• JV und LL •


Jüri POV:
Juni, Baku 2022

Mit gesenktem Blick und geschlossenem Visier laufe ich durch die Boxengasse, während Im Hintergrund die italienische Hymne spielt.
Das Hauptrennen ist gerade zu Ende gegangen und sagen wir es mal so, es war scheiße, absolut scheiße. Ich hatte meinen Boliden in die Wand gesetzt, eigenverschuldet.
Schon wieder.
Schon wieder ein selbstverschuldeter Unfall. Es ist ja nicht so, als hätte ich schon genug Pech gehabt diese Saison.
Endlich bin ich bei meiner Garage angekommen.
Zum Glück muss ich die Hymne nicht mehr hören. Eigentlich hätte ich da oben stehen müssen. Hätte ich es nicht schon wieder verbockt. Plötzlich kocht die Wut in mir hoch. Wie Feuer setzt sie meinen Körper in Flammen. Von diesen geleitet stürme ich in die Garage, wo alle schon mit dem Abbauen angefangen haben, da Marcus ebenfalls schon zurück war.
„Es ist ok", meint einer meiner Ingenieure von der Seite zu mir, doch ich gehe gar nicht darauf ein und stürme an ihm vorbei in meinen Fahrerraum, wo ich wütend die Tür zuknalle. Meinen Helm lege ich mehr oder weniger sanft auf den Tisch, meine Handschuhe donnere ich in die Ecke. Frustriert lasse ich mich auf meiner Liege nieder und stütze mein Gesicht in meine Hände. Wieso hatte ich schon wieder so ein Pech? Ich ziehe Pech einfach magisch an.
Andererseits ist es dieses Jahr auch nicht mehr das Selbe. Nicht, dass es weniger Spaß macht Rennen zu fahren. Wenn es gut läuft ist ja auch alles top. Nur läuft dieses Jahr gar nichts mehr. Auch das Klima im Team ist anders. Oder ich nehme es als anders wahr. Der Grund dafür ist eindeutig, zumindest in meinen Augen. Es fehlt ein Teil. Und damit meine ich nicht, dass wir unseren Haupstsponsor verloren haben, sondern ihn. Wer damit gemeint ist? Mein Teamkollege des letzten Jahres, Liam Lawson. Wir hatten so eine gute, fast perfekte Harmonie im Team, es war unglaublich. Auch waren unsere Ergebnisse immer konstant, sodass wir relativ gut in der Meisterschaft dastanden und jetzt? Jetzt liege ich hinter meinem Teamkollegen auf Platz 8 in der Fahrer-WM und habe 88 Punkte Rückstand auf den Gesamtführenden Drugovich. Es ist einfach nur frustrierend, dass es einfach nicht läuft und wie viel Auswirkung Liams Präsenz tatsächlich auf mich hat. Ohne ihm läuft irgendwie gar nichts. Nichts gegen Marcus, ich mag ihn sehr, wir kennen uns ja auch schon aus früheren Zeiten, aber ich mag Liam einfach auf eine andere Art und Weise. Nicht nur als Freuden und Teamkollegen, sondern mehr. Intensiver. Ich will mit ihm mein Leben verbringen. Ja, mich hat es echt erwischt, aber wie kann man auch anders; Seine blauen Augen sind einfach wunderschön und bei seinem Lächeln will ich gar nicht erst anfangen, ich könnte Stunden schwärmen.
Ein kleines Lächeln huscht mir über die Lippen und ich reibe mir kurz mit den Händen übers Gesicht, nur, um sie gleich wieder darin zu verbergen. Wieso hat er diesen Einfluss? Ich will das nicht! Meine Leistungen sollen wieder nach oben, so wie letzte Saison.
Frustration macht sich erneut in mir breit und ich stoße einen lauten Schrei aus. In meinem eigenen Gebrüll hätte ich fast das Türklopfern nicht mitbekommen, welches mit Bedacht ertönt.
„Lass mich in Ruhe!", brülle ich gegen die Tür und verstecke mein Gesicht in den Händen.
„Jüri, mach auf, ich bin's!", höre ich eine allzu bekannte Stimme sagen.
Liam.
Das war definitiv Liams Stimme gewesen.
Wie in Trance richte ich mich gegen meine eigentlichen Willen auf und schlurfe in kleinen Schritten zur Tür, nur um sie einen kleinen Spalt zu öffnen. Da ich immer noch betreten auf den Boden schaue, merke ich nur an einem kleinen Windhauch, dass der Neuseeländer den Raum betritt und schließe die Tür sofort wieder, rühre mich jedoch nicht vom Fleck.
„Liam", hauche ich mehr in Richtung Boden, als zu meinem Gegenüber.
„Jüri", meint mein Gegenüber und schlingt plötzlich seine Arme um mich. Im ersten Moment reagiere ich gar nicht sondern stehe einfach nur da, doch dann schlinge ich meine Arme ebenfalls um ihm und lasse alle Dämme brechen. Tränen laufen meine Wangen herunter, während ich mein Gesicht an die Brust des jüngeren drücke.
„Shhh, alles wird gut, alles wird gut, ich bin ja hier", flüstert er ganz leise, sodass nur ich das hören kann, doch ich höre gar nicht wirklich hin. Immer mehr Tränen laufen mir die Wangen herunter, während ich mein Ohr an seine Brust lege, sodass ich seinem Herzschlag lauschen kann. Ruhig und regelmäßig. Liam hat mittlerweile damit begonnen, mir sanft durch meine verschwitzten Haare zu fahren. Das ihn das nicht stört.
„Jüri, komm, lass uns uns wenigstens hinsetzten, stehen ist unbequem",meint Liam und drückt mich vorsichtig in Richtung der Liege. Ohne Widerstand lasse ich zu, dass Liam einen Arm und meine Hüfte schlägt und mich zur Liege führt.
„Komm mal her und setze die neben mich", befiehlt er mir schon fast und klopft neben sich auf die Liege. Ich folge seiner Bitte uns lasse mich neben ihm nieder. Sofort legt er seinen Arm um meine Schultern.
„Das kann jedem mal passieren", versucht er mich aufzubauen.
„Ja, Mal, mir ist das jetzt aber schon zum wiederholten Male passiert. Und es war immer um den Sieg.", murmle ich betreten und merke, wie mir erneut Tränen über die Wangen laufen.
„Ja, das ist natürlich Scheiße, aber..."
„Nein Liam, da gibt es kein „Aber". Es ist einfach scheiße"
„Weißt du überhaupt, wo ich gelandet bin am Ende?"
Betreten schüttle ich den Kopf.
„Habe ich mir gedacht, P15 Jüri", erinnert mich Liam mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
„Warst du nicht in den Top 10?", runzle ich die Stirn und blicke zum ersten Mal in die blauen Augen meines Gegenübers.
„Ja, aber es ist einfach alles doof gelaufen"
„Genau wie bei mir"
„Richtig. Siehst du, alle haben mal ein schlechtes Rennen und meine Saison ist auch nicht die Beste."
„ Ja, aber..",versuche ich weitere Argumente zu finden, was mir jedoch misslingt.
„Siehst du Jüri, du musst dich nicht alleine fühlen"
„Es ist einfach nur frustrierend".
„Ja, aber Frust soll man rauslassen. Reden soll helfen. Und zufälligerweise sitzt hier jemand, der gerne mit dir redet", grinst Liam verschmitzt und ein leichtes Lächeln umspielt seine Mundwinkel.
„Ich rede auch gerne mit dir, falls du jemandem zum Reden brauchst", biete ich dem jüngeren an.
„Genau deshalb bin ich hier", meint Liam, legt einen Finger an meine Wange und wischt mit seinem Daumen meine restlichen Tränen weg.
„So, und jetzt wieder Lächeln, steht dir sowieso besser.", sagt mein Gegenüber und grinst mich schief an.
Sofort setze ich ein mehr oder weniger ehrliches Grinsen auf und schaue direkt in die Augen von Liam.
Dieses Blau ist einfach wunderschön. Sie erinnern mich an den strahlenden, blauen Himmel im Sommer. Meine Lieblingsjahreszeit.
„Jüri? Jüri? Hörst du mir überhaupt zu?"
Sofort reiße ich meinen Blick von seinen Augen los und schaue woanders hin, wobei ich merke, dass mein Gesicht tomatenrot wird.
„Was meintest du?", harke ich peinlich berührt nach.
„Ich hatte dich gefragt, ob wir heute Abend etwas essen gehen wollen? Damit wir auf bessere Gedanken kommen. Essen geht auch auf mich"
Das Angebot war zu schön, um es nicht anzunehmen. Abgesehen davon, einen Abend mit Liam alleine hatte ich noch nie.
„Also sehen wir uns in einer Stunde am Ausgang vom Paddock?", schlägt Liam vor und ich nicke als Bestätigung.
„Das freut mich, dann bist dann", verabschiedet Liam sich von mir und drückt mir einen schnellen Kuss auf dem Kopf.
„Bis, nachher", murmle ich wie in Trance, während ich realisiere, was Liam da gerade gemacht hat.
Ich stehe bestimmt weitere 5 Minuten da, bis mir einfällt, dass ich mich vielleicht duschen sollte und mich fertig machen sollte, bevor ich losgehe.
Also schnappe ich mir eine kurze, schwarze Hose und ein Schlichtes, weißes T-shirt und verschwinde zu den Duschen, wo ich meinen verschwitzten Rennanzug in die Ecke schmeiße und schnell unter die Dusche hüpfe. Das kalte Wasser tut gut, gerade nach dem anstrengenden Rennen und den hohen Außentemperaturen.

Als ich am Ausgang stehe, ist von Liam noch nichts zu sehen, was mich jedoch nicht überraschst, da ich zehn Minuten zu früh bin. Mein Team hatte ich zum Glück davon überzeugen können, alle Meetings nach hinten zu verschieben, was sie zum Glück auch gemacht haben, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.
Damit ich ein wenig bequemer stehe, lehne ich mich an einen der Pfähle, welche am Ausgang stehen, an und suche Liam, doch kann ihn nicht finden,
„Hey Jüri", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir sagen, während mich Arme von hinten umschlagen.
„Hey Liam,", grinse ich, während ich mich in seiner Umarmung zu ihm drehe, sodass unsere Köpfe nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind.
„Bereit?", grinst mein Gegenüber breit
„Mehr als das", grinse ich und nutze die Chance die sich mir eröffnet und drücke ihm einen schnellen Kuss auf die Wange„Danke dir für die Einladung"
„Das ist doch kein Thema", schmunzelt Liam und wird leicht rot um die Nasenspitze, was unglaublich niedlich aussieht.
„Komm, lass uns gehen!", schlägt Liam vor und hält mir seine Hand hin. Will er etwas Händchen halten? Das ist ja mal süß, das hat noch nie gemacht. Oder? Kurz krame ich in meinen Gedanken und jetzt erst fällt mir auf, dass der Jüngere schon öfter mal meine Hand gestreift hatte, wobei ich aber immer gedacht hatte, dass es unbeabsichtigt war.
„Wohin gehen wir denn?", erkundige ich mich neugierig wie ich nunmal bin.
„Wirst du schon früh genug sehen", meint mein Gegenüber nur, während wir durch die Häuserschluchten Baku's schlendern. Da ich ihn mittlerweile so gut kenne, dass ich mir sicher sein kann, dass ich aus ihm kein weiteres Wort herausbekomme, belasse ich es bei der Antwort und schaue zum Himmel hoch, wo die Sonne vom Himmel strahlt. Die Stadt ist vergleichsweise leer, da die meisten entweder in ihren Wohnungen oder bei den Tribünen sind, somit erkennt uns keiner.
„Die Häuser sind aber auch echt krass hoch", merke ich an, als ich mir die hohen, aus gelben Steinen gebauten Gebäude anschaue.
„Ja, das sind Sie allemal", stimmt Liam mir zu und schaut ebenfalls nach oben.
Danach laufen wir wieder eine Weile schweigend nebeneinander her, nur unsere Hände bleiben ineinander verschränkt.
„Wir sind da", meint Liam nach einer Weile und bleibt vor einem kleinen, runden Gebäude stehen.
Das Gebäude ist aus hellem Ton gefertigt, zumindest sieht es so aus. Ranken aus Efeu klettern zwischen den Fenstern und der hölzernen Eingangstür bis zum Dach hoch.
„Hast du echt schön ausgesucht", meine ich, während Liam auf die Tür zusteuert.
„Hereinspaziert", grinst er und lässt mir den Vortritt, wobei ich seine Hand loslasse.
Also betrete Ich als erster das Lokal und bin erstaunt, als ich in einem kleinen Raum stehe, wo keine Tische und Stühle zu sehen sind, sondern nur ein Tresen aus dunklem Holz.
„Wie kann ich ihnen behilflich sein ?", höre ich auf einmal eine Stimme von rechts.
„Ich hatte bestellt, auf Lawson", meldet sich Liam, welcher plötzlich hinter mir steht .
„Ja, perfekt, hier entlang", lächelt der Kellner freundlich und führt uns beide nach draußen, wo Tische und Stühle aufgebaut sind.
Vor einem Tisch etwas abseits bleiben wir stehen.
„Sie melden sich, wenn sie sich entschieden haben?"
Darauf nicken wir beide und lassen uns an dem Tisch nieder.
„Ich hoffe, dass es dir gefällt?", lächelt Liam leicht verunsichert.
„Natürlich ist es das. Mir gefällt es total", meine ich daraufhin und schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln.
„Dann ist gut", grinst Liam nun auch und schaut mir tief in die Augen, was mich erröten lässt.
„Du siehst süß aus, wenn du rot wirst", schmunzelt Liam.
„Danke, du siehst auch süß aus", meine ich und als ich realisiert haben, was ich gesagt hab, wird mein Gesicht um eine weitere Nuance röter.
„Das muss dir doch nicht peinlich sein", versucht Liam mich zu beruhigen.
Das macht das Ganze nicht wirklich besser, denn ich merke, wie mein Gesicht noch wärmer wird. Wo ist denn plötzlich meine ganze Selbstsicherheit hin?
„Jüri". Zwei Finger legen sich unter mein Kinn und zwingen mich dazu aufzusehen. Liams Lächeln ist breit, was mich auch dazu veranlasst zu lächeln.
Liam hockt neben meinem Stuhl:„Du siehst wunderschön aus, wenn du rot wirst und auch, wenn du so grinst. Ach, was labere ich eigentlich? Du siehst immer wunderschön aus, egal was du tust. Auch wenn du weinst. Auch wenn du frustriert bist und dich aufregst. Auch wenn du einfach nur dasitzt und grübelst. Du bist einfach wunderschön Jüri, egal...", will er seinen Satz zu Ende bringen, doch dazu kommt er nicht, da ich ihn zu mir hochziehe und meine Lippen einfach auf seine lege, um ihn zum Schweigen zu bringen. Für einen kurzen Moment scheint er verwirrt zu sein, doch dann fängt er an, seine Lippen im Takt von meinen zu bewegen und intensiviert damit unseren Kuss. Es fühlt sich an, als würden tausend kleine Feuerwerke in mir explodieren und mit jeder Sekunde, die der Kuss länger geht, werden es mehr.
Nach einer viel zu kurzen Zeit lösen wir uns voneinander.
„Du bist auch wunderschön Liam Lawson, besonders, wenn du mich küsst."grinse ich leicht verschmitzt, als ich meinen Atem wiederhatte.
„Das kann ich nur zurückgeben", flüstert Liam und schon liegen unsere Lippen wieder aufeinander.
Wir werden erst durch den Kellner in die Realität zurück gebracht, der uns mit einem breiten Lächeln fragt, was wir denn trinken wollen würden.
„Ein Bier für mich", lächle ich.
„Für mich nur ein Wasser", strahlt mein Gegenüber.
Bestätigend nickt der Kellner uns zu, während ich mich entspannt zurücklehne.
„Das war schön", stelle ich lächelnd fest.
„Das kann ich auch nur bestätigen und ich würde es gerne öfter tun", meint nun Liam und beugt sich zu mir rüber;„Jüri Vips, möchtest du mein Freund werden?"
Was?
Was hat er gesagt?
Erst langsam dringen seine Worte zu mir durch
Freund? Freund? Freund, Freund, Freund?
„Ja Jüri du Dummkopf. Freund im Sinne von Beziehung", erinnert mich die Stimme in meinem Kopf

„Was für eine Frage, ja, das wäre ich gerne",grinse ich und beuge mich vor, um Liam einen kurzen Kuss als Bestätigung zu geben.
„Gott sei Dank, ich dachte schon, dass du gar nichts mehr sagen wirst.", lacht Liam darauf. Ich stimme in sein Lachen mit ein und lasse es mir auf der Zunge zergehen. Liam ist mein Freund. Ich hätte niemals gedacht, dass das passiert. Ich hatte nicht gedacht, dass er auch was für mich empfindet. Ich hätte niemals gedacht, dass dieser beschissene Tag noch eine so positive Wendung haben kann.

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Hey,
Heute mal wieder ein Update hier haha.
Auch dies ist ein OS, welchen ich schon lange vorgeschrieben habe, hoffe, dass er euch trotzdem gefällt.
Bis dahin, eine schöne Restwoche von mir 🥰

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