6 - Nacer

Ich habe noch nie in meinem Leben so starke Rückenschmerzen gehabt. Auf diesem Boden geschlafen zu haben, nachdem ich versucht habe, dieses dämliche Bett aufzubauen, hat mir jegliche Nerven gekostet. Dazu kommt noch, dass ich nicht einmal annähernd genug Schlaf erhalten habe. Da ist es nur logisch, dass ich jetzt wie ein Waschbär in der Küche stehe und versuche, mir einen Kaffee zu machen. Relativ erfolglos, um ehrlich zu sein. Wieso um alles in der Welt hat Sicily bitte eine derartig komplizierte Kaffeemaschine? Bei diesem Schnickschnack kapiert doch keiner, was man machen muss.

„Erst schaffst du es nicht, ein Bett aufzubauen – und das mit Anleitung – und dann kannst du dir mit einer Kaffeemaschine keinen Kaffee machen. Du steckst voller Überraschungen, Nacer, das muss man dir lassen."

Nicht schon so früh am Morgen. Ich kneife die Augen zusammen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich auch Kopfschmerzen habe. Oder vielleicht ist das auch einfach meine Reaktion auf Sicilys Schadenfreude. Ich drehe mich nicht um. Zu sehen, dass sie schon morgens unfassbar gut aussieht, während ich momentan das Abbild eines Obdachlosen sein könnte, würde mir nur noch schlimmere Kopfschmerzen bereiten.

„Das ist keine normale Kaffeemaschine", halte ich dagegen, weil ich es hasse, wenn ich wie der größte Trottel dastehe. Sicily schiebt mich mit einem zuckersüßen Lächeln zur Seite. Ich hatte Recht. Sie sieht hinreißend aus. Ihre langen Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden, und auch wenn sie noch nicht geschminkt ist, glänzt ihr Gesicht. Sie trägt ein einfaches T-Shirt mit einem Minion darauf abgebildet und dazu lange Hosen. Dabei tapst sie auf ihren Fußspitzen durch den Raum, weil sie barfuß ist.

„Natürlich nicht. Das ist ein Original aus Italien."

Ich rolle mit den Augen und bringe Abstand zwischen uns, während sie an dem Teil hantiert, als wäre sie eine Barista. Dabei tut sie das Attraktivste, was sie jemals getan hat – sie schweigt. Die Stille breitet sich über uns aus, während ich mir von ihr ein Frühstück zubereiten lasse. Sie beginnt sogar, Pfannkuchen zu machen. Ich weiß nicht, von welchem Schlag sie in der Nacht getroffen wurde, aber wenn er derartige Freundlichkeit auslöst, kann es beinahe schon nur positiv sein. Sie macht alles bereit für uns beide, während ich dasitze und ihr dabei zusehe. Daran könnte ich mich definitiv gewöhnen. Nicht, weil ich ein sexistischer Macho bin, sondern weil ich es mag, wenn ich mich ausnahmsweise zurücklehnen kann. Irgendwann stellt sie den Herd ab und stellt alles auf ein Tablett. Dann wirft sie mir einen süffisanten Blick zu.

„Ich überlasse dir die Küche offiziell. Es ist aber nett, dass du so lange gewartet hast."

Ich brauche mehrere Momente, bis ich realisiere, was das zu bedeuten hat. So viel zu ihrer Freundlichkeit.

„Moment mal. Wieso hast du alles für zwei bereitgemacht, wenn du jetzt alles für dich behältst?", will ich zähneknirschend wissen. Das kann unmöglich ihr verdammter Ernst sein.

„Oh, wolltest du etwa auch etwas davon? Ich habe das nämlich für Telese und mich vorbereitet. Tut mir leid, Baby."

Sie hätte genauso gut mit Giftpfeilen auf mich schießen können. Ich zwinge mich dazu, ruhig zu bleiben. Ich hätte mir denken können, dass sie nach meinem Verhalten gestern nicht allzu begeistert gewesen ist. Ich hätte mich daran erinnern sollen, was für eine Vogelscheuche sie ist. Aber nach diesem Zug werde ich mich natürlich nicht entschuldigen.

„Ach, und ich habe Telese gesagt, dass du uns zu einem Trip in die Stadt begleiten würdest."

Bevor ich protestieren kann, verschwindet sie in ihr Zimmer. Wenige Sekunden später poltert ihre Musik durch die ganze Wohnung. Ich kann nur dastehen und mich dafür verfluchen, dass ich nicht besser aufgepasst habe, als sie die Kaffeemaschine bedient hat. Das kommt also davon, wenn man sich erlaubt, für wenige Sekunde nicht aufmerksam zu sein. 1:0 für sie. Aber sie weiß auch noch gar nicht, gegen wen sie zu spielen begonnen hat. Aber sie wird es definitiv bereuen, dass sie jemals damit angefangen hat.

Der erste Schritt meines Planes wird wohl sein, sie in den Wahnsinn zu treiben. Ich werde definitiv Spaß an dieser Sache haben. Ich gehe in mein Zimmer und ziehe mich um, ehe ich rausgehe, um mir einen Kaffee zu holen. Wenn ich mir keinen machen kann, muss ich mir eben einen besorgen. Ich brauche jedenfalls etwas, was meine Nerven stärkt. Dabei achte ich darauf, möglichst nicht aufzufallen und mit der Masse Londons zu verschmelzen. Ich möchte morgen auf keinen Fall auf den Titelseiten aller Zeitung prangen. Die Klatschpresse soll mir lieber gestohlen bleiben, denn ich habe momentan andere Probleme.

Ich schreibe Braedin kurz eine Nachricht, dass ich Hilfe brauche, meine Möbel zusammenzubauen. Sicily hat nämlich recht: es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen. Außer eben, wenn es ihre Hilfe ist. Denn diese kann ich echt nicht gebrauchen. Ich brauche mehr Leute im Team Nacer, wenn ich ihren Spielchen ein Ende bereiten soll. Ich habe keine Ahnung, was sie für den Tag geplant hat, aber der Abend wird ihr ziemlich sicher nicht gefallen.

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„Wieso genau muss ich euch zu einem Nagelstudio begleiten?", will ich leise zischend wissen, während ich Sicily mit meinen Blicken erdolche. Telese gibt uns glücklicherweise für einige Momente Ruhe, weil sie dabei ist, Geld abzuheben. Weil Sicily und ich offiziell ein Pärchen spielen, müssen wir Händchen halten. Ihre Hand ist so weich wie ein Samtkissen. Vermutlich hat sie ein Team, welches sich nur um ihre Hände kümmert. Wahrscheinlich zerkratze ich ihre Finger mit meiner rauen, ausgetrockneten Haut. Was mir egal ist.

„Oh, du musst mir nichts vorspielen, Nacer. Sisi hat mich schon darüber informiert, dass du Maniküren liebst. Das macht dich nicht weniger zu einem Mann, falls du das befürchten solltest. Ganz im Gegenteil, es ist für jeden Mensch wichtig, gepflegte Hände und Nägel zu haben."

Telese wirft mir einen beruhigenden Blick zu, welcher so viel netter ist als jeder Blick, welchen sie mir gestern zugeworfen hat. Meine Augen wandern nichtsdestotrotz zu Sicily. Das kann unmöglich ihr Ernst sein. Doch sie klopft mir nur beruhigend auf den Arm, während sie mir ihren besten Unschuldsblick zuwirft.

„Wie viel kostet so etwas?", frage ich sie leise, während ich ihr und ihrer Freundin in diese Glitzerbombe folge. Heiliger Himmel, das ist definitiv nicht das, was ich mir für diesen Tag vorgestellt habe. Ich nehme an, dass das der Vorgeschmack ist, welchen mir die Vogelscheuche gibt, um mich zum Ausrasten zu bringen. Ich finde das alles aber sehr beruhigend. Ich meine, ich lasse mir gleich die Nägel machen. Mein Gesicht verzieht sich beinahe schon automatisch. Das ist die Hölle. Ich hoffe, dass das Pasquale und Luciano niemals erfahren werden. Das wäre die Hinrichtung meines sozialen Ansehens. Allgemein habe ich keine Ahnung, wie ich ihnen glaubwürdig beibringen soll, dass das zwischen mir und Sicily echt ist – wenn das definitiv nicht der Fall ist.

„Willst du das wirklich wissen?"

Ich blinzle und blicke wieder auf Sicily nieder, welche sich schon ihre Jacke hat aufhängen lassen. Schnell reiche ich meine auch hinterher, worauf mir die Lady – ich nehme an, dass sie die Ladenbesitzerin ist – einen schrägen Blick zuwirft.

„Oh, ich brauche auch...eine Pflege", bringe ich hervor. Ich schaffe es sogar, das zu sagen, ohne dass mir schlecht wird. Ich kann meine Nägel nämlich auch selbst schneiden. Dafür brauche ich nicht so viel Geld auszugeben.

„Na so etwas", kommentiert sie. Dann wirft sie mir ein überraschtes Lächeln zu, welches ich nicht erwidern kann. Ich bin mir aber sicher, dass sich Sicily nicht auf die Revanche dieses Spiels freuen wird. Denn ich weiß auch schon, wo sie sich ihre hübschen Nägel kaputtmachen wird.

Was plant Nacer da wohl 😁😏?

Werden ihm seine Hände/Nägel nachher gefallen 💅🏽?

Wie hat euch das Kapitel gefallen?

Mögt ihr die Dynamik zwischen Nacer und Sicily?

Schönes Wochenende und bis zum nächsten Kapitel ☀️😎

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