#37 Let's Celebrate


Namjoon hält nach einer schier endlosen Fahrt quer durch die Stadt am Straßenrand vor einer kleinen, gemütlich aussehenden Bar.

"Steigt schon aus, ich parke den Wagen und komme dann nach.", ordnet er an.

Ich steige also aus und nehme Hoseoks Rollstuhl aus dem Auto, der zusammengeklappt im Kofferraum liegt. Den ganzen Abend auf der Prothese zu laufen ist noch zu viel für ihn, deshalb hat Namjoon den Rollstuhl kurzerhand eingepackt. Ich klappe das Ding also auseinander und will gerade ums Auto herumgehen, um Hoseok die Tür zu öffnen, da steht er schon auf dem Gehsteig. Zwar stützt er sich am Dach des Autos ab, sieht aber trotzdem extrem stolz aus. Klar, bis vor kurzem war es für ihn undenkbar allein aufzustehen, und jetzt kommt er aus eigener Kraft sogar aus dem Auto.

Ich schiebe ihm den Rollstuhl hin und er setzt sich, ohne das das Grinsen von seinen Lippen verschwindet. Den ganzen Nachmittag ließ er sich durch nichts und niemanden die gute Laune wegwischen. Selbst als ein anderer Patient der Meinung war, sich mit ihm anlegen zu wollen und ihm mit voller Absicht seine Mittagssuppe über den Schoß kippte, blieb er völlig entspannt. Ganz anders als er noch vor ein paar Wochen reagiert hätte. Der frühere Hoseok hätte dem Idioten beide Arme gebrochen und ihm den Suppenteller über dem Schädel zertrümmert, um ihm dann den Hals umzudrehen. Gut, vielleicht wäre der auch am Leben geblieben, aber auf jeden Fall wäre er mit Worten gründlich auseinandergenommen worden.

"Warten wir noch auf die anderen, oder gehen wir rein?", fragt er jetzt.

Die anderen, das sind Jungkook und Jimin, und eigentlich Namjoons Freund Yoongi, der sich aber nicht von seiner Arbeit loseisen ließ. Namjoon nahm ihm also das Versprechen ab, demnächst etwas zu essen und dann postwendend schlafen zu gehen, sagte aber nach dem Telefonat mit einem gleichgültigen Schulterzucken, dass Yoongi sich sowieso nicht daran halten und früher oder später mit dem Kopf auf seinem Mischpult einschlafen würde, um sich dann morgen früh über Rückenschmerzen klagend wieder an die Arbeit zu setzen. Der Kerl musste unglaublich ehrgeizig und ausdauernd sein, wenn nicht sogar ziemlich perfektionistisch. Ich weiß nicht, ob ich ihn bewundern oder für verrückt halten soll. Vermutlich wandelt er auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.

Kurz darauf hält ein Taxi vor uns und die besagten Anderen springen feixend und lachend aus dem Auto.

"Ich glaub, die Frage hat sich gerade selbst beantwortet.", grinse ich.

Jungkook legt mir einen Arm um die Schulter und hängt sich an mich. "Welche Frage?"

"Ach, nichts Wichtiges.", wimmle ich ihn ab. "Hallo erstmal, ihr beiden."

Auch Hoseok begrüßt die Nachzügler gut gelaunt, und einen Augenblick später stößt auch Namjoon wieder zu uns, der sein Auto ein Stück weiter in einer Seitenstraße abgestellt hat.

Ich klatsche in die Hände. "Na dann, lasst uns reingehen und feiern!"

-

Umständlich balanciert Jimin ein Tablett mit Getränken zum Tisch. Die Gläser klirren aneinander und die Getränke schwappen bedenklich, als er es schwungvoll in der Tischmitte abstellt. Dann rutscht er wieder neben Jungkook auf die tiefe, gemütliche Lederbank und angelt sich sein Glas vom Tablett.

"Ich hab vergessen, wer was haben wollte, also müsst ihr es euch selber raussuchen.", verkündet er schulterzuckend, worauf Jungkook ihn in die Seite stößt. "Du bist echt ein Idiot!", schimpft er, kann das Grinsen aber nicht unterdrücken. Jimin, der sein Getränk gerade noch so vor dem Verschütten retten konnte, boxt zurück. "Du sollst eine Selbstgespräche führen, Jungkookie.", kontert er mit einem schiefen Grinsen, erntet aber bloß ein Augenverdrehen von seinem Sitznachbarn.

"Habt ihr's bald?", schreite ich ein und nehme mir mein Getränk vom Tablett, nachdem ich Hoseok und Namjoon ihre gereicht habe, denn im Gegensatz zu Jimin habe ich mir die Bestellungen gemerkt.

"Jaja.", murren beide gleichzeitig.

"Ihr sollt mich nicht immer Jaja-en.", rüge ich die beiden, bevor Hoseok sich einschaltet.

"Jetzt fang' du nicht auch noch an, Kleiner. Lasst uns endlich anstoßen!"

Namjoon hebt sein Glas in die Mitte. "Auf Hoseok."

"Auf Hoseok.", schließen Jimin und Jungkook sich an und erheben auch ihre Gläser.

"Auf Hoseok.", stimme ich zu und wende mich mit erhobenem Glas an den Angesprochenen. "Auf all das, was du durchgemacht hast. Auf alles, was du geschafft hast und auf deine Kraft und deine Stärke. Auf deinen Mut und deinen unglaublichen Willen, und auf den Weg, der dir jetzt zu Füßen liegt."

Hoseok schaut mir mit einem warmen Lächeln auf den Lippen in die Augen, ehe er sein Glas zu unseren erhebt.

"Auf euch.", sagt er, und wir lassen die Gläser aneinanderklirren.

-

Namjoon stellt die dritte Runde auf dem Tisch ab. Mittlerweile ist es schon wirklich spät, doch wir sind immer noch in Hochstimmung. Jungkook unterhält uns seit einer Weile mit Anekdoten von seinen Abenteuern in Neuseeland, während Jimin ihn ständig mit albernen Kommentaren unterbricht, Unterbrechungen, die in mittelschweren Lachanfällen enden.

Zwischendurch erzählen Hoseok und Namjoon von ihrer Musik, die sie zusammen mit dem ominösen Workaholic Yoongi produzieren - und performen, was darin endet, dass Jimin die beiden zu einer Freestyle-Einlage zwingt, zu der sie sich tatsächlich hinreißen lassen. Gut, sie hatten keine Wahl, sie waren heftiger Nötigung ausgesetzt, aber es scheint, als hätten sie ihren Spaß daran, uns zu demonstrieren, was sie können. Zurecht, denn es klingt wirklich verdammt gut, und ich frage mich ernsthaft, wie ein Mensch sich so schnell so viele Wörter ausdenken, merken, und dann auch noch sagen kann, ohne einen Knoten wahlweise im Hirn oder in der Zunge zu bekommen.

Da ich der einzige bin, der noch nichts zum besten gegeben hat, nötigt Jungkook mich, von meinem vorherigen Job zu berichten, was ich zwar widerwillig, aber schließlich doch tue. Auch meinen neuen Kollegen geht es an den Kragen, und es tut gut, sich mal öffentlich über sie aufregen zu können. Nunja, die anderen haben jedenfalls ihren Spaß daran, und irgendwann stimme schließlich auch ich ins allgemeine Gealber und Gelächter ein.

-

Nach der fünften Runde gähnt Kookie herzzerreißend.

"Sorry, Leute, aber ich bin fertig für heute.", verkündet er und gähnt erneut.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist wirklich spät, schon nach Mitternacht.

Namjoon erhebt sich aus seinem tiefen Sessel, stellt sein Glas auf dem blankpolierten, dunklen Holztisch ab und streckt sich.

"Da schließ ich mich dem Nesthäkchen an. Es ist echt spät."

"Ey! Nenn mich noch einmal Nesthäkchen, und...", protestiert Jungkook, wobei er nicht wirklich ernst zu nehmen ist. Er schaut mehr aus wie ein verschlafenes Häschen, dem jemand sein Möhrchen geklaut hat.

"Und...?", hakt Namjoon nach und zieht amüsiert eine Augenbraue hoch.

"Ach, ich weiß nicht, frag mich nochmal, wenn ich ausgeschlafen habe.", murrt Kookie und steht ebenfalls auf. Auch Jimin erhebt sich, und ich tue es ihm gleich.

"Dann lasst uns die Runde aufheben.", beschließt Hoseok und schiebt seinen Rollstuhl vom Tisch zurück. "Danke, dass ihr hier wart."

"Es war mir eine Ehre.", grinst Jimin, während Jungkook ihm auf die Schulter klopft.

"Immer wiede gern.", sagt auch Namjoon, bevor wir gemeinsam die Bar verlassen.

-

Hoseok sitzt neben mir im Taxi, den Kopf an die Scheibe gelehnt, und beobachtet die vorbeihuschenden Lichter. Ich hätte ihn auch allein fahren lassen können, das hat er selbst gesagt, doch ich habe darauf bestanden, ihn zu begleiten. So hat also Namjoon die beiden anderen mitgenommen, während ich mit Hoseok ein Taxi zum Krankenhaus nahm.

"Warum warst du damals auf der Straße?", fragt er plötzlich in die Stille hinein.

"Was?"

"Du hast mich schon verstanden."

"Ja...Entschuldige, die Frage hat mich nur etwas überrascht."

"Also? Warum warst du dort?"

"Ich kam von einem Freund. Wir haben bei ihm etwas gefeiert. Er wohnt in einem Dorf dort oben im Nirgendwo.", antworte ich.

Hoseok schweigt eine Weile, ehe er eine weitere Frage stellt:

"Warum bist du nicht weitergefahren?"

Die Frage trifft mich wie ein Schlag vor den Kopf. Ich brauche einen Augenblick, ehe ich antworten kann.

Und ich sage noch, die erste Frage hätte mich überrascht...

"Ich hätte dich niemals dort liegenlassen können.", antworte ich.

"Warum nicht? Es hätte dir doch egal sein können, wer so dumm war, sich die Böschung runterzustürzen."

Noch immer starrt er aus dem Fenster. Das gleichmäßige Schnurren des Motors lässt keine völlige Stille zu.

"Es war mir aber nicht egal.", entgegne ich.

"Du hättest mich einfach sterben lassen können."

"Nein. Das hätte ich nicht. Niemals hätte ich dich sterben lassen."

"Aber du hattest keine Ahnung, wer ich bin. Und trotzdem..." Das ist das erste Mal, dass er in diesem Gespräch stockt.

"...Trotzdem hab ich dich gerettet. Und ich bin verdammt froh darüber, es getan zu haben.", beende ich seinen Satz.

Jetzt dreht er sich zu mir. Das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich in seinen dunklen Augen. Leuchtreklame wirft bunte, glitzernde Schatten über sein Gesicht.

"Du hast dich für mich völlig fertig gemacht. Ich hab gesehen, wie du zusammengebrochen bist. Wie sie dich weggetragen haben. Ich erinnere mich an deine Stimme, an deine Verzweiflung. Du hast so sehr um mich gekämpft. Warum, Taehyung?", fragt er und schaut mir direkt in die Augen.

Ich erwidere seinen Blick standhaft.

"Vielleicht, weil ich wusste, dass du es verdient hast, zu leben. Vielleicht, weil ich wusste, dass zwischen uns so etwas entstehen wird. Vielleicht, weil ich dein Kämpferherz erkannt habe. Vielleicht, weil es das einzig richtige war, was ich hätte tun können. Vielleicht war es Schicksal, oder Intuition, eine Eingebung, was auch immer.", ich halte inne, befeuchte meine Lippen mit der Zunge, räsupere mich.

"Aber es war das beste, was ich je getan habe."

° ° °

Ayyo!

Was haltet ihr von dem Kapitel?

Ich weiß nicht, wie viele noch kommen, irgendwie passt das Ende noch nicht hier dran, aber ich weiß auch nicht mehr, was noch kommen könnte.

Wie viel hättet ihr denn noch gerne? Wie lange haltet ihr mich denn noch aus? 😅

Gestern sind wir übrigens mit 'Racer' ins Ranking gekommen! Danke! 🙌

Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕

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