Kapitel 57

Roxana P.O.V.

"Home sweet Home." Leo ließ sich erleichtert auf unsere Couch fallen und seufzte zufrieden auf. Der Flug war lange und anstrengend und das stundenlange Warten auf die Starterlaubnis, die wegen eines Schneesturms nicht erteilt werden konnte, war echt beschissen. Ich hätte gut und gerne noch ein paar Tage länger in Italien bleiben können, aber die Feiertage waren um und meine Brüder und ich mussten demnächst wieder in die Schule.

Die ganze Geschichte mit Rafael steckte mir noch immer in den Knochen und so langsam begann ich an all dem zu zweifeln. Ich hatte nicht nur einmal versucht Rafa zu erreichen um ihm die ganze Sache zu erklären, aber scheinbar wollte er nicht mit mir reden. Milo hatte mir zwar auch versprochen mit ihm zu reden, aber Erfolg hatte er wohl keinen. Mehr machen konnte ich auch nicht. Vielleicht bestand noch die Möglichkeit bei Rafa zuhause aufzuschlagen, allerdings hatte ich keine sonderlich große Lust die Türe vor der Nase zugeschlagen zu bekommen. Das ließ mein Stolz definitiv nicht zu, was ich wohl auch zum Teil meinen italienischen Wurzeln zu verdanken hatte.

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Ich hatte nicht vor die restlichen verbliebenen Tage der Ferien irgendetwas zu tun, weshalb ich auch am Tag nach unserm Heimkommen in Jogginghose und einem Pulli von Carter auf dem Sofa herum gammelte während alle anderen schon wieder produktiv waren. Meine Brüder waren ins Fitnessstudio gegangen um die überflüssigen Weihnachtspfunde wieder los zu werden und Mom und Dad waren schon wieder bei der Arbeit.

So hatten meine Serien und ich sturmfrei und ein Date mit einem Becher Ben and Jerrys. Das Leben konnte ja so schön sein.

Und trotz der hervorragender Ablenkung von Netflix schweiften meine Gedanken immer wieder zu Rafa, auch wenn ich jedes mal aufs Neue versuchte sein Gesicht in den hintersten Winkel meines Gehirns zu verbannen. Dieser Junge machte mich unglaublich verrückt. Positiv und negativ.

Gerade als ich wieder einen Löffel Eis in den Mund stopfte klingelte es an der Tür, weshalb ich frustriert stöhnend aufstand. Es hatte wohl doch Nachteile, dass ich alleine Zuhause war.

Kaum hatte ich die Türe zu unserer Wohnung aufgemacht sprang mir ein breit grinsender und scheinbar bestens gelaunter Milo entgegen, der mich in eine herzliche Umarmung zog. "Frohes Neues, Kleine." "Dir auch, Milo. Aber darf ich fragen was du hier machst?" "Dich aus deiner Höhle holen. Wir gehen jetzt Kaffee trinken und dann erzählst du mir mal ganz ausführlich was das mit diesem Matteo auf sich hat. Also hopp, hopp umziehen und auf gehts." "Milo!" Lachend schob er mich Richtung Treppe und pflanzte sich dann auf die Couch im Wohnzimmer. Kopfschüttelnd lief ich in mein Zimmer und zog mir eine andere Hose an. Den Pullover von Carter lies ich kurzerhand an.
Man, ich wollte mir doch eigentlich einen entspannten Tag machen. Wieso zur Hölle war Milo so überzeugend?

Kurze Zeit später war ich wieder unten, wo Milo schon ungeduldig gewartet hatte. "Okay, los gehts." Ich stemmte mich vom Boden ab auf dem ich gerade noch meine Schuhe angezogen hatte und ließ mich dann von Milo schon beinahe aus der Wohnung schubsen. Zwar hatte ich das ungute Gefühl, dass Milo mehr geplant hatte als nur Kaffee zu trinken, aber ich kannte ihn mittlerweile so gut, dass ich wusste ihn nicht umstimmen zu können wenn er so drauf war wie im Moment.

Auf der Straße hielt er mir grinsend die Tür eines schwarzen Escalade auf und während er gut gelaunt wenig später auf der anderen Seite einstieg fragte ich mich lediglich wie er dieses Schlachtschiff in diese verdammt kleine Parklücke gebracht hatte.

"Wieso warst du eigentlich von einen auf den anderen Tag verschwunden?" Interessiert sah ich zu ihm und wartete auf eine Antwort seinerseits. Ich hatte eigentlich vorgehabt etwas mit Cara und Milo zu unternehmen, aber als ich bei meiner Freundin angerufen hatte meinte sie nur, dass ihr Cousin im Moment auf dem Weg nach New York war.
"Rafa und Luca hatten ein paar Probleme hier und ich wollte ihnen helfen. Und bevor du fragst, nein ich werde dir nicht sagen was das für Probleme waren." Frustriert verschränkte ich die Arme vor der Brust was den Jungen neben mir zum lachen brachte. Ja, ja lach mich ruhig aus.

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"Milo, was soll das?" Genervt lies ich mich von ihm aus dem Aufzug ziehen und stand mir nichts dir nichts vor der Tür der Salvatores. Wir waren tatsächlich Kaffee trinken, aber dann hatte Milo mich mehr oder weniger entführt und hier her geschleppt. "Reg dich ab, Süße. Weder Rafa noch Luca sind Zuhause. Cara wollte dich sehen, das ist alles." Misstrauisch beobachtete ich ihn wie er die Tür zum Penthouse aufschloss und mich dann hinter sich her schleifte. Kaum standen wir in Mitten des Eingangsbereichs kam Cara wie ein wild gewordenes Huhn auf uns zu gerannt und zog mich in eine stürmische Umarmung. Dann wandte sie sich zu ihrem Cousin und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Danke Milo, du bist der Beste." "Stets zu Ihren Diensten, Mylady." Er machte eine kleine Verbeugung und verabschiedete sich grinsend. Ich mochte diesen Jungen immer mehr. Trotz dem ganzen Drama in dem ich steckte, war ich tatsächlich froh ihn und auch Cara kennengelernt zu haben.

Cara brachte ich in ihren Traum von Zimmer und ließ sich, genauso wie ich auch, auf das unendlich weiche Bett fallen. "Also Roxy, jetzt erzähl mal was es mit diesem Kerl genau auf sich hat. Dass er schwul ist weiß ich aber ich brauch noch mehr Details." Lachend schüttelte ich den Kopf. "Was willst du denn für Details? Ich kenne Matteo schon seit ich klein bin. Er hatte es im Dorf nie leicht seit er sich geoutet hat und ich hab ihn eben unterstützt wo ich nur konnte. Auch wenn ich nicht gerade in Italien war." "Das ist echt lieb von dir." Ich zuckte lediglich die Schultern. "Für sowas sind Freunde doch da, oder nicht?" Für mich war es selbstverständlich für meine Freunde da zu sein, zumindest für die die wirklich meine Freunde waren. Zwar konnte ich die beinahe an einer Hand abzählen, aber lieber nur ein paar echte Freunde als viel zu viele falsche, nicht wahr?

"Verdammt Cara! Dein Hund verliert schon wieder abartig Haare, meine ganze Hose..." Mein Blick richtete sich auf Rafael, der in samt Bonny im Schlepptau in das Zimmer seiner Schwester gestürmt war.

Cara sprang innerhalb einer Sekunde auf und flitzte an Rafael vorbei und schmiss die Türe hinter sich zu. Ich hörte einen Schlüssel im Schloss und dann Caras Lachen. "Das war zwar nicht geplant, aber ihr Turteltauben kommt hier erst raus wenn ihr miteinander geredet habt!"

Rafael stand wie bestellt und nicht abgeholt noch immer auf der gleichen Stelle während ich nach wie vor auf Caras Bett saß und nicht so recht wusste, was ich jetzt machen sollte.
"Willst du dich nicht zu mir setzten?" Ich machte etwas Platz und sah ihn abwartend an. "Damit ich der nächste bin, mit dem du kuschelnd im Bett liegen kannst?" "Meine Fresse, Rafa! Stell dich nicht an wie ein Kleinkind und lass es mich erklären, verdammt. Und außerdem sind wir schon kuschelnd im Bett gelegen, und das mehr als einmal." Der Anflug eines Grinsens huschte über sein Gesicht ehe sein Blick fest auf mir lag und mich auffordernd ansah. "Okay, erklär es mir." Seufzend setzte ich mich aufrecht hin.

"Matteo ist schwul." "Ja klar." Genervt rollte ich die Augen. "Ich kann ihn hier und jetzt anrufen und du kannst ihn fragen. Er ist mein bester Freund aus Italien und ich kenne ihn schon ewig. Ich war die Erste, der er erzählt hat, dass er auf Männer steht. Wir waren immer füreinander da und werden es hoffentlich auch immer sein, aber mehr war, ist und wird da nicht sein. Ob du es mir glaubst oder nicht ist deine Sache. Ich kann dir nicht mehr als mein Wort geben. Wenn dir das nicht reicht, kann ich auch nichts dafür."

Ohne noch weiter auf ihn oder seine Reaktion zu achten stand ich von Caras Bett auf und lief zu der großen Fensterfront die einen unglaublichen Blick über New York präsentierte. Ich wollte ehrlich gesagt nicht in Rafaels Gesicht sehen. Ich hatte ihn mittlerweile viel zu gern. Vermutlich würde ich es jetzt einfach nicht ertragen zu sehen, dass er mir nicht glaubte.

Ich hörte wie Rafael leise etwas vor sich hinmurmelte, konnte aber nicht verstehen was, und im nächsten Moment schlangen sich zwei starke Arme um meinen Körper. Rafa hauchte einen federleichten Kuss auf mein Schlüsselbein ehe er seinen Kopf auf meine Schulter legte. "Es tut mir leid, Roxy." "Meinst du wirklich, dass es mit einem tut mir leid getan ist? Du hast mir indirekt unterstellt eine Hure zu sein." Die Worte die er mir in Italien an den Kopf geworfen hatte, hatten wirklich weh getan. "Ich weiß, dass ich den größten Mist überhaupt gesagt hab. Irgendwie ist da so eine Mischung von meinem Temperament und meinem Ego mit mir durchgegangen." Kurz rang ich mit mir, legte dann aber meine Hände auf seine, die er vor meinem Bauch verschränkt hatte. Klar hätte ich ihm gleich an den Kopf werfen können, dass Matteo garantiert nichts mit mir am laufen hatte, aber nach dem mir Rafael praktisch vorgeworfen hatte mich durch die halbe Weltgeschichte zu vögeln, hatte bei mir alles ausgesetzt und ich wollte ihn einfach nicht mehr sehen.

Jetzt ihn aber wieder so nahe bei mir zu haben... Ich konnte ihm nicht böse sein.

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Wie schon so oft zuvor sahen Rafael und ich zusammen auf dem Dach des Wolkenkratzers und sahen dem nächtlichen Treiben New Yorks zu. Tatsächlich hatte uns Cara einige Zeit nach unserem kleinen Gespräch wieder aus ihrem Zimmer gelassen und war sichtlich zufrieden mit ihrem Erfolg.
Und Rafael hatte mich seit dem auch nicht mehr gehen lassen. Wir hatten so einiges geklärt nur eine Kleinigkeit noch nicht. Und genau das wollte ich jetzt aber machen. Seit unserem Kuss im Krankenhaus war ich mir nicht so ganz sicher was das zwischen uns jetzt war. Dass wir nicht einfach nur Freunde waren war mir mehr als nur bewusst und dass zumindest teilweise Gefühle im Spiel waren, konnte man auch nicht leugnen.

Na dann, Mut zusammen nehmen. Mehr als eine Abfuhr konnte es schließlich nicht werden.



Lesenacht #1

In zwei Stunden wird's weiter gehen ☺️

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