𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟓
Schwungvoll bewege ich den Füller über das Blatt Papier. „Blau wie Eis..." murmle ich vor mich hin. Beim Absetzen des Stiftes rutscht meine Hand ab und verschmiert die geschriebenen drei Wörter. „Ach komm schon" fluche ich. Das verschmierte Papier schmeiße ich zerknüllt zu den anderen Blättern. „Wieso ist das so schwer?"
Ich richte meinen Blick auf Aaron, welcher gelangweilt auf meinem Bett liegt. „Weil du vielleicht nicht schreiben kannst?" schlägt dieser vor. Ernsthaft? Ich greife nach einem Buch und werfe es in seine Richtung. „Hey! Ich habe doch nur deine Frage beantwortet" er richtet sich auf und rutscht zur Bettkante. „Wann möchte die Prinzessin eigentlich mal wieder das Haus verlassen? Es sind inzwischen vier Tage vergangen"
Vier Tage. Vier Tage, an denen ich mich isoliert und jeglichen Menschenkontakt ignoriert habe. Von meinem Bodyguard mal abgesehen. Vor vier Tagen betrat ich zum ersten Mal dieses Apartment. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das hier mit dem Hotelzimmer zu vergleichen ist. Diese Wohnung ist prachtvoller und einfach unglaublich schön. Meine Sachen wurden mir noch an demselben Tag gebracht.
„Wenn du ein Problem damit hast, kannst du ruhig aus dieser Tür gehen" ich zeige auf die Haustür. „So schnell wirst du mich nicht los, Prinzessin. Was denkst du, wieso Atlas mich sonst ausgesucht hat?" er grinst mich an und hält das Buch in seinen Händen. Seine Augen schweifen zum Titel und er verzieht angewidert das Gesicht. Romeo und Julia. Ein Klassiker. „Du warst bestimmt der erste Bodyguard, den er im Sinn hatte"
„Das ist einer der Gründe. Zudem habe ich bereits genügend Erfahrungen mit Kriminellen gesammelt" ich rolle mit den Augen und widme mich wieder Stift und Papier. „Was sollte denn schon passieren?" äußere ich genervt und werde durch das Vibrieren meines Handys unterbrochen. Aaron seufzt. „Geh doch endlich an dein verdammtes Telefon. Wie oft hat er inzwischen angerufen? 20- oder 30-mal?"
„385"
„Wie bitte?" verwirrt sieht mich der Mann an. „Atlas hat 385-mal angerufen" Aaron starrt mich ausdruckslos an und räuspert sich schließlich. „Und du kommst nicht einmal auf die Idee, ihn zurückzurufen? Zudem er dir dieses Apartment schenkte und er dein Verlobter ist"
Er war mein Verlobter.
Mit meinen Fingern spiele ich an dem Ring an meinem Finger. „Du bist gar nicht seine Verlobte" stellt Hale fest und holt mich aus meinen Gedanken. „Pardon?" überrascht sehe ich zu ihm. „Du weißt schon, Atlas hat dich nur für das Treffen gebraucht und muss nun für deine Sicherheit garantieren"
„Was willst du haben, damit du mich in Ruhe lässt?" Aaron lacht amüsiert auf. „Ich bin nicht bestechlich" er steht auf und stellt die Shakespeare Tragödie zurück ins Bücherregal. „Will die Prinzessin sich jetzt wieder mit Schreiben beschäftigen und mich an Langeweile sterben lassen oder tatsächlich irgendetwas unternehmen?"
Für einen kurzen Moment mustere ich ihn. „Das war eine rhetorische Frage" fügt er hinzu, als er mein Grinsen im Gesicht sah. „Wie wäre es mit einem Spa Besuch? Mein Körper hat das mal wieder nötig" ungläubig sehe ich ihn an. Er geht ins Spa? „Was? Noch nie ein Bodyguard gesehen, der sich pflegt und entspannt?" fragt er daraufhin und lässt mich mit dem Kopf schütteln.
Ich lege die Papiere aufeinander und schließe den Stift mit seiner Kappe. „Na dann, los geht's" freudig geht der Schwarzkopf auf die Tür zu und öffnet diese für mich. „Ich kenne den perfekten Ort"
Es würde mich wundern, wenn dies nicht der Fall wäre.
Nach einer kurzen Autofahrt befinden wir uns im Zentrum von Manhattan. Wie üblich ist die Stadt überfüllt von Menschen und Autos. Um mich von meinem Handy abzulenken und nicht die ganze Zeit drauf zu sehen, blicke ich aus dem Fenster. „Halt den Wagen, Hale"
„Aber wir sind gleich da. Es sind nur noch zwei-" ich unterbreche ihn. „Halt den Wagen an" verwirrt geht er meiner Forderung nach und lässt das Auto am Straßenrand zum Stehen kommen. Schnell steige ich aus und gehe auf eine Tür zu, welche meine Aufmerksamkeit erregt hat.
„Oh, nein. Wir werden da nicht rein gehen. Atlas wird mich umbringen, wenn ich das zulasse" Aaron greift nach meinem Arm, doch ein böses Funkeln meinerseits genügt, damit er loslässt. „Was Atlas nicht weiß, macht ihn nicht heiß"
„Du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass er das mitbekommen wird. Die Frage ist dann jedoch, was er zuerst macht. Mich töten oder dich ficken" mahnend sehe ich ihn an. „Verzeihung. Das war kein professioneller Ausdruck"
„Stimmt, war es nicht und du kannst mir glauben, dass es mir egal ist und ich mache, was ich möchte. Kein Mann wird mir vorschreiben, was ich zu tun habe" nicht mehr. Mein Vater war der erste und letzte Mann, der mir irgendwas vorschrieb. Selbst Felice bekam dies früher oder später mit.
„Ich mache wirklich vieles mit, Prinzessin, doch dies ist eine der wenigen Sachen, um die ich einen großen Bogen mache" er verzieht das Gesicht, als er wieder zur Tür sieht. „Du kannst in der Zeit auch einfach ins Spa gehen" für einen kurzen Moment lässt sich Aaron dieses Angebot durch den Kopf gehen.
„Vermutlich bin ich der schlimmste Bodyguard, den es gibt"
„Ist das ein ja?"
„Ja, du kannst dort reingehen, solange du mir versprichst nirgendwo anders hinzugehen und wir uns in genau zwei Stunden wieder hier treffen" ein Lächeln huscht auf meine Lippen. „Abgemacht. Viel Spaß beim entspannen" Aaron rollt mit den Augen und dreht sich schließlich um und geht auf das Auto zu. Erneut schweift mein Blick zu der Tür und der dazugehörigen Aufschrift. „Model für Chanel gesucht. Dein Aussehen ist gefragt!"
Mit einem Grinsen im Gesicht öffne ich die mit einem alten Holz versehende Tür. Überrascht von dem inneren, weiten sich meine Augen. Es hat eine moderne Einrichtung und ist in den üblichen Farben Schwarz, Weiß und Gold verziert. Die verschiedensten jungen Frauen laufen hin und her. Einige mit Maßband und andere mit Kleidern.
„Kann ich Ihnen helfen, Ms...?" eine kleine Frau mit einem französischen Akzent sieht mich fragend an. „Ja, das wäre wundervoll!" ich lächle sie an, was sie sofort erwidert. „Wie ist denn dein Name, Kind?"
Kurz halte ich inne. Sollte ich diese Chance nutzen und den Namen von Atlas verwenden? Ob ich damit Vorteile bekommen werde? „Vivianne King" die Frau holt tief Luft und legt ihre Hand an ihr Herz. Leicht überfordert mustere ich sie.
„Setz dich doch kurz, Kind. Ich bin in einer Minute wieder da" mit zügigen Schritten flieht sie zu den anderen. Für ihre Größe ist sie ziemlich schnell. Mit einem amüsierten Gesichtsausdruck lasse ich mich auf einen schwarzen Sessel sinken.
„Alle Mädchen sollen sofort dieses Gebäude verlassen!" schreit die Frau und eine Unruhe bricht aus. Mein bis eben noch belustigten Ausdruck wechselt zu einem verwirrten. Schmeißt sie gerade ernsthaft alle raus? Und das wegen eines Namens?
„Wieso?" fragt eine der Models genervt und verschränkt ihre Arme vor der Brust. „Da wir so eben das richtige Model gefunden haben" der Akzent dieser Dame ist stärker als den der Zwillinge. Bei den Kings hört man ehrlich gesagt gar keinen raus.
Beinahe hundert Frauen gehen an mir vorbei, um das Gebäude zu verlassen. So viel dazu. Auch die kleine Frau finden wieder ihren Weg zu mir. „Folge mir doch bitte, liebes. Ich möchte Ihnen zeigen, was Sie hier erwartet" ihre kleinen Finger greifen nach meiner Hand und sie führt mich geradewegs zu den Umkleidebereich.
„Darf ich Sie Vivianne nennen, Mrs King?" ich nicke. „Haben Sie Interesse, für Chanel zu modeln? Ich werde Ihnen versichern können, dass Ihr Gesicht überall zu sehen sein wird"
Wenn das der Fall wäre, würde es Atlas auf jeden Fall herausfinden. Er könnte öffentlich sagen, dass ich keine King bin. Er könnte meine Karriere beenden, bevor sie überhaupt anfing. Doch kann es schlimmer werden, als es ohnehin schon ist? Nein.
Es würde so sein wie damals. Stehlen würde wieder auf der täglichen Tagesordnung stehen. Doch spätestens, wenn mein Gesicht überall zu sehen ist, wird die Polizei auf mich aufmerksam. Zumindest, wenn sie es nicht bereits sind. Dank der Paparazzi sind einige Bilder von mir und Atlas in die Öffentlichkeit gelangt. Wir waren ganze zwei Tage auf der Titelseite der Times.
„Deshalb bin ich hier" gebe ich schließlich von mir und das Grinsen der Frau wird breiter. „Mein Name ist Nathalie und ich heiße Sie herzlich willkommen in unserem Team. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie einfach Bescheid"
Das liegt definitiv am Namen. Wieso ist der Name King so bekannt? „Sag, weißt du gar nicht, wer ich bin? Was mein Name für eine Bedeutung, für eine Verantwortung und für einen Wert besitzt?" Atlas seine Worte ertönen in meinen Gedanken. In den letzten vier Tagen hätte ich mich eigentlich informieren sollen. Wie blöd kann man nur sein?
Nathalie geht nun einige Schritte weiter und bringt mich zu anderen Frauen, welche scheinbar für Make-Up und Kleidung zuständig sind. „Darf ich vorstellen? Vivianne King. Sie wird unser Model für Chanel sein"
„Braucht man nicht mehrere Models?" fragt eine der anderen Frauen und bekommt dafür wütende Blicke einkassiert. „Nein, Vivianne wird das Gesicht sein" Überrascht sehe ich zu Nathalie. „Das Gesicht?" sie nickt. „Sobald man dich sieht, wird man Chanel sehen"
Das Vibrieren meines Handys lässt mich zusammenzucken. „Einen Moment bitte" ich entschuldige mich bei den Frauen und entferne mich etwas von diesen. Ein Blick auf meinem Telefon verrät mir, wer mich mal wieder angerufen hat.
Ich hole tief Luft und rufe zurück. Bereits nach dem ersten Klingeln hebt er ab. „Sweetheart" seine Stimme lässt mir einen Schauer über den Rücken fahren. „Atlas" antworte ich trocken. „Wo zur Hölle ist Hale und warum ist er nicht in deiner Nähe?"
Verwirrt sehe ich auf mein Handy. Woher weiß er, dass Aaron nicht bei mir ist? „Er gönnt sich eine kleine Pause" sage ich und schaue auf meine Nägel. „Eine Pause?" spottet er. „Stell dir vor, Atlas, es gibt Menschen, die keine Maschinen sind"
Sein Augen rollen kann ich mir bildlich vorstellen. „Und wo bist du?" ich sehe mich in den Raum um. „Hier" ich höre ein genervtes Murmeln von Atlas. „Und wo ist hier, Sweetheart?"
„Na hier" das freche Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. „Sweetheart, falls du es nicht weißt, ich bin ein King. Du musst mir keinen genauen Standort nennen, ich habe bereits die Adresse. Und wenn du in den letzten Tagen an meine Anrufe gegangen wärst, würdest du auch wissen, dass ich mit dir reden muss"
Ich muss mit dir reden. Schlimmere Worte gibt es nicht. „Du hast mich geortet?" platzt es aus mir heraus. „Das ist das Einzige, was du aus meinen Worten mitnimmst?" er lacht leise auf. „So ziemlich, ja"
„Ich werde in zehn Minuten bei dir sein und hoffe für dich, dass du einen guten Grund hast, weshalb du modeln willst" nun bin ich es, die mit den Augen rollt. „Brauche ich wirklich einen Grund dafür. Sieh mich an, ist das nicht Grund genug?" frage ich ins Telefon. „Wäre es bestimmt, doch nur ich darf meine Verlobte so ansehen"
„Ich bin nicht deine Verlobte" brumme ich. „Und trotzdem hast du meinen Namen genannt" ich öffne meinen Mund nur, um ihn wieder zu schließen. „Woher-?" die Frage bleibt mir im Hals stecken. „Du denkst doch nicht ernsthaft, es würde sich nicht verbreiten, dass hunderte Models entlassen wurden, nur damit Mrs King modelt"
„Worüber wolltest du eigentlich mit mir reden?" wechsle ich das Thema. „Ich werde dir meine Firma zeigen"
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Wie findet ihr das Kapitel?
Und wie ist eure Meinung zu Aaron?
Wie immer freue ich mich über viele Kommentare!
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