#10 Bored

Hoseoks P.o.V

Ich habe mich noch nie in meinem Leben so gelangweilt. Ich habe nichts zu tun. Ich bekomme keinen Besuch. Wenn man es so sieht, will ich auch gar keinen. Ich will nicht, dass mich jemand so sieht. Ich bin schwach. Ich bin dünn und sehe krank aus. Und am schlimmsten: ich bin nicht mal mehr ganz.

Ich schlafe kaum. Ich esse kaum. Ich werde mit jedem Tag müder und dünner. Ich fühle mich weniger lebendig als am Abend des Unfalls, als ich irgendwo lag und im Kopf vor mich hin geschwebt bin. Ich kann nicht sagen, ob ich Schmerzen habe. Jedes Mal, wenn jemand irgendwas dorthin legt, wo mein Bein wäre, könnte ich losschreien. Nicht weil es wehtut. Das ist Dank der Schmerzmitteln erträglich. Ich weiß nicht, was das für ein Gefühl ist.

In meiner Brust wohnt Hass. Nur noch kalter, müder Hass. Ich weiß nicht einmal, wen oder was ich hasse. Vielleicht ist es einfach nur mein ganzes Leben. Mein Dasein.

Der Pfleger hat gerade mein Zimmer verlassen. Endlich. Ich hab seine Anwesenheit nicht mehr ertragen. Als er zum ersten Mal den Mund aufgemacht hat, ist mir das Blut in den Adern kurz gefroren. Seine Stimme klingt wie die, von der ich geträumt habe. Aber das kann nicht sein. Ich werde langsam einfach nur verrückt, denn jede Nacht verfolgen mich diese Träume. Jagen mich bis ich völlig zerstört am Boden liege.

Dieser Junge. Er hat etwas an sich, was mich unglaublich aufregt. Er ist so ruhig. Bisher haben sie alle zumindest die Tür zugeknallt. Er ist einfach gegangen.

Und er starrt mich andauernd so an. An solche Blicke sollte ich mich denke ich gewöhnen. Bald werden mich alle so anstarren. Den Einbeinigen. Den Krüppel. Den, den das Leben eigentlich nicht mehr wollte.

Ich schnaube wütend.

Mitleid. Ich werde Mitleid bekommen, das ich gar nicht will. Ich werde behandelt werden wie ein kleines Kind. Ich werde nie wieder richtig stark sein.

Die Wut auf alles und jeden schnürt mir die Kehle zu und drückt schmerzhaft auf meine Brust. Ich unterdrücke einen Aufschrei. Ich hasse es!

Meine Tür geht auf und irgendeine vom Schnepfenverein tritt ein.

"Ihre Schlafmittel.", sagt sie leise und hängt eine weitere Infusion an. Ich werfe ihr einen kalten Blick zu und sie verlässt eilig den Raum wieder.

Sie haben Angst vor mir. Dabei sollte ich am meisten Angst haben.

Tropfen für Tropfen sickert das Schlafmittel in mein Blut und mein Kopf füllt sich mit dicker Watte...

-

"Guten Morgen!", flötet irgendjemand. Ich will gerade etwas Bissiges erwiedern, denn diese lebensmüde Person hat mich gerade aus dem Bisschen Schlaf gerissen, was ich ab und zu mal bekomme und riskiert somit ihren Kopf - bis ich die Stimme erkenne.

Ich schlage die Augen auf.

"Super, der Sonnenschein ist wach." Ein Grinsen wandert über das mir allzu bekannte Gesicht.




"Namjoon." Meine Stimme klingt als hätte ich ein Reibeisen verschluckt.

"Der einzig Wahre!" Er grinst immer noch. "Na Kumpel, wie geht's dir?"

"Scheiße, sieht man doch.", mischt sich eine zweite Stimme ein.

"Mann, Yoongi. Lass ihn doch selbst antworten." Namjoon schlägt ihn auf den Arm, woraufhin er nur unbeteiligt die Schultern zuckt.

"Yoongi hat Recht.", sage ich müde. "Sieht man doch."

"Ihr seid so unoptimistisch!", meckert mein bester Freund.

"Ich hab da ein Recht drauf.", entgegne ich und mache eine vage allumfassende Geste durch den Raum.

"Was macht ihr eigentlich hier?"

"Dich besuchen?" Namjoon nimmt sich einen Stuhl und pflanzt sich neben mein Bett.

Ich stöhne auf. "Ja. Aber...ihr..." Mir fällt kein sinnvoller Protest ein. Eigentlich freue ich mich, meine besten Freunde zu sehen.

"Wir haben dir Schokolade mitgebracht.", wechselt Namjoon das Thema und schmeißt mir drei Tafeln meiner Lieblingsschokolade auf den Schoß. Eine rustcht herunter und bleibt direkt dort liegen, wo etwas Entscheidendes fehlt. Ich ziehe scharf die Luft ein und wende den Blick ab.

"Hobi? Was ist los?", fragt Namjoon besorgt, während Yoongi zeitgleich ein "Ach du Scheiße!" entfährt.

"Was ist denn los?!" Verwirrt schaut Namjoon zwischen uns hin und her. Yoongi nimmt die Schokolade dort weg und gibt sie mir in die Hand. Ich schaue ihn dankbar an und entspanne mich wieder etwas.

"Sie haben ihm...", er stockt, kann es nicht sagen.

"...das Bein abgenommen. Glückwunsch, ihr habt jetzt einen unfähigen Krüppel zum Freund." Das kommt etwas bissiger rüber als es sollte, aber irgendwo in mir hat sich ein Funke des Hasses durchgeschlagen, den ich meinen Freunden gegenüber eigentlich verbergen wollte. Sie können nichts dafür. Sie haben es nicht verdient, das abzukriegen. Es fällt mir etwas schwer es auszusprechen, aber es ist nunmal die Wahrheit.

"Ach...oh...Sorry.", murmelt Namjoon zerknirscht.

"Genau, Sorry. Euch kann's ja leid tun, ich muss ja damit leben. Ich will kein Mitleid. Lasst es einfach! Was würdet ihr machen, wenn euch euer Hobby so zermatscht, dass ihr mit einem Bein weniger im Krankenhaus aufwacht? Ihr könnt fein weiter Tanzen, Joggen, Radfahren oder was auch immer ihr so tut, aber für mich ist das vorbei! Ich bin ein Schwächling geworden! Was erwartet ihr? Das alles wieder gut wird? Tja, damit hab ich abgeschlossen! Ich bin kaputt! Es. Wird. Nicht. Mehr. Gut. Game over!", bricht es aus mir heraus. Ich will die beiden nicht anschnauzen. Sie haben am wenigsten damit zu tun. Sie können nichts dafür. Ich spüre, wie mir die Tränen die Luft abschnüren und hole tief Luft.

"Tut mir Leid, Jungs, ich...es ist nur...", murmele ich.

"Hey. Passt schon.", sagt Yoongi und klopft mir vorsichtig auf die Schultern.

Namjoon nickt.

"Aber jetzt hör mal, wer spricht denn von Game Over? Du bist einer der stärksten Typen, die ich kenne, Mann. Ich hab dich noch nie weinen sehen. Ich weiß nicht, wie oft ich dich schon am Boden hab liegen sehen, und dann blinzel ich einmal und schon stehst du wieder. Dich kriegt keiner klein, weil du einen verdammten Dickkopf hast. Keiner hat mehr Kampfgeist als du. Du bist so unerschütterlichen optimistisch, dein Wille ist so unglaublich, dass macht mir manchmal schon richtig Angst. Du bist ein Verrückter. Das stimmt. Und du hast jetzt nur noch ein Bein. Stimmt auch. Aber hat deine ganze Stärke in diesem Bein gesteckt? Haben sie dir die mit dem Bein wegamputiert? Ich glaube nicht! Und ich weiß nicht, warum du das glaubst. Du kommst wieder aufs Bein. Und wenn du mir das jetzt nicht glaubst, dann zerre ich dich höchstpersönlich wieder hoch. Du brauchst nicht zu lamentieren. Es geht dir vielleicht grade scheiße, aber du kommst auch aus dem Loch wieder raus. Und ich weiß, dass du das irgendwo in dir drin auch weißt. Wo bleibt denn die Hoffnung, Sonnenschein? Man nennt dich doch nicht umsonst J-Hope!"

Er steht auf und legt mir die Hand auf die Schulter und lächelt. "Glaub's mir, Kumpel.", sagt er leise.

Ich nicke langsam. Ich hasse eigentlich solche Mutmach-Predigten, aber irgendwie hat das gerade geholfen. Namjoon drückt meine Schulter.

“Boah, war das grade kitschig!"

Yoongi.

Natürlich.

Ich muss grinsen. Zum ersten Mal seit einiger Zeit ist mir nicht mehr ganz so kalt. Diese zwei Idioten haben das schräge Talent, mich in der schlimmsten Zeit irgendwie wieder etwas aufzubauen, und wenn es nur durch ihre bescheuerten Kommentare ist.

Ich hoffe nur, dass die winzige Wärme ein bisschen anhält.

° ° °

Bisschen Kitsch und Cuteness zwischendurch 😛😇

Mir fällt nix ein...Euch?




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