3 - Sicily
„Lass mich sofort los", knirsche ich. Ich würde ihm gerne meine Tasche gegen den Kopf knallen, um diesen Wunsch zu untermalen, aber mir ist durchaus bewusst, dass das in einem Krankenhaus nicht sonderlich gut ankommen kann.
Nacer tut mir den Gefallen.
„Wir müssen trotzdem reden", stellt er fest.
„Ich wüsste nicht, worüber."
Nacer stößt sich von der Wand ab. Ich trete automatisch einen Schritt zurück, um mehr Raum zwischen uns zu schaffen. Das letzte, was ich brauche, ist körperliche Nähe zu diesem...Mistkerl. Er mag vielleicht äußerst attraktiv sein, aber davon lasse ich mich nicht ablenken. Stattdessen recke ich mein Kinn in die Höhe, um mich nur noch auf sein Gesicht und nicht auf die definierten Schultern konzentrieren zu können.
„Du hast etwas, was ich dir gerne abkaufen würde."
Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe.
„Klasse kann man sich aber nicht kaufen, Nacer."
Seine Mundwinkel zucken. Er scheint sich dabei zu amüsieren, wenn er mir auf die Nerven geht.
„Ich meine deine Wohnung."
Für einen Moment bin ich so geschockt, dass mein Mund aufklappt. Dann realisiere ich langsam, was dieser Idiot von mir möchte. Meine Wohnung. Das kann unmöglich sein ernst sein.
„Das ist hoffentlich ein Scherz", bringe ich fassungslos hervor.
„Nein. Ich möchte deine Wohnung. Wie viel Geld willst du dafür haben?"
Ich blinzle. Er meint das tatsächlich ernst. Ich fahre mit den Händen durch meine Haare, während ich zu ergründen versuche, wie unendlich taktlos man eigentlich sein kann. Wie unanständig.
„Ich bin hier gewesen, um Pasquale zu besuchen. Das ist definitiv nichts, womit ich mich zu befassen gedenke. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag."
Ich drücke mich an ihm vorbei, bleibe dann aber kurz stehen. „Such dir eine andere Wohnung."
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Ich bin gerade dabei, ein neues Menu für das Restaurant zu entwerfen, als Telese, neben Pasquale meine zweitengste Person, in mein Büro hereinplatzt. Sie streicht sich ihre Schürze glatt, während ein genervter Ausdruck über ihre Augen huscht. Ihre blonden Haare sind zu einem unordentlichen Zopf zusammengefasst, während ihre Wangen rötlich glänzen.
„Ist alles in Ordnung?", will ich wissen, weil sie sonst nie so gestresst aussieht.
„Nein. Da ist ein Kerl, welcher unbedingt mit der Besitzerin des Restaurants – also mit dir – reden möchte. Er sagt, dass er uns anzeigen wird, wenn du nicht sofort erscheinst."
Meine Kehle wird trocken, weil das ungewöhnliche Töne sind. Normalerweise erleben wir hier überdurchschnittliche Zufriedenheit der Gäste. Eine Anzeige? Das ist eine ernste Angelegenheit.
„Kannst du mich zu ihm führen?", frage ich, worauf sie nur knapp nicht. Ich folge ihr beinahe Schritt auf Tritt, auch wenn ich es nicht unterlasse, das Büro zuerst abzuschließen. Man kann nie genug sicher sein.
Mein Blut kocht beinahe über, als sie mich zu einem Tisch führt, an welchem Nacer mutterseelenallein sitzt, während er durch die Speisekarte blättert. Telese entschuldigt sich kurz, ehe sie abdüst, um sich mit anderen Gästen zu beschäftigen. Ich nehme Nacer gegenüber Platz.
„Ich dachte, dass du meine Wohnung und nicht mein Restaurant möchtest."
Sein Blick hebt sich langsam vom Menu, auch wenn sich sein Gesichtsausdruck nicht verändert.
„Wie springst du denn mit deinen Gästen um, Dolcezza? Was ist aus all den Floskeln und Höflichkeiten geworden?"
Ich atme tief durch, um nichts Dummes zu tun. Wie zum Beispiel in Versuchung zu geraten, ihn mit seiner Krawatte zu erwürgen.
„Dasselbe könnte ich dich auch fragen. Stattdessen kreuzt du einfach auf und drohst mit einer Anzeige? Was passt dir denn nicht? Ist der Zeilenabstand auf der Karte nicht genug groß?", zische ich so leise wie möglich, um keine Aufmerksamkeit von anderen Kunden auf uns zu ziehen. Das Letzte, was ich jetzt noch brauchen kann, sind Schlagzeilen, welche das Restaurant in den Dreck ziehen. Ich habe schon genug Probleme damit, alles zu finanzieren. Ich stehe vor einer finanziellen Knappheit mit diesem Restaurant und kann diesen Umstand eigentlich nur mit dem Umsatz des Pubs retten. Wir haben hier nicht genügend Gäste, auch wenn alle Voraussetzungen stimmen sollten. Es ist mir lediglich nicht bewusst, wie ich das zu einem Hafen für reiche Leute machen soll, wenn viele nicht einmal wissen, dass wir hier existieren.
„Oh, die Drohung war nur ein Vorwand, um mit dir reden zu können", sagt Nacer nüchtern und nippt an seinem Rotwein. Als ich Anstalten mache, aufzustehen und zu gehen, weil das alles nur Falschalarm war, wirft er mir ein süffisantes Grinsen zu.
„Auch wenn ich sie wahrmachen könnte, nur um deine Aufmerksamkeit zu gewinnen."
Ich setze mich wieder. Ich hasse, hasse, hasse es, dass er in diesem Moment so viel Macht über mich hat.
„Du willst meine Wohnung und ich kann sie dir nicht verkaufen. Ich habe dir schon gesagt, wie meine Seite der Geschichte aussieht. Was willst du denn noch hören?"
„Ich würde die Wohnung unter den schlimmsten Umständen auch mieten."
Ich schnaube. „Ich habe nicht mehr als ein freies Gästezimmer, Nacer. Das funktioniert so nicht. Du kannst mich nicht bei meiner Arbeit stören, nur weil du dich für etwas Besseres hältst."
Nacer nickt langsam.
„Ich störe dich ja nicht effektiv. Ich esse hier. Ich habe den teuersten Rotwein bestellt. Du machst dank mir eine Menge Umsatz. Stell dir nur vor, wie sehr sich die Zeitungen um ein Essen hier prügeln würden, wenn sie wüssten, dass ich hier speise."
Er gluckst, während ich den Humor in dieser Aussage zu finden versuche. Ich bemitleide ihn um die Aufmerksamkeit, welche er von den Medien erhält. Ich will nicht wissen, welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden mussten, damit er jetzt hier in Ruhe essen kann.
„Aber ich würde gerne auf das Zimmer eingehen. Ich miete es, gehe dir aus dem Weg und damit ist die Sache geklärt. Du würdest gar nicht merken, dass ich da bin."
Ich reibe mir mit den Fingern über den Nasenrücken.
„Was willst du plötzlich von meiner Wohnung, Nacer?"
„Du bist Pasquales Nachbarin. Ich brauche engen Kontakt zu ihm und in der Gegend steht nichts zum Verkauf. Einmal davon abgesehen, dass ich nicht ewig in einem Hotel leben kann, wenn ich nicht von den Medien durch einen Fleischwolf gedreht werden möchte. Sie wissen nämlich, wie man alles Mögliche zu einer Riesenstory macht, obwohl ich eigentlich nur eine enge Verbindung zu Pasquale haben möchte, wenn er wieder aus dem Krankenhaus kommt. Nächste Woche. Er ist mein Teammitglied, Sicily. Ich brauche ihn an meiner Seite, wenn ich die zweite Hälfte dieses Jahres irgendwie überleben möchte."
Die Verzweiflung in seinem Gesicht bringt mich für einige Momente zum Schweigen. Wenn er jemand anderes gewesen wäre, hätte ich sofort zugestimmt.
„Und bei mir zuhause würden dich die Medien nicht mehr verfolgen? Keine Schlagzeilen mehr? Nacer, du würdest bei einer Frau wohnen, die nicht deine Freundin ist. Hast du eine Ahnung, wie sehr das die Gerüchteküche anheizen würde?"
Nacer reibt sich über sein Gesicht, während er mich verzweifelt mustert.
„Deshalb wollte ich dir auch die Wohnung abkaufen. Aber du möchtest mich ja nicht lassen. In diesem Fall wäre ich bereit, die Gerüchte auf mich zu nehmen. Mit ihnen klarzukommen."
Ich schnaube. „Na klar. Dir kann das alles auch egal sein. Mir ist es nicht egal. Was würde für mich aus all diesen Dingen hervorspringen? An welchem Punkt profitiere ich?"
„Pasquale braucht mich, Sicily. Mindestens so sehr, wie ich ihn brauche. Bitte. Du kannst sagen, was auch immer du möchtest und ich werde diesem Wunsch, deiner Bitte folgen. Ich bin bereit, dafür einen Preis zu zahlen."
Ich atme tief durch, während ich ihn mustere. Ehrlich gesagt fällt mir auf die Schnelle nicht ein, was ich mir von ihm wünschen könnte. Was all diesen Trubel wert wäre.
„Ich denke, dass wir hier fertig sind. Ich hoffe für dich, dass du keine Anklage einreichst, denn das würde dich selbst ziemlich lang von der Rennbahn fernhalten."
Nacer nickt. „Natürlich. Das kann ich mir nicht leisten. Aber, Sicily?"
„Ja?"
„Bitte überleg es dir. Ich werde dich morgen im Krankenhaus sehen. Dann kannst du mir Bescheid geben. Denk noch einmal darüber nach. Ich flehe dich an."
„Okay", bringe ich mühsam hervor, während ich aufstehe und wieder zu meinem Büro zurückkehre. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, mit welchem Argument ich Nacer endgültig von meiner Wohnung fernhalten kann.
Wie wird Sicily das wohl anstellen 🤔?
Oder wird Nacer Sicily überzeugen können, dass er in ihrer Wohnung einziehen darf 😏?
Ich wünsche euch jedenfalls ein schönes Wochenende 😎☀️! Holt euch keinen Hitzeschlag 😌
PS: heute ist das Qualifying in Kanada (22 Uhr), für alle, die sich vielleicht mal mit der Formel 1 befassen wollen 🏎🛣
Bis zum nächsten Kapitel 🥰
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