Blütenmeer
Die Sonne schien durch das dichte Blätterdach im Wald von Jarana und sprenkelte den schattigen Waldboden mit tausend kleinen Lichtpunkten. Die Farnwedel wippten in einer leichten Windbrise und in das leise Rauschen der Blätter, mischte sich der Gesang unzähliger Vögel.
Mit einem leisen Seufzen lehnte Fura sich zurück. Es war schön, wieder Zuhause zu sein. Neben ihr saß Liam auf dem Holzboden der Plattform und strich über die Klinge des Kurzschwertes, dass einer der Rebellen ihm geschenkt hatte. Zu Ihrer Schande musste Fura gestehen, dass sie sich bis jetzt kaum Namen gemerkt hatte. Es waren einfach zu viele Rebellen hier im Waldlager und ihr Namengedächtnis war zugegeben auch nicht das Beste.
»Diese Idioten!« Ein wütender Schrei zerriss die Stille. Der Gesang der Vögel verstummte. Erschrocken zuckten Fura und Liam zusammen. Leuchtend rotes Blut lief an Liams Finger hinab. Die scharfe Klinge seines frisch geschärften Schwertes hatte ihm die obere Hautschicht aufgeschlitzt. »Verdammt Liam!«, schimpfte Fura als sie das Blut an dem Finger ihres Bruders sah. »Steck endlich das blöde Schwert weg!«. Genervt blickte Liam Fura an.
Der Wind strich durch Furas Haar und wehte die Strähnen direkt in ihr Gesicht. Mit einem unwilligen Kopfschütteln befreite Fura sich aus dem Gewirr von Haaren. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Lou kam, mit vor Wut blitzenden Augen, auf die Zwillinge zu gestapft. Ihr schwarzes Haar wippte bei jeder Bewegung. »Was fällt dieser Königin eigentlich ein?«, schimpfte Lou weiter, sobald sie in Hörweite von Fura und Liam war.
»Es ist kaum zu glauben, wie unklug man eine Entscheidung treffen kann!«, fauchte Lou den Beiden entgegen.
Verwirrt blickte Fura zu Liam, welcher nur verdutzt mit den Schultern zuckte.
»Ähm, Lou, wer genau ist ein Idiot? Was ist denn passiert?«, verwundert runzelte Fura die Stirn.
Lou schnaubte wütet und verdrehte die Augen. »Die Königin von Surlmaru...«, ein verächtliches Zischen entfuhr Lou. Ihre Lippen krümmten sich zu einem bitteren Lächeln. »Das war's dann mit unserer Unterstützung!«.
Fura blickte Lou ungläubig an und öffnete leicht den Mund, um etwas zu sagen, aber Lou redete einfach weiter: »Wie es aussieht hatte sie ihre ohnehin schon beschränkten Denkkapazitäten an dem Tag, an dem sie sich entschied die Attentäter einfach schon mal loszuschicken, restlos für die Wahl ihrer Kleider verbraucht!«.
Ein leises Kichern kam Fura über die Lippen. Schön zu wissen was für eine hohe Meinung Lou von der Königin hatte.
Doch als sie Lous Miene sah, verstummte sie schlagartig. »Das ist nicht lustig!«, knurrte Lou und zwischen ihren Brauen bildete sich eine tiefe Falte.
»Die Attentäter hätten den König töten können, wenn wir ihm vorher die Drachenträne eingeflößt hätten«, knurrte Lou verärgert.
Stumm blickte Fura Lou an. Sie war der Meinung, dass der Drache ihr und Liam kaum die Schuppen gegeben hätte, wenn er nicht gewusst hätte, dass sie kämpfen mussten. Aber das behielt sie lieber für sich. Sonst regte Lou sich sicher auch noch darüber auf überhaupt nach Surlmaru gegangen zu sein.
Mit einem Seufzen drehte Lou sich um. »Ich habe Rosanna die Drachenträne gegeben. Wenn sie es schafft, dem König die Träne ins Getränk zu schütten und er dadurch seine Gabe verliert, werden alle Blumen im Lager blühen«, murmelte sie erschöpft. »Ich hab noch einiges zu tun. Bis später ihr Beiden«.
Fura sah ihr nach. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie anstrengend es sein musste, den Kampf gegen den Rabenkönig zu organisieren.
Die Sonne sank immer tiefer und färbte die Blätter der Bäume in ein glühendes Orangerot. Im Lager der Rebellen herrschte reges Treiben. Fura kam sich vor, als wäre sie in einem Bienenstock gefangen. Überall auf allen Plattformen und unter den Bäumen in denen das Lager lag, bereiteten sich die Rebellen auf den Kampf mit den Soldaten des Königs vor.
Direkt neben ihr versuchte Emo, der ehemalige Waldläufer, geduldig ihrem Bruder die Grundlagen des Schwertkampfes beizubringen. Leise seufzend kletterte Fura von dem Ast, auf dem sie gesessen hatte, hinunter. Liam drehte sich keuchend zu ihr um und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Willst du nicht lieber auch trainieren? Wenn du mir nicht etwas verheimlicht hast, kannst du genauso wenig schwertkämpfen und Bogenschießen wie ich«, sagte er.
»Das stimmt«, erwiderte Fura leichthin und warf ihr langes Haar zurück. »Aber im Gegensatz zu dir tue ich das, was Lou uns gesagt hat. Ich spare mir meine Kräfte für den Kampf auf«.
Liam blickte sie nur ernst an. Er war da sicher anderer Meinung.
»Also«, brach Emo das angespannte Schweigen »ich würde sagen, dass wir das Training an dieser Stelle beenden, Liam, da ich mich noch um meine Einheit kümmern muss. Du machst das schon wirklich gut!«, freundlich lächelnd klopfte er Liam auf die Schulter und verabschiedete sich.
Fura blickte ihm nach. Vielleicht sollte sie sich ansehen, was die anderen Rebellen so trieben.
Das Holz der Brücke knarzte leise unter Furas Schritten. Der Wind war wieder abgeflaut und die untergehende Sonne ließ ihre Stahlen auf den Brücken tanzen. Da ihr nichts Besseres eingefallen war, hatte Fura beschlossen, Lou zu suchen und sie zu fragen, was genau sie und Liam im bevorstehenden Kampf gegen den Rabenkönig eigentlich tun sollten. Zu ihrem Ärger hatte Liam aber nicht mitkommen wollen, da er noch mit Nima Bogenschießen üben wollte. Fura schnaubte verächtlich. Sehr sinnvoll, dieses Training. Warum auch immer, Fura war ein wenig sauer auf ihren Bruder. Er sollte das blöde Kampftraining besser sein lassen und sich seine Kräfte für den eigentlichen Kampf aufsparen. Es war schließlich unglaublich Kräfte zerrend, wenn sie ihre Garbe einsetzten. Das hieß: Keinen unnötige Energie Verschwendung.
Gedankenverloren trat Fura auf eine der kleineren Plattformen des Lagers und wäre beinahe in Aaron und Hiroko hinein gerannt. Verdutzt blickte Fura die beiden an.
»Hallo Aaron und ... Hiroko?«, sagte sie. Verdammt, warum hatte sie bloß ein so miserables Namengedächtnis? Nervös wippte Fura auf den Zehenspitzen auf und ab. Irgendwie hatte sie das Gefühl die Beiden bei etwa wichtigem gestört zu haben. »Hallo Fura«, sagte Aaron und lächelte ihr fröhlich zu. Sein nachtschwarzes Haar stand struppig vom Kopf ab und in seinen grünen Augen lag ein belustigtes Funkeln. Leise murmelt begrüßte auch Hiroko sie. Fura hatte den Eindruck, dass der Gedanke an den kurz bevorstehenden Kampf ihm zu schaffen machte. »Tut mir leid wenn ich euch bei einer wichtigen Besprechung gestört habe oder so«, begann Fura und musterte die beiden neugierig. »Aber, wisst ihr zufällig wo Lou ist? Ich würde gerne mit ihr sprechen«.
Leise kichernd schüttelte Aaron den Kopf. »Nö, kein Problem. Du hast uns nicht gestört«. Gelassen strich er sich durch das zerzauste Haar und ließ den Blick über die Gipfel der Bäume schweifen. »Ich glaube Lou ist bei meinem lieben Großcousin, dahinten irgendwo«, schwungvoll deutete er in die Richtung aus der Fura gekommen war. „Na toll", dachte Fura »Bei wem?«, fragte sie Aaron verwirrt.
»Bei Kean. Meinem Großcousin dritten Grades oder so«, nachdenklich runzelte Aaron die Stirn. »Ich weiß gar nicht so genau, wie wir jetzt eigentlich miteinander verwandt sind. Durch diesen ganzen Verwandtschaftskram steig ich einfach nicht durch. Ist aber auch egal...«, gleichgültig zuckte er mit den Schultern und grinste Fura schräg an.
Jetzt wo sie es wusste, viel Fura selbst auf, dass Aaron und Kean sich irgendwie ähnlich sahen. Wobei... auch wirklich nur irgendwie.
»Aaron, Fura schaut euch das mal an!«. Hiroko, der sich bis jetzt nur stumm im Hintergrund gehalten hatte, winkte sie nun nachdrücklich an den Rand der Plattform. Was Fura sah, überwältigte sie. Der Waldboden zwischen den Wurzeln der Bäume, in denen das Lager der Rebellen lag, war vollständig bedeckt mit weiß blühenden Buschröschen.
»Oh!«, murmelte Aaron milde überrascht. »Das ist doch das Zeichen oder?«
Fura nickte stumm und betrachtete bewundernd die Blumen. Rosanna hatte es also geschafft! Über den Baumkronen schimmerten die Blätter silbrig im schwachen Schein des aufgehenden Mondes.
Fura erschauerte. Eine Mischung aus Aufregung und Angst erfüllte sie. Was sollte sie jetzt tun?
Eine Weile saß Fura nur, in Gedanken versunken, am Rand der Plattform und starte ins Leere. Dann spürte sie wie ihr jemand die Hand auf die Schulter legte.
Erschrocken zuckte sie zusammen. »Alles gut, Fura«, sagte Aaron mit sanfter Stimme. »Wolltest du Lou nicht noch etwas fragen? Ich schätzte mal das, das jetzt von höchster Wichtigkeit ist, oder?«
Verwirrt schüttelte Fura den Kopf und nickte dann langsam »Natürlich du hast recht...«, murmelte sie zerstreut. »Auf wieder sehen Aaron und Hiroko«.
Ein einzelnes Eichenblatt trudelte durch die Luft und verfing sich in Furas Haaren.
Es hatte etwas gedauert, bis sie Lou tatsächlich gefunden hatte. Sie war, wie Aaron schon angekündigt hatte, bei Kean.
Als Fura sich den beiden näherte drehte Lou sich zu Fura um und winkte sie zu sich rüber. »Hallo Lou! Hallo Kean!«, begrüßte Fura die beiden. Lou legte den Kopf schief und betrachtete betrachte Fura nachdenklich. »Was ist denn, Fura?«, fragte Lou ruhig und zupfte ihr gelassen das Eichenblatt aus den Haaren.
»Ich wollte nur fragen, was genau die Aufgabe von Liam und mir ist. Also beim Kampf meine ich« Nervös begann Fura wieder auf den Zehenspitzen auf und ab zu wippen.
Lou und Kean wechselten einen Blick. »Mach dir keine Sorgen Fura«, um die Ruhe, die bei diesen Worten in Lous Stimme lag konnte Fura sie nur beneiden.
»Wir passen auf dich und deinen Bruder auf, Fura. Schließlich«, fuhr Lou fort und zwinkerte Fura grinsend zu, »seid ihr unsere Geheimwaffe. Eure Aufgabe ist es, den König und seine Leibwache mit eurer Gabe auszuschalten. Um den Rest kümmern wir uns«.
Fura schluckte. Das war viel Verantwortung. Hoffentlich würden sie und Liam den Erwartungen der Rebellen gerecht. Was, wenn es ihnen nicht gelang und die Rebellen schutzlos im Königspalast standen. Sicher, sie hatten ihre Gabe das ein oder andere Mal schon genutzt, aber da würden viele Soldaten sein. Sehr viele. Fura konnte nur hoffen, dass die Drachenschuppe tatsächlich ihre verstärkende Wirkung zeigen würde. Sonst würde es ein schlimmes Ende mit ihnen nehmen. Fura wollte diesen Gedanken lieber nicht zu Ende denken. Wie ein schweres Gewicht spürte sie die Verantwortung auf ihren Schultern.
Seufzend nickte sie und betrachtete die in die eine leichte Brise zitternden Blätter. »Ist gut Lou.«
Am nächsten Morgen brachen die Rebellen mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf. Ein Großteil von ihnen würde, unter der Führung von Chiron, die Burg frontal angreifen und somit die Aufmerksamkeit der Soldaten des Rabenkönigs auf sich ziehen. Ein Ablenkungsmanöver, da es sonst unmöglich gewesen wäre zum Rabenkönig vor zu dringen. Ihre Aufgabe war es, die Soldaten solange wie möglich aufzuhalten und den anderen Rebellen Zeit zu verschaffen. Im Schutz des durch den Angriff ausbrechenden Chaos, würden Lou, Fura, Liam und etwa dreißig der Rebellen sich durch den Geheimgang in die Burg schleichen. Obwohl Fura daran zweifelte, dass der Geheimgang noch geheim war. Aus diesem Grund würde Lou dies vorher überprüfen. Wenn der Weg frei war, konnten sie ihn benutzten und sich dann, wenn nötig, zum Thronsaal durchkämpfen. Wenn nicht müsste ein neuer Plan her. Im Notfall würde Rosanna ihnen helfen müssen, was für sie ein großes Risiko bedeuten würde.
Emo war mit den restlichen, wenigen Rebellen im Lager zurück geblieben, um es zu bewachen.
Derkleine Rebellentrupp war schon eine ganze Weile durch den Wald marschiert, alssie endlich beim Ende des Geheimgangs ankamen. Angespannt betrachtete Fura wieLou, in ihrer Fuchsgestalt, im Dunkel Geheimgangs verschwand. Lou hatteentschieden zur Sicherheit nachschauen zu gehen, ob sie am anderen Ende desGeheimgangs Ravitans Wachen erwarteten.
Die Zeit verstrich. Beim kleinsten Geräusch zuckte Fura zusammen. Liam, derneben ihr kauerte, scharrte nervös mit der Stiefelspitze Muster in den Bodendes kleinen Waldstücks, in dem der Ausgang der Geheimgang lag.
Nach einer gefühlten Ewigkeit streckte Lou, jetzt nicht mehr als Fuchs, ihrenKopf durch die Öffnung des Geheimgangs. Ihn ihren schwarzen Locken klebtenstaubige Stimmenweben.
Ihr Gesicht blieb völlig ausdruckslos. »Alles klar. Der Weg in die Burg ist frei!« sagte sie angespannt und winkte ihreLeute in den Geheimgang.
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