• Clement •


„Aufwachen Schlafmütze",steckt James seinen Kopf in mein Schlafzimmer.

Seine Worte nehme ich jedoch nur mit einem Grummeln zur Kenntnis und drehe mich dann von der Tür weg.

Also Aufstehen steht jetzt nicht auf meiner Tagesordnung.

„Soll ich hier stehen bleiben, bis du aufgestanden bist, oder dich eigenhändig aus dem Bett ziehen?",lässt James jedoch nicht locker,"Man Clem. Ja, ich weiß, dass du gestern Abend gut einen reingehauen hast, aber du hast versprochen, dass du das Rennen mitkommentierst. Dazu kommt Marcus doch auch noch gleich...sonst hast du dich immer so gefreut, wenn er wieder nach London gekommen ist".

Ja, sonst...
Da hat mein bester Freund, in welchen ich mich über das vergangene Jahr heimlich, still und leise verliebt habe, auch noch keine Beziehung mit einer Frau öffentlich gemacht.

Naja, eher war es ja auch James, aber trotzdem.

Nicht, dass ich jemals große Hoffnungen gehabt hätte...Wie oft hat Marcus schon irgendwelche Frauen angemacht und wie oft ist mein Herz deswegen schon zerbrochen...

Irgendwann habe ich es aufgegeben und aufgehört zu zählen.
Habe es einfach hingenommen.

Dieses Mal ist es aber einfach anders. Es fühlt sich so endgültig an.

Die Male zuvor hat Marcus immer noch irgendwas gemacht, dass die kleine Flamme Hoffnung in meinem Herzen immer wieder aufgelodert ist.

Seien es einfach lange Videotelefonate, Umarmung oder das konstante Suchen von Nähe...

Irgendwas ist immer da gewesen.

Nur wird es dieses Mal nicht so sein.

Hätte der ältere Fahrer nicht einfach in Amerika bleiben können?

Seufzend drehe ich mich auf den Rücken und öffne vorsichtig meine Augen.

Rennstart des 24h - Rennes von Le Mans ist in einer Stunde.

Eine Stunde..in welcher ich mich halbwegs ansehnlich machen muss, bevor ich meinem besten Freund gegenüber treten muss.

Die Sonne, welche meinen Raum in ein warmes Licht taucht, passt so gar nicht zu meiner Stimmung.

Gestern Abend habe ich mir erst einmal die Birne vollgesoffen, in der Hoffnung...in der Hoffnung für was eigentlich?
Alles zu vergessen?
So schlimm weg zu sein, dass ich Marcus nicht gegenüber treten muss?

Ich weiß es selbst nicht mehr.

Kopfschmerzen machen sich breit, was mich unzufrieden Brummen lässt.

„Selbst Schuld Novalak",ruft eine Stimme in meinem Kopf mir in Erinnerung.

Na Dankeschön.

Eigentlich bin ich auch schon relativ früh wieder hier gewesen...zwei Uhr dreißig ist nun wirklich noch früh und ich hätte also Schlaf genug bekommen können...jedoch wollte der im vollkommen besoffenen Zustand auch nicht kommen.

Zu sehr sind meine Gedanken damit beschäftigt gewesen, um Kiwi zu kreisen und sich die schlimmsten Szenarien bezüglich seiner Rückkehr auszudenken.

Schlaf gefunden habe ich, als es draußen schon lange wieder hell gewesen ist.
Das Fakt würde zumindest meinen Zustand erklären.

„Komm schon Clem. Du musst aufstehen",versuche ich mich selbst dazu zu motivieren aufzustehen.

Davonlaufen kann ich nicht.
Also muss ich mich Marcus stellen, ob ich will oder nicht.

Allerdings fühle ich mich einfach wie ein Zombie, als ich es dann endlich schaffe, meine Füße auf den kalten Parkettboden zu setzen und aufzustehen.

Wahllos greife ich Nach zufälligen Dingen aus meinem Kleiderschrank, hoffe, dass etwas Passables dabei ist und schlurfe ins Bad.

Im Wohnzimmer sind schon die Stimmen der Kommentatoren zu hören.

Die Vorberichte laufen also schon.

Nun muss Du dich aber wirklich spurten.

Katzenwäsche, kurzes Haare Kämmen und eine Menge Wasser im Gesicht später laufe ich, immer noch ziemlich begeistert, zurück ins Wohnzimmer, lasse mich dort einfach in Sofa fallen.

„Dein Polo Clem. Du hast es falsch herum an",blickt James mich tadelnd an und ich schaue sofort an mir herunter.

Recht hat der ältere Kiwi.

Frustriert lasse ich meinen Kopf nach hinten fallen.

Kann ich nicht einfach nur träumen und aus diesem absolutem Albtraum erwachen?

Das macht doch alles keinen Spaß.

Brummend ziehe ich das Shirt also wieder aus und an...lehne mich dann sofort wieder an, schließe die Augen.

„Du warst schon einmal hilfreicher",schleppt James das Equipment an.

„Ich bin noch so gut wie besoffen",gebe ich als Antwort zurück.

„Na und? Wer feiern kann, kann auch arbeiten.",zuckt James unbeeindruckt mit den Schultern.

Im Endeffekt schaffen wir beide  es dann doch, alles aufzubauen und passend zum Rennstart fertig zu sein.

Auch ist meine Laune wieder ein wenig besser, denn James um mich herum zu haben lässt meine Laune dann doch meistens steigen.

„So, jetzt müssen wir nur noch auf Marcus warten",legt James seinen Kopf schief.

Der Mittlere scheint sich mal wieder zu verspäteten, was nicht untypisch für ihn ist, meine Laune jedoch wieder sinken und meine Nervosität ansteigen lässt.

Wenn er einfach ungefragt hier ankommt, kann ich mich nicht einmal mental vorbereiten.

„Du bist schon die ganze Zeit so angespannt.",mustert James mich kurz nach dem Rennstart.

„Noch halb verkatert, sage ich doch die ganze Zeit",zucke ich nur mit den Schultern, da der Stream ja nebenbei läuft und die Zuschauer sich mit dieser Antwort wohl zufrieden geben werden.

Hoffe ich zumindest.

Gerade will James zu einer Antwort ansetzten, als wir einen Schlüssel hören.

Okay Clem, Lächeln aufsetzen, wie immer benehmen...sei der, den Marcus kennt.

„Und da ist auch Marcus schon", teilt James überflüssiger Weise unseren Zuschauern mit, während Marcus sich neben mich wirft.

Grinsend, wie immer.

Ich hasse mich selbst wirklich dafür, dass mein Herz einen kleinen Hüpfer macht, als sich sein Blick auf mich richtet.

Verliebt sein ist doch einfach schieße.

Gott sei Dank habe ich meine Sonnenbrille da, sodass meine Augenringe und Emotionen weniger sichtbar sind.

„Was ist das?",wendet Marcus sich direkt an mich, nachdem er uns beide begrüßt hat.

„Corona",hebe ich mein Bier, was ich mir ebenfalls noch geschnappt habe, kurz an.

Trinken hilft nichts, Aber einen zweiten Versuch sollte man immer starten, also...

Immer mal wieder trinke ich, vermutlich öfter, als ich rede.

Sobald James wieder da ist, welche kurz nach draußen abgehauen ist, lehne ich mich so wieso eher Zurück.

Distanz soll ja helfen.

Jedoch hält Marcus nichts von Distanz, denn auch er lässt sich nach hinten fallen und lässt prompt seinen linken Arme um meine Schulter fallen.
Wie immer eigentlich.

Nur kribbelt es dieses Mal nicht.
Es tut einfach nur weh.

„Hier",hält James Marcus direkt einen Shot mit irgendwas hin.

„Danke, aber ich trinke heute nicht",schüttelt Marcus nur seinen Kopf und stellt der Shot wieder ab.

Vielleicht hilft Trinken ja besser als Distanz.

Also runter damit.

Gesund ist das nicht, aber es hilft.

Mittel zum Zweck.

Je weiter der Stream voran schreitet, desto „normaler" wird alles.

Wir lachen, machen unzählige Witze, erzählen uns belanglose Dinge.
Wie letztes Mal.
Wie immer.

Nur ist es trotzdem einfach anders.

Auch das Singen, was bestimmt auf jeglichen anderen Plattformen landen wird, macht nicht so viel Spaß wie sonst und ich bin einfach froh, wenn ich mich mal nach hinten lehnen kann.

James und Marcus übernehmen das Reden, jedoch fällt dem Chat natürlich das auf, was die beiden nicht sehen können.

„Bist du okay?",dreht Marcus sich um und jedes Mal verlässt ein bestätigendes „ja" meine Lippen.

In Wirklichkeit wäre es ein deutliches „Nein".

Mein Kopf tut weh, mein Herz genauso und am liebsten würde ich einfach wieder in mein Bett und schlafen.

Als ich dann auch noch merke, dass Marcus kurz beginnt, mit meinen Locken zu spielen und meine Brille abnimmt kann ich mir einen leisen Seufzer nicht verkneifen.

Womit habe ich das verdient?

Mitunter lachen wir und es fühlt sich gar nicht mehr so falsch an...
Dann wiederum wird mein Herz wieder in tausend Teile zerschlagen.

Trotzdem lache ich jedes Mal mit, als wäre nichts. Als wäre alles normal.

So, wie die Zuschauer es sehen wollen.

„So, und damit war's das dann",meint James, als das Tablett schließlich seinen Geist aufgegeben hat und wir den Stream beendet haben.

Erleichtert atme ich innerlich aus.

Das ist nun überstanden.

„Dann kann ich ja nun ins Bett",will ich mich einfach aus der Bredouille ziehen, habe meine Rechnung da jedoch nicht mit den anderen beiden gemacht.

„wir haben noch gar nicht richtig etwas gemacht",hält Marcus mich am Arm fest und sorgt dafür, dass ich nicht gehen kann.

Was sollten wir auch tun?

„Trinken? Oder was meinst du",lasse ich mich mit einem halb ehrlichen Lächeln wieder aufs Sofa fallen.

„Ich trinke nicht. Lissie ist auch hier in London. Nachher will ich noch zu ihr fahren und da sollte ich nüchtern sein",lehnt Marcus sich nach hinten, lächelt.

Und auch ich tue es.

Gezwungenermaßen.
Naja, zur Hälfte.

Irgendwie bin ich froh, dass Marcus jetzt glücklich ist, jedoch schmerzt es immer noch so sehr.

„Dann ist das natürlich total verständlich",nicke ich zustimmend, merke jedoch nach dieser Aussage James Blick auf mir.

Langsam drehe ich mich zum Kiwi, weiß irgendwie schon, wie er mich nun ansehen wird.

Geschockt, mitleidig...es gelingt mir nicht, den Blick richtig zu entziffern.

Nach dieser Aussage verfallen wir in unsere normalen Gespräche.

Ich berichte aus meiner Saison, James von allem anderen.
Marcus berichtet von Indy, und nicht zuletzt von Lissie.

Je mehr er erzählt, desto größer wird meine Anspannung.

Können wir nicht einfach wie früher zusammen sitzen. Lachend. Quatsch machend...

Letztes Jahr war einfach alles besser.

„So Leute, ich würde sagen, ich mache mich mal auf den Weg. Es wartet bestimmt schon jemand auf mich.",erhebt Marcus sich nach zwei weiteren Stunden.

„Viel Spaß euch",steht James ebenfalls auf und ich nicke als Bestätigung.

„Wir sehen uns dann die Tage. Der Podcast nimmt sich ja auch nicht von alleine auf",grinst Marcus sein typisches, fröhliches Grinsen.
Allerdings ist mir gar nicht nach Grinsen zumute.

Schweigend stehe ich auf, nehme ihn ganz normal, wie immer, zur Verabschiedung in den Arm, versuche dennoch ein wenig mehr Distanz zu wahren.

„Bis dann"ruft er noch die Treppen hoch, als er schon halb im kahlen, kühlen Treppenhaus verschwunden ist.

„Bis dann",hauche ich leise, werde von James kräftiger Stimme sowieso übertönt.

Schweigend drehe ich mich um, Will schon zurück in die Wohnung treten, als sich ein Paar Arme fest um mich schlingen.

„Clem...du hättest nur ein Wort sagen müssen",senkt James seine Stimme merklich und zieht mich fest in seine Arme.

Das ist auch der Moment, in welchem ich endlich loslassen kann.

Tränen fließen wir Sturzbäche über meine Wangen, hinein in James gestreiftes Hemd.
Alle Emotionen, welche ich über die vergangenen Stunden zurückhalten musste, kommen nun auf einen Schwall zum Vorschein.

Lissie hier, Lissie da...

„K..ka..kann es n..ni..nicht aufhören?",schluchze ich nach einer Weile auf.

„Wird es Clem, da bin ich mir sicher",redet James mir gut zu, doch was soll er auch sonst machen.

„E..es tut so weh",Kralle ich mich in sein Hemd, versuche Halt zu finden, denn es fühlt sich an, als würde ich ertrinken und zwar in meinen eigenen Tränen, eigenen unkontrollierbaren Emotionen.

„Das ist vollkommen verständlich Clem. Aber ich verspreche dir, alles wird gut".

„Wie denn?"

Meine Güte höre ich mich an wie ein naives Kind, aber ich sehe nun mal keine Hoffnungen.

Bin ich zu spät gewesen?

Oder hat das alles Marcus nie etwas bedeutet?

Hätte ich etwas anders machen müssen?

„Komm, du legst dich jetzt erst einmal wieder hin und morgen reden wir in Ruhe. Wir werden eine Lösung finden Clement. Ich bin immer für dich da, wenn du etwas brauchst, hörst du",bugsiert der Ältere mich zurück in mein Schlafzimmer, welches ich heute sowieso nicht hatte verlassen wollen.

Nun bin ich wieder hier.

„Ich bin im Wohnzimmer, wenn du etwas brauchst".

Stumm nicke ich zu James, der Kopf schmerzend, die Augen brennend.

Sobald James den Raum verlassen hat, lösche ich das Licht und schließe im selben Moment meine Augen.

Es hätte alles so schön sein können, aber nein, ich verliebe mich.
Das kann auch nur mir passieren.

Wieder machen sich in meinen Augen Tränen bemerkbar, welche verzweifelt den Weg nach draußen zu suchen scheinen  und ich?

Ich lasse sie.

Immerhin kann ich mich dann auf sie konzentrieren und muss nicht auf meine Gedanken achten.

Schließlich gebe ich es auf und versuche einfach, Schlaf zu finden, was mir auch gelingen soll.

Die Wangen noch tränennass, der Kopf schmerzend und voller Gedanken.

Genauso falle ich, mitten am Tag in einem unruhigen Schlaf und zum ersten Mal in meinem Leben wüsche ich mir, dass Marcus einfach in Amerika geblieben wäre.

••••
Heute mal wieder eine etwas andere Art Os, was zumindest die Emotionen angeht.
Generell habe ich überlegt damit mal ein wenig experimentierfreudiger zu werden, sodass dann auch Paare möglich sind, an denen ich mir sonst die Zähne ausbeißen würde 😅

Ich hoffe, dass es euch gefallen hat und hoffe, dass eure Gemütslage für den neuen Tag besser ist als die von Clem es hier ist 🤍

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