#16 Enraged
Was passiert, wenn man es eilig hat?
Genau.
Erst verpasst man den Bus, den man eigentlich nehmen wollte, weil es ja schneller geht.
Dann rennt man zur Bahn.
Die man auch schafft.
Aber natürlich hat sie Verspätung.
Was ein Krampf.
Also wurden letztendlich aus den angekündigten zwanzig Minuten leider fünfunddreißig, und als ich auf die Station gestürzt komme, ernte ich einen Haufen genervter Blicke.
Was soll ich denn machen, die Welt ist gerade gegen mich!
"Taehyung! Gott sei Dank!" Siyeon und eine weitere Schwester kommen auf mich zu gelaufen.
"Ich hoffe für euch, dass es wirklich so wichtig ist, wie du am Telefon behauptet hast.", sage ich statt einer Begrüßung, denn der ganze Zirkus geht mir gehörig auf den Geist.
Siyeon packt mich am Handgelenk und zieht mich hinter sich her. Die Andere dackelt hinterher wie ein Hündchen, und kurzfristig verstehe ich, warum Hoseok immer vom Schnepfenverein redet. Die können einen wirklich nerven!
Vor seiner Zimmertür steht Doktor Park und redet mit einem anderen Arzt, den ich nicht kenne. Als er mich sieht, wendet er sich mit einer kurzen Geste von seinem Gesprächspartner ab und kommt ein paar Schritte auf mich zu.
"Taehyung, gut das du da bist. Danke, dass es so...", er räuspert sich, "schnell ging."
"Jaja, was ist denn nun los? Redet jetzt vielleicht mal jemand mit mir?"
Warte mal, was? Seit wann gehe ich denn Leute so an? Ich glaube, eine gewisse Person hat einen schlechten Einfluss auf mich...
"Natürlich, entschuldige." Doktor Park übergeht meinen kleinen Ausbruch gelassen. "Aber am besten siehst du erstmal selbst."
Ich könnte schreien. Was ist das hier, ein Staatsgeheimnis?!
Ich unterdrücke ein genervtes Schnauben und greife nach der Türklinke.
"Erschreck dich nicht.", sagt der Arzt noch.
Ja danke, du mich auch.
Ich bin nicht mehr so leicht zu schocken. Ich arbeite zwar noch nicht lange hier, aber in der Zeit hab ich genug gesehen. Das will man eigentlich gar nicht so genau wissen.
Ich nicke bloß und drücke dann die Klinke herunter.
Ich mache einen Schritt in den Raum hinein und lehne die Tür hinter mir an. Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet, mit Blut, Terror, Chaos und was nicht allem, aber nicht mit dem.
Und darum machen sie so einen Aufstand?
Abgesehen davon erklärt mir das Ganze jetzt immer noch nicht, was passiert ist.
Der Patient liegt wie gewohnt in seinem Bett. Schlafend. Das einzige, was anders ist, ist, dass er eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase hat, die er zuvor nicht hatte.
Mussten sie ihm irgendein Gas geben, damit er ruhig ist? Ist er ausgeflippt oder was?
Ich gehe ein paar Schritte auf sein Bett zu und betrachte die Infusionen, die an ihn angeschlossen sind. Die üblichen Schmerzmittel, sonst nichts. An der Maske hängt auch nur Sauerstoff. Mit gerunzelter Stirn mustere ich ihn. Es dauert eine Weile, bis ich zwischen dem ganzen Weiß des Bettzeugs den dünnen weißen Verband bemerke. In diesem Moment verstehe ich.
Alles in mir spannt sich an. Ich weiß nicht, warum es mich so aufregt, aber ich werde auf einen Schlag unglaublich wütend.
Ich haste auf den Flur hinaus und knalle dabei fast Doktor Park die Tür ins Kreuz.
"Wer hatte Dienst?!"
Doktor Park dreht sich überrascht zu mir um. "Taehyung, wir..."
"Wer. Hatte. Dienst?!", unterbreche ich ihn.
Er nennt mir einen Namen, vermutlich das Dackel-Mädchen, dass an Siyeons Hacken hing.
"Vielleicht solltest du nicht...", setzt der Arzt erneut an, doch ich bin schon weg. Suche den Dackel. Sie spricht auf dem Flur mit einer älteren Frau, wahrscheinlich eine Patientin.
"Sie entschuldigen?", unterbreche ich die Unterhaltung und ziehe die Schwester beiseite.
"Wo hat er eine Klinge her?", frage ich sie ohne Umschweife.
Sie wird weiß um die Nase.
"Was?"
"Du weißt, wovon ich rede. Woher?!"
"Er...er hat..."
"Sprich vernünftig!"
Ich bin überrascht, dass ich so ungerührt sein kann. Obwohl, ganz stimmt es nicht. Es ist nur nicht ihr Schreck, der mich berührt, sondern etwas anderes.
"Entschuldige." Sie sammelt sich etwas, dann erklärt sie mit gedämpfter Stimme:
"Ich habe ihm vor einer guten Stunde seine Schlafmittel gebracht. Wir versuchen gerade andere bei ihm, Tabletten, weil er nicht mehr so viel intravenös kriegen soll...auf jeden Fall habe ich ihm die Tabletten abgezählt und bin wieder gegangen...ohne die Tablettendose...ich hab sie auf seinem Tisch vergessen, das ist mir aber erst aufgefallen, als ich schon halb von der Station weg war, weil ich eigentlich Feierabend hatte...Gerade als ich wieder in sein Zimmer wollte, um die Dose zu holen, klirrt es. Als ich dann reinging, war es schon so gut wie zu spät."
Also ist sie schuld. Nicht direkt schuld, aber sie hat ihm die Vorlage gegeben.
Oder hat sie es absichtlich gemacht? Hat er sie darum gebeten? Oder bestochen?
Quatsch.
Fakt ist, dass es so ist, wie es ist, egal wer schuld ist, letztendlich war er es selbst.
Hat erst ein paar mehr Schlaftabletten genommen als nötig, dann sein Wasserglas zerschmissen und mit einer Scherbe...
Ein Schauer läuft mir über den Rücken.
"Und was soll ich jetzt hier?! Ihm beim Schlafen zugucken?!"
Langsam schäumt es in mir über.
"Du bist...Ich meine, wenn er aufwacht...Du..."
"Red vernünftig, verdammt noch eins! Was soll ich hier? Ihn wachküssen wie Dornröschen?"
"Wir hatten gehofft, dass du herausbekommst, warum er das getan hat..."
"Warum er das getan hat? Wie hohl seid ihr eigentlich? Er will nicht mehr! Warum tut man sowas sonst? Er ist am Ende!"
Ich habe mich seit Langem nicht mehr so aufgeregt. Und es ist auch nicht gut. Ich bin viel zu emotional. Noch schlimmer, weil es um einen Patienten geht. Da hat man als Personal nicht emotional zu sein. Kein Stück. Da musst du kälter sein als die netten Herrschaften unten im Kühlhaus. Und du darfst auch nur ungefähr so viel darüber nachdenken wie die. Ich hab diesen Fall schon viel zu dicht an mich rangelassen.
Ich schnaube und lasse ihren Ärmel los, in den ich mich schmerzhaft gekrallt habe. Dann wende ich mich ab und lasse sie stehen.
Sie werden mich noch hierbehalten wollen. Wenn sie mich schon herbeordert haben... Dann kann ich auch gleich Nachtschicht machen...Ist ja nicht so, dass ich vor ein paar Stunden erst vom Frühdienst nach Hause bin...
Ich gehe zurück zu Hoseoks Zimmer. Ich brauche irgendeinen Vorwand. Doktor Park steht immer noch mit dem anderen Arzt im Flur.
"Doktor Park?"
"Taehyung. Hast du dich beruhigt?"
Ich reiße mich zusammen und schlucke. "Ja. Natürlich."
"Gut. Ich weiß, sowas nimmt einen erstmal mit. Also, was gibt es?"
"Ich wollte mich bereiterklären, ihn über Nacht zu überwachen."
Der Arzt schaut mich kurz verwundert an. "Du hattest doch schon Frühschicht."
"Ich weiß. Aber wenn Sie mich schon herrufen, haben Sie wohl auch nicht vor, mich direkt wieder heim zu schicken."
Er nickt. "Da hast du auch wieder Recht. Also gut. Aber wenn du müde wirst, geh nach hause. Du hast keinen Dienst, denk dran."
"In Ordnung."
Damit wendet sich der Chefarzt wieder dem anderen zu und ich gehe ins Patientenzimmer, wo ich mich auf einen Stuhl in der Ecke sinken lasse. Hier quatscht mich wenigstens keiner voll. Und wenn sie wissen, dass jemand hier ist, wird wohl auch keiner reinkommen.
Ich frage mich nur, warum ihm das ausgerechnet heute einfällt. Klar, er hat die 'Chance' mit den Tabletten genutzt. Aber er hat heute Vormittag gar keine Anzeichen auf sowas gemacht. Er erschien mir fast glücklich. Oder jedenfalls nicht unglücklicher als sonst.
Ich mustere sein blasses Gesicht. Im Halbdunkel des Zimmers sehen seine Haare fast schwarz aus.
Was wohl in seinem Kopf vor geht?
Ich schüttle den Kopf und lehne ihn an die Wand.
Wieder sehe ich den Vogel vor mir. Er gehört nach draußen. Er muss frei sein, sonst geht er ein. Und er ist ganz kurz davor. Er muss wieder stark werden, muss raus.
Und in diesem Moment, hier in diesem dunklen Krankenzimmer, schwöre ich mir, dass ich ihm dabei helfen werde.
Komme was da wolle.
° ° °
Naa?
Ich hab grad irgendwie stundenlang in alle Kapitel Bilder und so eingefügt. Uff 😅
Naja, vielleicht ist es jetzt ja wenigstens ein bisschen schöner.
Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕
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