25
Genya POV:
Ich hatte noch nie so schnell auf ein Gespräch reagiert. Als die unbekannte Nummer auf meinem Handy aufblinkte, war ich erst skeptisch, aber dann sah ich das Profilbild: Muichiro und Yuichiro. Das war seltsam. Vielleicht war es ein Missverständnis? Doch dann nahm ich den Anruf an.
„Hallo?", rief ich und versuchte, mich zu entspannen. Aber sofort hörte ich eine Stimme, die ich nur allzu gut kannte. Hokuto. Der Vater von Muichiro und Yuichiro.
„Genya...", hörte ich ihn sagen. „Es ist etwas mit Muichiro. Er... er ist stark unterkühlt, und wir wissen nicht, was wir tun sollen. Ayame hat gesagt, du wärst mit ihm befreundet. Kannst du uns helfen?"
Ich erstarrte. Hokuto. Der Polizist, der immer mit harter Hand regierte. Und vor allem der Vater, der ständig darauf bedacht war, seine Familie zu beschützen.
„Was... was ist mit ihm passiert? Warum ist er noch nicht im Krankenhaus?", fragte ich, obwohl ich schon wusste, dass die Antwort darauf wahrscheinlich keine gute war.
„Er weigert sich, ins Krankenhaus zu gehen", sagte Hokuto mit einem Ton, der mich fast noch mehr beunruhigte. „Er hat gesagt, er wäre einfach nur kalt. Aber... es ist mehr, als das. Wir sind hier, aber er ist so schwach..."
„Oh verdammt...", murmelte ich und ließ mein Handy in meine Tasche fallen, während ich mein Rad schnappte und losfuhr. Alles, was ich wusste, war, dass ich sofort zu ihnen musste. Wenn Muichiro in diesem Zustand war, konnte ich nicht länger warten.
Der Wind peitschte mir ins Gesicht, als ich mit voller Geschwindigkeit durch die Straßen fuhr. Mein Herz raste und jedes Mal, wenn ich an einen Moment dachte, in dem ich etwas übersehen haben könnte, wurde mir noch schlechter. Vielleicht hatte ich zu spät bemerkt, dass er immer schwächer wurde. Vielleicht hatte ich es immer für normal gehalten, weil Muichiro nie wirklich über seine Probleme sprach.
Als ich vor dem Haus der Tokitos ankam, ließ Ayame mich sofort rein. Ihre Augen waren voll Besorgnis, aber sie sagte nichts. Ich lief sofort in Richtung Muichiros Zimmer.
„Muichiro?", rief ich, als ich die Tür aufstieß. Er lag da, eingehüllt in Decken, aber ich konnte sofort sehen, dass etwas nicht stimmte. Er war bleich, und als ich seine Hand ergriff, erstarrte ich. Es war, als hielte ich ein Stück Eis in der Hand. Schnee, der sich fast anfühlte wie festgefrorene Haut.
„Scheiße... Muichiro", flüsterte ich, während ich versuchte, seinen Körper vorsichtig zu bewegen. „Du bist eiskalt... Du... du musst ins Krankenhaus, sofort!"
Er drehte sich kaum zu mir, doch seine Augen schauten mich müde an. „Es ist nichts, Genya. Es wird schon wieder. Ich habe nur gefroren..."
„Du hast mehr als nur gefroren, verdammt!", rief ich und stützte ihn sanft ab, damit er sich aufsetzen konnte. „Du solltest nicht einfach so hierliegen und nichts tun. Das ist nicht normal!"
Er schüttelte schwach den Kopf und versuchte, sich zu beruhigen. „Es tut mir leid... wirklich. Es ist einfach... nur zu kalt geworden. Und jetzt ist es nicht so schlimm mehr."
„Nicht schlimm?", wiederholte ich ungläubig und konnte kaum fassen, dass er das tatsächlich so sagte. „Was soll daran nicht schlimm sein? Du bist viel zu schwach! Du brauchst sofort Hilfe."
Ich blickte zu Ayame und Hokuto, die beide schweigend im Hintergrund standen, während ich mit Muichiro versuchte, die Situation zu begreifen. Hokuto sah genauso besorgt aus wie Ayame. Aber das war kein Moment, in dem ich zögern konnte. Ich hatte keine Ahnung, was genau los war, aber ich wusste, dass ich ihm sofort helfen musste.
„Hokuto", sagte ich, ohne die Augen von Muichiro abzuwenden, „ruf jetzt ein Krankenwagen. So wie er aussieht, sollte er sofort ins Krankenhaus."
„Genya hat recht", stimmte Ayame zu und trat nervös vor. „Es geht nicht einfach vorbei. Das ist mehr, als nur ein bisschen Kälte."
Hokuto nickte, bevor er zum Telefon griff, doch ich konnte die Angst in seinen Augen sehen. Für einen Moment schien alles stillzustehen.
„Muichiro", sagte ich sanft, als ich meine Hand noch fester um seine hielt, „bitte... lass uns helfen. Du bist nicht allein."
Muichiro sah mich an und ich konnte sehen, wie sich seine Lippen zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Danke, Genya. Es tut mir leid, dass ich dich damit belaste..."
Ich konnte nicht anders, als zu schnauben und ihn noch fester zu umarmen, während ich wusste, dass das jetzt der Moment war, in dem ich für ihn da sein musste, egal, was er dachte oder wie er sich fühlte.
„Mach dir keine Sorgen, du bist nicht allein", sagte ich, während ich versuchte, die Verzweiflung in meiner Stimme zu verbergen. „Ich lasse dich nicht gehen."
Ich hielt Muichiro so fest an mich gedrückt, wie ich nur konnte, aber sein Körper wurde immer kälter. Es war, als würde er jede Wärme aus der Luft um ihn herum aufsaugen, und das machte mir verdammt nochmal Angst. Sein Kopf lehnte an meiner Schulter, seine Atmung war flach, und er wirkte immer schwächer.
„Halte durch, Muichiro", murmelte ich und spürte, wie sein Körper in meinen Armen erschlaffte. „Verdammt, du bist so kalt...!"
Ayame hatte bereits das Auto gestartet, während Hokuto sich ans Steuer setzte. Ich sprang mit Muichiro auf den Rücksitz und Yuichiro rutschte sofort näher, sein Gesicht voller Panik.
„Muichiro?!", rief er und packte seinen Bruder an den Schultern. „Hey! Wach, du verdammter kleiner Mistkerl!"
Muichiro blinzelte müde und versuchte ein Lächeln, aber das sah einfach nur noch schlimmer aus. „Nicht... so laut, Yui..."
„Halts Maul!", fauchte Yuichiro, aber ich hörte, wie seine Stimme zitterte. „Du bist so scheißkalt! Ich schwöre, wenn du hier abkratzt, komm ich dir nach und verprügle dich im Jenseits!"
„Oho... harte Worte...", murmelte Muichiro, aber seine Stimme war kaum noch hörbar.
Ich fluchte leise und rieb mit meinen Händen über seine Arme, versuchte ihn irgendwie aufzuwärmen. Aber er wurde einfach nicht wärmer.
„Hokuto, fahr schneller!", brüllte ich nach vorne.
„Ich fahre so schnell ich kann, verdammt!", knurrte er zurück und trat aufs Gas.
Ayame drehte sich zu uns um, ihre Augen voller Panik. „Muichiro, mein Schatz, bleib wach, okay? Wir sind gleich da."
Yuichiro packte eine der Decken, die Ayame mitgebracht hatte, und wickelte sie fester um Muichiro. Seine Hände zitterten, als er versuchte, die Decke enger zu ziehen.
„Ich bring dich um, wenn du mir sowas nochmal antust, Muichiro!", fauchte er.
„Hab... ich nicht vor...", flüsterte Muichiro mit einem schwachen Grinsen.
Ich schluckte schwer und spürte, wie mein Herz raste. Ich hatte noch nie in meinem Leben so eine verdammte Angst gehabt.
Yuichiro packte seine Hand und drückte sie fest. „Wenn du jetzt einschläfst, schwöre ich, ich weck dich mit einem Tritt in den Arsch!"
Muichiro schloss für einen Moment die Augen, und ich schüttelte ihn sofort.
„NEIN!", brüllte ich und drückte ihn noch fester an mich. „Nicht jetzt, Muichiro! Wach bleiben! Red mit uns! Sag irgendwas!"
Muichiro öffnete seine Augen wieder, aber sie waren glasig. „Genya... du bist... echt laut..."
„SCHEIẞ DRAUF!", brüllte ich. „Du wirst nicht einfach so hier wegpennen!"
Ich sah, wie Yuichiro die Zähne zusammenbiss und seine Finger sich so fest in Muichiros Hand verkrampften, dass seine Knöchel weiß wurden.
„Wir sind fast da!", rief Hokuto von vorne.
Ich biss mir auf die Lippe und hielt Muichiro noch fester.
„Hör zu, Muichiro", sagte ich, meine Stimme voller Dringlichkeit. „Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, wenn du das hier durchstehst, dann... dann koch ich dir jede verdammte Suppe, die du willst. Jeden einzelnen Tag! Also bleib wach, verdammt nochmal!"
Muichiro blinzelte langsam. „Häh...? Jeden Tag... Suppe...?"
„JA, VERDAMMT!", brüllte ich fast. „Was auch immer du willst! Ramen, Miso, irgendwas mit scheiß Tofu, scheiß egal! Also halt durch, hörst du mich?!"
Yuichiro knurrte: „Und ich mach dir dein verdammtes Bett, wenn's sein muss! Also stirb jetzt bloß nicht, du Bastard!"
Muichiro schloss erneut die Augen, aber dieses Mal... sah es nicht mehr so aus, als würde er sie gleich wieder öffnen.
„Muichiro?!", rief ich und schüttelte ihn.
Aber er reagierte nicht mehr.
Scheiße.
„FAHR SCHNELLER, VERDAMMT!", brüllte ich.
Muichiro POV:
Alles war verschwommen. Geräusche klangen, als wären sie unter Wasser. Ich spürte, wie mein Körper auf etwas Hartes gelegt wurde – eine Trage? Hände griffen nach mir, drückten auf meine Brust, hoben meine Arme, aber alles fühlte sich weit entfernt an.
„Herzfrequenz stark abgesunken! Wir müssen ihn aufwärmen!"
„Verdammt, sein Kreislauf bricht zusammen! Bereitet eine Infusion vor!"
Ich hörte hektisches Rufen, das Quietschen von Schuhen auf dem Boden. Lichter flackerten über mir, zu grell, zu verschwommen. Ich wollte mich bewegen, wollte irgendwas sagen, aber mein Körper reagierte nicht.
Plötzlich eine andere Stimme – panisch, laut, voller Wut.
„LASS MICH ZU IHM, VERDAMMT!"
Yuichiro.
Er war hier.
„Er ist mein Bruder, ihr verdammten Idioten, ich geh nicht weg!"
Ich wollte ihm sagen, dass es okay war, dass er sich keine Sorgen machen sollte, aber mein Mund bewegte sich nicht. Alles war so schwer. Mein Atem... warum fiel es mir so schwer zu atmen?
Dann eine zweite Stimme, ebenfalls wütend.
„Macht, dass er überlebt! Sonst reiß ich euch allen hier den verdammten Kopf ab!"
Genya.
Er war auch da.
Plötzlich wurde ich hochgehoben, mein Körper auf eine andere Liege gelegt. Irgendjemand legte eine Maske über mein Gesicht.
„Er atmet flacher! Schnell, Sauerstoffzufuhr erhöhen!"
Ich wollte sagen, dass ich da war, dass ich sie hören konnte, dass ich nicht einfach... verschwinden würde. Aber alles war so schwer.
„Muichiro!", brüllte Yuichiro wieder. Seine Stimme klang verzweifelt. „Hör auf, diese Scheiße abzuziehen! Werd verdammt nochmal wach!"
Ich versuchte, meine Augen zu öffnen. Es klappte nicht.
Dann fühlte ich eine Hand, die meine packte.
„Verdammter Mist...", murmelte Genya. „Du wolltest doch Suppe, oder nicht? Also wach gefälligst auf und fordere sie ein!"
Ich hätte gerne gegrinst.
Aber ich konnte nicht.
Alles wurde schwarz.
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