#23 Roommates
Taehyungs P.o.V.
Ich habe über diesen Zusammenbruch kein Wort verloren. Er musste mir kein Versprechen dafür abnehmen oder so. Es war ein stilles Einverständnis, so wie alles, was danach passiert ist. Wir haben kein Wort mehr gesprochen. Es war nicht nötig.
Nachdem ich ihn zuerst unter die Dusche und dann in sein Bett gesteckt hatte, dauerte es ungefähr eine halbe Minute bis er völlig fertig eingeschlafen war, und ich selbst war nicht weniger fertig.
Daraufhin durfte ich mir eine Standpauke von meinen Chef anhören. Von wegen wo ich denn die ganze Zeit gewesen wäre, wo Hoseok gewesen wäre, dass ich ihn ja nur zum Training hätte bringen sollen und nichts anderes, dass er deshalb das Essen verpasst hat, dass ich meine ganze Arbeit nicht gemacht habe und so weiter und sofort. Das ging mir in's eine Ohr rein und aus dem anderen wieder heraus.
Es gibt wesentlich Wichtigeres als Akten von entlassenen Patienten in alphabetischer Reihenfolge in irgendwelche Kisten zu sortieren. Zum Beispiel für jemanden da zu sein, der gerade ganz andere Probleme hat als alte Akten. Meinetwegen mache ich für die blöden Mappen ein paar Überstunden, wenn es sein muss - obwohl ich davon wahrscheinlich schon so viele habe, dass ich die nächsten fünf Jahre nicht mehr arbeiten müsste.
Noch mehr wären mir aber egal, auch wenn dann sechs Jahre daraus würden, aber ich wäre immerhin in seiner Nähe und könnte auf ihn aufpassen. Das ist mir wichtiger als sechs Jahre Urlaub.
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Ein paar Tage später, ich schließe gerade die Wohnungstür hinter mir und bin dabei, mich meiner Jacke zu entledigen, klingelt mein Handy. Ich angle es aus der Hosentasche, die Jacke an einem noch halb angezogenen Ärmel hinter mir herschleifend.
"Ja?"
Mühsam versuche ich, die Jacke abzuschütteln, doch sie hängt hartnäckig an meinem Handgelenk fest.
"Tae? Kannst du mich abholen?"
Ich gebe mich im Kampf gegen den Ärmel geschlagen und horche besorgt auf.
"Jungkook? Wo steckst du denn?"
Er nennt mir eine Adresse; ich muss fünfmal nachfragen, weil sein Empfang so schlecht ist, dass ich jedes Mal, wenn er es mir erneut sagt, nur ein paar Silben verstehe und es ewig dauert, bis sich aus dem Puzzle ein brauchbarer Standort ergibt, von dem ich aber in meinem Leben noch nie gehört habe.
"Klar kann ich kommen. Aber was ist denn eigentlich passiert?"
"Erzähl ich dir später. Kannst du bitte schnell machen? Hier ist es irgendwie extrem gruselig..."
"Mach ich. Bis gleich."
Also ziehe ich meine widerspenstige Jacke wieder an und gehe wieder los. Ich habe zwar ein Auto, fahre aber lieber Bus und Bahn, weil zu den Zeiten, zu denen ich normalerweise unterwegs bin, die Stadt verdammt voll ist. Und noch mehr Beulen kann ich mir an meiner alten Rostlaube nicht leisten. Ich habe jetzt schon Angst, dass sie irgendwann einfach auseinanderfällt.
Eine Weile des Umherfahrens später steigt ein leicht verstörter Jungkook in mein Auto und lässt sich seufzend in den Beifahrersitz sinken.
"Jetzt erzählst du mir aber erstmal, wie zum Teufel du hier gelandet bist.", ordne ich mit einem Blick auf die graffittibeschmierten, überquillenden Mülltonnen und die vergitterten, teilweise trotzdem eingeschlagenen Fenster der staubgrauen Wohnblöcke an.
Eine fette Ratte rennt durch den Lichtkegel der Autoscheinwerfer und hinter uns auf dem Gehweg zerspringt ein Teller, den eine keifende Frau aus einem Fenster im oberen Stockwerk geworfen hat. Eine Straßenleuchte erlischt flackernd, als ein paar halbstarke Besoffene lautstark grölend dagegentreten. Jungkook seufzt erneut.
"Ich wollte mir hier ein Zimmer ansehen. WG und so. In der Wohnung unter denen, die sich da so fetzen. Guck mich nicht so an, der Typ klang am Telefon total entspannt. Hatte vielleicht noch Nachwirkungen vom Gras oder so... Auf jeden Fall war ich also eben da, und nachdem ich mich irgendwie durch den Flur gebuddelt hatte, hab ich dann auch die beiden Vermieter gefunden, in dem Loch das sie Küche nennen. Der eine hackedicht, der andere völlig am durchdrehen, wer weiß auf was für einem Trip der war. Naja, dann wollte ich eigentlich direkt wieder gehen, aber der Aggrozwerg ist noch mehr ausgeflippt und meinte, mich zwingen zu müssen, zu bleiben. Da bin ich erst recht geflüchtet. Und zur Krönung hat mir hier unten auf der Straße einer die Jacke geklaut. Und da war mein Geld drin, das ich für die Bahn gebraucht hätte...Und jetzt fahr bitte, ich will hier wirklich dringend weg."
Ohne weitere Nachfragen trete ich aufs Gaspedal.
... Aber wie zur Hölle klaut man jemandem die Jacke?!
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"Ist das die letzte?" Ich lehne mich mit der Schulter gegen den Türrahmen und stelle die vollgepackte Sporttasche vor mir ab.
"Ja, danke.", antwortet Jungkook und stellt den Rucksack, den er gerade hochgeschleppt hat, daneben.
Man kann es kaum glauben, nach dem Reinfall vorgestern hat er sich - oh Wunder - doch entschieden, bei mir einzuziehen. Seine ominöse Tante hatte so ziemlich gar nichts dagegen, und so ist er jetzt hier. Ich habe noch nie jemanden so schnell packen sehen. Er muss es wirklich verdammt eilig gehabt haben, da raus zu kommen. Verständlich. Ich war nur knapp zwanzig Minuten dort und habe schon mindestens ein mittelschweres Trauma.
Ich steige über die Taschen und helfe ihm, den Schrank fertig zusammenzuschrauben. Sein Bett hatte er bereits aufgebaut, es stand schon, als ich mit seinem Gepäck hier ankam.
Ich habe ihm ein Zimmer freigeräumt, in dem eh nur Zeug herumstand. Ein großer Vorteil an seinem Einzug ist, dass ich den ganzen Kram mal durchgesehen und festgestellt habe, das achtundneunzig Prozent davon Schrott sind, der nur zu zusätzlichem Staub beigetragen hat und jetzt sein Dasein im Müll fristen darf.
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Am Abend, nachdem wir gegessen und eine Ewigkeit auf der Couch gesessen und geredet haben, beschließen wir, endlich mal ins Bett zu gehen. Es ist mitten in der Nacht und wir sind beide ziemlich kaputt. Jungkook umarmt mich zum hundertsten und bedankt sich zum tausendsten Mal, woraufhin ich zum millionsten Mal beteure, das ich mich freue, ihn dazuhaben, was auch völlig der Wahrheit entspricht.
"Schlaf gut, Kookie. Und denk dran, was man in der ersten Nacht im neuen zuhause träumt, das wird wahr.", verabschiede ich ihn in sein neu bezogenes Zimmer, um schließlich selbst wie erschlagen in mein Bett zu verschwinden.
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Langsam aber sicher wird mein Toastbrot im Toaster schwarz. Ich sitze müde davor und starre das Gerät an, so als würde es dadurch schneller toasten. Zwar habe ich heute frei und eigentlich auch lange geschlafen, aber ich bin chronisch müde, erst recht morgens.
Als das Toastbrot schließlich geräuschvoll aus dem Toaster springt, zucke ich zusammen und erwache aus meinem Halbschlaf. Ehe ich mich versehe hat mir ein grinsender Jungkook mein Brot weggeschnappt, auf das ich in qualvoller Erwartung so fieberhaft gewartet habe.
"Das war mein Essen.", murre ich halbherzig.
"Dir auch einen guten Morgen.", entgegnet er fröhlich und steckt gnädigerweise ein neues Toastbrot für mich in den Toaster.
"Und, gut geschlafen?", erkundige ich mich, während ich - erneut - auf mein Frühstück warte.
"Bestens. Nachdem ich noch drei Spinnen erlegt und einen schiefen Bettpfosten festgeschraubt hab, war es doch ganz erholsam.", antwortet er und fährt sich mit einer Hand durch die verstrubbelten Haare, wahrscheinlich um sie etwas zu richten, was aber erfolgreich misslingt.
"Das mit den Spinnen tut mir leid. Das mit dem Bettpfosten ist deine eigene Schuld."
"Ich weiß. Aber weißt du was? Ich glaub, ich will lieber nicht, dass mein Traum wahr wird."
Endlich bekomme ich mein Brot - etwas verbrannt, aber immerhin meins. Ich beiße eine Ecke ab.
"Wieso? Was hast du denn geträumt?", frage ich kauend.
"Das willst du gar nicht wissen, glaub mir." Er grinst und isst zufrieden weiter.
Idiot. Er weiß genau, wie neugierig ich bin...
Ich versinke in Gedanken, während ich meinen frischgebackenen Mitbewohner beim Kaffeetrinken beobachte.
Er sitzt mir entspannt gegenüber, in Jogginghose und T-Shirt und wirkt, als würde er hierher gehören. Was ja ab heute auch so ist, und das ist gut so.
Er sieht zufrieden und ausgeschlafen aus, in seinen Augen glitzert derselbe abenteuerlustige Ausdruck, den er hatte, als er von Neuseeland erzählt hat. Ein Ausdruck, an dem man sofort sieht, dass er den Schalk im Nacken sitzen hat.
Die gute Laune steht ihm, und es freut mich, dass er wieder so gut drauf und nicht mehr der gehetzte, wohnungssuchende Mitbewohner einer Neunjährigen und einer gruseligen Katzentante ist.
"TaeTae?.... Hallo, Erde an Taehyung!"
Kookie schnippt mir vor der Nase herum.
Ich blinzle und schiebe seine Hand aus meinem Gesicht.
"Hm? Was denn?"
"Dein Handy klingelt. Du hast nicht zufällig geplant, in näherer Zukunft mal ranzugehen?"
° ° °
Hallöchen! 👋
Gibt es überhaupt noch wen, der Hallöchen sagt? Also, außer mir?
Wie auch immer, hier ist neuer Input für euch. 😋
Mir sind zwei Sachen aufgefallen, und ihr müsst mir jetzt sagen, ob das stimmt.
Erstens: Ich glaube ich benutze viel zu viele Kommata. Oder Kommas, wie ihr wollt. Ich glaub, das sind viel mehr als es sein sollten. Kennt sich da jemand mit aus?
Und Zweitens: Irgenwie ist diese FF zwei in einer. Fällt euch das auch auf? Und viel wichtiger: stört euch das? Findet ihr, die eigentliche Handlung kommt zu kurz? Ich bin mir da nicht so sicher...
Übrigens noch ein riesen Dankeschön!❤ Habt ihr mal gesehen, wie viele Reads und Votes und so wir hier haben? 🎉 Was ich aber viel cooler finde, sind die vielen Kommentare. Ich liebe euch echt dafür, ich schreibe total gerne mit euch. 😍
So, und bevor ihr mir hier einschlaft, höre ich mit dem Geschwafel jetzt auf. 😅
Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕
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