07

Genya POV:

Ich hatte mich gerade von der Bank erhoben, als ich plötzlich spürte, wie mich eine zarte, aber bestimmte Hand an der meinen festhielt. Verwirrt sah ich nach unten und erkannte Muichiros schlanke Finger, die sich um mein Handgelenk legten.

„Warte", murmelte er. Seine Stimme war leise, fast schüchtern, und er sah dabei zur Seite, als würde er versuchen, meinen Blick zu vermeiden.

„Was ist?" fragte ich unsicher. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich hoffte, dass er es nicht hören konnte.

„Ich..." Er zögerte kurz, biss sich auf die Unterlippe und sah dann doch endlich zu mir auf. Seine cyanfarbenen Augen schimmerten im Licht, und ich fühlte mich, als würde ich darin versinken. „Ich wollte dich fragen, ob... ob ich dich zur Oberschule begleiten soll."

„Hä? Echt jetzt?" Ich blinzelte ihn überrascht an. „Du willst mich begleiten?"

„Ja, hast du ein Problem damit?" fragte er und hob herausfordernd eine Augenbraue.

„Äh, nein! Überhaupt nicht!" stammelte ich schnell. „Das wäre... nett."

Er ließ meine Hand los, und ich konnte endlich wieder atmen. Yuichiro, der die Szene von der Bank aus beobachtete, grinste breit.

„Ach, wie süß", meinte er spöttisch. „Du bringst ihn also heim wie ein Gentleman? Soll ich euch zwei allein lassen?"

„Halt die Klappe, Yuichiro", sagte Muichiro genervt und warf ihm einen kalten Blick zu. Dann sah er wieder zu mir. „Gehen wir?"

Ich nickte nur und folgte ihm, während Yuichiro hinter uns her rief: „Vergiss nicht, Genya, er mag keine lahmen Anmachsprüche!"

„YUICHIRO!" Muichiro wirbelte herum, warf ihm einen tödlichen Blick zu und murmelte etwas, das ich nicht verstand.

Auf dem Weg zur Oberschule herrschte erst einmal Stille zwischen uns. Es war eine angenehme Stille, aber mein Herz raste trotzdem, als ob ich gerade einen Marathon gelaufen wäre.

„Also...", begann ich schließlich, um die Stille zu durchbrechen. „Warum... ähm... willst du mich begleiten?"

„Weil du dumm bist", antwortete er trocken, ohne mich anzusehen.

„Was?!" Ich blieb stehen und starrte ihn ungläubig an.

Er seufzte und blieb ebenfalls stehen, seine Arme verschränkt. „Du lässt dich doch von jedem herumschubsen. Du hast kein Rückgrat, Genya. Also dachte ich, ich passe auf dich auf."

„Wow, danke", murmelte ich und fühlte mich leicht beleidigt.

„Keine Ursache." Er zuckte mit den Schultern und ging weiter.

Ich lief ihm hinterher und versuchte, nicht beleidigt zu wirken. „Aber mal ehrlich, Muichiro... du bist echt schwer einzuschätzen. Eben noch ohrfeigst du mich, und jetzt willst du mich beschützen?"

Er blieb stehen, drehte sich um und sah mich mit einem Blick an, der sowohl genervt als auch... weich war?

„Weißt du, Genya..." Er schüttelte den Kopf und lächelte leicht. „Du bist wirklich ein Idiot. Aber irgendwie... mag ich das an dir."

Mein Herz setzte einen Schlag aus. „Was?"

„Vergiss es." Er drehte sich wieder um und ging weiter, ließ mich sprachlos zurück.

Ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen, bevor ich ihm hinterher rannte. „Hey, Moment mal! Was meinst du mit ‚irgendwie magst du das an mir'?!"

„Ich meine, genau das, was ich gesagt habe."

„Das ist keine Antwort!"

„Tja, mehr bekommst du nicht."

Ich sah ihn an, wie er lässig neben mir herlief, und spürte, wie sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete. Vielleicht hatte ich doch eine Chance. Und wenn nicht, würde ich es trotzdem weiter versuchen – so oft, bis er mich irgendwann nicht mehr abweisen konnte.

Muichiro POV:

Ich ging langsam zurück zu Yuichiro, der immer noch mit einem Fernglas in der Hand an der Bank lehnte und die Oberschülerinnen in der Umkleide beobachtete. Typisch für ihn. Ich wusste, dass er die Größe der Oberschule hasste, aber es war irgendwie immer das Gleiche – er versuchte, alles Mögliche zu tun, um sich zu amüsieren, und das beinhaltete auch das Stalken von Mädchen.

„Yuichiro", seufzte ich und setzte mich neben ihn auf die Bank. „Du solltest wirklich aufhören, das zu tun."

Er grinste mich an, ohne den Blick von seinem Fernglas zu nehmen. „Ach, komm schon, Muichiro. Was ist so schlimm daran? Es macht Spaß. Du solltest mal einen Blick werfen."

Ich verdrehte die Augen. „Du bist echt krank, weißt du das?"

„Ich bin einfach ein Mann, der das Leben in vollen Zügen genießt", antwortete er mit einem breiten Grinsen. „Und du, mein kleiner Engel, solltest das auch tun."

Ich schnaubte. „Ich bin kein Engel, Yuichiro. Ich will nicht in deine perversen Spielchen verwickelt werden."

„Du bist ein Engel, Muichiro, und du weißt es. Du bist viel zu gut für diese Welt", sagte er und blinzelte mir zu. „Ich meine, wer hat schon das Aussehen, die Intelligenz und diesen Charme, hm? Jeder sollte dich anbeten."

„Oh bitte", murmelte ich und verschränkte die Arme. „Du bist unmöglich."

Yuichiro lachte. „Vielleicht. Aber du kannst mir ja einfach mal einen Blick abgeben, Muichiro. Ich verspreche, ich werde nicht böse, wenn du es nicht magst."

Ich schüttelte den Kopf, aber dann zwang er mich, wie immer.

„Okay, okay", seufzte ich. „Nur einen kurzen Blick, aber dann hör auf, mich zu nerven."

Er gab mir das Fernglas, und ich schielte durch das Objektiv. Eigentlich war es gar nicht so schlimm, aber das war der Moment, in dem ich merkte, wie nervös ich in seiner Nähe war. Es war, als ob der Himmel sich über mir verdunkelte. Nicht wegen dem Fernglas – sondern weil ich mir in diesem Moment ganz sicher war, dass Yuichiro etwas in mir sah, was ich selbst vielleicht gar nicht verstand.

„Na, was sagst du?", fragte er mit einem schelmischen Grinsen. „Interessiert?"

Ich zog das Fernglas wieder von den Augen und starrte ihn an. „Ich sehe nicht, was du daran so aufregend findest."

„Du hast einfach noch nicht den richtigen Blick drauf, Bruder. Du musst das Ganze aus einem anderen Blickwinkel betrachten", antwortete er mit einem Augenzwinkern.

Ich zuckte die Schultern und gab ihm das Fernglas zurück. „Du bist wirklich ein verdrehter Kerl, Yuichiro. Aber wenn du es wirklich so toll findest, dann behalte deinen Spaß."

Er lachte, als ich mich auf den Weg zurück zur Oberschule machte. „Ich hoffe, du fängst bald an, dich von dieser Engel-Maske zu befreien, Muichiro. Denn wenn du erst mal wirklich zu dir selbst findest, wirst du sehen, dass du viel mehr bist als nur ein Engel."

Ich drehte mich um, sah ihn noch einmal an und schüttelte dann einfach den Kopf. Wahrscheinlich hatte er recht – irgendwie fand er immer irgendeine verdrehte Weise, wie er mich aus der Reserve lockte. Aber es war irgendwie auch nicht schlecht, immer einen Bruder wie ihn zu haben.

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