17
Genya POV;
Ich wusste ja, dass der heutige Tag anstrengend werden würde, aber das hier war jenseits meiner Vorstellungskraft. Unsere Klasse durfte die 3H durch die Schule führen – naja, durfte war das falsche Wort. Es war ein verdammtes Muss. Wahrscheinlich hatte sich das Lehrerzimmer einfach aufgegeben und beschlossen, dass wir uns um die wandelnde Naturkatastrophe kümmern sollten.
Ich blieb die ganze Zeit bei Muichiro, weil ich wusste, dass er sich sonst irgendwohin verziehen oder jemanden verprügeln würde, wenn ihn einer blöd anmachte. Außerdem... wollte er auch gar nicht von mir weg. Er hing an mir wie ein verdammtes Kaugummi.
Er schmiegte sich ständig an mich, als hätte er Angst, dass ich verschwinden könnte. Ich verstand ja, dass er anhänglich war – das war nichts Neues –, aber heute war es extrem. Immer wenn ich versuchte, ein bisschen Abstand zu gewinnen, zog er mich sofort zurück an sich. Seine Arme hingen ständig an mir, seine Hände hielten mein Shirt fest, als ob er befürchtete, dass ich ihn jeden Moment stehen lassen könnte.
„Muichiro... willst du nicht mal ein bisschen Abstand halten?", fragte ich leise, als wir gerade das Treppenhaus hochgingen.
Er schüttelte sofort den Kopf und schmiegte sich noch enger an mich. „Nein."
„Aber die anderen gucken uns an..."
„Mir doch egal."
Ich seufzte. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein. Es war, als würde er... als würde er sich selbst gar nicht richtig unter Kontrolle haben. Ich wusste, dass er früher viel verloren hatte, aber so extrem hatte ich ihn noch nie erlebt.
Währenddessen war der Rest meiner Klasse damit beschäftigt, die Schüler der 3H davon abzuhalten, die Schule zu zerlegen.
„Ey, du Bastard, das ist mein verdammtes Lineal!", brüllte einer.
„Fick dich doch, ich hab's zuerst gehabt!"
„Ich schwör, wenn du das noch einmal anfasst, fick ich dich um!"
„Versuchs doch, du Hurenkind!"
Ich wusste nicht, wie zum Teufel die Lehrer es mit denen aushielten. Ich hielt es ja kaum mit ihnen aus.
Muichiro schien das ganze Chaos überhaupt nicht zu jucken. Er lief einfach weiter neben mir her, als würde es ihn nichts angehen. Doch sobald einer seiner Mitschüler ihn ansah – und sei es nur für eine Sekunde zu lang –, verpasste er ihm sofort eine.
„Glotz mich nicht so an, du Lappen", murmelte er, nachdem er einem der Jungs mit einem perfekten Schlag in die Rippen gehauen hatte.
Der Typ sackte zusammen, murmelte ein leises „Ja, sorry, Bro" und tat so, als wäre nichts passiert. Ich schwör, die hatten einfach Angst vor ihm.
Dann kam Hoshino. Natürlich kam Hoshino.
„Sag mal, Muichiro, warum hängst du eigentlich an Genya wie so ein verliebtes Schulmädchen?", fragte er mit einem fiesen Grinsen. „Soll ich dir mal zeigen, wie sich ein richtiger Mann anfühlt?"
Okay. Falscher Satz.
Muichiro blieb abrupt stehen, löste sich von mir – zum ersten Mal seit Stunden – und trat Hoshino so hart gegen das Schienbein, dass der Typ laut aufschrie und sich auf den Boden warf.
„Versuch's doch, und ich brech dir die Finger", sagte Muichiro ruhig, bevor er sich wieder an mich schmiegte, als wäre nichts gewesen.
Ich wollte was sagen. Ich wollte wirklich was sagen. Aber mein Gehirn hatte sich einfach abgeschaltet.
In dem Moment kam Uzui-sensei um die Ecke und sah Hoshino auf dem Boden liegen.
„Was zum...? Hat jemand von euch diesen kleinen Scheißern gesagt, dass wir keine verdammten Gladiatorenkämpfe in der Schule haben?!"
„Hoshino ist einfach nur gestolpert", murmelte ich schnell.
Uzui-sensei blinzelte uns an, schüttelte dann den Kopf und seufzte. „Ihr seid hoffnungslose Fälle."
Und während alle anderen damit beschäftigt waren, Stühle umzuwerfen und sich gegenseitig zu beleidigen, schmiegte sich Muichiro einfach weiter an mich. Und ich ließ es zu.
Muichiro POV:
Ich war schon ziemlich aufgeregt, als wir in der Mensa saßen. Es war das erste Mal, dass ich mit Genya in einer Oberschule war, und es fühlte sich so... anders an. Ich hatte immer das Gefühl, hier fehlte mir etwas, wie ein Teil von mir, der zu groß und irgendwie unpassend für diese Welt war. Doch wenn ich bei Genya war, fühlte es sich ein bisschen besser an.
Als wir an den Tisch gingen, fiel mir auf, dass alle anderen in ihrer Gruppe saßen und quatschten, während ich mich unwohl fühlte. Die Geräusche, die Stimmen, die Blicke – all das war irgendwie zu viel für mich.
Genya redete mit den anderen, aber ich hörte kaum zu. Meine Gedanken waren irgendwie weit weg, und plötzlich wurde mir klar, dass ich wirklich nur Genya sehen wollte.
„Genya...", sagte ich leise, „setz dich doch bitte neben mich."
Er nickte und setzte sich, aber ich wollte mehr. Ein kleines, kindliches Gefühl in mir wollte, dass er mir noch näher war. Ich wollte, dass er mich wirklich hielt. Ich wusste nicht genau, warum – es war einfach ein plötzliches Bedürfnis.
„Genya, du musst mich auf den Schoß nehmen. Bitte", sagte ich, ohne darüber nachzudenken.
Ich sah, wie er einen Moment lang überrascht war, bevor er mir mit einem leichten Lächeln zustimmte. „Okay, wenn du willst."
Er hob mich vorsichtig auf seinen Schoß und ich schmiegte mich sofort an ihn. Es fühlte sich gut an, ihm nahe zu sein. Ich wollte einfach nicht mehr aufstehen, nicht mehr weggehen.
Es war, als würde etwas in mir nach Zuneigung schreien, und ich konnte es nicht abschütteln. Es war ein Gefühl, das tief in mir verborgen lag und immer wieder hochkam, vor allem in Momenten wie diesen.
Als er seine Arme um mich legte, fühlte ich mich sicher, verstanden – irgendwie beschützt. Ich wusste, dass ich bei ihm bleiben wollte, für immer.
„Du bist aber ganz schön anhänglich, Muichiro", sagte Genya scherzhaft, doch ich spürte eine leichte Verlegenheit in seiner Stimme.
Ich zuckte mit den Schultern, zog die Beine an und kuschelte mich noch näher an ihn. „Macht doch nichts, oder? Ich mag es so."
Ich hörte nicht wirklich, was die anderen sagten, aber es war mir auch egal. Ich fühlte mich in diesem Moment vollkommen bei ihm.
Aber dann passierte etwas, das ich nicht ganz verstand. Plötzlich fühlte ich mich ein wenig seltsam, als wäre etwas mit mir nicht in Ordnung. Ich war plötzlich etwas nervös und fühlte mich irgendwie... komisch. Vielleicht war es, weil ich so viel Aufmerksamkeit auf mich zog, oder vielleicht auch, weil ich in dieser großen, lauten Umgebung einfach nicht zurechtkam.
„Genya...", murmelte ich leise, „ich will nicht mehr hier sein. Ich will nur bei dir bleiben."
Ich wusste nicht, warum ich das sagte. Es war einfach, als würde ein Kind, das sich unsicher fühlte, nach der Nähe seiner Mutter suchen. Aber Genya war für mich der einzige, der mir diese Nähe und Sicherheit geben konnte.
„Schon gut", flüsterte er und zog mich noch ein bisschen näher an sich. „Du kannst bei mir bleiben, wann immer du willst."
In diesem Moment vergaß ich alles um mich herum. Es war nur Genya und ich, und es fühlte sich richtig an. Aber tief in mir wusste ich, dass etwas in mir war, das nicht ganz normal war. Ich hatte das Gefühl, dass es mehr war als nur die einfache Zuneigung, die man einem Freund oder einem geliebten Menschen schenkte.
Aber warum fühlte ich mich dann so? Warum hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich mich wie ein kleines Kind verhielt? Und warum brauchte ich Genya so sehr, dass es fast schon übertrieben wirkte?
Ich wusste es nicht, aber es war mir im Moment auch egal. Ich wollte einfach in seiner Nähe bleiben und hoffen, dass es irgendwann klar wurde, was in mir vorging.
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