7 - Sicily
Von allen Dingen habe ich Kooperation am wenigsten erwartet, wenn es um Nacers Verhalten geht. Denn sonst macht er aus allem ein Drama. Nur hat sich das nun tatsächlich zu einer dramatischen Situation entwickelt. Ich starre auf die Zeitung, welche auf dem Küchentresen liegt. Nacer ist mit einem Kerl in seinem Zimmer verschwunden und seitdem höre ich nur, wie sie seine Möbel zusammenbauen. Ich kann nicht einschätzen, ob sie dabei auch sprechen, weil mir davon nichts durch die Türe dringt. Ich bin mir nur sicher, dass er nicht erfreut ist, wie schnell diese Schlagzeilen gedruckt worden sind.
‚Nacer Racer – der Formel 1 Weltmeister mit seiner neuen Flamme!'
Ich habe nicht das Bedürfnis, die weiteren Zeilen zu lesen. Stattdessen sehe ich wie gebannt auf mein Handy und warte beinahe schon darauf, dass es vor neuen Nachrichten nur so explodiert. Ich erwarte, dass mir die Hölle heiß gemacht wird. Vor allem von meinem Bruder und meinen Eltern. Ich hätte Pasquale heute eigentlich gerne besucht, aber da ich nicht weiß, wer sich alles im Krankenhaus aufhält, unterlasse ich das lieber. Stattdessen sitze ich nun in der Küche, während die Realität über mir zusammenbricht. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber dass das alles so schnell eine Runde macht und ans Licht kommt, war definitiv kein Teil davon. Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich genug naiv war, um zu glauben, dass ich lenken könnte, welche Seiten von mir und Nacer im Internet erscheinen. Die Öffentlichkeit kennt nämlich keinen Respekt der Privatsphäre, wenn es um berühmte Personen geht – was Nacer definitiv ist. Ich reibe mir erschöpft über das Gesicht, während mich die Stille in dieser Wohnung beinahe umbringt.
Telese ist zu ihrer Großmutter gefahren und Pasquale befindet sich noch immer im Krankenhaus. Ich habe also niemandem, mit dem ich über dieses Unwohlsein in mir sprechen kann. Ich trommle mit den Fingern auf die Kücheninsel. Wenn ich also mit niemandem sprechen kann, muss ich wohl etwas kochen, um mich von meinen Gedanken abzulenken. Ich gehe zum Kühlschrank, welcher um einiges leerer ist als sonst. Nacer hat fast alle meiner Erdbeeren und Schokoriegel gegessen. Was mich zurück auf den Gedanken bringt, dass wir in diesem Haus keine Regeln haben. Ich bin dafür, dass wer etwas leerisst, es dann auch wieder auffüllen muss.
Kopfschüttelnd gehe ich in mein Zimmer, um ein Haargummi zu holen, mit welchem ich meine langen, beinahe schwarzen Haare zusammenbinden kann, genau wie ich mich auch umziehe, damit ich mir nicht Kleidung dreckig mache, welche komplizierter zu waschen ist als ein einfaches T-Shirt und Yogahosen. Ich habe zwar nie vorgehabt, in ihnen Yoga zu machen, aber sie sind trotzdem praktisch, vor allem, weil sie kurz und bequem sind.
Ich verliere das Zeitgefühl ein wenig, während ich Gemüse schnipple und ohne tatsächliches Ziel beginne, Nahrungsmittel zusammenzumischen und mich von den Gerüchen und Geschmäckern in der Luft zu leiten, statt tatsächlich einen Plan zu haben. Ich liebe es zu kochen, ohne ein Ziel zu haben. Es ist, wie wenn man läuft, ohne eine bestimmte Destination erreichen zu wollen. Der Weg wird dann zum Ziel und das sind die einzigen Momente, in welchen ich mich entspannen kann. Ich habe dann keinen Druck, muss mich nicht fragen, ob ich Erfolg haben werde, weil ich gar keinen Erfolg verfehlen kann. Ich arbeite einfach. Ich muss nicht auf die Uhr schauen, ich kann die Zeit einfach genießen. Mein Kopf schwingt mit der Musik mit, welche aus meinen Kopfhörern dringt und die Baugeräusche aus Nacers Zimmer verstummen lässt.
Dabei achte ich darauf, meine French Nails nicht zu verderben. Ich kann nicht genau einschätzen, wie viel Geld Nacer investiert hat, damit sie so gut geworden sind. Er hat einfach irgendwann gesagt, dass er zahlen würde. Was er für uns alle drei getan hat. Ich nehme an, dass das eine Taktik war, um Telese für sich zu gewinnen. Wenn das nämlich seine Absicht gewesen ist, hat es funktioniert.
Ich traue seinem Verhalten allerdings nicht. Ich glaube ihm ehrlich gesagt kein Wort, wenn ich genau weiß, dass unter seiner harten Schale nur kaltes Blut und ein gebrochenes Herz steckt. Nacer hat sich niemals von dem Tod seiner Eltern erholt, er hat diesen Schmerz stattdessen in sich aufgesogen und daraus so viel Grausamkeit gezogen, dass ich ihm schlicht und einfach nicht abkaufe, wenn er aus keinem bestimmten Grund nett zu mir ist. Viel eher vermute ich, dass er sich selbst dadurch retten möchte. Ehrlich gesagt wundert es mich sogar ein wenig, wie er das anstellen will. Denn ich werde dieses Spielchen zwischen uns ganz bestimmt gewinnen. Wenn er glaubt, dass ich nicht so kalkulierend sein kann wie er, hat er sich jedenfalls geschnitten. Ich habe nämlich eine verdammt genaue Ahnung von dem, was ich tue. Er soll sich lieber darauf gefasst machen, dass die Dinge nicht so laufen, wie er es gerne hätte. Das ist nämlich meine Wohnung. Mein Platz, mein Raum, meine Luft. Ich regiere diesen Ort. Er soll zusehen, wie er überlebt.
Zufrieden mit meiner Leistung verteile ich die Linguine auf drei Tellern. Darüber kommt ein Auberginen-Basilikum-Pesto. Um das ganze abzurunden habe ich Lachsfilet beinahe schon zur Perfektion mit Olivenöl und Rosmarin gebacken, sodass es ganz zart und köstlich geröstet ist. An und von sich ist das vielleicht kein schwieriges Gericht und geht auch relativ schnell, aber das ändert nichts daran, dass ich mich nebenbei ziemlich gut von meinen Gedanken ablenken konnte und etwas zu Essen gemacht habe. Ich habe auch schon das meiste aufgeräumt, sodass nun nur noch die Töpfe mit den Nachschöpfmöglichkeiten und unsere Teller auf dem Küchentresen stehen.
Ich nehme mir ein Tablett, worauf ich meinen Teller und ein Glas Wasser platziere, ehe ich mich damit in mein Zimmer verziehe. Sobald ich das gemacht habe, texte ich Nacer:
Essen ist fertig. Teller für euch beide stehen bereit.
Die blauen Haken erscheinen beinahe umgehend. Nacer schreibt nichts zurück. Ich höre nur, wie sich die beiden in der Küche platzieren und essen. Nach einer Weile höre ich, wie die Haustür ins Schloss fällt. Ich nehme an, dass unser Besuch sich damit aus dem Staub macht.
Ihm ist so schlecht geworden, dass er gehen musste. Es wäre unhöflich, in einer Wohnung zu kotzen, wenn man gerade Besuch ist.
Ich grinse, als ich diese Nachricht sehe. Ich habe keine Komplimente erwartet. Ich bin eher überrascht, dass ich nicht von ihm ignoriert wurde. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sich der Inhalt dieser Nachricht potenziell verbessern könnte. Dass es schlecht gewesen ist, glaube ich ihm allerdings nicht, weil ich sogar gehört habe, wie sich beide nachgeschöpft haben. Aber es ist definitiv süß, dass er das nicht zugeben möchte.
Sicily ist definitiv eine gute Köchin 🍽👩🏻🍳😌
Was halten wir von dem Verhältnis zwischen ihr und Nacer 😏?
Gibt es da wohl noch Luft nach oben?
Wie gefällt euch die Situation der beiden bisher?
Was wird wohl als nächstes geschehen 🤔?
Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat 🥰
Bis zum nächsten Mal 😎☀️
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