27 - Nacer

Ich verbanne jeglichen Gedanken, während ich im Cool Down Room sitze. Das ist mein zweiter Grand Slam dieser Saison. Ich könnte mich nicht beschissener fühlen. Pasquale hätte mich beinahe den Sieg gekostet und nun ist er auf dem letzten Platz gelandet – ausgeschieden. Ein weiterer Unfall. Eine weitere Katastrophe für mich. Braedin wird mich wieder zum Polizisten schleifen und mich dort ausquetschen lassen, bis der letzte Verdacht, dass ich etwas gegen seinen Goldjungen Pasque aushecken könnte, aus mir gepresst wird wie Orangensaft. Luciano und sein Teamkollege unterhalten sich ausgelassen über das Rennen, während ich meinen Kopf mit geschlossenen Augen an die Wand lehne. Das ist vermutlich die erste Minute Ruhe, welche ich dieses Wochenende bekommen werde. Ich kann mich nicht mehr in meinen Gedanken aufhalten, weil Sicily diese beschlagnahmt hat. Seit ihrer verfluchten Komposition kann ich an nichts anderes mehr denken.

Ich kann nicht auf mein Handy starren, weil da die Hölle los ist. Sicily spamt mich mit Nachrichten, welche ich mir nicht durchlese, weil ich nicht mehr an sie denken möchte. Ihr Gesicht hat sich wie eine Krankheit in meinen Körper gebrannt und es ist Zeit, es endlich wieder loszuwerden. Es ist Zeit, dass ich meinen Kopf endlich wieder für mich beanspruchen kann und er nicht mit irgendwelchem Blödsinn gefüllt ist, mit welchem sie mich manipulieren möchte.

Denn genau das tut sie ständig. Über ihr Handy kommuniziert sie gerne mit mir, aber sobald ich bei ihr Zuhause bin, ignoriert sie mich. Sobald ich in ihrer Nähe bin, zieht sie sich zurück, als gäbe es da einen Kampf auszuführen, welchen sie nicht kämpfen möchte. Muss sie meinetwegen auch gar nicht tun. Ich presse meine Lippen zu einer Linie, was ich sofort wieder bleiben lasse, weil alles aus diesem Raum übertragen wird und ich sowieso schon die Hölle am Hals habe. Für einen Unfall mit Pasquale zuständig zu sein, wird mich vermutlich meinen Arsch kosten.

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Betrunken schwinge ich meine Trophäe durch die Gegend, während Luciano versucht, sie vor mir zu retten. Die Champagner-Flasche hat er mir schon entrissen, weil er glaubt, dass ich davon zu viel gehabt hätte.

„Verdammt, Veenstra, jetzt reiß dich endlich ein wenig zusammen!", knurrt er, während er mich davon abzuhalten versucht, das Gebäude zu verlassen. Ich nuschle etwas, was selbst für mich unverständlich ist, was mich wiederrum zum Kichern bringt. Alles ist heute so farbenfroh, das ist richtig schön. Ich frage mich, was all diese Farben aus Sicily machen würden.

„Ich brauche einen Drink", bringe ich hervor, während ich mich an eine Wand lehne. Plötzlich ist mir schlecht. Luciano flucht leise, hört allerdings nicht damit auf, mich zurechtzuweisen und mir zu sagen, dass ich mich verdammt nochmal unerträglich verhalte.

„Du hast genug getrunken. Kotz mir auf keinen Fall auf die Füße. Ich muss nachher noch raus, weil irgendjemand die Fragen der Presse beantworten muss."

Die Presse. Ich lache. Es ist lächerlich, dass die Presse für ihn das größte Problem ist. Sicily hätte die Situation bestimmt auch lustig gefunden.

„Ich brauche einen Drink", wiederhole ich.

Sicily hätte mir keinen gegeben. Einmal mehr taucht sie vor meinem geistigen Auge auf und der Drang, sie von dort wegzubekommen, ist plötzlich immens.

„Ich brauche einen Drink. Ich brauche einen Drink, einen Drink, einen Drink. Ich brauche einen Drink und das dringend. Am besten irgendetwas Starkes", bringe ich hervor und schließe die Augen wie zuvor in dem Cool-Down-Room.

Luciano beginnt mir eine Predig zu halten, als wäre er ein heiliger und das erinnert mich wieder nur daran, wie sich Sicily fühlen muss, wenn dieser Idiot ihr irgendetwas erzählen will. Er hält sich auch für etwas Besseres, das ist unerträglich. Arme Sicily. Armes ich, ich will nämlich nicht mehr an sie denken. Aber Scheiße, tut sie mir wieder leid. Ich knurre und drehe mich so um, dass ich meinen Kopf gegen den kalten Betonpfosten lehnen kann, um mein inneres Feuer zu stillen. Ich hasse meine Gedanken. Ich hasse sie unendlich und noch mehr hasse ich, dass ich sie nicht daraus verbannen kann.

„Nacer? Was zur Hölle ist mit dir los?", unterbricht Luciano sich selbst, wahrscheinlich hat er gemerkt, dass seine Moral niemanden auf diesem Planeten interessiert.

Ich brauche einen Drink, um Sicily zu vergessen, denke ich.

„Ich brauche Sicily", bringe ich allerdings nur hervor. Diese Aussage ist zum Kotzen. Wortwörtlich. Ich leere beinahe meinen gesamten Magen, ehe ich auch nur daran denken kann, ihm zu erklären, dass das nicht so ist und dass ich seine Schwester am liebsten auf den Mond schicken würde, aber dass das noch immer nicht weit genug wäre, weil ich den Mond jeden Tag sehen könnte und dann an sie denken müsste.

Luciano klopft mir ein paar Mal auf den Rücken, äußert sich allerdings nicht weiter, als ich mich neben mein Erbrochenes auf den Boden setze, weil ich plötzlich so müde bin und keine Kraft mehr zum Stehen aufbringen kann.

„Sicily", sagt er irgendwann in die Stille, während ich meinen Kopf in meinen Händen vergraben habe. Er will wohl mit mir darüber reden, aber das kann er glatt vergessen. Ich ignoriere ihn.

„Nein, Sisi, ich rufe nicht deswegen an...nein, ich schwöre es, das ist kein Witz."

Anrufen. Sicily. Mein Kopf schießt so schnell in die Höhe und alles beginnt sich zu drehen, sodass ich am liebsten noch eine Runde erbrechen würde.

„Ja, er hat nach dir gefragt...er braucht dich, Sisi."

Luciano spricht mit Pausen und reicht mir das Telefon irgendwann. Ich schüttle bestimmt den Kopf, worauf er mich streng ansieht und das Handy auf Lautsprecher stellt.

„Nacer?", fragt Sicily in den stillen Raum. Ich kann nicht antworten, weil sich alles in mir zugeschnürt hat. Ich schüttle nur den Kopf, immer und immer wieder.

„Nacer, verarsch mich nicht. Du hast gesagt, dass du sie brauchst", ermahnt mich Luciano in einem warnenden Ton, doch ich schüttle nur wieder trotzig den Kopf.

„Nacer, was ist los?", vernehme ich Sicilys Stimme wieder, aber ich will ich wirklich nicht antworten, also tue ich das Einzige, was mir in diesem Moment noch übrigbleibt. Ich reiße Lucianos Handy aus seiner Hand und werfe es direkt in mein Erbrochenes. Die Leitung stirbt schneller als das Gedächtnis einer Fliege. Selbstzufrieden starre ich auf den dunklen Bildschirm, während ein winziger Teil von mir auch glaubt, dass ich ein verdammter Idiot bin, weil ich jetzt eigentlich mit ihr hätte sprechen können, es aber nicht getan habe. Ich gehe lieber den Weg, auf welchem ich mich miserabel fühle als denjenigen, welcher etwas mit Sicily zu tun hat.

Ufff schwierige Situation mit Nacer 😩

Wieso macht Nacer wohl so etwas?

Hat euch das Kapitel gefallen?

Da ich heute nett unterwegs bin, gibts hier (zum ersten Mal denk ich) ein Doppel-Update 😂🥰

[DOPPEL-UPDATE 1/2]

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