12 - Nacer

„Und?", will Pasquale wissen, aber ich schüttle nur den Kopf.

„Ich habe es nur noch schlimmer gemacht. Ich kann froh sein, wenn sie mich überhaupt ansieht, bevor ich gehe."

Ich trinke einen großen Schluck meines Mineralwassers, um meine Nerven abzukühlen. Das ist mein letzter Versuch gewesen, den Anstand zwischen uns zu wahren. Die Vogelscheuche braucht nun offiziell keinen Respekt mehr von mir zu erwarten.

„Tut mir leid, Nace", sagt er leise, doch ich zucke nur mit den Schultern.

„Ich kann eben nicht alles retten."

Und ich werde definitiv nicht mehr versuchen, es dieser Frau recht zu machen. Wenn sie diese Art von Drama genießt, kann ich ihr auch nicht helfen.

„Nacer", sagt Pasquale ruhig. Es ist möglich, dass ich mich ziemlich bitter angehört habe, aber das ist nicht mein Problem. Zumindest nicht mehr.

„Ich fliege morgen", informiere ich ihn, während ich einige Züge Wasser trinke. Braedins Kopf dreht sich ruckartig zu mir, was die Leute neben ihm verstummen lässt, welche nun zwischen uns beiden hin- und hersehen.

„Morgen? Allein? Das ist eine schlechte Idee, Veenstra."

Ich zucke mit den Schultern.

„Es gibt viel für mich zu tun. Es können nicht alle Zuhause sitzen und die Sommerferien genießen."

Vor allem, wenn sie eine Beziehung mit jemandem spielen, was überhaupt nicht funktioniert. Ich werde definitiv noch ein ernstes Wörtchen mit Sicily über unsere Abmachung wechseln müssen. Es ist nämlich nicht allein meine Aufgabe, dass unsere Beziehung real wirkt. Bis ich in diesem Flieger sitze, haben wir diesen Streit aussortiert, zumindest nach außen. Dann haben wir nämlich beide unsere Ruhe. Ich glaube nämlich nicht, dass es gut kommt, wenn ich noch länger hier bin und Zeit in ihrer Wohnung verbringe.

„Hast du dich überhaupt schon gut einquartiert, Nacer? Ich bin mir sicher, dass du gerne ein bisschen mehr Zeit mit deiner Freundin verbringen würdest. Sonst sind es meistens auch nur wenige Tage, die ihr habt. Willst du nicht lieber diesen Zeitraum auskosten?", will Braedin wissen. Er fragt das so vermeintlich unschuldig und mit netten Hintergedanken, dass mir schlagartig bewusstwird, dass er andere Pläne für mich hat. Die Frage ist nur, was er ausgeheckt hat.

„Ich liebe die Zeit mit ihr mindestens so sehr, wie ich sie liebe", sage ich also möglichst neutral, während ich meinen eigenen Plan zur Hölle schicke. Es ist witzig, dass ich auch nur für wenige Sekunden geglaubt habe, dass ich selbst bestimme, was ich tue. Vor allem, wenn sich die Dinge in letzter Zeit für das Team derartig zugespitzt haben.

„Oh Nacer, du musst uns deiner Freundin vorstellen", mischen sich Sicilys Eltern ein. Ich stocke, während sich meine Augenbrauen heben und mein Blick zu Luciano wandert. Er zuckt nur mit den Schultern, als wäre es normal, dass Sicily ihren Eltern eine derartig wichtige Sache verschwiegen hat. Vermutlich hat sie es nicht über das Herz gebracht, die beiden anzulügen. Aber nun, als die Blicke des ganzen Tisches auf mir liegen, muss ich wohl antworten. Die Freundlichkeit übernehmen.

„Ich bin mir sicher, dass es nicht nötig sein wird, Sicily vorzustellen", erwidere ich mit einem freundlichen Lächeln und trinke in aller Seelenruhe wieder einen Schluck meines Wassers, damit ich diese Aussage nicht weiter ausführen muss. Das ist nur eine weitere Sache, die Sicily wieder nicht passen wird. Aber sie hätte sich auch ehrlich gesagt selbst darum kümmern können, ihnen das zu sagen.

Tuscheln breitet sich über dem Tisch aus, während ich mich frage, ob diese Menschen keine Zeitung lesen. Wir sind diese Woche auf so vielen Titelblättern gelandet, dass ich echt nicht nachvollziehen kann, wie man das übersehen konnte.

„Nein, das wird es nicht sein", sagt der Vater der Familie schließlich und schenkt mir ein warmes Lächeln, welches vermutlich nur aufgesetzt ist.

„Das ist eine verzwickte Situation für dich, Kumpel", murmelt Pasquale leise zu mir, während Sorge in seine Augen geschrieben steht. Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu, doch er ignoriert diesen. Dann ist das also auch schon geklärt. Glücklicherweise sitze ich nicht neben den Oberhäuptern der Vultaggio-Familie. Das wäre nämlich alles andere als angenehm geworden. Vor allem, nachdem sie offenbar erst jetzt herausfinden, dass ich eine Beziehung mit ihrer Tochter führe.

„Was du nicht sagst. Sie hat das alles schön ausgespielt", antworte ich leise. Während des Essens sage ich nicht sonderlich viel, sondern folge viel eher den Gesprächen, welche geführt werden. In mir wächst meine Neugier immer stärker, bis ich mich irgendwann zu Braedin lehne und frage, was ich denn hier noch zu erledigen habe.

„Befragungen. Und mehr darf ich jetzt nicht dazu sagen, klar? Das ist keine öffentliche Sache, Nacer. Du bleibst morgen jedenfalls noch da."

Ich presse die Lippen zu einer Linie zusammen. Je nach dem, wann diese Befragungen stattfinden, kann ich abends noch immer abreisen.

„Bring das mit ihr in Ordnung, verstanden? Wir brauchen die gute Presse momentan – mehr als jemals zuvor. Und von Pasquales Seite werden wir sie nicht erhalten, also musst du wohl oder übel dafür hinhalten."

Viel eher muss Sicily dafür hinhalten. Aber das war unsere Abmachung – wir spielen ein Paar. Ende der Geschichte. Wenn ich recht darüber nachdenke, sehe ich nicht wirklich ein, wieso es so einen großen Unterschied macht, ob sie beleidigt ist oder nicht. Denn wir sind auch sonst keine Freunde und haben es dennoch geschafft, Händchen zu halten, während wir durch London spaziert sind. Ich habe sogar meine Nägel machen lassen, nur damit wir nicht auffliegen. Naja, zumindest habe ich sie mir feilen lassen und dabei zugesehen, wie tausend Öle darauf getupft wurden, aber dafür habe ich meiner Meinung nach viel zu viel Geld liegen lassen – und das alles nur für den Zweck dieser Beziehung: nämlich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Wieso also sollte sie jetzt schmollen können, wo wir doch so viel mehr zu verlieren haben als nur ihren Stolz?

Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, während ich Braedin zunicke.

„Du hast recht. Es sind sowieso nur Kleinigkeiten gewesen."

Er nickt erleichtert, während er den Blick über den Tisch zu Sicilys und Lucianos Eltern wandern lässt.

„Wie wäre es denn mit einem Familienessen? Morgen. Ich denke nicht, dass ihr euch als offizielles Paar vor den Eltern vorgestellt habt. Luciano hat auch schon glücklicher ausgesehen. Das wäre eine gute Story, findest du nicht?", überlegt er mit einem kalkulierenden Blick. Pasquale räuspert sich.

„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre, vor allem, wenn man betrachtet, unter welchem Umständen das Treffen vereinbart werden würde", sagt er. Er wirkt, als würde er noch mehr wissen, weshalb ich eine Augenbraue in die Höhe ziehe.

„Bist du etwa eifersüchtig, Pasquale?", will ich in einem höhnischen Ton wissen. Sein Kiefer zuckt, was mein Grinsen zusammenfallen lässt.

„Willst du mir etwa sagen, dass du in meine Freundin verliebt bist?", hake ich nach, diesmal viel gefährlicher und bedrohlicher – so wie es ein richtiger Freund eben machen würde.

„Nein, das tue ich nicht. Tatsächlich gibt es da jemand anderes. Aber das ist nicht der Punkt. Denk ein wenig nach, Nacer. Sie wird die Idee nicht gut finden."

Wieder klingt er so, als wollte er mir etwas mitteilen, wieder verstehe ich es nicht.

Ich finde die Idee gut, Pasquale. Ich habe schon lange nichts mehr mit ihren Eltern gemacht und mit Luciano sollte ich das Kriegsbeil langsam auch begraben – vor allem, wenn spätestens jetzt alle wissen, dass ich mit seiner Schwester ausgehe. Ich wohne sogar mit ihr zusammen. Die Dinge zwischen uns sind verdammt ernst und ich denke, dass wir das auch so angehen sollten."

Ich türme Lügen über Lügen, aber darauf kommt es momentan nicht an. Pasquale sieht wieder so aus, als würde er widersprechen wollen, aber dann schüttelt er nur den Kopf, als wäre er enttäuscht von mir.

„Wenn du meinst", bringt er hervor, meidet jedoch meinen Blick.

„Das tue ich", entgegne ich ein wenig entnervt. Ich hasse es, dass eine Frau, die mir nicht einmal wichtig ist, dabei ist, zwischen uns zu geraten und ihn auf seine Seite zu ziehen. Ich brauche ihn als meinen besten Freund. Er ist mein Fels in der Brandung, mein Bruder. Ich kann es mir nicht leisten, dass er sich von mir zurückzieht, aber irgendwie scheint die Situation mit Sicily einen Keil zwischen uns zu treiben, was ich mir nicht erklären kann.

Wie wird das Familienessen wohl laufen...😬?

Und was wollte Pasquale Nacer da mitteilen?

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und dann lesen wir uns nächstes Wochenende wieder 💖

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