08
Genya POV:
Es war wieder einer dieser Tage. Ich saß mit den anderen Jungs in der Umkleide und versuchte, mich auf den Sportunterricht zu konzentrieren. Aber irgendwie war meine Aufmerksamkeit immer wieder bei Muichiro. Das war nichts Neues, aber diesmal war es anders. Dieses Kribbeln in meinem Bauch, das Gefühl, als würde mein Herz gleich aus meiner Brust springen, wenn ich nur an ihn dachte – es war einfach nicht mehr zu ignorieren.
„Hey, Genya!" Tanjiro rief plötzlich nach mir, als er mir eine Schulterklopfer verpasste. „Du bist heute aber besonders ruhig. Hast du etwa endlich eine Freundin gefunden?"
Ich sprang vor Schreck fast vom Bank. „Was?!", stotterte ich und merkte sofort, wie meine Wangen warm wurden. „Ne...nein! Ich... ich hab keine Freundin." Ich war so rot, dass es fast schmerzhaft war. Wie konnte Tanjiro das nur so direkt sagen? Und warum war ich überhaupt so nervös? Ich schüttelte schnell den Kopf, versuchte die peinliche Situation zu überspielen.
„Komm schon, Genya", mischte sich Zenitsu ein, der an der anderen Seite der Umkleide stand und mich mit einem viel zu breiten Grinsen anschaute. „Du bist doch nicht für immer der Einzelgänger. Es ist Zeit, dass du eine Freundin bekommst. Vielleicht eine von den Mädchen aus der Parallelklasse, oder...?"
„Ich habe keine Freundin!" Ich wollte nicht so direkt schimpfen, aber das war einfach zu viel. Diese Situation war schon unangenehm genug.
„Ach, wie auch immer", lachte Inosuke, der sich mittlerweile ein T-Shirt über den Kopf zog. „Ich glaub' dir das nicht. Wir haben doch alle gesehen, wie du immer so komisch lächelst, wenn du von ihr sprichst."
Ich hielt mir die Hand vor das Gesicht, um zu verhindern, dass sie mein Feuerrote Wangen sahen. „Es ist nicht wie du denkst! Es ist..." Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
In diesem Moment fiel mir plötzlich ein, dass Muichiro bald auf diese Schule gehen würde. April. In ein paar Wochen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wäre, ihn endlich jeden Tag zu sehen. Aber gleichzeitig machte es mich nervös. Würde er mich wirklich bemerken? Würde er mich immer noch so ansehen, wie damals? Oder hatte ich ihn inzwischen vergessen? Nein, das konnte nicht sein. Ich hatte ihn nie vergessen.
„Also... was sagst du? Eine Freundin?" Tanjiro fragte erneut und schien meine gedankliche Ablenkung nicht zu bemerken.
Ich schnaufte und versuchte, die Verlegenheit zu überspielen. „Ich hab' keine Freundin, Tanjiro. Aber vielleicht... vielleicht ja irgendwann, wenn es der Richtige ist. So wie... du weißt schon, der... der besondere Mensch."
Die Jungs sahen mich mit großen Augen an. Sie verstanden nicht, was ich meinte, und ich war froh, dass sie es nicht taten. Das würde mir noch ein bisschen mehr Zeit geben, darüber nachzudenken, wie es mit Muichiro weitergehen sollte. Wie es mit mir und ihm weitergehen könnte.
Muichiro POV:
Ich saß in der Klasse und starrte aus dem Fenster. Irgendwie konnte ich mich heute wieder auf nichts konzentrieren. Die Stunden zogen sich und die Lehrer redeten nur den ganzen Tag vor sich hin. Plötzlich stand ein Lehrer vor mir und riss mich aus meinen Gedanken. „Muichiro, du kommst sofort mit!", sagte er schroff und zog mich aus meinem Stuhl.
„Was? Aber ich hab doch nichts gemacht!", protestierte ich, aber er ignorierte mich einfach und zog mich durch den Flur.
Kaum war ich im Flur, sah ich, dass auch Mama, Papa und Yuichiro bereits dort waren. Mein Herz zog sich zusammen. Was war jetzt wieder los? Warum waren sie alle hier?
In der Direktion angekommen, wurde mir schnell klar, dass es nichts Gutes war. Ein Lehrer war auch schon da und sah mich streng an. „Muichiro, wir müssen reden", sagte er und deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Ich setzte mich und versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, was hier gerade abging.
„Es geht um das Beobachten der Oberschülerinnen", sagte der Lehrer dann. „Es wurde berichtet, dass jemand die Mädchen beim Umziehen beobachtet hat, und wir haben dich dabei gesehen."
Ich starrte ihn entgeistert an. „Was?! Ich hab das nicht gemacht!", rief ich aus. „Das war Yuichiro! Nicht ich!"
Der Lehrer sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Nun, du bist hier, also..."
„WAS?!" rief Yuichiro aus und sprang von seinem Stuhl auf. „Das war nicht Muichiro, das war ich! Warum redest du von ihm?!"
„Yuichiro!" Mama griff sofort ein. „Beruhige dich. Wir wissen doch, dass es dich betrifft, aber du musst den Fehler zugeben. Wir wissen, dass du die ganze Zeit damit beschäftigt bist, die Mädchen zu beobachten!"
Ich konnte es nicht fassen. Wie konnte das passieren? Warum musste ich immer in den Ärger mit Yuichiro geraten, nur weil wir uns so ähnlich sahen? Ich verschränkte die Arme und starrte auf den Boden.
„Aber es war wirklich nicht ich!", wiederholte ich frustriert. „Ich will nur in Ruhe gelassen werden!"
„Genau wie immer", murmelte Yuichiro, der sich nun wieder zurücklehnte und den Kopf schüttelte. „Du bist immer der Unschuldige, und ich der Böse. Immer."
Mama seufzte. „Es tut mir leid, Muichiro. Aber du solltest wirklich ein bisschen aufpassen, was du tust."
Ich konnte nicht glauben, was hier gerade passierte. Natürlich hatte ich nichts getan, aber in den Augen aller schien es, als ob ich genauso schuldig war wie mein Bruder. Sie hätten uns einfach auseinanderhalten sollen, dann wären diese Missverständnisse nicht passiert.
„Warum muss ich immer der Schuldige sein?", murmelte ich, als ich das Büro wieder verließ, mit einem Kopf voller Gedanken.
Genya POV:
Es war Mittagspause, und ich schlenderte mit ein paar Jungs aus meiner Klasse über den Schulhof. Ich dachte eigentlich an nichts Besonderes—okay, gelogen. Ich dachte an Muichiro. Wie jeden Tag. Wie jede verdammte Sekunde.
Als ich zum Schultor blickte, blieb mein Herz stehen. Da stand er.
Muichiro.
Seine cyanfarbenen Augen funkelten kalt, sein Haar wehte leicht im Wind. Wieso stand er ausgerechnet vor meiner Schule? Ich musste mich zusammenreißen, um nicht sofort loszurennen und ihn in meine Arme zu ziehen. Stattdessen starrte ich ihn einfach nur an wie ein Vollidiot.
„Ohhh, wer ist denn das?" fragte einer der Jungs neben mir.
„Ein neues Mädchen? Man, die ist ja voll süß! Guck mal ihre Augen!"
„Und diese Haare! Wie Seide, Alter!"
Ich drehte mich langsam zu ihnen um. Mein linker Augenlid zuckte. Hatte ich mich gerade verhört?
„Jungs..." begann ich, aber sie waren schon unterwegs zu Muichiro. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Und es würde absolut nicht gut enden.
„Hey, Süße! Was machst du denn hier ganz alleine?" rief einer der Typen.
Muichiro schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch und drehte sich dann einfach um, um zu gehen. Ich hätte wissen müssen, dass das nicht gut ausgehen würde.
Der kräftigste Kerl in unserer Gruppe—sein Name war Ryo, und er war ein Vollidiot erster Klasse—packte Muichiro am Handgelenk und hielt ihn zurück.
„Wo willst du denn hin, Kleine?" fragte er mit einem breiten Grinsen. „Wir wollen doch nur reden!"
Ich fühlte, wie mein Blut kochte. Bevor ich reagieren konnte, versuchte Muichiro sich loszureißen, aber Ryo war stark. Zu stark. Und er hielt seine Hände fest, sodass Muichiro ihm keine klatschen konnte.
„Hör sofort auf", sagte Muichiro eisig. Seine Stimme war scharf wie eine Klinge.
„Oh, was ist los? Bist du schüchtern?" Ryo grinste selbstgefällig. „Ich mag schüchterne Mädchen. Soll ich dich ein bisschen aufmuntern?"
Ich sah rot.
Bevor ich auch nur eine Sekunde weiter darüber nachdenken konnte, hatte ich meine Faust schon in Ryos Gesicht versenkt. Der Kerl taumelte zurück und ließ Muichiro los.
„Du IDIOT!" brüllte ich. „Das ist kein Mädchen, das ist Muichiro! MEIN Muichiro!"
Stille.
Die Jungs sahen mich an, als hätte ich gerade gesagt, dass ich der neue Schuldirektor wäre.
„Äh... warte mal... das ist ein Typ?" murmelte einer.
Muichiro rieb sich das Handgelenk und sah mich mit einem undefinierbaren Ausdruck an. War es Wut? Überraschung? Vielleicht sogar... ein kleines bisschen Dankbarkeit?
Ryo hielt sich die Nase und blinzelte mich entgeistert an. „Alter... du stehst auf—"
Ich schlug ihn erneut. Härter.
„Sag. Ein. Wort. Und. Ich. Brech. Dir. Noch. Mehr. Als. Nur. Die. Nase."
Ryo ging zu Boden. Keiner der anderen Jungs traute sich, etwas zu sagen.
Muichiro seufzte und richtete sein Hemd. Dann sah er mich an.
„Hättest du ihn nicht K.O. geschlagen, hätte ich das getan", sagte er kühl.
Ich grinste. „Ja, aber er hat deine Hände festgehalten."
Muichiro schnaubte. „Ich hätte trotzdem einen Weg gefunden." Dann sah er mich einen Moment lang schweigend an. Schließlich drehte er sich um.
„Ich muss gehen. Danke, Genya."
Dann war er weg.
Und ich stand da, mein Herz schlug immer noch viel zu schnell, und meine Fäuste zitterten leicht von der Aufregung.
Mein Muichiro.
Muichiro POV:
Genya hatte mich tatsächlich beschützt.
Das war neu.
Normalerweise war ich derjenige, der andere zurechtstutzte, wenn sie mich falsch behandelten. Ich war es gewohnt, mich selbst zu verteidigen. Und jetzt... hatte Genya das für mich getan.
Ich wusste nicht, was mit mir los war, aber ich konnte nicht aufhören zu lächeln.
Doch dann kam mir eine Erinnerung wieder hoch.
Seine Worte.
„Mein Muichiro!"
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
Was meinte er damit? Warum hatte er es so besitzergreifend gesagt? Und warum... warum fühlte es sich so gut an?
Ich spürte, wie mir warm wurde, und bevor ich wusste, was ich tat, drehte ich mich um und rannte los.
Zurück zu Genya.
Ich hatte keine Ahnung, was genau ich wollte, aber mein Körper bewegte sich einfach von selbst.
Er stand immer noch dort, als ich ihn erreichte, mit seiner blutenden Faust und einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.
„Muichi—"
Bevor er den Satz beenden konnte, prallte ich gegen ihn und umarmte ihn fest.
„Uff!" keuchte er überrascht.
Ich presste mein Gesicht gegen seine Schulter und schloss die Augen. Seine Wärme... sein Geruch... es war irgendwie beruhigend.
„Danke", murmelte ich leise.
Genya erstarrte. Eine Sekunde lang bewegte er sich nicht. Dann spürte ich, wie sich seine Arme langsam um mich legten. Zögerlich. Als wäre er sich nicht sicher, ob er das durfte.
„Äh... Muichiro...?" fragte er unsicher.
„Sag noch mal, dass ich dein Muichiro bin", forderte ich.
Er zog scharf die Luft ein.
„W-was?"
Ich löste mich etwas von ihm und sah zu ihm hoch. Seine Wangen waren rot, seine Lippen leicht geöffnet.
„Du hast es vorhin gesagt. ‚Mein Muichiro'. Sag es noch mal."
Er schluckte. Seine Augen huschten nervös hin und her.
„M-mein Muichiro", brachte er schließlich heraus.
Etwas in meiner Brust flatterte. Ich spürte, wie sich meine Finger in seinem Hemd verkrampften.
Ich wollte... ich wollte mehr davon hören.
Von ihm.
Aber... das war dumm, oder? Ich meine... es war Genya.
Mein Genya.
Ich wurde rot.
Verdammt. Was war das für ein Gefühl?
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