#14 Desperate
"Weißt du, eigentlich ist es hier doch wirklich schön.", sage ich schnell, als Taehyung Anstalten macht, mich tatsächlich samt Rollstuhl in den Teich zu bugsieren.
"Na also.", sagt er zufrieden, schiebt den Stuhl wieder zurück, sperrt die Bremsen und lässt sich neben wir auf der Mauer nieder.
"Das war Erpressung. Das ist illegal.", halte ich ihm vor.
"Stimmt.", entgegnet er trocken.
Mal wieder klappt mir wegen ihm die Kinnlade ein wenig runter.
Wie kann dieser Typ nur so entspannt sein?
"Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.", fügt er dann hinzu.
Was meint er denn damit jetzt?
"Was meinst du denn damit jetzt?", knurre ich leicht angenervt.
"Naja, irgendwann schmeiß ich dich in diesen Teich rein. Gut, vielleicht nicht ausgerechnet in diesen, aber in irgendeinen. Dafür, dass du mir die ganze Zeit auf den Wecker gehst.", eröffnet er mir.
"Super, da freu ich mich ja.", murmle ich sarkastisch.
"Jap, ich mich auch.", antwortet er fröhlich und grinst vor sich hin.
Das hat der doch wohl nicht ernst gemeint?!
Das freche Glänzen in seinen dunklen Augen sagt das Gegenteil. Und wie ernst er das gemeint hat. Wir werden ja sehen...
Ich beobachte eine kleine Ente, die auf dem grünen Teich landet und zwischen den Herbstblättern herumschwimmt. Um sie herum verbreiten sich kleine Wellen, die die Blätter auseinanderspülen. Eigentlich ist es wirklich schön hier.
Die Sonne taut mein Herz ein klein wenig auf. Mir war lange nicht so warm. Ja, es ist Herbst, und ja, es ist kühl draußen, aber trotzdem ist in mir eine gewisse Wärme. Und seltsamerweise denke ich, dass das nicht nur an der Sonne liegt.
Mein Blick fällt auf Taehyung, der auf der Mauer sitzt und seine Nase in die Sonne hält. Mir ist aufgefallen, dass er letzte Woche irgendwie dauernd da war. Irgendwie zu oft. Ich glaube, er hat ungefähr jede zweite Schicht mitgearbeitet. Er muss unheimlich müde sein. Und trotzdem hat er so verdammt gute Laune. Respekt.
Ich frage mich, ob ich jemals wieder so gute Laune haben werde. Haben kann. Im Moment habe ich das Gefühl, dass das bisschen Wärme, die ich gerade verspüre, das Maximum für die nächste Zeit sein wird. Vielleicht auch für eine sehr lange Zeit.
Was ist ein Leben ohne gute Laune?
Namjoon hat mich mehrfach Sonnenschein genannt. Das stimmt auch, ich war immer der Stimmungsmacher, ich war immer der, der mit seiner guten Laune andere angesteckt oder zu Tode genervt hat - besonders Yoongi. Aber selbst den hab ich manchmal zum Lachen gebracht, und das grenzt an eine Kunst. J-Hope nennen sie mich. Auch das stimmt. Wir haben eine Art Band, wir sind leidenschaftliche Rapper, haben ab und zu Gigs, und wenn's mal schlecht lief, war immer ich der, der alle wieder hochgezerrt und zum Weitermachen bewegt hat - inklusive mich selbst. Manchmal haben sie es als Superkraft bezeichnet. Der, der alles so hinstellt, als wäre es das Beste der Welt und es schafft, dass alle es glauben. Und wieder aufstehen.
Die Superkraft ist nicht mehr da.
Ich kann nichtmal mehr mich selbst aufbauen.
Ich seufze tief. Diese Gedanken frieren mein gerade aufgewärmtes Herz stückchenweise wieder ein.
Verdammt nochmal!
"Na, schweres Leben?"
Ich zucke. Stimmt ja, da war ja noch wer.
"Ha. Ha. Witzig, Taehyung."
"Ich mein's ernst."
"Steck's dir sonstwohin."
Er zuckt die Schultern, hebt ein Steinchen hoch und flippt es über den Teich. Dann noch eins.
Warum kann man sowas?
Ich kann auch gut Steine in Teiche werfen. Sehr gut sogar. Aber die gehen dann halt unter. Haha...
"Im Sommer sind hier Seerosen.", sagt Taehyung.
"Schön für die Seerosen. Ich hoffe ja sehr stark, dass ich im Sommer lange hier raus bin." Das kam bissiger, als es sollte, aber ich hab nichts dagegen. Ich mag sowohl den Sommer als auch Seerosen, aber ich will dann nicht mehr hier sein. Ich will dann ganz weit weg sein. So weit wie möglich.
"Wie heißt du eigentlich?", fragt er mich plötzlich.
"Als ob du das nicht weißt.", entgegne ich abfällig. Wie dämlich...
"Ich weiß es. Aber ich will's von dir hören.", beharrt er.
"Dein Ernst, Kleiner?"
"Ja, mein Ernst. Jetzt stell dir mal vor ich hätte dich einfach so irgendwo getroffen. Ohne dich zu kennen. Scheiß drauf wer du bist und was dir passiert ist. Und dann ist das eine ganz simple Frage. Also, wie heißt du?"
Scheiß drauf wer ich bin und was mir passiert ist? Das sagt er so leicht. Das ist leider allzu präsent. Ich kann das nicht einfach ausblenden. Ich meine, ich sitze in einem Rollstuhl vor dem Krankenhaus, weil mir ein Bein fehlt, weil ich vor zwei Monaten völlig zermatscht wurde. In meinem Arm steckt eine Nadel, ich bin verkabelt mit Schläuchen, durch die ich permanent mit Schmerzmitteln versorgt werde. Da denkt man sich nicht so einfach 'Hach, Schwamm drüber'
"Das ist bescheuert."
Taehyung seufzt. "Warum hab ich damit gerechnet?"
"Wenn du doch eh damit gerechnet hast, warum stellst du mir dann erst so eine dämliche Frage?!"
"Man kann's ja mal versuchen. Du weißt doch garantiert selber, dass du nicht so drauf bist. Du musst mal auftauen. Dass du leidest ist klar, aber die, die dir helfen wollen, leiden zu lassen, bringt keinem was, erst recht nicht dir."
"Was bist du, mein Seelenklempner?!", fahre ich ihn an. Was denkt er? Meint er, er kann mir sagen was ich zu fühlen habe?
Wieder bleibt er völlig ruhig, was mich nur noch mehr aufregt. Was soll das? Was ist sein Ziel? Ich verstehe ihn nicht!
"Apropos Seelenklempner.", sagt er langsam. "Die Ärzte sagen, du sollst einen Therapeuten bekommen."
Was?!
"Das ist ein Scherz."
"Leider nein."
Ich könnte schreien. Jetzt soll ich auch noch zum Psychodoktor. Als ob der mich besser versteht! Ich versteh mich ja noch nicht einmal selbst!
Ich starre wütend Löcher in das dunkelgrüne Wasser des Teiches.
Wer soll mich verstehen?
Wer soll mir helfen?
Ich komme ja selbst nicht mehr klar mit mir...
Tränen steigen in mir auf. Ich kämpfe dagegen, aber ich komme nicht dagegen an. Heiß und brennend läuft mir eine Träne über die Wange. Energisch wische ich sie weg.
Ich hasse es!
Ich will das nicht!
Taehyung wirft mir einen forschenden Blick zu, aber er sagt nichts. Vielleicht sieht er, dass ich gerade einen Kampf gegen mich selbst ausfechte, vielleicht weiß er auch einfach nicht, was er sagen soll. Der Grund ist mir egal, ich bin nur froh, dass er mich nicht anfasst oder versucht mit mir zu reden.
Bin ich wirklich froh darüber? Oder...
Er reißt mich aus meinen Gedanken.
"Wir müssen reingehen. Du brauchst eine neue Infusion."
Stumm nicke ich.
Ich will mich nicht wehren.
Ich habe gerade keine Kraft, mich zu wehren...
° ° °
Ich weiß nicht ob es auffällt, bestimmt, aber ich schreibe irgendwie Taehyung lieber als Hobi... weil die Parts mit Hoseok irgendwie immer so deep und so viel Nachdenken sind und die anderen eher Story-mäßig und lockerer.
Oder kommt das nur mir so vor?
Naja, whatever :3
Bis zum nächsten Kapitel!
Hab Euch lieb! 💕
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