𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟑𝟏

„Vivi, zum Glück geht es dir gut. Hat Felice dir wehgetan?"

Vivi.

Evelyn soll mich nicht so nennen. Sie ist schuld, dass ich diesen Namen nie wieder hören kann ohne an die Vergangenheit zu denken.

Meine Mutter stürmt auf mich zu und nimmt mich in die Arme. Geschockt weite ich meine Augen und versuche sie von mir zu pressen. Ich kann sie nicht mehr ansehen.

Sie ließ zu, dass Maxwell mich aussetzte. Sie ließ zu, dass Maxwell sie schlug.

Verdammt, er hat mich wortwörtlich rausgeschmissen und sie stand einfach nur daneben. Nicht ein Wort verließ ihre Lippen. Nicht eine Wimper zuckte sie.

„Ist alles in Ordnung? Vivi, sprich mit mir."

Ich presse meine Lippen aufeinander. Sie hat meine Stimme nicht verdient. Ihre kalte Hand fährt meine Wange entlang und streicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

„Wieso spricht sie nicht?", murmelt meine Mutter entsetzt und sieht an mir vorbei. „Wo ist Felice, Liebling?"

Mein Vater rollt mit den Augen. „Er ist nicht schuld an ihrem schweigen. Offensichtlich hat sich deine Tochter noch immer nicht beruhigt."

Ich beiße mir auf die Lippe, um einen unangebrachten Kommentar zu unterdrücken.

„Maxwell, kümmre dich, dass es sich ändert." Evelyn lässt von mir ab, richtet ihr Kleid, welches sich in Falten gelegt hatte und läuft zügig aus dem großen Empfangsbereich.

„Du weißt sicherlich, wo sich alles befindet. Nach deinem Auszug, haben wir nicht viel verändert."

„Auszug?", spotte ich. „Du hast mich ausgesetzt."

„Sei nicht so nachtragend, Vivianne. Sei froh, dass ich rechtzeitig unten war. Ich möchte gar nicht wissen, wie sehr du jammerst, wäre ich zu spät gewesen."

Aufgebracht laufe ich die Treppen hinauf. Ich will nichts mehr mit diesen Leuten zu tun haben. Können die mich nicht einfach in Ruhe lassen?

„Vivianne, dein Zimmer ist nicht dort oben."

Verwirrt drehe ich mich auf den letzten Stufen um. „Wie meinst du das? Mein Zimmer war immer dort oben!"

„Das war vor zehn Jahren, Kind. Denkst du nicht, dass ich es ausräumen lassen habe, nachdem du hier nicht mehr gewohnt hast."

„Das klingt so, als wäre ich freiwillig gegangen."

Ein Grinsen ziert die Lippen meines Vaters. „In meinen Augen bist du es."

Eine Träne rollt meine Wange hinab. Schließlich setze ich meinen Weg fort und stampfe weiter nach oben.

Der Gang ist hellbeleuchtet und hat links und rechts versetzt Abzweigungen, die zu den verschiedensten Zimmern führen.

Mein ehemaliges Kinderzimmer befand sich am Ende des Ganges. Was jetzt wohl dort drinnen ist?

Ein schmerzhaftes ziehen macht sich in meiner Brust breit. Fuck. Insulin. Ich brauche verficktes Insulin, bevor es wieder ausartet.

Ich stürme in das erstliegende Badezimmer. Mit einer schnellen Bewegung öffne ich die Schränke und durchwühle diese. Irgendwo müssen doch Medikamente sein.

Insulin.

Fuck, wo ist es?!

Meine Hände werfen eine Dose nach der anderen hinter mich und durchforsten weiter den Schrank.

„Fuck. Fuck. Fuck."

Eine kleine Spritze befindet sich in meinen Händen. Teil eins von zwei. Wenn hier eine Spritze ist, dürfte das Insulin nicht weit sein.

Mein Blick fällt auf ein kleines Fläschchen. „Da ist es", flüstere ich und greife das Gefäß. Zügig öffne ich den Deckel und fülle eine großzügige Menge in die Spritze, welche ich in meinen Bauch steche.

„Geschafft" Erschöpft lasse ich mich auf den Boden sinken und lehne mich gegen der Wand an. Langsam nehme ich tiefe Atemzüge und lasse den Sauerstoff durch meinen Lungen strömen.

„Bist du dir sicher, dass du das schaffst?"

Fragend stehe ich auf und folge den Klang der sich unterhaltenen Stimmen. Das Chaos ignoriere ich vollkommend.

„Natürlich, mein Bruder wird gar keine andere Wahl haben."

Meine Augen weiten sich. Ich hoffe, dass ich mich hier gerade verhöre und es nicht das ist, was ich denke.

Mit leisen Schritten nähere ich mich dem Büro meines Vaters.

„Sehr gut. Vergiss nicht, den Zeitplan einzuhalten. Alles muss vorbereitet sein für den Tag", fordert Evelyn. Ihre Stimme erkenne ich sofort wieder, jedoch kann ich sie nicht erkennen, da jemand vor ihr steht.

Blonde Haare, trägt einen Anzug.

Enttäuscht schließe ich meine Augen. Es ist also wahr. Atlas King hat einen Deal mit meinem Vater und so wie es scheint auch noch mit meiner Mutter.

Ich muss Vincent warnen.

„Vertrau mir, Evelyn. Nichts wird schiefgehen." Atlas krempelt seinen Ärmel etwas nach oben. „Nun sag mir, wo sich der Bastard befindet."

Ein amüsierter Laut entkommt meiner Mutter. „Charmant, wie immer. Allerdings habe ich keine Ahnung, wo Felice ist. Höchstwahrscheinlich kümmert sich mein Mann um ihn."

„Will ich dich hoffen. Wenn er Vivianne auch noch einmal zu nahekommt, werdet ihr nicht nur seine, sondern auch meine Partnerschaft verlieren."

„Von mir aus, können beide in die Hölle fahren, King. Ich werde mich gleich erkunden, dass er seine gerechte Strafe erhält."

Meine Mutter wendet sich dem Schreibtisch zu und greift nach einem Blatt Papier, welches sie Atlas hinhält. „Unterschreib."

Atlas seine Schultern spannen sich an. „Eine Unterschrift mehr oder weniger macht es jetzt auch nicht mehr, King. Los, unterschreib. Gib mir dein Wort, dass du an dem vereinbarten Tag-"

Ich schlucke. Wieso hat sie aufgehört zu reden? Oh Gott, was ist, wenn sie mich sieht?! Schnell flüchte ich zu einer anderen Abzweigung des Ganges und presse meinen Körper gegen dessen Wand.

Nur noch leises Gemurmel kann ich ausmachen. Doch besser so, als wenn sie mich entdecken.

„Vivianne?"

Erschrocken fahre ich zusammen und sehe in das Gesicht der Reinigungskraft. Ein Lächeln sitzt auf ihren Lippen. „Mein Gott, du bist es wirklich. Du bist so groß geworden!"

Zögerlich nicke ich. „Ja, das kann in letzten zehn Jahren durchaus vorgekommen sein."

Die ältere Frau kichert. „Ach, ja. Ich bin froh dich wieder zu sehen. Ich bin sehr stolz auf dich. Du bist zu einer großartigen jungen Frau herangewachsen."

Sie lehnt sich etwas weiter zu mir. „Und dann auch noch die Verlobte des bekannten Atlas King. Unglaublich!"

Ich verziehe mein Gesicht. Atlas King, der wahrscheinlich gerade den Offiziellen Deal mit meinen Eltern unterzeichnet.

„Guck nicht so traurig, Vivianne. Dein hübsches Gesicht soll keine Falten bekommen. Nicht jetzt, wo es überall zu sehen ist."

Ich hebe eine Augenbraue. „Wie meinen Sie das?" Was habe ich bitte verpasst? Wie lange hat Felice mich in diesem Keller gehalten?

„Nun, scheinbar arbeitest du für Chanel. In ganz Manhattan wirst du in den Werbetafeln gezeigt. Vielleicht sogar in ganz New York."

Fuck.

Das ist nicht gut.

„Sind Sie sich sicher?" Eifrig nickt die Frau. „Gewiss! Ich könnte nicht stolzer sein!"

Ich schließe meine Augen.

Nun ist es also eine Frage der Zeit, bis die Polizei vor meiner Tür steht und mich für die etlichen Diebstähle verhaftet.
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Wie findet ihr das Kapitel?

Atlas??? What are you doing?

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