Kapitel 47

Rafael P.O.V.

Mit dem Blick starr aus dem Fenster gerichtet stand ich im Büro meines Vaters und sah auf die Stadt die unter mir lag. Meine Hände hatte ich in den Taschen meiner Anzugshose vergraben während ich auf meinen Vater wartete, der noch mit seinen sämtlichen Beratern und Anwälten im Besprechungsraum war. Theoretisch sollte ich auch noch dort sein, aber das Gespräch, das wir gerade mit einem Anführer von einer der zahlreichen, meist unbedeutenden, Gruppierungen hatten, hatte mir voll und ganz gereicht.

Seit einiger Zeit kümmerte sich mein Vater im Großen und Ganzen nur noch um den Teil der Geschäfte, der sich aus dem Büro heraus erledigen ließ. Die Aufgaben die außerhalb dieses Gebäudes lagen überließ er getrost Luca und mir. Und trotzdem verdonnerte er mich regelmäßig an irgendwelchen wichtigen Treffen teilzunehmen um mit allen möglichen Bereichen klar zu kommen.

Mein Vater galt als einer der angesehensten Geschäftsmännern New Yorks, allerdings nur für die Öffentlichkeit. Unsere Firma lief zwar auf unseren Vater, wurde aber hauptsächlich von einigen Geschäftsführern, die alle eine enge Verbindung zu unserer Familie hatten, geleitet. Mein Vater galt als Repräsentant der Firma, hatte aber ganz andere Geschäfte im Kopf.

Hinter dem Phantom Salvatore, das seit Jahrzehnten New York erschütterte, versteckte sich mein Vater, sowie mein Großvater bereits vor ihm. Und irgendwann würde ich an seine Stelle treten.
Kaum jemand kannte die Person die hinter diesem Phantom steckte. Nur die, denen mein Vater vertraute oder die bereits dem Tode geweiht waren, kannten sein Gesicht. Das ganze Versteckspiel sorgte dafür, dass unsere Familie mehr oder weniger sicher war und meine Geschwister und ich eine einigermaßen normale Kindheit haben konnten.
Klar, es gab Gerüchte über meinen Vater und ob er eine Verbindung zu der Mafia hatte, aber unser Nachname war nicht selten, weshalb niemand etwas beweisen konnte und die meisten der Gerüchte im Sande verliefen.

Ich schreckte auf und wirbelte , als die Tür hinter mir aufgestoßen wurde und mein Vater und Milo den Raum betraten. "Schick siehst du aus, Rafilein." Schelmisch grinste Milo und betrachtete den Anzug in dem ich steckte. Er wusste ganz genau, dass ich diese Dinger nicht leiden konnte. "Fresse, Milo." "Rafael!" Mein Vater sah mich mahnend an, während mein Cousin sich das Lachen verkneifen musste um nicht selbst angeschissen zu werden.
Mein Dad war eigentlich ein liebevoller Vater allerdings war er auch verdammt autoritär, was mich immer wieder dazu veranlasste ihm gegenüber Kleinbei zu geben. Genauso wie auch jetzt. Mein Dad setzte sich in seinen schweren, ledernen Bürostuhl und wartete darauf, dass Milo und ich uns gegenüber von ihm niederließen.

"Ich will, dass ihr zu den Lagerhäusern in der Bronx fahrt und bei Chester nach dem Rechten schaut. Ich habe gehört, dass er in Geschäfte mit der Yakuza verwickelt ist. Ich will alles wissen, und wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit daran ist, sorgt ihr dafür, dass er die längste Zeit Geschäfte gemacht habt. Habt ihr verstanden?" Ich nickte und sah aus dem Augenwinkel wie auch Milo zustimmte.
Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen richtete mein Vater seine Aufmerksamkeit auf die Akten, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet waren. Seufzend erhob ich mich und folgte Milo aus der Tür.

Im Aufzug lehnte ich mich gegen die verspiegelte Wand und fuhr mir durch meine mittlerweile zu lang gewordenen Haare. "Was ist los mit dir, Alter?" Milos grüne Augen musterten mich von oben. "Ich weiß nicht was du meinst." "Komm schon, ich kenn dich beinahe besser als mich selbst. Seit die Männer von Martinez hinter dir und deiner Süßen her waren bist du total merkwürdig drauf. Und das ist jetzt schon ein paar Tage her." "Vergiss es einfach, okay?" Kaum waren die Aufzugtüren aufgeschwungen stürmte ich aus der engen Kabine und lief zu dem schwarzen Escalade am anderen Ende der Tiefgarage.

Es waren jetzt drei Tage vergangen seit ich mit Roxy durch den Central Park geflüchtet war. Noch in der selben Nacht bekamen wir eine Nachricht von Julio Martinez. Eine Drohung zusammen mit einem Bild von Roxy und mir.
Martinez gehörte zu einem großen Drogenkartell in Mexico und sollte dafür Sorgen, dass auch der Markt hier in New York ausgebreitet wurde. Das einzige Problem das Martinez hatte waren wir. Klar gab es noch genügend kleinere Drogenringe in New York, allerdings waren diese eher unbedeutend und standen Martinez nicht im Weg. Wir allerdings schon. Mein Vater sah den Drogenhandel als positiven Nebeneffekt um sein Kapital etwas aufzustocken.
Rodriguez, der Spitzel mit dem ich vor einigen Wochen Russisch Roulett gespielt hatte, war ebenfalls Teil des Drogenkartells und stand in der Hierarchie nicht viel unter Martinez. Deshalb waren auch die Männer hinter uns her. Sie wollten Rodriguez zurück. Weshalb sie ein relativ hochrangiges Mitglied als Spitzel einsetzten, war mir zwar ein Rätsel, aber mein Vater hatte noch andere Pläne mit dem Mexikaner.

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"Rafael, schön dich mal wieder zu sehen." Chester kam lachend auf uns zu, allerdings huschten seine Augen nervös von links nach rechts. Er versuchte etwas zu verbergen, das sah ich ihm an. Üblicherweise vertrauten wir unseren Leuten und so bestand meistens kein Grund sie zu kontrollieren und besonders nicht unangekündigten. Wenn dann doch mal jemand vorbei kam, hatten die Leute meistens noch genug Zeit alles zu verstecken oder zu beseitigen das uns nicht gefallen könnte.

"Ich bin mir nicht so sicher, ob du das nachher auch noch so sehen wirst." Der Mann kam vor uns zum stehen und versuchte mich möglichst neutral anzusehen. Die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn und das hin und her Huschen seiner Augen verrieten ihn allerdings. Oh, dieser Kerl hatte definitiv Scheiße am Stecken.
"Wieso denn nicht? Darf ich Fragen, was uns eure Anwesenheit beschert?" "Nein, darfst du nicht, aber ich denke du weißt es selbst ganz genau. Ich werde jetzt in dein Büro gehen während du hier mit Milo wartest. Solltest du hier irgendwelche Dummheiten machen, wird dir Milo zuerst ins eine Knie schießen. Sollte dir das nicht reichen kommt das andere dran. Und wenn du dann immer noch auf dumme Gedanken kommen solltest, dann wirst du eine Kugel in deinen Kronjuwelen haben. Alles soweit verstanden?" Er schluckte hart, nickte dann aber. Mit einem spöttischen Grinsen auf den Lippen sah ich ihn an, nickte Milo zu und machte mich dann auf den Weg zu Chesters Büro. Dieser miese Hund hatte etwas zu verbergen.

Ich lief durch die große Halle und erntete von allen Seiten teils interessierte, teils eingeschüchterte, fast sogar schon ängstliche Blicke. Einige der Arbeiter wussten wer ich war, einige waren neu und hatten daher keine Ahnung.
Im Gegensatz zu meinem Vater machte ich kein ganz so großes Geheimnis daraus wer ich war. Deshalb fragte ich mich auch immer wieder, wie es bis jetzt keine auf die Kette bekommen hatte eine Verbindung zwischen all dem herzustellen. Aber mir sollte es recht sein, dann hatte ich zumindest teilweise meine Ruhe.

Auf dem Weg zum Büro beäugte ich skeptisch eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit blauem Auge und blutiger Lippe. Das war definitiv frisch. Verängstigt und mit gesenktem Blick verpackte sie die kleinen Päckchen. Wenn das Chester war, dann gnade ihm Gott.
Die Frau erinnerte mich an Roxy, wie sie vor Angst zusammengekauert vor mir saß, ihr Gesicht, das sich in den unnatürlichsten Farben verfärbt hatte.
Ich konnte es nicht mitansehen wenn unschuldigen Leuten leid angetan wird. Ich hatte auch schon genug Leute verletzt, sogar getötet, aber nie waren sie unschuldig. Wirklich nie.
Ich würde noch herausfinden was mit der Frau geschehen war, aber nicht jetzt.

Ich stieß die morsche Holztüre auf und trat in das kleine, stickige Büro ein. Ein Holztisch, auf dem sich Papiere und Unterlagen stapelten, nahm den Großteil des Raumes ein und sorgte für ein beklemmendes Gefühl. Ich ließ mich auf den Bürostuhl hinter dem Tisch fallen und begann die Unterlagen durchzugehen. Nebenbei startete ich Chesters Laptop.
Gerade als ich die erste Akte wieder geschlossen hatte ertönte ein entfernter Schuss und darauf folgte ein leiser Aufschrei. Kopfschüttelnd widmete ich dem nächsten Ordner. Ich hatte ihn gewarnt.

Die Akten die sich auf Chesters Schreibtisch türmten waren nichts besonderes. Aufträge, Lieferungen, Namen der Dealer. Nichts das ich nicht schon kennen würde. Auch sämtliche Dateien auf seinem PC waren nicht sonderlich von Bedeutung für mich. Ich war mir sicher, dass dieser Hund etwas zu verbergen hatte, sonst wäre er niemals so nervös gewesen.
Ich hatte irgendetwas übersehen.
Langsam erhob ich mich von dem knarrenden Stuhl und sah mich genauer um. Viel war in dem kleinen Büro nicht zu sehen. Keine Regale oder Schränke in denen er etwas verstecken hätte können. Den Schreibtisch hatte ich schon auf geheime Fächer untersucht, erfolglos. Mein Blick schweifte weiter, als mir eine lose Bodenplatte auffiel. Bingo.
Ich kniete mich auf den Boden und schob die Platte etwas zur Seite und wurde fündig.
Ich wusste es.

Schnelle blätterte ich die Akte durch und war nicht sonderlich überrascht. Chester machte Geschäfte mit einer New Yorker Gruppierung der Yakuza. Im Endeffekt war das nicht nur für ihn lebensgefährlich.
Wir hatten einen Deal mit ihnen. Wir mischten uns nicht in ihre Geschäfte ein und sie sich nicht in unsere. Ganz einfach. Und Chester gefährdete gerade diesen Deal. Das war ein großer Fehler, Junge.

Pfeifend und mit bester Laune, dass ich Recht behalten hatte verließ ich wieder sein Büro und machte mich auf den Weg zu der jungen Frau, die sofort ihren Blick senkte als sie mich sah. "Wie heißt du?" Langsam sah sie auf und blickte in mein Gesicht. In ihren Augen spiegelte sich Angst und Verwirrung wieder. "Elena." "Okay, Elena. Kannst du mir sagen, wer dir das angetan hat?" "Das ist egal, Sir." "War es Chester?" Sie senkte ihren Blick wieder, was für mich Bestätigung genug war. "Hat er dir noch mehr angetan?" Kaum merklich nickte sie. Oh, dieser miese Hund würde bluten.

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"Bist du dir sicher, dass ich gehen kann?" Milo schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch und sah mich fragend an. Schnell nickte ich. Ich wusste, dass Milo zu seinem Kumpel wollte und ich würde auch alleine mit Chester fertig werden. Lachend klopfte er mir auf die Schulter. "Pass bloß auf, dass dein schicker Anzug nicht zu viele Blutspritzer abbekommt."

Gerade als Milo in seinen Wagen gestiegen war und losgefahren war kamen Jonny und zwei weitere unserer Männer auf mich zu. "Holt Chester aus dem Kofferraum und bringt ihn in den Keller. Ich komme dann." Die drei nickten und gingen zum Auto während ich in unsere Halle lief und mich nach einer ganz bestimmten Person umsah.

Nate.


Yo Potatoes 😊

Mal wieder ein neues Kapitel 🙈

Ich hoffe euch hat es gefallen 😊

Was denkt ihr über diese andere Seite von Rafael?

Love you ♥️

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