#18 Two-Faced


Taehyung sitzt rittlings auf seinem Stuhl mir gegenüber und knabbert an einem Croissant. Ich tauche den Löffel wieder in den Pott Schokoeis, den er mir mitgebracht hat. Nach einer Weile, in der niemand von uns etwas gesagt hat, lasse ich den Löffel im Eis stecken und schaue ihn an. 

"Sag mal, willst du mich eigentlich gar nicht fragen, warum ich das gemacht habe?"

"Hm?" Er beißt von seinem Croissant ab. "Wieso sollte ich?"

"Naja, ist das nicht die ultimative Frage, die man einem stellt, der sich umbringen wollte?"

"Nö.", sagt er kauend. "Also, eigentlich schon, aber wer bin ich denn? Dein Seelenklempner? Abgesehen davon könntest du es mir auch einfach erzählen wenn du wolltest, aber ich würde meinen, jeder, der deine Situation kennt, kann sich denken warum du sowas machst."

"Sollen sie doch denken was sie wollen.", murmle ich und esse mein Eis weiter. Nach dem ganzen ekligen Kantinenessen ist das der pure Himmel. Und wer würde nicht gern einfach mal Eis frühstücken? 

"Wenn dein Gehirn gleich einfriert, bist du selbst schuld.", sagt Taehyung plötzlich amüsiert.

Was hat das denn jetzt damit zu-

Ah, verdammt!

Wie ein kleines Messer jagt die Kälte in meine Schläfen. Vielleicht war es doch etwas zu viel Eis auf einmal. Ich drücke mir die Finger an die Stirn und fluche vor mich hin, bis der Frost nachlässt.

"Was sag ich?", meint Taehyung lachend. 

"Lach nicht, das ist kein Bisschen lustig.", knurre ich.

"Doch, ist es."

"Das gibt Rache, Kleiner.", drohe ich ihm.

Er zuckt grinsend die Schultern und futtert weiter sein Frühstück. Wie ein kleiner unschuldiger Hamster.

Na warte...

In meinem Kopf entwerfe ich den perfekten Racheplan, der bei ihm definitiv funktionieren wird.

"Hey, Kleiner."

"Hm?"

"Du hast da 'nen Krümel.", sage ich und tippe auf meine Wange, dorthin, wo ich ihm dem nicht vorhandenen Krümel andichte. 

Er wischt sich übers Gesicht. "Weg?"

"Nee, andere Seite."

Wieder wischt er darüber. "Jetzt weg?"

"Nein, immer noch nicht. Komm mal her." 

Wie ein Hündchen steht er auf und kommt zu mir. Unauffällig tauche ich zwei Finger in die Schokolade.

"Warte, ich helf dir. Komm mal runter."

Als er sich etwas zu mir herunterbeugt, verpasse ich ihm blitzschnell eine Indianerbemalung aus Schokoeis, einmal quer über seine Wange.

"Ey!" Er macht einen Satz zurück und wischt sich das Eis aus dem Gesicht, während ich triumphierend meine Finger ablecke. "Rache ist süß, Kleiner, merk's dir.", sage ich grinsend und löffle mit unschuldigem Gesichtsausdruck weiter. 

"Jaja, du mich auch...", murrt er, kann sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. 

Gerade als er sich wieder hingesetzt hat, klopft es und eine Schwester kommt mit dem Frühstück. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Taehyung, den die Schwester gekonnt übersieht, ein Lachen unterdrückt und droht, mich damit anzustecken. Ich verdrehe die Augen, beiße die Zähne zusammen und komplimentiere die Schwester eilig wieder aus dem Zimmer hinaus.

"Du bist ein Idiot, weißt du das eigentlich?", sage ich und werfe das Nächstbeste was ich finden kann nach ihm.

Er fängt es reflexartig auf.

"Spinnst du, mich mit einer Mandarine abzuwerfen?! Hast du nicht gelernt, dass man mit Essen nicht spielt? Wer muss jetzt hier Manieren nochmal üben?", zählt er mich an, aber man sieht sofort, dass er es nicht ernst meint. "Tja, Pech. Das ist jetzt meine.", sagt er dann trotzig, schmollt vor sich hin und beginnt, die Mandarine zu schälen. Mal wieder muss ich über ihn schmunzeln. Gut, dass er das Obst gefangen hat, das hätte sonst wahrscheinlich ziemlich wehgetan...

[#pouty]

-

Eine Stunde später kommt der Stationsarzt zur Visite vorbei. Als er Taehyung bemerkt, macht er ein Gesicht als hätte er einen Geist gesehen. "Du warst hoffentlich zwischendurch mal zuhause, Taehyung." Es ist eine dieser seltsamen Frage-Feststellungen, auf die man nie richtig zu antworten weiß.

"Jaa, natürlich, Doktor Park.", antwortet Taehyung scheinheilig. Der Arzt verdreht die Augen. "Wenn du meinst...Du hast ja heute keinen Dienst." Dann wendet er sich an mich. "Wie geht es Ihnen heute?" Im Augenwinkel beobachte ich Taehyung, der mich abwartend ansieht und seine eroberte Mandarine isst. 

Was erwartet er von mir? 

"Was glauben Sie, wie es mir geht, Doktor? Was erwarten Sie? Dass ich Ihnen das gleiche erzähle wie die letzten Male? Ich dachte, das haben Sie sich mittlerweile mal gemerkt."

Doktor Park seufzt. "Ich weiß, dass es Ihnen nicht gut geht, aber irgendwann müssen wir Fortschritte machen. Sie können nicht ewig hierbleiben."

Ich schnaube abfällig. Das ist die Erkenntnis des Jahrhunderts.

"Über dieses Thema möchte ich übrigens heute mit Ihnen sprechen. Wir sind der Meinung, dass wir, beziehungswiese Sie, einen Schritt weiter gehen sollten."

"Einen Schritt weiter? Ihnen ist schon klar, dass ich so schnell überhaupt keinen Schritt gehe.", sage ich sarkastisch.

"Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, dass wir in Ihrem Heilungsprozess weitergehen möchten. Ihr Körper heilt gut, aber womit wir uns auch befassen müssen, ist Ihr Kopf."

"Mein Kopf funktioniert sehr gut.", entgegne ich.

"Ja, wenn er nicht gerade eingefroren ist...", murmelt Taehyung zwischen zwei Mandarinenstücken und ich werfe ihm einen strafenden Blick zu. Idiot.

"Das glaube ich Ihnen gern.", fährt der Arzt fort "Aber darum geht es nicht, wir-"

"Worum geht es denn dann?! Können Sie mal Klartext reden, anstatt mir immer nur zu sagen, worum es nicht geht?", unterbreche ich ihn harsch.

"Natürlich. Wir möchten Ihnen einen großen psychologischen Schritt zumuten, der sowohl wichtig für Sie als auch für die Wundheilung an Ihrem Bein ist."

"Und der wäre?"

Jetzt komm zum Punkt, Onkel Doktor...

"Zum Einen wird Ihnen heute der Verband abgenommen. Wir ersetzen ihn durch eine wesentlich dünnere Bandage.", eröffnet er endlich.

Was? 

Jetzt wollen Sie mich zwingen, das zu sehen, wovor ich am meisten Angst hatte. Ich mein, ich kann ja schlecht einfach nicht mitgehen, wenn sie mir den Verband abnehmen.

"Zum Anderen..."

Ach, es gibt also auch noch ein Anderes? Das wird ja immer besser hier...

"Zum Anderen haben Sie heute den ersten Termin bei meinem Kollegen Doktor Choi."

"Und das ist wer?", frage ich genervt.

Gott, man muss ihm alles aus der Nase ziehen.

"Doktor Choi ist ein ausgezeichneter Psychologe, der beste im Haus. Wir wollten Ihnen schon vor einiger Zeit einen Therapeuten zur Seite stellen, aber..."

Da schalte ich ab. Höre ihm nicht mehr zu. Er nervt mich. Zwar hat mir Taehyung schon gesagt, dass ich einen Psychodoktor bekommen soll, aber ich habe nach wie vor absolut keinen Bock darauf. Wenn ich jemandem erzählen will, was in mir los ist, dann soll das bitte jemand sein, dem ich vertraue, den ich kenne und vor allem jemand, den ich mir selbst aussuche, und nicht irgendeiner, der mir vor die Nase gesetzt wird. 

"Um auf die Verbandsabnahme zurückzukommen. Es ist nicht leicht, zu sehen, was bisher immer verborgen war. Es ist schlimm, und möglicherweise fühlen sie sich noch nicht bereit dazu. Wir wissen, wie die Patienten sich fühlen und was das mit ihnen macht. Viele ertragen es nicht. Deshalb wird Doktor Choi Sie bei der Prozedur unter-"

Ich unterbreche ihn wieder.

"Halt. Ich sehe ein, dass das gemacht werden muss. Aber Sie brauchen mir gar keine schweren Schicksale von irgendwelchen anderen Patienten aufzählen. Ich gehe dorthin, und ich lasse alles über mich ergehen. Bis da hin bin ich bei Ihrem Plan dabei. Aber ich habe eine Bedingung."

Doktor Park schaut mich etwas verwundert an. Vermutlich hat er mehr Angst oder Widerstand vermutet. Was auch immer.

"Und welche Bedingung wäre das?", fragt er, nachdem er sich von seiner Verwunderung erholt hat. Fest entschlossen und mit fester Stimme eröffne ich ihm meine Forderung:

"Ich will, das Taehyung mitgeht."

° ° ° 

Hab heute nix zu erzählen 😇
Ihr?

Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕










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