15
Genya POV:
Am nächsten Morgen, kaum hatte ich einen Fuß auf den Schulhof gesetzt, stürmte Muichiro plötzlich auf mich zu. Ich hatte keine Zeit zu reagieren, bevor er mich an den Kragen packte, sich auf die Zehenspitzen stellte und mir ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Lippen drückte.
Mein Gehirn stürzte ab.
Fehlermeldung.
System überlastet.
Und was tat ich? Ich reagierte aus purem Schock und—SCHOB IHN WEG!
Muichiro taumelte einen Schritt zurück und blinzelte mich mit seinen großen, verwirrten Augen an. Ich hörte, wie um uns herum ein paar Mitschüler erstaunt keuchten. Mein Magen machte einen Salto. Oh. Mein. Gott. Wieso hatte ich das getan?!
Muichiros Blick wurde sekundenlang eiskalt, als hätte ich ihn gerade auf die schlimmste Weise verraten. Ich wollte etwas sagen, mich erklären, aber meine Zunge war plötzlich so nutzlos wie ein kaputtes Ladekabel.
„Du..." begann er langsam, während sich seine Miene in gefährlich süße Unschuld verwandelte, „...hast mich einfach weggestoßen?" Seine Stimme war ruhig, aber das bedeutete gar nichts Gutes.
„I-Ich..." Ich öffnete den Mund, doch bevor ich einen sinnvollen Satz herausbringen konnte, drehte sich Muichiro demonstrativ um und marschierte davon. Aber nicht einfach irgendwohin. Nein. Er ging direkt zu einer kleinen Gruppe von Jungs, die ihn seit Monaten anschmachteten, als wäre er die Hauptfigur in einem romantischen Anime.
Und dann passierte es.
Muichiro, mein Muichiro, lächelte einen von ihnen an. Und nicht einfach so. Dieses Lächeln. Das Lächeln, das er immer nur mir schenkte. Das Lächeln, bei dem mein Herz normalerweise dreifache Geschwindigkeit aufnahm.
„Oh, Hoshino-kun!" trällerte Muichiro mit einer für ihn ungewöhnlich süßen Stimme. „Du hast gesagt, du würdest mir heute deine Notizen aus Mathematik leihen, richtig?"
Ich spürte, wie mein Auge zuckte. Hoshino? Dieser Hoshino? Der Kerl, der Muichiro schon letztes Jahr ein Valentinstagsgeschenk gegeben hatte?!
Hoshino wurde knallrot. „Äh—Ja! Ja, natürlich! Ich hab sie hier!" Er kramte eilig in seiner Tasche, während Muichiro sich leicht an seinen Arm lehnte, als wäre das völlig normal.
Er hatte sich an seinen Arm gelehnt.
Ich stand da, versteinert, unfähig zu atmen. Es war, als hätte Muichiro mich mit einer Bazooka mitten ins Herz geschossen. Und er wusste es.
Er wusste genau, was er tat.
Ich wollte gerade dazwischengehen, als sich plötzlich ein weiterer Verehrer von Muichiro einmischte. „Oh, Muichiro! Falls du Hilfe brauchst, ich kann dir das Thema auch erklären!"
Ich starrte ihn an, als hätte er gerade meine gesamte Existenz in Frage gestellt.
Muichiro blinzelte unschuldig. „Ach, du würdest dir wirklich die Zeit für mich nehmen?" Seine Stimme triefte vor gespielter Überraschung. „Wie nett von dir..."
Ich konnte es nicht mehr ertragen.
„Muichiro!" rief ich laut, marschierte auf ihn zu und griff sein Handgelenk, bevor er noch einen weiteren armen Kerl mit seinem Charme umbringen konnte.
Muichiro drehte sich langsam zu mir um und hob eine Augenbraue. „Oh? Jetzt willst du mich plötzlich anfassen?" Sein süffisantes Grinsen sagte alles. Er genoss das hier viel zu sehr.
„Was zur Hölle machst du?" fauchte ich und zog ihn näher zu mir, sodass unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Brauchst du ernsthaft Mathe-Notizen, oder willst du mich einfach nur umbringen?!"
Muichiro lächelte. „Ach, wie süß, du klingst ja fast eifersüchtig."
„Fast?!" Ich schnaubte. „Ich bin so eifersüchtig, dass ich am liebsten—!" Ich verstummte, weil ich nicht wusste, wie ich den Satz beenden sollte, ohne dass es nach einem Mordplan klang.
Muichiro legte seinen Kopf schief, musterte mich einen Moment lang und kicherte dann. Kicherte! Als ob das hier alles nur ein harmloses Spiel für ihn wäre.
„Hast du jetzt genug Drama für heute?" fragte er mit einem unschuldigen Lächeln.
„Ich—" Ich atmete tief ein. „Muichiro. Ich liebe dich, aber du bringst mich in den Wahnsinn."
Er blinzelte. „Danke, ich weiß." Dann lehnte er sich vor, stellte sich wieder auf die Zehenspitzen und küsste mich noch einmal. Diesmal war ich darauf vorbereitet. Und diesmal zog ich ihn sofort an mich, hielt ihn fest und erwiderte seinen Kuss mit aller Leidenschaft, die ich hatte.
Als wir uns trennten, grinste Muichiro zufrieden. „Na also. Geht doch."
Hoshino und die anderen Jungs standen sprachlos daneben.
Ich warf ihnen einen Blick zu. „Falls ihr Notizen zu irgendwas braucht—geht woanders hin."
Muichiro lachte leise. „Ich wusste doch, dass du mich liebst."
Ich seufzte, lehnte meine Stirn gegen seine und murmelte: „Du hast mich so sehr im Griff, dass es fast schon peinlich ist."
Muichiro strahlte. „Perfekt. Dann weißt du ja, was du zu tun hast, wenn ich dich das nächste Mal küsse."
Muichiro POV:
Ich hatte es endlich verstanden. Wenn ich Genya dazu bringen wollte, mir mehr Zuneigung zu schenken, musste ich ihn einfach nur eifersüchtig machen. Und, na ja... wenn es einen Vorteil hatte, dass ich hauptsächlich von Jungs angehimmelt wurde, dann war es, dass das extrem einfach war.
Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass Hoshino sofort zuschlagen würde.
Kaum hatten sich meine Lippen von Genyas gelöst, packte Hoshino mich am Handgelenk und zog mich von ihm weg.
„Muichiro, wir müssen reden!" fauchte er. Seine braunen Augen blitzten vor Wut – und vor verletztem Stolz.
Ich warf ihm einen unschuldigen Blick zu. „Oh? Gibt es ein Problem?"
„Ja, verdammt noch mal!" knurrte er und sah mich an, als hätte ich ihn persönlich betrogen. „Wieso hängst du immer mit ihm rum?!" Er warf Genya einen giftigen Blick zu.
Genya kniff die Augen zusammen. „Und wieso geht dich das was an?"
„Weil—weil es unfair ist!" platzte Hoshino heraus. „Alle wissen, dass du mit deiner Schönheit jeden haben könntest, Muichiro! Aber stattdessen entscheidest du dich für den da?!"
Oh.
Oh wow.
Ich warf Genya einen kurzen Blick zu. Sein Gesichtsausdruck sagte: Ich werde ihn gleich mit bloßen Händen umbringen.
Ich kicherte leise und legte den Kopf schief. „Hoshino-kun... du weißt schon, dass ich mit Genya zusammen bin, oder? Ich liebe ihn. Das ist kein Zufall."
Hoshinos Gesicht lief rot an. „Ja, aber... aber...!"
Ich seufzte dramatisch und schüttelte sanft meinen Arm, um mich aus seinem Griff zu befreien. „Hoshino-kun. Hör mal. Du bist nett, wirklich. Aber ich stehe nicht auf dich. Und ich werde mich auch nicht von Genya trennen, nur weil du das willst."
„Aber—!"
„Aber gar nichts." Ich trat einen Schritt zurück und lehnte mich demonstrativ an Genya, der sofort einen Arm um meine Hüfte legte.
Hoshino zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen.
Ich sah mich kurz um. Oh ja, wir hatten ein Publikum. Mindestens zehn Jungs, alle mit verschiedenen Graden an Entsetzen und Frust im Gesicht. Ich konnte ihre Gedanken förmlich hören:
Wieso er?!
Muichiro sollte mich lieben!
Ich bin viel besser als dieser Schlägertyp!
Ich grinste und beschloss, den Nagel endgültig in den Sarg zu schlagen.
„Hör mal, Hoshino-kun." Ich lächelte süß. „Du hast ja gesehen, wie gut Genya küsst. Ich meine, du hast es live miterlebt. Er ist einfach perfekt für mich."
Hoshinos Gesicht verzog sich vor Wut.
„Und weißt du was?" Ich ließ meine Finger über Genyas Brust gleiten. „Er ist nicht nur gut im Küssen..."
Hinter mir versteifte sich Genya.
Perfekt.
Hoshino sah aus, als würde er gleich in Flammen aufgehen.
„Muichiro..." murmelte Genya hinter mir, seine Stimme tief und gefährlich.
Ich ignorierte ihn. „Ich glaube, ich habe jetzt genug gesagt. Also, Hoshino-kun... möchtest du immer noch meine Mathe-Notizen teilen?" Ich klimperte mit den Wimpern.
Hoshino presste die Zähne zusammen. „Vergiss es."
„Oh, schade." Ich zuckte mit den Schultern. „Dann muss ich eben meinen süßen, starken, perfekten Freund bitten, mir zu helfen."
Mit diesen Worten drehte ich mich um, nahm Genyas Hand und zog ihn mit mir mit.
Als wir außer Hörweite waren, ließ ich seine Hand los und grinste ihn an. „Na, was sagst du? Ich glaube, ich habe einige Verehrer endgültig abgeschreckt."
Genya starrte mich an. Seine Augen waren halb geschlossen, sein Mund ein dünner Strich.
„Muichiro." Seine Stimme war ruhig. Zu ruhig.
„Hm?"
Er beugte sich plötzlich vor, packte mein Kinn und sah mir tief in die Augen. „Was genau meinst du mit Er ist nicht nur gut im Küssen...?"
Mein Herz machte einen Sprung. Oh.
„Äh..."
Genya zog eine Augenbraue hoch. „Muichiro."
Ich schmunzelte, tippte ihm leicht auf die Nase und flüsterte: „Das erfährst du vielleicht irgendwann."
Dann drehte ich mich um und lief lachend davon, während Genya mir kopfschüttelnd nachsah.
Ja, dachte ich zufrieden. Das war ein erfolgreicher Tag.
Genya POV:
Ich seufzte tief und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. Wie zum Teufel sollte ich Muichiro böse sein, wenn er mich mit diesen großen, unschuldigen Augen ansah, als hätte er absolut nichts falsch gemacht?
Aber verdammt noch mal... Ich war sechzehn. Ein hormonbeladener, verwirrter Teenager. Und er hatte da gerade etwas gesagt, was mein Kopf sehr falsch interpretierte.
Ich starrte auf den Schulhof, wo Muichiro mit einem zufriedenen Lächeln herumhüpfte, als hätte er gerade einen persönlichen Sieg errungen.
„Nicht nur gut im Küssen..." murmelte ich und rieb mir das Gesicht. „Was zum Henker meinte er damit?!"
Neben mir lachte Tanjiro nervös. „Äh... vielleicht meinte er es gar nicht so, wie du denkst, Genya."
„Und wie genau soll ich das denn sonst verstehen?!" Ich warf ihm einen panischen Blick zu. „Tanjiro, ich bin sechzehn! Ich denke NICHT normal! Mein Kopf produziert gerade ALLE möglichen Bilder, die er nicht produzieren sollte!"
Tanjiro wurde knallrot. „Äh..."
Zenitsu, der das Gespräch mitbekommen hatte, stieß ein übertrieben dramatisches Seufzen aus. „Tja, Genya, was soll ich sagen? Du hast einen Freund, der dich auf kreative Art und Weise foltert."
Ich knurrte ihn an. „Halt's Maul."
„Aber er hat recht", fügte Inosuke grinsend hinzu. „Der kleine Wicht hat dich voll im Griff."
Ich knurrte noch lauter. „Ich weiß!"
Tanjiro hob beschwichtigend die Hände. „Aber hey, das heißt doch nur, dass er dich liebt, oder?"
Ich atmete tief durch. Ja, das tat er. Und das war der einzige Grund, warum ich jetzt nicht ausflippen würde.
Doch genau in dem Moment kam Muichiro wieder auf mich zugelaufen. Er sah aus, als hätte er etwas geplant – und ich wusste, dass das nie ein gutes Zeichen war.
„Genya~", summte er und schlang seine Arme um meinen.
Mein Herz schlug schneller. „Was? Was hast du jetzt schon wieder vor?"
Er blinzelte mich mit seinem besten Unschuldslächeln an. „Gar nichts. Ich wollte nur mit dir kuscheln."
Zenitsu lachte laut. „HAHA! Ja klar! Und ich bin der Kaiser von Japan!"
Muichiro ignorierte ihn und schmiegte sich noch enger an mich. „Du bist so süß, wenn du verwirrt bist."
Ich lief rot an. „Hör auf damit."
„Aber ich mag es, dich so zu sehen."
Ich seufzte genervt. „Muichiro, ernsthaft—"
„Sag mal, Genya." Er grinste frech. „Gibt es noch etwas, in dem du gut bist?"
Mein Gehirn stürzte sofort wieder ab.
Oh. Mein. Gott.
Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Hat er das gerade wirklich gesagt?!
Hinter mir konnte ich hören, wie Zenitsu würgend Luft holte, während Inosuke schallend lachte.
„MUIICHIRO!" Ich packte sein Gesicht in meine Hände. „HÖR AUF, SOLCHE SACHEN ZU SAGEN, DIE MAN FALSCH VERSTEHEN KANN!"
Muichiro legte den Kopf schief. „Hä? Was meinst du? Ich meinte, ob du gut in Mathe bist. Ich brauche Nachhilfe."
...Oh.
Ich kniff die Augen zusammen. „Das hast du ABSICHTLICH gemacht."
Muichiro kicherte. „Vielleicht."
Ich ließ sein Gesicht los, drehte mich um und ging einfach weg. Ich konnte nicht mehr. Mein Gehirn hatte genug für heute.
„Genya? Wohin gehst du?" rief Muichiro mir hinterher.
„MEIN HIRN NEU STARTEN."
Muichiro POV:
„Haaaaallo, Muichiro-chan!"
Ich bekam sofort eine Gänsehaut.
Langsam drehte ich meinen Kopf und sah den blonden Oberschüler neben mir stehen. Zenitsu grinste mich mit diesem schleimigen Ausdruck an, den er immer hatte, wenn er sich an irgendjemanden ranschmeißen wollte.
„Was willst du, Zenitsu?" fragte ich tonlos.
Er fuhr sich durch die Haare und zwinkerte. „Ich wollte nur sagen, dass du heute besonders hinreißend aussiehst. Dein Haar glänzt im Sonnenlicht wie die Flügel eines Engels!"
Ich blinzelte ihn an. „Aha."
„Und deine Haut ist so makellos... wie Porzellan."
„Mh-hm."
„Und weißt du, was ich mir gedacht habe?" Er lehnte sich näher. „Jemand wie du sollte nicht mit einem grobschlächtigen Muskelprotz wie Genya zusammen sein. Sondern mit einem wahren Gentleman wie mir!"
Ich starrte ihn an. „...Hast du dir das wirklich gut überlegt?"
„Aber klar doch!" rief Zenitsu aus. „Muichiro, ich bin ein Mann mit Geschmack und du—"
Ich unterbrach ihn. „Also hat dein Überlebensinstinkt heute frei?"
Er blinzelte. „Hä?"
Ich zeigte wortlos hinter ihn.
Langsam, ganz langsam drehte sich Zenitsu um. Und da stand er.
Genya.
Mit einem Gesichtsausdruck, der aussah, als hätte jemand sein Essen vom Tisch geschmissen.
„Muichiro." Seine Stimme war ruhig, aber gefährlich. „Was macht der da?"
Zenitsu hob die Hände. „Hey, hey, hey! Ich hab doch nur—"
„Zenitsu hat mir einen wunderschönen Flirt ins Ohr geflüstert." Ich lächelte süß. „Er meinte, ich sollte lieber mit ihm zusammen sein."
Stille.
Ich konnte förmlich hören, wie Genyas Geduld in sich zusammenbrach.
Zenitsu begann hektisch zu winken. „Moment! Moment! Ich wollte nur—"
„DICH BEGRAB ICH LEBENDIG!" brüllte Genya und sprang nach vorne.
„AHHHH! ICH NEHME ALLES ZURÜCK! GENYA, DU BIST EIN TOLLER FREUND! EIN WUNDERBARER, EINZIGARTIGER—AHHHHHH!"
Zenitsu rannte schreiend über den Schulhof, während Genya ihn verfolgte wie ein tollwütiger Hund.
Ich seufzte zufrieden und verschränkte die Arme.
„Mission erfüllt."
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