27

Genya POV:

Kaum hatten wir das Krankenzimmer verlassen und die Tür hinter uns geschlossen, spürte ich Hokutos Blick förmlich in meinen Rücken brennen. Ich wusste genau, was das bedeutete. Der Kerl war ein Polizist, und er testete mich immer noch.

Toll. Als ob es nicht schon schwer genug war, dass ich mir um Muichiro Sorgen machte.

Ich versuchte, es zu ignorieren und lehnte mich gegen die Wand des Krankenhausflurs. „Also... wir müssen jetzt hier draußen warten, ja?"

Hokuto verschränkte die Arme. „Scheint so."

Er sagte es so beiläufig, aber ich konnte sehen, wie sein Blick mich abscannte. Ich schwöre, er hat mich noch nie normal angeschaut – immer so, als ob ich gleich ein Geständnis ablegen würde.

Ich rollte mit den Augen. „Okay, was ist diesmal?"

Er zog eine Augenbraue hoch. „Was meinst du?"

„Du guckst mich schon wieder an, als hätte ich Muichiro irgendwo als Geisel genommen. Kannst du mal aufhören, mich zu scannen? Ich bin nicht auf der Flucht."

Hokuto ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Dann sagte er langsam: „Ich verstehe einfach nicht, was mein Sohn an dir findet."

Boom. Da war es.

Ich spürte, wie meine Muskeln sich anspannten. „Tja, keine Ahnung. Vielleicht solltest du ihn das fragen."

„Ich hab ihn gefragt." Hokutos Blick wurde schärfer. „Er meinte nur, du wärst jemand, bei dem er sich sicher fühlt."

Irgendwie wurde mir heiß, obwohl der Flur eiskalt war.

„Und? Ist doch eine gute Sache, oder?"

„Kommt drauf an." Hokuto trat näher, bis wir fast auf Augenhöhe waren. „Bist du wirklich so jemand, Genya? Oder tust du nur so?"

Alter. War das sein Ernst?

Ich spürte, wie meine Finger sich zu Fäusten ballten. „Hör zu, ich weiß, dass du mich nicht magst. Und ich verstehe sogar, warum. Ich bin nicht der Typ, den man als perfekten Freund für seinen Sohn sieht. Aber glaub mir eins, Hokuto – ich liebe Muichiro, und ich würde mich für ihn in jedes verdammte Messer werfen. Ich bin vielleicht nicht perfekt, aber ich werde ihn immer beschützen. Ob du das nun gut findest oder nicht."

Hokuto musterte mich. Für einen Moment sagte er nichts, aber dann... dann zog er den Mundwinkel ganz leicht nach oben.

„Hmpf."

Was zum...? War das...? LÄCHELTE ER?!

„Nicht schlecht", murmelte er. „Immerhin hast du Rückgrat."

„Ich hatte schon immer Rückgrat", knurrte ich.

„Na dann." Er schnaubte und lehnte sich gegen die Wand. „Dann warte ich mal ab, ob du das auch beweisen kannst."

Ich verdrehte die Augen. „Wow. Danke für dein Vertrauen."

Er grinste nur leicht. „Ich bin Polizist. Vertrauen muss man sich verdienen."

Ich schüttelte den Kopf und ließ mich auf eine der Wartebänke fallen. Das würde eine verdammt lange Nacht werden.

Muichiro POV:

Ich lag im Krankenhausbett, meine Muskeln fühlten sich schwer und träge an. Yuichiro saß neben mir, wie immer. Seine Finger fuhren sanft durch mein Haar, und ich schloss die Augen für einen Moment. Das hatte er schon getan, als wir klein waren. Immer, wenn ich krank war oder Angst hatte, hatte er mich so beruhigt. Aber diesmal... diesmal fühlte es sich anders an.

„Tut es weh?" Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern.

Ich schüttelte schwach den Kopf. „Nicht wirklich... Es fühlt sich eher so an, als ob mein Körper mir nicht mehr richtig gehorcht."

Yuichiro schwieg. Seine Finger bewegten sich weiter in meinem Haar, doch ich spürte, dass er angespannter war als sonst. Ich öffnete die Augen und sah zu ihm auf. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, seine Augen leicht gerötet.

„Was haben die Ärzte gesagt?" fragte ich schließlich, obwohl ich die Antwort kannte.

„Sie haben gesagt, dass..." Er hielt inne, als müsse er sich zwingen, die Worte auszusprechen. „Dass es Duchenne Muskeldystrophie ist. Ein schwerer Fall. Dass du..." Er brach ab, atmete tief ein und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Dass du irgendwann nicht mehr laufen können wirst."

Ich nickte langsam. Das hatte ich schon gehört, als der Arzt es erklärt hatte. Doch es klang seltsam, es wirklich aus Yuichiros Mund zu hören.

„Und dann?" fragte ich leise.

Yuichiro sah mich an. Sein Blick war so intensiv, dass es mir fast wehtat. „Dann... dann werden deine Muskeln immer schwächer. Irgendwann wirst du einen Rollstuhl brauchen. Und später..."

„Hör auf", unterbrach ich ihn, bevor er es aussprechen konnte. Ich wollte es nicht hören. Ich wusste es doch schon. Aber wenn er es sagte, dann wurde es endgültig. Dann gab es keinen Raum mehr für Hoffnung, für Zweifel, für irgendetwas anderes als die harte, kalte Realität.

„Muichiro..." Er beugte sich vor und legte seine Stirn gegen meine. „Ich bin hier. Egal, was passiert. Ich werde nicht zulassen, dass du alleine da durchmusst."

Ich biss mir auf die Lippe. Mein Herz schlug schneller, aber mein Körper fühlte sich zu schwach an, um die Aufregung widerzuspiegeln.

„Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll", murmelte ich.

„Du musst das nicht alleine tun", sagte Yuichiro sofort. „Wir machen das zusammen. Du und ich, wie immer."

Ich wollte ihm glauben. Ich wollte glauben, dass das alles nicht so schlimm sein würde, dass ich trotzdem noch ein normales Leben haben könnte. Aber tief in mir drin wusste ich, dass nichts mehr normal sein würde. Dass mein Körper mich langsam verraten würde, Stück für Stück.

Yuichiro strich mir sanft über die Wange. „Wir nehmen das einen Tag nach dem anderen, okay? Ich verspreche dir, wir werden eine Lösung finden. Ich werde für dich da sein, egal was kommt."

Ich schloss die Augen und nickte leicht. Seine Worte gaben mir ein wenig Trost, auch wenn die Angst noch immer in mir nagte.

Ich wusste nicht, was die Zukunft bringen würde. Aber solange Yuichiro da war, fühlte es sich zumindest ein bisschen weniger furchteinflößend an.

Ich wachte auf, weil mir eiskalt war. Mein Körper zitterte unkontrolliert, und ein dumpfer Schmerz zog sich durch meine Muskeln. Es war, als würde jede Faser in mir gegen mich arbeiten, als würde mein eigener Körper mich im Stich lassen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mich zu bewegen, aber meine Arme fühlten sich schwer an, als wären sie aus Blei.

„Yuichiro..." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ich versuchte es noch einmal, diesmal etwas lauter. „Yuichiro..."

Ich hörte ein Rascheln neben mir, dann eine verschlafene Stimme. „Muichiro?" Ein paar Sekunden später spürte ich seine warme Hand auf meiner Stirn. „Du schwitzt... aber du zitterst auch. Was ist los?"

„Es... tut weh", flüsterte ich und kniff die Augen zusammen.

Ohne zu zögern zog er die dünne Krankenhausdecke höher und rieb meine Arme, als könnte er mich so wärmen. „Ich hole eine Schwester", sagte er, stand auf und eilte zur Tür.

Ich hörte, wie er mit jemandem draußen sprach, dann kam er zurück, setzte sich wieder neben mich und nahm meine Hand. „Die Krankenschwester kommt gleich. Halte durch, okay?"

Ich nickte leicht, aber das Zittern hörte nicht auf. Meine Muskeln fühlten sich an, als würden sie sich verkrampfen, und jeder Atemzug fiel mir schwer.

Kurz darauf kam eine Krankenschwester ins Zimmer. Sie hatte dunkle Haare, einen sanften Blick und sprach mit ruhiger Stimme. „Muichiro, tut dir irgendetwas besonders weh?"

„Alles..." Es war die Wahrheit. Jeder Muskel in meinem Körper fühlte sich wund an, als hätte ich mich zu stark angestrengt, obwohl ich nichts getan hatte.

„Das sind Muskelkrämpfe. Ich gebe dir ein Schmerzmittel und eine Wärmflasche, das sollte helfen." Sie nahm eine Spritze aus ihrer Tasche und injizierte mir das Medikament in den Arm. Dann legte sie eine warme Kompresse auf meine Beine und zog die Decke noch ein Stück höher.

Yuichiro beobachtete sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Wird das jedes Mal so schlimm sein?"

Die Schwester sah ihn einen Moment an, dann mich. „Es kann immer wieder vorkommen. Dein Körper verliert nach und nach die Kraft, sich selbst zu regulieren. Wärme und leichte Massagen können helfen, aber die Krankheit ist fortschreitend."

Ich schluckte. Ich wusste das schon, aber es zu hören war trotzdem schwer.

„Ich werde eine Ärztin rufen, damit sie euch alles erklärt", sagte die Krankenschwester sanft. „Bis dahin ruhe dich aus, Muichiro."

Sie ging, und das Zimmer wurde wieder still. Nur das Summen der Krankenhausgeräte und mein eigener unregelmäßiger Atem waren zu hören.

Yuichiro nahm meine Hand fester. „Das ist unfair", murmelte er. Seine Stimme zitterte ein wenig. „Warum... warum du? Warum passiert dir das?"

Ich wollte ihm antworten, wollte sagen, dass alles in Ordnung sein würde, aber es wäre gelogen. Ich wusste nicht, ob es in Ordnung sein würde. Ich wusste nur, dass ich Angst hatte.

„Yuichiro... ich will nicht sterben."

Er zog scharf die Luft ein, als hätte ich ihn geschlagen. Dann beugte er sich vor, legte seine Stirn gegen meine und flüsterte: „Du wirst nicht sterben. Ich lasse das nicht zu."

Ich wollte ihm glauben. Ich wollte glauben, dass er recht hatte. Doch tief in mir drin wusste ich, dass er es nicht aufhalten konnte.

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