𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟗

Die Frau sieht Atlas geschockt an. „Wie bitte?" fragt sie empört und beißt sich auf die Zunge. Sie ist sichtlich genervt von uns. Langsam beuge ich mich zu meinem Verlobten und ziehe mit meiner Hand sein Gesicht in meine Richtung. „Lass uns Zuhause damit weiter machen" flüstere ich ihm ins Ohr und er ballt seine Hände augenblicklich zu Fäusten. „Kleine" haucht er und sieht zu mir hinab. „Ist es das, was du willst?" flüstert er leise und ich nicke zaghaft mit dem Kopf und blicke wieder zu der Frau, welche dankend nickt.

Selbstverständlich will ich es nicht beenden. Erst recht nicht, wenn mich jemand dazu drängen will. Aber eine erneute Bekanntschaft mit der Polizei möchte ich um jeden Preis vermeiden. Schließlich bin ich noch gestern vor dieser geflohen. Im Augenwinkel bemerke ich, wie die Frau sich von uns wegdreht und anschließend verschwindet.

„Warte vor der Kabine auf mich" weise ich Atlas an und schiebe ihn zum Vorhang. „Pardon?" gibt er verwirrt von sich. „Du hast mich schon verstanden. Warte vor der Kabine" wiederhole ich mich und ziehe mit voller Kraft den Vorhang zu. Tief atme ich aus und greife nach meinem Handy. Eine Nachricht. Wortlos drücke ich auf die Benachrichtigung und werde direkt zu WhatsApp geleitet.

Die Nachricht ist von Atlas.

Genervt rolle ich mit den Augen. Sein Ernst? Ich ziehe einen Spalt weit den Vorhang beiseite. Da sitzt er, auf einem kleinen Hocker, mit seinem Handy in der Hand. Ich lege das Handy wieder in meine Tasche. Die Unterwäsche, welche ich trage, ziehe ich aus und tausche sie gegen meine vorherigen Klamotten. Als ich mir meine Tasche greife, gewinnt meine Neugier den Sieg. Ich fische mir erneut mein Handy heraus und sehe mir diesmal die Nachricht an.

Liebling

Wo bist du?

Verwirrt hebe ich meinen Kopf. Wie soll ich das denn verstehen?

Wie „wo bist du"?

Sweetheart.

Da ist er. Mein Spitzname. Ich schreibe ihm „Atlas" zurück und sehe direkt drei weitere Nachrichten. Wo. Bist. Du. Er weiß doch, wo ich bin. Wieso fragt er dann?

In der Umkleide?

Was?
Wieso?

Atlas, spiel jetzt keine dummen Spielchen mit mir. Ich sehe dich außerdem draußen sitzen.

Das kann gar nicht sein.
Ich bin gerade in unser Hotelzimmer rein.

Atlas es reicht jetzt.

Ich rolle genervt mit meinen Augen. Wieso zur verfickten Hölle macht er das jetzt? Eine weitere Nachricht erscheint.

Sweetheart, ich bin nicht einmal in der Näher von einer Umkleidekabine.

Hm klar.

Vivianne!

Ist ja gut!
Aber wer ist dann vor meiner Kabine und sieht genauso aus, wie du?

Es bleibt still. Zwei blaue Haken, aber keine Antwort. „Dieser Bastard" murmle ich vor mich hin und verlasse die Kabine. Ich gehe grimmig an Atlas vorbei und auf den Ausgang zu. Außerhalb des Geschäftes bemerke ich, dass ich, wegen des ganzen Trubels, die Unterwäsche in meine Tasche gestopft hatte. Was solls? Es ist nicht das Erste mal, dass ich etwas mitgehen lassen habe. Und sicherlich nicht das Letzte.

Ich steige in Atlas Limousine, welche direkt vor dem Laden steht. Neben mir sitzen die beiden Wachmänner. „Fahren Sie mich zurück ins Hotel" fordere ich den Fahrer auf. Genau in diesen Moment, als er losfährt, klopft es lautstark an den verdunkelten Fenstern. „Qu'est-ce que c est?" ruft Atlas von draußen. Er spricht Französisch? „Nicht anhalten!" der Fahrer nickt und führt meine Anweisung aus.

Wir fahren durch die dunkeln Straßen Manhattan. Es fühlt sich wie ein Déjà-vu an. Erst gestern rannte ich, um dieser Uhrzeit, durch die Gegend. Und heute? Heute sitze ich in der Limousine meines Fake-Verlobten, welchen ich mehr als einmal gefickt habe. Was sagt das jetzt über mich aus? Genau, dass ich einfach mal Glück habe. Nach all den Jahren, welche ich auf der Straße gelebt habe, finde ich all das hier, wie ein Traum von dem ich niemals geweckt werden will. Niemals.

Erneut sehe ich nach draußen. Nur noch wenige Lichter brennen. Naja, für New Yorks Verhältnisse ist es wenig. Der Mond scheint mit seiner vollen Pracht über den Wolkenkratzern und schimmert in die dunklen Fenster. Ein wunderschöner Anblick.

Das Auto kommt langsam zum Stehen. Einer der Wachmänner verlässt die Limousine und hält mir die Tür auf. „Sie können schon nach oben gehen, James und ich bringen Ihren Einkauf nach" Freundlich. Ich nicke den Männern zu und gehe ins Hotel. An der Rezeption steht heute jemand anderes. Im Allgemeinen laufen hier nun neue Gesichter herum. Haben sie die Besetzungen gewechselt? Naja, egal.

Ich laufe zum Fahrstuhl und drücke auf den Knopf mit der Aufschrift 20. Schweigend warte ich und höre der Musik zu. An meinem Ziel angekommen steige ich aus dem Aufzug und laufe auf das Hotelzimmer zu, welches Atlas und ich uns teilen. Vorsichtig klopfe ich an der Tür. Wer weiß, vielleicht ist Atlas doch da. Amüsiert warte ich wenige Sekunden.

Bis ich tatsächlich Schritte höre.

Mein Grinsen verschwindet augenblicklich. Was zur verfickten Hölle geht da vor? Ich klopfe noch einmal und die Türklinke wird nach unten gedrückt. Aufgebracht presse ich mich gegen die Tür und platze in den Raum. „C'est quoi ça?" gibt die Person von sich. Die Stimme klingt rau und scharf. Der Mann schwankt langsam nach hinten und murmelt unverständliche Wörter. Ist er etwa betrunken?

Ich hebe meinen Kopf an. „Atlas?" frage ich geschockt. „Wie... Wann...?" stottere ich und bringe keinen Satz heraus. Wie konnte er vor mir hier sein? Ich habe ihn dort zurückgelassen, vor dem Geschäft! Verstört sehe ich zu ihm hinauf. „Wie?" frage ich erneut, doch diesmal mit einem wütenden Nachdruck.

Plötzlich wird mir etwas klar. Der Mann, welcher mit mir shoppen war, nutzte nicht nie meinen Spitznamen, er hatte unseren Deal vergessen, seine Augen wirkten kühler. Das war nicht mein Atlas. Das war nicht mein Verlobter. Aber der Mann vor mir, er nutzt meinen Spitznamen, er kennt mit hoher Garantie unseren Deal und seine Augen sind wärmer. Er verhält sich anders.

„Atlas... kann es sein, dass du einen Bruder hast? Einen Zwillingsbruder?"
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