#19 Uncovered


"Taehyung hat keinen Dienst.", entgegnet der Arzt. "Wir können niemanden einsetzen, der nicht im Dienst ist."

Besagter erhebt sich von seinem Beobachterposten. "Ich bin seit fast vierundzwanzig Stunden hier. Da sind die ein, zwei Stunden auch egal."

"Darum geht es nicht, Taehyung. Wir können nicht einfach dir Arbeit geben, die andere machen müssten. Was sollen denn die machen, die wirklich im Dienst sind?"

"Er soll doch niemandem die Arbeit wegnehmen.", mische ich mich ein. "Ich will nur nicht, dass irgendein wildfremder Psychodoktor mitgeht, sondern jemand, den ich kenne. Ich will ihn nicht als Pfleger dabeihaben, sondern als Freund. Schonmal was von moralischer Unterstützung gehört?"

"Sie werden so oder so nicht locker lassen, nehme ich an.", sagt Doktor Park daraufhin, ohne auf die bissige Frage einzugehen.

"Da liegen Sie völlig richtig.", antworte ich kühl.

Er seufzt. "Gut. Aber Taehyung, dann gehst du nach Hause, verstanden? Du wohnst in letzter Zeit ja schon fast hier. Ich will dich bis zu deiner Schicht übermorgen dann nicht mehr hier sehen.", ordnet er an.

Taehyung nickt ergeben. "Meinetwegen."

"Bestens. Sie werden gleich von einer Schwester abgeholt." 

Damit wendet sich der Arzt ab und verlässt das Zimmer.

Taehyung sieht mich etwas nachdenklich an. 

"Was ist?"

"Hast du das ernst gemeint? Oder hast du das nur gesagt, damit Doktor Park zufrieden ist?"

"Was meinst du?"

"Siehst du mich wirklich als Freund?"

Ich schweige. Sehe ich ihn als Freund? Ich schätze schon. Auf jeden Fall ist er mein einziger Verbündeter in diesem Kasten. Wenn er da ist, fühle ich mich fast wohl, wenn die anderen allerdings da sind, ist mir einfach nur kalt. Er ist in letzter Zeit der Einzige, der es schafft, mich ein Bisschen aufzuheitern. Aber das kann ich ihm ja nicht einfach so alles vor die Nase halten.

"Wer mir morgens um sieben Eis bringt, ohne zu protestieren, der ist automatisch mein Freund.", sage ich stattdessen. Er gibt sich mit der Antwort zufrieden, scheint aber noch etwas sagen zu wollen, was er sich dann aber verbeißt.

Erneut klopft es und eine Schwester tritt mit einem Rollstuhl ein.

"Wir können dann.", sagt sie und stellt den Stuhl neben das Bett. Mühsam rutsche ich vom Bett hinüber. Ich habe zwar ein Bein zur Verfügung, aber dank ewiger Herumliegerei hat es nicht mehr besonders viel Kraft, ebenso wie meine Arme. Dementsprechend mühselig ist diese Kletterei. 

"Soll ich Ihnen-"

"Nein."

Ich lasse mich schwerfällig in den Rollstuhl sinken und die Schwester schiebt mich auf den Flur hinaus. Taehyung folgt uns auf dem Fuß, schweigend, die Hände in den Taschen seiner Jeans, unauffällig wie ein Schatten.

-

Im Behandlungszimmer geht die Prozedur wieder los. Vom Rollstuhl irgendwie rauf auf die hohe Liege. 

"Soll ich-"

"Nein, verdammt!"

Diese Kühe sind aber auch nervtötend. Ich will nicht, dass sie mich anfasst. Ich ziehe mich irgendwie an der Liege hoch, kann mich auf einem Bein nicht ausbalancieren und knicke weg. Jemand greift mir unter die Arme, und ich will die blöde Schwester gerade anzählen, als ich merke, dass es gar nicht sie ist, die mich festhält.

"Was, mich schnauzt du nicht an?", fragt Taehyung amüsiert und hilft mir auf die Liege.

Ich murmle irgendetwas und seufze. Er schiebt denn Rollstuhl beiseite und stellt sich hinter die Liege. Nach einer Weile betritt eine andere Schwester den Raum. Sie begrüßt uns und kramt dann eine Weile in einem der Materialschränke herum. 

"So, Sie sind zum Verbandswechsel gekommen. Alles klar." Sie legt einiges an Verbandsmaterial neben mir auf der Liege ab und zieht sich einen Rollhocker heran.

Wie beim Friseur...

"Haben Sie die Narben schon gesehen?", fragt sie, worauf ich den Kopf schüttle. Sie nickt wissend. "Alles klar.", sagt sie wieder. "Dann ist das hier für Sie sicher kein leichter Gang. Wir-"

"Können Sie aufhören zu faseln und anfangen?", unterbreche ich sie. Das Gefühl in meiner Brust erdrückt mich, sie soll endlich machen, damit sie fertig werden kann. 

"Sicher.", sagt sie und beginnt, mit einer Verbandschere an dem weißen Stoff herumzuwerkeln. Ich will wegsehen, will mich abwenden, zwinge mich aber, es nicht zu tun. Früher oder später muss ich. Jetzt ist das Früher gekommen. 

Ich beiße schmerzvoll die Zähne zusammen, obwohl sie mir nicht wehtut. Es kann gar nicht wehtun, sie schneidet schließlich nur den Verband, nichts anderes, aber die Tatsache, dass sie mit ihrem dummen Hocker genau dort sitzt, wo eigentlich keiner sitzen können sollte, tut mir weh. Ich weiß, dass es Phantomschmerzen sind, dass es alles nur in meinem Kopf ist, aber ich kann nichts dagegen tun. 

Ich verfolge angespannt ihre Bewegungen. Nach und nach schiebt sie den dicken Verband herunter. Mein ganzes Bein hat Narben, aber mit denen kann ich leben. Das schlimmste kommt erst noch. Langsam aber sicher wird mir schwindelig.

"Geht's?", fragt Taehyung, kaum hörbar. Mit zusammengebissenen Zähnen nicke ich. Ich spüre, wie er hinter mir steht und mich genauestens beobachtet. Nicht das, was vor ihm passiert. Nur mich. So als würde er auf irgendein Zeichen warten. Als würde er mich auswendig lernen wollen.    

"Ich glaub dir nicht.", sagt er dann, ebenso leise wie zuvor. Wie recht er damit doch hat.

Über die Schulter schaue ich ihn kurz an. Wie ein Bodyguard steht er hinter mir, ernst, als wäre er bereit, sich jeden Moment eine Kugel für mich einzufangen.

Ich ziehe scharf die Luft ein. Irgendwas ziept, als die Schwester den Verband weiter abreißt. Ich beobachte sie weiter, und mit jedem Zentimeter wird mir schlechter. 

Die Narben ziehen sich über meine blasse Haut wie ein Spinnennetz. 

Unbewusst beginne ich zu zittern. Taehyung legt mir eine Hand auf die Schulter und bewahrt mich so davor, einfach umzukippen. In meinem Kopf kommen wieder die Bilder des Unfalls, was passiert ist, bevor ich...gestorben bin. Alles auf einmal stürzt wieder auf mich ein, als würde mir ein Metallblock auf die Brust drücken und immer schwerer werden. Schwäche hin oder her, wie ein haltsuchender Ertrinkender lehne ich mich gegen Taehyung, der mich stützt wie ein Fels in der Brandung.

"So.", sagt die Schwester plötzlich. "Dann mache ich jetzt nur noch die neue Bandage drum und dann sind wir schon fertig."

Ich schaue zu ihr und mein Blick fällt auf mein Bein - oder das, wo mein Bein eigentlich sein sollte. Es ist wie dieser Moment, wenn man etwas Schreckliches sieht, man eigentlich wegschauen will, aber wie gefesselt ist. Wie bei einem Horrorfilm. Ich schnappe nach Luft und kralle mich an Taehyungs Handgelenk fest als hinge mein Leben daran. Sein gleichmäßiger Puls, den ich an meinem Rücken schlagen spüre, hat etwas Beruhigendes, genauso wie sein ruhiger Atem, seine Wärme, die bloße Anwesenheit.

Ich weiß ganz genau, dass sonstwelcher geniale Doktor mir in diesem Moment nicht so geholfen hätte wie er.

Und dafür bin ich ihm so dankbar wie lange niemandem mehr.

° ° °

Mit dem Kapitel hab ich mich schwergetan 😐 Ich weiß nicht. Das hat irgendwie keine Handlung und weiterbringen tut es die Geschichte auch nicht wirklich 😕

Aber naja, ist nicht so schlimm, nächstes Mal wird's wieder besser. Also hoffentlich. 😅

Ich überlege, ob ich meinen Namen ändern soll...aber ich weiß es nicht sicher. Wir werden sehen. 😊

Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕









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