#3 Found

Oh mein Gott...

Das Motorrad bricht vor meinen Augen durch die Straßenbegrenzung und verschwindet höllisch schnell in der Dunkelheit des Unterholzes. Ich blinzle. Ist der da wirklich gerade... Hastig bringe ich das Auto am Straßenrand zu stehen. Ich muss ihm helfen! Irgendwo im Handschuhfach muss eine Taschenlampe sein. Ich reiße die Klappe auf und krame im Inneren herum als wäre ich auf der Flucht. Ich bekomme die Lampe zu fassen, aber sie rutscht mir sofort wieder durch die Finger und landet im Fußraum bei dem weggeschmissenen Kaffeebecher. Ich bücke mich danach - und stoße mir den Kopf an der noch offenen Klappe. Fluchend greife ich mir die Lampe und stürze aus dem Auto.

Ich renne das Stück Straße zur Unfallstelle, das Loch im Zaun klafft auf wie ein Maul mit scharfen Reißzähnen. Im Laufen krame ich mein Handy heraus. Notarzt. Polizei. Irgendwelche Hilfe. Hektisch erkläre ich dem Menschen am anderen Ende, wo ich bin und was passiert ist, wobei ich mehrfach von vorne anfangen muss, dank verdammt schlechtem Empfang.

Ein Schauer überläuft mich. Ich schalte die Taschenlampe an und lasse den Lichtkegel über die Böschung wandern. Das Motorrad hat eine Schneise in die Büsche gerissen, Zweige sind abgeknickt, der Boden aufgewühlt, in einem Strauch hängt ein Rückspiegel der Maschine. Ich blicke mich suchend um, der Lichtschein reicht nicht weit in die Dunkelheit hinein. Ich verfolge die Schneise weiter nach unten, dorthin, wo es meine Taschenlampe kaum noch hinschafft.

Und dann fällt er mir ins Auge.

Ein verdrehter Schatten, undefinierbar, der am Fuß eines Baumes liegt. Ich schlittere, Taschenlampe voraus, die schlammige Böschung hinunter zu ihm. Ihr. Was weiß ich.

Der Fahrer ist grotesk eingekeilt zwischen Baum und Maschine. Das Motorrad liegt auf ihm, ein Rad dreht wie wild in der Luft, der Lenker ist verdreht, der Scheinwerfer zersplitttert, genau wie der drangebliebene Spiegel. Irgendwie ragt ein Arm aus dem Bündel, ein Bein liegt noch über dem Sitz. Den Kopf kann ich gar nicht sehen. Will ich vielleicht auch gar nicht...

Ich atme tief durch. "Hallo?" Ich rutsche einen weiteren Schritt auf ihn zu. "Hallo? Können Sie mich hören? Hallo?!" Fast muss ich über mich selbst lachen. Erwarte ich ernsthaft eine Reakton von jemandem, der soeben mit einem Affenzahn durch die Leitplanke und die Böschung runter gebrettert ist und sich samt seinem Motorrad um einen Baum gewickelt hat?

Okay. Ich muss ihn da irgendwie rauskriegen. Sehen ob er lebt. Verletzt ist er allemal. Sowas schafft man niemals ohne wenigstens einen gebrochenen Knochen. Eher mehr.

Das Motorrad muss weg. Ist eh hin das Ding. Ich schäle die schwere Maschine vorsichtig zwischen den Beinen heraus. Selbst dabei zeigt er keinerlei Reaktion. Entweder bewusstlos, tot oder extrem selbstbeherrscht. Ihm muss jede kleinste Bewegung wehtun. Ich lasse das Motorrad achtlos dorthin fallen, wo es eben landet. Der Mensch sackt in sich zusammen wie ein nasser Sack. Ich ziehe ihn ein Stück vom Baum weg, so gut es eben geht, an eine flachere Stelle, ich glaube, es ist ein Trampelpfad, ein schmaler Weg oder so etwas.

Der Helm ist kaputt, das Visier ist gesplittert. Ich knie mich auf den nassen Boden, ignoriere den Regen, der meinen Körper herabläuft. Ich bette seinen Kopf vorsichtig auf meine Oberschenkel und löse sanft den Helm von ihm. Nichteinmal ein Stöhnen. Kein Geräusch von ihm. Es ist ein Mann, sehr jung, vielleicht fünfundzwanzig. Die Augen hat er geschlossen, aus seinem Mundwinkel läuft Blut, seine Lippen sehen aus als hätte er mit dem Lippenstift übetrieben. Er ist extrem blass, seine rotbraunen Haare kleben ihm nass von Schweiß und Blut an den Schläfen und an der Stirn. Ich schiebe die Finger unter seinen Kragen, taste an seinem Hals nach einem Puls. Die nasse Haut ist eiskalt unter meinen Fingern. Komm schon, bitte...

Nichts. Langsam bekomme ich immer mehr Angst. Ich weiß nicht, wie schlimm seine Verletzungen sind. Er blutet am Kopf, mehr Blut habe ich bisher nicht gesehen. Aber das muss nichts heißen. Wer weiß, wie er innen drin aussieht. Daran will ich gar nicht denken. Ich beuge mich über ihn, lausche, vielleicht atmet er ja, ganz schwach nur, vielleicht.

Auch nichts. Ich kann ihn doch nicht sterben lassen! Oder, besser gesagt, hier einfach liegen lassen. Tot ist er ja schon... Irgendwie. Ich lege seinen Kopf auf den Boden und rutsche neben ihn und öffne seine Lederjacke. Vom Kragen an zerreiße ich sein schwarzes Schirt. Ich muss an seine Brust kommen. Sein Oberkörper ist voller blauer Flecken, aber auf die kann ich nicht achten. Es ist erstmal wichtiger, dass er wieder lebt.

Ich lege meine zitternden Hände auf seinen Brustkorb und stütze mich rhythmsich mit meinem ganzen Gewicht darauf.
Komm schon, komm schon ... in paar mal rutsche ich mit den Händen von seinem nassen Körper, aber aufgeben werde ich nicht.

Luft. Er muss atmen. Mit meinem Ärmel wische ich ihm sanft das Blut vom den Lippen, lege meine darauf und versuche, ihm Atem einzuhauchen. Ich habe keine andere Wahl als das zu tun. Komm, atme... Ich mache weiter, gebe alles in meiner Macht stehende, ihn wiederzubekommen. Ich kenne ihn nichtmal. Dennoch muss ich ihn retten.

Meine Arme werden schwer, meine Kraft verlässt mich. Tränen treten mir in die Augen. Komm schon, na komm schon, komm zurück... Er rührt sich nicht. Kein Stück. Ich fange an unkontrolliert zu schluchzen. Ich habe kaum noch Kraft, und wenn ich aufhöre, ist er ganz verloren. "Nein! Jetzt komm schon, Mann! Du kannst doch jetzt hier nicht einfach sterben!", schluchze ich. Meine Tränen mischen sich mit dem Regen auf seiner Haut. Erneut lege ich meine Lippen auf seine, kann aber kaum kontrolliert atmen, die Angst und die Tränen schnüren mir die Luft ab.

"Wach. Endlich. Auf. Du. Mistkerl!" Mit jedem Wort werde ich lauter. Mit jedem Wort werfe ich mich mit letzter Kraft auf seinen Brustkorb. Sollen ihm doch die Rippen brechen, Hauptsache er kommt zurück, und zwar sofort.

"Komm zurück!"

Ein Schauer läuft durch seinen Körper. Er fährt zusammen, atmet keuchend ein, öffnet die Augen. Hinter mir Schritte, Stimmen werden laut. Er zittert, ist noch nicht ganz wieder da. Er schwebt irgendwo zwischen hier und dort, wo er gerade war. Hände greifen nach meinen Schultern. Die Tränen laufen unaufhaltsam. Ich hab ihn zurückgeholt! Ich werde hochgezogen, aufgelesen vom schlammigen Boden. Jemand redet auf mich ein, während Andere sich neben ihn hocken. Ich kann die Augen nicht von ihm wenden. Er lebt, oh mein Gott!

"Danke für Ihren Einsatz, Sie haben uns sehr geholfen.", sagt eine Stimme an meinem Ohr. "Sie können gehen. Ihr Job als Ersthelfer ist getan." Ich höre kaum zu. Er zittert immer noch, japst nach Luft, versucht sich zu orientieren. Erst jetzt im Licht der Lampen der Rettungskräfte fällt mir auf, dass sein linkes Bein völlig grotesk verdreht von ihm absteht, sein Hosenbein ist auf der Höhe des Knies zerrissen und tiefrotes Blut glänzt auf seiner hellen Haut. Viel Blut. Ich starre auf die Wunde, sehe dann an mir herunter. An meinen Ärmeln, meinen Händen, überall habe ich sein Blut an mir. Dieses viele Blut...

"Wo ist Ihr Auto? Ich bringe Sie hin, keine Sorge, um den Patienten wird sich gut gekümmert.", ist das Letzte was ich höre.

Dann schreit er vor Schmerzen gequält markerschütternd auf und in mir wird es schwarz...

° ° °

Wow ist das lang geworden. Heftig, so lang sollte das gar nicht werden! Naja, hoffe es gefällt euch ^^ schreibt doch mal was in die Kommentare, ich unterhalte mich auch gerne einfach so mal mit euch <3 Also über wasauchimmer :) Also dann, spamt mich :P

Bis zum nächsten Kapitel!

Hab euch lieb <3

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