𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟏
„Ach, Kind! Du bist einfach perfekt. Ein anderes Wort könnte dich gar nicht besser beschreiben!", murmelt Nathalie mit ihrem französischen Akzent vor sich hin. „Perfekt."
Ihre zarten Hände streichen meine Taille entlang und legen ein Maßband um diese. „Auch hier stellen mich die Messungen mehr als zufrieden. Du wirst das Projekt meiner Karriere, Kind. Ich sehe deinen Namen schon in naher Zukunft überall stehen!"
Er steht schon überall.
Vor der Schneiderei stehen bereits einige Menschen, die einfach mein Gesicht sehen wollen. Die sehen wollen, wer die mysteriöse Frau neben den allzu bekannten Atlas King ist. Sie wollen alles über mich herausfinden und fragen mehr als unangemessene Fragen, sobald sich auch nur die Gelegenheit dazu ergibt.
Nathalie weicht wieder etwas von mir ab und mustert mein Gesicht. „Du brauchst mehr Schlaf", stellt sie fest. „Was war denn los, dass du so wenig geschlafen hast, Kind?"
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„Vincent", murmelt Atlas genervt und doch interessiert daran seinen Bruder zu sehen. Sein Zwilling setzt sich meinem Verlobten gegenüber auf die Couch. „Hallo, Bruder."
„Was willst du hier?", konfrontiert Atlas ihn direkt und hebt eine Augenbraue. „Solltest du nicht bei Mutter sein?" Schämend senke ich meinen Kopf. Ich habe ihm nichts erzählt. Ich habe ihm nicht gebeichtet, was seiner Mutter letzte Nacht passierte.
Ich habe geschwiegen.
Ich spüre Vincent seinen Blick auf mir ruhen und ein kalter Schauer läuft meinen Rücken hinab. Er kann doch nicht von mir erwarten, dass ich es Atlas sage.
Ich kann nicht diejenige sein, die jede Familie in den Abgrund führt.
Langsam richtet sich Vincent auf und sieht seinem Zwilling in die Augen. „Atlas, es ist etwas passiert", fängt er langsam an. „Ich weiß, deshalb habe ich dich zu Mutter geschickt. Du solltest bei ihr sein!", zischt mein Verlobter. Ich spüre, wie er sich anspannt. Er wird eine Vermutung haben und hofft, dass Vincent sie nicht bestätigt.
„Sie... Atlas, sie ist-" Vincent wird von Atlas unterbrochen. „Sprich es nicht aus. Du hättest schneller bei ihr sein müssen." Geschockt weite ich meine Augen, als Atlas aufsteht und wütend sein Glas, welches bis eben ahnungslos auf dem Tisch stand, durch den Raum wirft. Es zerspringt in tausenden Einzelteilen.
Er hat schon einmal so etwas gemacht. Ist es seine Art an Reaktion, wenn er Nachrichten bekommt, die er nicht hören will? Die nicht seiner Erwartung entsprechen?
Atlas dreht sich zu mir. „Ich möchte, dass du gehst." Ich erstarre. Nein. Nein. Nein. Bitte, sei nicht, wie Felice und Maxwell. Schick mich nicht fort. Tu mir das nicht an.
Langsam setze ich mich in Bewegung und bemerke, wie unruhig Atlas hin und her läuft. Seine Hand zittert. Ich erhasche noch einmal einen Blick von Vincent. „Geh, ich kümmere mich um ihn", flüstert er mir zu.
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„Ich weiß auch nicht so genau, warum." Mein Blick wandert zu Aaron, der gelangweilt auf einem Drehstuhl sitzt und sich im Kreis dreht. Ein leichtes Lächeln breitet sich aus, was jedoch verschwindet, als mein Handy in der Hosentasche anfängt zu Klingeln.
Genervt fische ich es heraus und sehe auf den Anrufer. Anonym. Vielleicht ist es Vincent, der von Atlas meine Nummer bekommen hat. Ich entferne mich einige Schritte und ernte einen fragenden Gesichtsausdruck von Aaron. Ich nehme den Anruf an und halte das Handy an meinem Ohr.
Ein leises Atmen ist zu hören. „Hallo?", frage ich. Atmen. Ein und aus. Plötzlich ertönt ein lautes rascheln, was mich zusammenzucken lässt und der Anruf wird beendet. Was zur Hölle?
Aaron hört auf sich zu drehen und läuft geradewegs auf mich zu. „Alles in Ordnung, Prinzessin?" Verwirrt hebe ich meinen Kopf an und sehe zu meinem Bodyguard. „Weiß ich nicht genau", gebe ich ehrlich zu. „Wieso?", fragt er.
„Irgendein Anonymer Anruf", flüstere ich, in der Hoffnung, dass es alles erklärt. „Zeig mal her." Aaron greift nach meinem Handy und sieht sich die Nummer genauer an. „Ist es okay für dich, wenn ich dein Handy für heute mitnehme, damit ich es später in Ruhe untersuchen kann?"
Ich nicke. „Nathalie wird wahrscheinlich weiter machen wollen. Ich gehe mal wieder zu ihr." Hale nickt und geht zurück zu den Drehstuhl, um sich jetzt schon mal mit der Nummer auseinanderzusetzen. Mein Blick huscht in alle Richtungen. Ein Schauer läuft über meinen Rücken, als ich einen kleinen Beistelltisch sehe, der mir etwas seltsam vorkommt.
Zielsicher, aber langsam, laufe ich auf diesen zu. Der Tisch ist weiß und hat eine moderne Form, jedoch passen die Blumen, welche auf diesem liegen, nicht zum Rest der innen Gestaltung. Alle anderen Blumen sind weiße und rosafarbene Rosen, welche in kunstvollen Vasen verziert sind. Die schwarze Rose, die auf dem Tisch liegt, passt nicht dazu.
Vorsichtig nehme ich sie in die Hand und passe auf, dass mich keiner ihrer Dornen sticht. Schwarze Rückstände bleiben auf meinen Fingerspitzen. Sie wurde gefärbt und das vor nicht all zu langer Zeit. Ein kleiner Zettel liegt zusammengefaltet und mit schwarzem Wachs versiegelt ebenfalls auf dem Tisch. Ich greife nach diesem und öffne langsam den Verschluss, um das Papier nicht einzureißen.
»Ich sehe dich, im Schatten deiner Schritte, ein unsichtbarer Begleiter, der dich nie verlässt. Wie war das Wiedersehen mit Maxwell, Vivianne? Die Freude war groß, als ich ihm erzählte, wo du dich momentan befindest! Was denkst du, werden die Leute sagen, sobald die deine schmutzigen kleinen Geheimnisse kennen?«
Geschockt lasse ich das Papier fallen und spüre, wie sich die Dornen der Rose in meine Haut bohren. Ein kleiner Blutstropfen tropft auf den Zettel. „Um Gottes Willen! Kind, was machst du?" Nathalies Stimme lässt mich aufsehen, doch weitere Regungen sind nicht machbar.
„Ich würde gerne gehen", hauche ich. Mein Hals ist trocken und meine Stimme kratzig. Von wem ist dieser Zettel? Und wieso ging er an mich?
„Aber wir sind doch noch gar nicht fertig!" Erschrocken greift Nathalie nach dem Maßband und hält es mir förmlich unter die Nase. „Wir brauchen noch mindestens drei Werte"
„Wir werden es morgen nachholen", meldet sich Aaron zu Wort und beobachtet, wie meine Hände noch immer zittern. Fragend hebt sich seine Augenbraue leicht, als er die schwarzen Flecken auf meinen Fingerspitzen sieht. Sein Blick gleitet schließlich nach unten und er holt tief Luft, bevor er sein Gesicht genervt verzieht. „Geh bitte zum Auto, Prinzessin. Ich hole deine Tasche"
Er holt nicht nur meine Tasche. Sowohl die Rose, als auch den Zettel hebt er auf und steckt diese unauffällig ein.
Ich habe das Gebäude nicht verlassen. Vor der großen Tür blieb ich stehen. Die Menschenmassen meidend. Als ich damals noch bei den Coopers gelebt hatte, waren mir die ganzen Menschen nie aufgefallen. Auch als ich zehn Jahre bei Felice wohnte, ist mir die Tatsache gekonnt entgangen.
„Komm, ich bringe dich jetzt zu Atlas"
Aaron öffnet mir die Tür und ich trete hinaus ins Sonnenlicht. Direkt umgeben mich Fotografen und machen Bilder von mir. Mein Bodyguard stellt sich ihnen in Weg und versucht mit seinem Körper mich so gut es geht zu verdecken. Am Auto steige ich ein und atme tief durch, als hinter mir die Tür geschlossen wird.
„Fahren Sie zum King Anwesen", fordert Aaron den Fahrer auf und macht es sich neben mir bequem. „Wie geht es dir, Prinzessin?" Besorgt sieht Hale mich an und greift nach meiner Hand, die von den Dornen durchbohrt wurde. „Was war das für ein Brief?" Er holt das Papier mit seiner anderen Hand aus seinem Jackett.
„Du solltest da noch etwas wissen, Aaron", murmle ich und beginne ihm von dem gestrigen Treffen mit meinen Eltern und dem Rausschmiss meines Elternhauses zu erzählen.
„Fuck", flüstert Aaron und fährt mit seinen Fingern durchs Haar. „Wieso hat mir Atlas nichts erzählt? Davon stand nichts in den Dokumenten." Überrascht weite ich meine Augen. „Wie bitte?"
„Nichts, Prinzessin. Alles in feinster Butter." Aaron meidet meinen Blick und beugt sich nach vorne, um am Glas zum Fahrer zu klopfen, welches geöffnet wird. „Ja?", fragt der Fahrer. „Wie lang noch bis zum Anwesen?"
„Wir sollten demnächst ankommen, Hale"
Aaron nickt und lehnt sich wieder zurück. „Sind bald da", wiederholt er und schenkt mir ein unschuldiges Lächeln. „Vergiss es, Aaron Hale. Du erzählst mir jetzt von den Dokumenten."
Er lässt den Kopf in den Nacken fallen. „Mir bleibt keine andere Wahl, stimmt's?" Ich schüttle mit meinem Kopf. „Wie du weißt, gibt es ja nicht nur mich, der als Bodyguard für die King-Familie arbeitet. Wenn ich es richtig gesehen habe, warst du mit zwei der anderen und Vincent einkaufen."
Nun hatte ich sichere Bestätigung, dass es nicht Atlas war, der mit mir unterwegs war. Doch wie hatte Vincent das angestellt?
„Jedenfalls, hat Atlas mich nicht nur angerufen, weil wir uns seit Jahren kennen und er mir von euren Deal erzählen konnte. Er rief mich außerdem an, weil er dich nicht einschätzen konnte."
Verwirrt sehe ich ihn an. „Wie meinst du das?", spreche ich meine Gedanken aus. „Ich meine damit, dass er nach dir gesucht hatte und es bis auf wenige Einträge, nichts über dich zu finden war. Als würde es dich nicht geben. Nur wenige Anzeigen verschiedener Geschäfte wegen Diebstahl, hat er gefunden."
Gut zu wissen.
Ich nicke und warte darauf, dass Aaron fortfährt. „Ich habe Erfahrung mit Kriminellen. Mein eigener Bruder ist wegen Mord im Gefängnis. Ich arbeitete damals auch Verdeckt und verbrachte viel Zeit mit Gang Mitgliedern. Atlas dachte, dass du vielleicht dazu gehörst. Er drückte mir die wenigen Dokumente in die Hand und den Auftrag dich im Auge zu behalten."
„Ich dachte, er wollte mich schützen vor der Paparazzi." Aaron nickt. „Das stimmt auch. Er will dich auch vor der Paparazzi schützen. Sie müssen ja nicht unbedingt herausfinden, wer wirklich die Frau neben den Atlas King ist."
Tief hole ich Luft. „Und ich war Naiv genug, zu glauben, dass er was gutes für mich wollte. Dabei will er nicht, dass andere die Wahrheit kennen. Er bot mir Geld und ein Appartement, damit ich den Deal nicht ausschlagen konnte. Damit ich nichts falsches der Öffentlichkeit erzählte."
Aaron schwieg.
„Und ich dachte, dass er wirklich Interesse hat, mich zu heiraten. Stattdessen habe ich jetzt wahrscheinlich seinetwegen einen fucking Stalker!"
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Wie findet ihr das Kapitel?
Geheimnisse über Geheimnisse und ich kann euch garantieren, dass wir noch lange nicht fertig mit ihnen sind! Hihi.
Wie ist nun eure Meinung zu Atlas? Denkt ihr, dass das alles noch einen weiteren Hintergedanken hat?
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