|Prolog|

"Beatrice, wir wollen los!", ruft meine Mutter von unten und ich habe das Gefühl sie vor mir sehen zu können. In ihrem dicken roten Wintermantel und der Pudelmütze, ungeduldig wippt sie mit ihrem Fuß auf und ab. Mein Dad wartet schon im Auto und drückt nun auf die Hupe. Ja ja, wir wollen nicht zu spät kommen. Schnell schaue ich noch einmal in die Spiegel, schaue ob meine feuerroten Haare richtig liegen. Dann aber laufe ich hastig die Treppe hinunter, lasse die letzte Stufe aus und springe. Im Augenwinkel kann ich sehen das meine Mutter ihre Augen verdreht, während ich an ihr vorbei greife und meine Jacke überziehe.

Es ist tatsächlich etwas kalt draußen zu dieser Jahreszeit, aber meine Mutter übertreibt ein wenig. Fürsorglich hält sie mir ihren Arm hin damit ich nicht ausrutsche auf der glatten Auffahrt. Dafür schenke ich ihr ein warmes Lächeln, mein Dad belächelt das und reißt dann einen Witz übers Wetter. Nur meine Mutter lacht darüber, sie lacht über alle seine Witze egal wie schlecht sie sind. Ich liebe sie dafür, dann muss ich nicht lachen. Ich liebe meinen Vater, auch wenn seine Witze schlecht sind. Aber er ist einfach immer für mich da, einfach indem er seinen Arm um mich legt wenn ich unglücklich bin oder wenn er mir beibringt wie man einem Jungen am besten in die Weichteile tritt und dabei sogar als Versuchskaninchen herhält. Sie sind Traumeltern, auch wenn wir manchmal unsere Schwierigkeiten haben, aber das sind immer nur belanglose Kleinigkeiten.
Es ist einfach goldig wie sehr sie sich lieben. Die beiden haben so viel zusammen erlebt und trotzdem sehe ich die beiden später alt und grau zusammen Hand in Hand. Eltern wie in einem Buch. Ich wünsche mir eine solche Liebe für mich in der Zukunft.

"Mami! Bea hört dir gar nicht zu!", petzt mein kleiner Bruder James neben mir. Ich verdrehe die Augen obwohl er Recht hat. Ich habe wirklich nicht zugehört. Meine Mutter nimmt das kaum zur Kenntnis und beginnt einfach von vorne zu erzählen. So, als hätte sie eh nichts anderes vor gehabt. Dafür liebe ich sie umso mehr. Sie versteht das ich oft in Gedanken versinke, denn da ist sie mir sehr ähnlich. Dieses Mal versuche ich ihr zu zuhören, sie möchte auf dem Weihnachtsmarkt ihre Freundin besuchen, diese hat wohl einen Stand mit Kräutern. Der Name der Freundin sagt mir nichts, vielleicht hat meine Mutter sie erst kürzlich kennengelernt.
Wir fahren ohne James auf den Weihnachtsmarkt, deswegen machen wir noch kurz halt bei meinen Großeltern. Dort hat James jede Menge Spaß, sie vergöttern ihn und er muss sich nicht auf dem Weihnachtsmarkt langweilen.

Mein Blick fällt aus dem Fenster, es ist alles weiß. Es freut mich das wir endlich richtiges Winterwetter bekommen, so kann Weihnachtsstimmung aufkommen, wenn auch verspätet. Weihnachten ist die schönste Zeit des Jahres, nächste Woche hängen wir sicher unsere Weihnachtsdeko auf und backen endlich Plätzchen, mein Bruder wird sich freuen. Meistens ist dann die ganze Küche voll mit Mehl und unserem Gelächter. Mein Vater singt dann jedes Weihnachtslied mit, dass im Radio läuft und auch wenn er keinen Ton trifft, gibt es für mich nichts schöneres zu hören.

Dicke Schneeflocken fallen herab, weswegen wir rechts ran fahren, mein Vater kann nichts mehr sehen, die ganze Scheibe ist weiß.
Es sollte mich nicht beunruhigen, aber dann schaltet mein Vater das Radio aus und sagt meiner Mutter sie soll leise sein. Augenblicklich beendet sie ihren Bericht über ihren Blumenverkauf letzte Woche. Ich atme leiser, höre aber das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. Wieso habe ich solche Angst? "Steig aus, Süße und lauf zu deinen Großeltern.", meint mein Vater dann und ich sehe ihn erschrocken an, als er sich zu mir nach hinten dreht. Er sieht blass aus, ängstlich. Und das wiederum macht mir fürchterliche Angst. Mein Vater lässt nie nach außen dringen wenn er sich schlecht fühlt. Möchte nie, das sich jemand Sorgen macht, heute scheint es anders zu sein. Wie automatisch schnalle ich mich ab. An dem Haus meiner Großeltern sind wir eben erst vorbei gefahren, mein Bruder wartet da. Es schneit zwar, meine Sicht wäre beeinträchtig, aber ich würde den Weg finden.

"Süße! Geh bitte", wiederholt mein Vater mit Nachdruck. Ist da Panik in seiner Stimme? Ich höre einen Knall, so als wäre jemand auf unser Autodach gesprungen. Meine Mutter sieht mich panisch an und ich reiße nun die Tür auf. Laufe einfach los, auch wenn ich kaum etwas sehen kann. Versuche durch den Schnee zu kommen und renne so gut es geht. Dann höre ich meine Mutter schreien und bleibe stehen. Mein Atem ist laut und ich habe Angst das mein Herz aus meiner Brust springen wird, mein Atem schneidet die Luft. Ich höre meine Mutter ein letztes Mal schreien. Dann ist alles plötzlich still. Mein Blick auf den verschneiten Weg vor mir. Ich muss zu meinen Großeltern, ein Fuß vor den anderen, es ist ganz leicht.

Aber meine Beine tragen mich zurück zum Auto. Kein langer Weg zurück.
Roter Schnee.
Ich beginne zu schreien.

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