bauch auf seinen Unterarm. Sanft strich er ihr über den Rücken.

Merle jammerte noch etwas, dann rülpste sie. Stijn fing an zu lachen.

„Sehr gut, meine kleine Walküre. Lass es raus!"

Raik stutzte, als er sah, dass Merle aufhörte zu weinen und sogar leicht lächelte.

„Wie hast du das gemacht?", fragte er.

Stijn lachte unterließ es aber nicht, Merle weiterhin über den Rücken zu streichen.

„Ich habe acht Kinder großgezogen. Einer von denen hatte doch immer Bauchschmerzen."

Er reichte Raik Merle und ging vor Bjarne in die Hocke.

„Was ist mit dir, kleiner Troll? Hast du auch Bauchschmerzen?"

Bjarne schüttelte den Kopf und steckte seinen Daumen in den Mund. Er schmiegte sich an das Bein seines Vaters, obwohl er Stijn sehr gut kannte. Stijn lächelte nur. Er kannte sich wirklich mit Kindern aus und deswegen wusste er genau, wie er mit einem schüchternen Jungen umgehen musste.

„Sehr gut. Was meinst du? Sollen wir zu meinem Sohn und Lönne gehen? Ich bin mir sicher, dass Elsa Brot gebacken hat. Ich habe Hunger. Was ist mit dir?"

Bjarne nickte, ohne den Daumen aus dem Mund zu nehmen.

Raik seufzte.

„Ich kann dir doch nicht Bjarne aufhalsen!"

Stijn zuckte mit den Schultern, dann legte er ihm eine Hand auf die Schulter.

„Ich beobachte dich, Raik. Schon eine ganze Weile. Du brauchst etwas Ruhe. Ich bringe ihn dir heute Abend wieder, nur keine Angst. Geh zu deiner Mutter. Liv ist auch dort! Bjarne ist gut bei mir aufgehoben."

Ohne weiter zu fragen, reichte Stijn Bjarne seine Hand und ging mit ihm in Richtung von Sjards Hütte.

Raik holte tief Luft. Dann drehte er sich um und ging zum Langhaus seiner Eltern. Er würde sich mit seinem Onkel bestimmt nicht streiten. Außerdem würde es Bjarne gut tun, wenn er mit Lönne spielen könnte.

Er klopfte an die Tür und trat dann ein.

Seine Mutter stand am Herd und es roch gut nach ihrem berühmten Eintopf. Sofort knurrte Raiks Magen. Er hatte sich seit einigen Tagen nur von Brot und Met ernährt. Er kochte für Bjarne, doch er selbst bekam meist nicht einen Bissen herunter. Meist schlief er neben den Kindern ein, wenn er sie zum Schlafen hinlegte und er vergaß einfach das Essen. Er schaffte es ja nicht einmal auf sein Lager, wie sollte er dann ans Essen denken.

„Raik! Komm rein, Junge!"

Tilda kam auf ihn zu und umarmte ihn.

„Wie geht es dir? Was macht meine Enkelin?"

Raik erwiderte ihr Lächeln, obwohl es bestimmt kläglich ausfiel.

„Wegen Merle bin ich hier. Sie will die Milch nicht trinken. Und sie hat Bauchschmerzen. Stijn hat vorhin etwas gemacht und dann wurde sie ruhig. Aber ich spüre, wie ihr Bauch schon wieder hart wird!"

Tilda sah zu Liv, die am Tisch saß.

„Koliken!", seufzten beide gleichzeitig.

Er verstand kein Wort.

„Was ist das?"

Liv stand auf und ging zur Tür.

„Sie schluckt zu viel Luft, was kein Wunder ist. Stijns Massage hilft kurzzeitig, aber ich hole etwas, was ihr helfen wird. Bleib hier und setzt dich! Ich bin bald wieder da."

Raik setzte sich an den Tisch und seufzte. Dann sah er lächelnd zu Merle, die an seinem kleinen Finger nuckelte. Er bemerkte nicht, dass seine Mutter ihn beobachtete.

„Hast du Hunger? Du bist wirklich dünn geworden, mein Sohn!"

Raiks Magen knurrte wie auf Kommando los und Tilda lachte.

Sie füllte eine Schale mit dem Eintopf und nahm ein Fladenbrot. Beides legte sie vor Raik und nahm ihn Merle ab.

Wie ein Verhungernder machte sich Raik über den Eintopf her. Er nahm nicht einmal einen Schluck Met, den sie ihm dazu gestellt hatte.

Seine Mutter setzte sich ihm gegenüber und wartete, bis er die erste Schale herunter geschlungen hatte. Dann ließ sie ihm erneut eine Schüssel von einer Magd füllen, während sie Merle hielt.

„So kann es nicht weitergehen, Raik!"

Raik brummte, aß aber weiter. Er wusste, was nun kam. Dieses Gespräch hatte er nun so oft mit seinen Eltern geführt.

„Dein Vater und ich haben dir angeboten, dass du mit den Kindern hier wohnen kannst, bis du das Gröbste hinter dir hast. Ich kann dir helfen."

Er schüttelte den Kopf. Seine Eltern hatten ihn das schon mehrmals angeboten, aber er wollte ihnen einfach nicht zur Last fallen. Sie hatten doch schon genug zu tun.

„Es reicht schon, wenn du auf sie aufpassen musst, während ich mit Da weg bin!"

Sie lachte leise.

„Das klingt beinahe so, als ob die Kinder eine Last für mich wären. Das sind sie aber nicht! Auch nicht für deinen Vater, auch wenn du immer behauptest, er würde hart genug arbeiten und verdiene am Abend seine Ruhe."

Raik schüttelte den Kopf.

„Ich schaffe das schon!"

Tilda seufzte.

„Stur wie alle Gunnarssons. Was habe ich denn erwartet?"

Raik nahm das Brot und tunkte es in die Brühe.

Bei den Göttern, es ging ihm schon viel besser. Zumindest krampfte sich sein Magen nicht mehr vor Hunger zusammen.

„Ich weiß, dass du auch das nicht hören willst, aber vielleicht...wenn du dir eine Frau..."

Sie hob eine Hand als er sie böse anstarrte.

„Ich weiß, dass du Ingrud geliebt hast..."

Raik seufzte.

„Ich habe sie nicht geliebt.Es war einfach eine vernünftige Verbindung. Mehr nicht!"

Tilda riss die Augen auf.

„Du mochtest sie? Mehr nicht? Junge, was redest du da?"

Raik schob die Schale beiseite.

„Nicht jeder Gunnarsson scheint die perfekte Frau zu bekommen. Ich habe Ingrud genommen, weil Vater sie mochte und sie arbeiten konnte. Aber Liebe...nein...das erwarteten wir beide nicht!"

Tilda stieß ihren Atem aus.

„Das habe ich nicht geahnt."

Sie wischte sich leicht über das Gesicht.

„Ich sage das jetzt nicht gerne, mein Sohn, aber du bist so ein Volltrottel!"

Raik lehnte sich gegen die Wand. Das gute Essen und die Wärme machten ihn schläfrig.

„Glaubst du etwa an diese Legende der Gunnarssons? Vielleicht bin ich eine Ausnahme. Vielleicht wollen mich die Götter aber auch strafen, weil ich zu arrogant geworden war."

Seine Augen fielen zu, aber er riss sie wieder auf.

Tilda schnalzte mit der Zunge.

„Ich glaube nicht nur an die Legende. Ich habe sie erlebt! Die Götter lieben euch Gunnarssons und sie würden dich nie mit unerfüllter Liebe bestrafen."

Raiks Atem wurde schwerer und er sackte leicht in sich zusammen. Er hörte, wie seine Mutter aufstand. Nach kurzer Zeit nahm sie seinen Arm.

„Komm mit, Raik."

Widerstandslos ließ er sich von ihr auf seine alte Lagerstätte führen. Er legte sich hin, während seine Mutter ihm die Stiefel auszog und ihn zudeckte. Er spürte ihre Lippen auf seiner Stirn.

„Schlaf dich aus, mein Sohn. Die Götter wachen über dich."

Er konnte doch nicht einfach hier schlafen. Er musste sich um seine Kinder kümmern. Sie brauchten ihn!

Doch es war so weich und warm. Und seine Lider waren so schwer.

Er hörte, wie sein Vater ins Langhaus kam.

„Pst! Raik soll schlafen!"

Er spürte wieder Lippen auf seiner Stirn. Dieses Mal waren es die seines Vaters. Obwohl Raik schon ein Mann war, zeigte sein Vater immer noch, dass er ihn liebte.

Tjark ging wieder zu seiner Frau und Raik lauschte einen kleinen Moment ihrem Gespräch.

„Der Junge macht mich so stolz! Er kümmert sich alleine um die Kinder und das, obwohl er trauert."

Seine Mutter schnaubte.

„Ich glaube, ich sollte dir etwas erzählen, Tjark."



„Ich mache mir Sorgen um Leya."

Naya setzte sich auf Thorges Schoss und küsste ihn sanft auf den Mund.

Er strich ihr über den Bauch, der sich wölbte.

„Sie trauert, mein Mädchen. Jülf ist noch nicht lange tot und sie hat ihn geliebt."

Naya nickte.

„Das würde ich auch verstehen, mein Lieber. Doch ich habe sie heute gehört. Sie war im Wald und fluchte auf die Götter."

Thorge riss die Augen auf.

„Was?"

Naya nickte.

„Sie schrie, weil die Götter ihr angeblich den Mann genommen haben wegen eines Gunnarsson. Ich bin daraus nicht ganz schlau geworden!"

Thorge lehnte sich zurück.

„Seltsam. Wie kommt sie auf den Gedanken? Wir haben ihr doch nichts getan!"

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Aber sie verhält sich nicht normal. Das hat nichts mehr mit Trauer zu tun. Wenn es so weitergeht, dann wird sie krank."

Thorge nickte.

„Was sollen wir tun? Soll ich sie wegschicken?"

Naya lehnte ihren Kopf auf seine Schulter.

„Vielleicht müssen wir das in Betracht ziehen."

Thorge seufzte.

„Ich verliere sie nicht gerne. Sie ist eine gute Frau. Und ich weiß nicht, ob andere sie aufnehmen würden."

Sie küsste ihn auf den Hals.

„Wir sollten zu den Göttern beten. Ich werde aber auch mit ihr reden und fragen, was sie auf einmal gegen die Gunnarsson-Männer hat."

Thorge nickte.

„Das sollten wir tun!"



„Der Junge ist wirr im Kopf. Er hat Tilda erzählt, dass er seine Frau gar nicht geliebt hat, sondern sie nur zum Weib nahm, weil wir sie mochten und sie gut arbeiten konnte."

Stijn starrte seinen Bruder an.

„Was?"

Tjark nickte und wischte sich über das Gesicht.

Er hatte Stijn und Sjard ins Schwitzhaus gerufen, nachdem er von Tilda erfahren hatte, dass Raik seine Frau nicht geliebt hatte.

„Er glaubt nicht daran, dass die Götter ihm gewogen sind und ihm eine Frau bescheren, die seiner würdig ist. Er meinte, er wäre die Ausnahme!"

Sjard lachte spöttisch.

„Glaubt er denn, er ist kein Nachfahre der Gunnarssons?" Er riss die Augen auf und sah vorsichtig zu Tjark. „Er ist doch dein Sohn, oder?"

Stijn schlug ihm auf den Hinterkopf.

„Sei nicht so frech, Bürschchen! Außerdem wäre es den Göttern egal, so lange er geliebt wird. Nimm doch deinen Bruder!"

Sjard lachte und rieb sich den Hinterkopf.

„Thorge ist mehr Gunnarsson als wir alle zusammen." Er wandte sich wieder zu Tjark. „Was willst du tun? Willst du ihm eine Frau aufzwingen?"

Tjark schüttelte den Kopf.

„Natürlich nicht. Das würde er auch ablehnen. Er muss sich schon von selbst verlieben."

Sjard schnaubte.

„Er hat noch nicht einmal einen Bernstein! Er tut es als Humbug ab. Als ich meinen für Elsa gekauft habe, hat er mich ausgelacht."

Tjark schloss die Augen.

„Raik ist ein sturer Hund. Selbst wenn ihm die perfekte Frau in den Schoß fallen würde, wäre er nicht in der Lage, es zuerkennen. Aber es muss sich was ändern."

Stijn nickte.

„Ich war heute entsetzt, als ich ihn gesehen habe. Wie will er eine Schlacht überstehen, wenn er sich kaum auf den Beinen halten kann?"

Sjard stand auf und leerte sich einen Eimer Wasser über den Kopf.

„Er will sich nicht helfen lassen. Ich habe ihn schon oft angeboten, dass Elsa und ich ihm die Kinder abnehmen, damit er wenigstens ausschlafen kann. Doch er weigert sich."

Stijn grinste.

„Ich habe ihn heute regelrecht überfallen und ihm wenigstens Bjarne abgenommen. Der kleine Troll ist wirklich ein lieber Kerl. Saß immer brav neben mir. Ganz anders als dein Lausebengel!"

Sjard zuckte mit den Schultern.

„Was soll ich sagen? Lönne ist das Ebenbild seines Vaters!"

Die Männer lachten schallend.

Tjark lehnte sich nach einer Weile nachdenklich zurück und rieb sich seinen immer noch flachen Bauch.

„Ich werde mit Thorvald reden. Aber so kann mein Sohn an keiner Schlacht teilnehmen."

Stijn lächelte ihn an.

„Wie wäre es denn mit einer Handelsreise? Es ist schon lange her, dass ich meinen Sohn besucht habe."

Sjard verdrehte die Augen.

„Thorge wird froh sein, wenn du ihm nicht andauernd auf die Füße trittst. Und wie willst du Mutter erklären, dass du ins Eisland segelst und sie nicht mit nimmst?"

Stijn verzog das Gesicht.

„Das ist wahr. Liv wird mich umbringen."

Tjark stützte seine Ellbogen auf die Knie.

„Der Einfall ist aber nicht schlecht. Doch wir sollten nicht dabei sein. Tut mir leid, kleiner Bruder, aber ich denke, du wirst noch eine Weile auf deinen Ältesten verzichten müssen."

Sjard schnaubte.

„Ihr habt eines vergessen! Raik und Thorge...sie haben sich zwar versöhnt, aber dennoch. Raik wird nicht freiwillig zu ihm segeln wollen."

Stijn rieb sich über die Bartstoppeln.

„Er muss es ja nicht wissen, wohin es geht. Er sollte einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Hat nicht Finnjard erwähnt, dass er dieses Jahr auf eine Schlacht verzichten will? Er ist erst Vater geworden und er will nur Ware tauschen."

Finnjard war der mittlere Sohn von Thorvald und er gab zu, dass er kein Krieger war. Er bezeichnete sich eher als Gelehrter und Geschichtenerzähler, was Thorvald erst sauer aufgestoßen war. Aber da er noch einige Söhne hatte, akzeptierte er es.

Sjard grinste.

„Er ist bestimmt hoch erfreut, wenn er sich mit Naya austauschen kann."

Stijn klopfte seinem Sohn anerkennend auf die Schulter.

„Und er kann Thorge eine Nachricht übermitteln."

Sjard legte den Kopf schief.

„Das kann auch ich machen. Raik würde es seltsam finden, wenn ich nicht bei ihm bin!"

Tjark stieß seinen Atem aus.

„Du verzichtest auf den Kampf?"

Sjard zuckte mit den Schultern.

„Für Raik würde ich es tun."



So kam es, dass Raik eine Woche später auf Finnjards Boot saß. Er hatte keine Ahnung, warum er ausgerechnet ihm zugeteilt worden war. Doch da Sjard neben ihm saß, schöpfte er keinen Verdacht. Er fragte nicht, wohin es ging, sondern starrte auf den Steg, auf den seine Mutter mit den Kindern stand.

Bjarne winkte ihm zu, während Merle die Abreise ihres Vaters verschlief.

Es würde Monate dauern, bis er seine Kinder wiedersehen würde. Am liebsten wäre er bei ihnen geblieben, aber er hatte Thorvald Treue und Gehorsam geschworen. Also saß er nun auf diesem Boot und ruderte zum offenen Meer hinaus.

Erst als sie eine Weile auf See waren, fielen ihm die vielen Truhen auf.

„Wird das nur eine Handelsfahrt?", raunte er Sjard zu.

Der nickte.

„Du kennst doch Finnjard."

Das schon. Aber warum schickte Thorvald gute Krieger auf Handelsfahrt?

Das ging nicht mit rechten Dingen zu.

„Du weißt doch was?", zischte er Sjard zu.

Der grinste.

„Es kann sein, dass Finnjard den Wunsch verspürt, eine Geschichtenerzählerin zu besuchen und zwischendurch seine Ware auf Märkte verkaufen will."

Raik klappte die Kinnlade nach unten.

„Er segelt zu Thorge?"

Sjard hob arrogant sein Kinn.

„Ich denke, du hast nichts mehr gegen meinen Bruder?"

Das hatte er auch nicht. Sie hatten sich bei seinem letzten Besuch ausgesprochen.

Dennoch.

„Ich werde meine Kinder lange nicht wiedersehen."

Sjard nickte.

„Du kommst aber zur Ruhe. Du brauchst das!"

Raik schnaubte.

„Ich brauche keine Ruhe. Ich brauche meine Kinder!"

Sjard verdrehte genervt die Augen.

„Sehe es doch so. Du kommst zur Ruhe und wenn du deine Kinder wiedersiehst, hast du die nötige Kraft sie wieder alleine zu erziehen. Und das willst du doch!"

Raik fluchte derb, doch dann lenkte er ein. Sjard hatte in gewisser Weise Recht.

„Nun gut. Aber denke nicht dran, dass du mir eine Frau andrehst."

Sjard hob seine Hände nach oben.

„Das werde ich bestimmt nicht."



Freya sah zu den zwei Nachfahren und kicherte.

Ihr war langweilig geworden und sie wandte sich deshalb wieder den Gunnarssons zu.

Es hatte sich viel getan und sie hatte kaum etwas tun müssen, was sie schade fand.

Sie tippte sich mit dem Finger ans Kinn und dachte nach. Eigentlich hatte sie seit Stijn keinen Einfluss mehr auf die Gunnarssons genommen. Warum auch? Es waren alles starke Männer und sie hatten ihren Weg gemacht.

Doch Raik machte ihr Sorgen.

Sie hatte sich über seine Geburt gefreut, doch dann hatte er eine Entwicklung gemacht, die ihr gar nicht gefallen hatte. Er war arrogant geworden und wollte sogar seinem Vetter schaden.

Bevor sie etwas Dummes hatte tun können, hatte sie sich lieber von ihm abgewandt und hatte die anderen beobachtet.

Doch nun...

Er tat ihr leid.

Sie schaute in die Ferne auf die große, eisbedeckte Insel, auf der eine Frau trauerte und alle Gunnarssons verfluchte.

Du hast einen Fehler gemacht, Freya! Du hättest ihr es nicht sagen dürfen!"

Sie verdrehte genervt die Augen.

Sie war so verzweifelt, Odin. Ich dachte, wenn sie sehen würde, dass sie nicht mehr lange alleine ist, würde es ihre Trauer etwas schmälern!"

Odin setzte sich an den Herd.

Nun wird es aber schwieriger."

Freya schnaubte.

Sie hat die Liebe noch gar nicht kennen gelernt. Sie meinte, dass sie ihren Gatten geliebt hatte, doch, wenn sie endlich klar sehen würde..."

Odin hob einen Finger.

Für sie war es Liebe, wenn auch aus falschen Gründen. Sie dachte, sie schuldet es Jülf. Und du musst zugeben, dass Jülf ein guter Mann war...ist!"

Freya legte ihre Hände auf die Stuhllehne und sah Odin ernst an.

Du hast mit ihm gesprochen?"

Odin nickte.

Und was meint er?"

Odin lachte.

Was soll er schon dazu meinen? Er hat getobt, weil es seine Frau ist. Aber ich habe ihm erklärt, dass sie es verdient glücklich zu sein. Seine Worte waren in etwa so. Lieber einen Gunnarsson, als ein Dahergelaufener."

Freya klatschte in die Hände.

Dann lass uns beginnen!"

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