#2 Seen
anderer P.o.V.
Die Sicht ist so unglaublich schlecht, ich kann kaum mehr meine eigene Motorhaube erkennen. Da, wo die Scheinwerfer hinreichen, sind nur verschwommenes Glitzern und schwarze Schatten. Der Scheibenwischer pflügt durch die Tropfen auf der Windschutzscheibe, schafft es aber nicht, mir länger als eine halbe Sekunde den Durchblick zu verschaffen. Noch dazu ist es stockfinster und hier ist keine einzige Straßenlampe. Hätte er mir ja auch mal sagen können, dass ich hier besser nicht im Dunkeln langfahren sollte. Dann hätte ich mich darauf eingestellt, eine Nacht lang auf seiner unbequemen Gästecouch zu verbringen.
Ich bin eigentlich auf dem Weg zurück nach Hause von einem alten Freund, der hier außerhalb in irgendeinem Kaff in den Bergen wohnt. Also, was heißt hier eigentlich. Ich bin auf dem Weg nach Hause von ihm. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich bei diesem Sauwetter jemals dort ankomme. Ich muss so extrem langsam fahren, dass ich garantiert noch Stunden brauchen werde, wenn das so weiter geht.
Ich drehe das Radio leiser und die Heizung höher. Mir ist kalt geworden. Vielleicht liegt das aber auch einfach nur daran, dass es so dunkel ist, so verdammt heftig regnet und ich allein in meinem Auto irgendwo in der Pampa unterwegs bin. Ich bin nicht gern allein. Ich bin ein Rudeltier. Brauche immer irgendwen um mich.
Meine Laune sinkt. Die Musik im Radio wird immer schlechter und ich werde langsam müde. Jetzt, wo es am meisten darauf ankommt, aufzupassen und wach zu sein. Ich greife nach dem Kaffeebecher, der in der Mittelkonsole steht, und schüttele ihn leicht. Leer. Genervt schmeiße ich den leeren Becher in den Fußraum vor den Beifahrersitz, wo er in jeder Kurve herumrollt, was mich nur noch mehr aufregt. Was muss ich den auch einfach so wegschmeißen? Ich hätte den Kaffee, den die Freundin meines Freundes mir netterweise gegen Kälte und Müdigkeit mitgegeben hatte, nicht direkte auf der ersten halben Stunde herunterstürzen sollen. Wenn mich jetzt die Polizei anhält, bin ich dran. Offensichtlich viel zu müde zum fahren, in einem Auto, dessen eines Rücklicht nur noch altersschwach vor sich hin glimmt und dessen Blinker nur dann funktionieren, wenn es ihnen gerade passt. Leicht angetrunken. Ja, wir hatten etwas getrunken. Also, genau genommen hatten sie getrunken. Ich hatte drei Gläser Wein. Gar nichts im Vergleich zu den zweieinhalb Flaschen, die die anderen niedergemacht haben.
Im Radio läuft tatsächlich mein Lieblingslied an. Ich drehe wieder lauter und beginne mitzusingen. Singen muntert mich auf und gute Musik hilft gegen die trübe Stimmung bei Regenwetter. Apropos Regen, dieser prasselt immer noch erbarmungslos herunter. Ich schleiche die lange Straße entlang und warte sehnsüchtig darauf, endlich auf eine vernünftig befahrbare Strecke zu kommen, die mir mehr als nur Schneckentempo erlaubt. Ich will ja schließlich auch irgendwann mal zuhause ankommen. Am besten heute noch, was ich mittlerweile schon bezweifle.
Ich singe munter laut weiter und hüpfe in meinem Sitz herum wie ein Fünfjähriger in Erwartung auf Kekse. Ich will gar nicht wissen, wie bescheuert ich gerade aussehen muss, aber hier ist ja niemand der es sehen könnte, also lasse ich mich in meinem seltsamen Auto-Tanz nicht stören. Ich singe und singe-
Und breche plötzlich abrupt ab.
Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke. Hustend schaue ich auf das herumirrende Licht, das meine Aufmerksamkeit so plötzlich auf sich gezogen hat. Es kommt aus der Gegenrichtung, hinter der Kurve. Mein altes Auto quält sich die steile Kurve hinauf, ich bin vor Schreck etwas auf die Bremse gestiegen und jetzt noch langsamer als zuvor eh schon. Das schlingernde Licht kommt über die Kuppe geschossen. Es ist ein Motorradscheinwerfer. Ich bremse noch mehr, denn der Fahrer scheint die Maschine kaum noch kontrollieren zu können, so wie sie trudelt und schlingert. Hoffentlich fährt der mir nicht rein, der Volli-
Oh mein Gott.
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